Ansichten eines Regenwurms

Mit dem Regenwurm ist es so eine Sache. Meist nimmt ihn keiner wahr und ernst nehmen tut ihn kaum jemand. Und doch: meist ist er da und oft auch wichtig. Ein eigenes Leben hat er allemal, wenn auch überwiegend unter der Erde - da wühlt und gräbt er sich durch alles durch und kommt mit allem in Kontakt, was es da so gibt im Wurzelbereich und drunterhinaus. Was dahin gerät - und das meiste kommt früher oder später mal da an - betrifft ihn und seine Freunde. Ab und zu kommt Rupert (so der Name des Regenwurms) an die Erdoberfläche, um zu sehen, was die da oben schon wieder alles treiben. Und gibt Kunde davon seinen staunenden Kumpels im Erdreich und jenen über der Erde, die sich für ihn interessieren.

Mit Intelligenz gestraft

“Gestern wurde Thaddäus Troll auf dem Steigfriedhof beerdigt. An seinem Grab spielte eine Dixieland-Band. Der Pfarrer faßte sich kurz. Cannstatter Trollinger wurde ausgeschenkt. Die Trauergäste erhielten folgenden Text:

Liebe Freunde – mein vor ein paar Tagen beendetes Leben lang hatte ich eine Aversion gegen die Zeremonien einer Beisetzung. Die routinierte Pompe funèbre; die Betretenheit der Trauergäste; der bemühte Trost des Priesters; die larmoyante Schönfärberei der Nachrufer; der rasche Transit des Krematoriums; die gewerbsmäßig geheuchelte Anteilnahme der Sargträger; die jämmerlichen Bläser, die hinter Grabsteinen getarnt ihren Zank unterbrachen, um ‚So nimm denn meine Hände‘ zu tuten; der Motor der Pflicht, der die meisten Anwesenden in schlechtsitzende, eingemottete Trauerkleidung gezwängt und zum Friedhof getrieben hatte – das alles löste aus, daß ich mich mit der kalauernden Begründung: ‚Der kommt ja auch nicht zu der meinigen‘ vor Beisetzungen drückte. Um die heutige Beerdigung komme ich mit dem besten Willen nicht herum.“

Dies der Beginn des „Nachruf zu Lebzeiten“ von Thaddäus Troll. Seine Beerdigung fand tatsächlich wie gewünscht im Jahre 1980 statt.

 

Trotzdem die meisten Menschen weder Ironie noch Hintergründiges verstehen, gibt es doch einige Wenige, die sich daran erfreuen können. Vor allem dann, wenn die Ironie angekündigt ist. Etwa im Kabarett oder in der Glosse in der Zeitung. Wenn gesagt wird „jetzt wird’s ironisch“, dann besteht wenigstens die Möglichkeit, dass es verstanden wird.

Wir Bewohner des Erdreichs verehren Thaddäus Troll als Meister des Sprachwitzes und der Ironie und denken an ihn gerade in diesen Tagen, an denen er 100 Jahre alt geworden wäre.

Preußisches Regulativ

Vor 175 Jahren wurde das erste deutsche Gesetz zum Arbeitsschutz erlassen. Anders ausgedrückt: vor 1839 gab es überhaupt keine Regeln und Gesetze.

Und dieses Gesetz, das Preußische Regulativ vom 9. März 1839 (eigentlich: Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter) war ein Gesetz, mit dem die Kinderarbeit eingeschränkt wurde.

Mensch lese und schaudere: „Durch das Preußisches Regulativ wurde Kindern bis zum neunten Lebensjahr die regelmäßige Arbeit in der Fabrik, in Berg-, Hütten- und Pochwerken verboten. Die Arbeitszeit der Jugendlichen unter 16 Jahren durfte zehn Stunden nicht überschreiten. Jugendlichen unter 16 Jahren, die keine dreijährige Schulzeit nachweisen konnten, wonach sie die „Muttersprache geläufig lesen“ und „einen Anfang im Schreiben gemacht“ haben, wurde die Fabrikarbeit untersagt. Davon ausgenommen waren Fabriken, denen eigene Schulen angegliedert waren und die einen Bildungsanspruch garantierten. Nachtarbeit von 21 Uhr bis 5 Uhr, Sonn- und Feiertagsarbeit wurde für Jugendliche verboten.“

Respekt vor Edathy

Es ist soweit: die Volksseele kocht. Gegenüber einem Menschen, der (soweit bekannt) gegen kein Gesetz verstoßen und keinem Menschen geschadet hat. Und dennoch ins Ausland fliehen musste.

Was hat dieser Mensch verbrochen? Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy hat sich in seinem stillen Kämmerlein Bilder und Filme von nackten Jungs angesehen. Da darauf keine sexuellen Handlungen zu sehen waren, war das alles ganz legal.

Boxer-Aufstand

In Kiew eskaliert die Gewalt mit Dutzenden von Toten in den letzten Tagen. Wie auch immer die ganze Geschichte ausgehen mag: gut wird sie nicht ausgehen. Seit ihrer Loslösung von der Sowjetunion ist die Ukraine ein Spielball ausländischer Mächte. Je mehr Zeit vergeht, umso deutlicher wird das und es ist nur die Frage, wessen Marionette letztendlich siegen wird.

Mensch braucht sich keinen Illussionen hinzugeben: „Gute“ gibt es in diesem Spiel keine. Im Wesentlichen gibt es dafür zwei Gründe: eine unsägliche Korruption, die sich durch sämtliche Institutionen zieht bis hin zu Politik, Polizei und Justiz. Und: vor nur wenigen Jahren gab es schon einmal eine erfolgreiche Revolution. Kaum an der Macht, ging’s genauso weiter wie schon zuvor. Es gibt leider keine Alternativen für die Ukraine.

Unausrottbar

Diese Woche ist Max Schönbohm im Alter von 19 Jahren gestorben. Und zwar an den Spätfolgen von Masern, die er sich als Baby zugezogen hatte. Sein Leiden und sein Tod waren völlig unnötig und sind zutiefst ärgerlich. Auf Max Schönbohm wird der Wurm zum Schluss noch zurück kommen. Auf jeden Fall sind Masern alles andere als harmlos.

Hier der Link zu Wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Masern

 

Und hier ein Auszug aus einem FAZ-Bericht:

„Im Jahr 2012 ist die Zahl der Menschen, die an Masern gestorben sind, auf einen historischen Tiefstwert gesunken. Kamen zur Jahrtausendwende noch 562.000 Menschen durch die hochansteckende Infektionskrankheit zu Tode, so waren es 2012 geschätzt 122.000, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mitteilt. Das sei zwar ein Rückgang um 78 Prozent. Und in den zwölf Jahren habe man auch 13,8 Millionen Maserntode durch weitreichende Impfkampagnen vermeiden können.

Trotzdem stürben noch immer etwa 330 Menschen jeden Tag an der vermeintlich harmlosen Kinderkrankheit. Das sind 14 Masernopfer jede Stunde. Die Krankheit, die durch ein Virus ausgelöst wird, bleibt damit nach WHO-Angaben eine der häufigsten Todesursachen von Kindern, obwohl es bereits seit Jahrzehnten eine „sichere und kostengünstige Impfung“ gebe. Allein 2012 konnten 145 Millionen Kinder gegen Masern geimpft werden, seit 2000 mehr als eine Milliarde auf der ganzen Welt.“

http://www.faz.net/frankfurter-allgemeine-zeitung/masern-jede-stunde-sterben-14-kinder-12794909.html

 

Durch die entsprechenden Impfungen lässt sich diese Krankheit ausrotten. Die USA und die skandinavischen Länder haben das tatsächlich geschafft, jedoch

„In Deutschland sind laut Robert Koch-Institut (RKI) 2013 insgesamt 1775 Menschen an Masern erkrankt, damit erlebte das Land die stärkste Krankheitswelle seit sieben Jahren … Nachdem sie durch Impfungen weitgehend zurückgedrängt wurden, breiten sich Masernviren seit einigen Jahren wieder in Europa aus.“

http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/rki-bilanz-fuer-2013-deutschland-erlebte-schwere-masern-welle-a-944915.html#js-article-comments-box-pager

 

Und woran liegt das?

„Als Hauptursachen der wieder zunehmenden Verbreitung gelten vor allem Impfmüdigkeit und Fehlinformation. Die steigenden Masern-Infektionszahlen in den vergangenen Jahren korrelierten statistisch nachweisbar mit niedrigen Impfungsraten bei Kindern und Jugendlichen.“

Das stimmt zwar. Ärgerlich ist aber, dass der SPIEGEL das sehr allgemein hält. Da drängt sich wurm der Eindruck auf, dass es sich um was Ähnliches handelt, wie wenn jemand keine Lust hat, zu irgend einer Vorsorge-Untersuchung zu gehen. Leider handelt es sich bei den Masern aber um eine hochansteckende Krankheit und die Gruppe der Impfmüden und Fehlinformierten, die Gesundheit und Leben anderer gefährden, lässt sich sehr genau lokalisieren.