Ansichten eines Regenwurms

Mit dem Regenwurm ist es so eine Sache. Meist nimmt ihn keiner wahr und ernst nehmen tut ihn kaum jemand. Und doch: meist ist er da und oft auch wichtig. Ein eigenes Leben hat er allemal, wenn auch überwiegend unter der Erde - da wühlt und gräbt er sich durch alles durch und kommt mit allem in Kontakt, was es da so gibt im Wurzelbereich und drunterhinaus. Was dahin gerät - und das meiste kommt früher oder später mal da an - betrifft ihn und seine Freunde. Ab und zu kommt Rupert (so der Name des Regenwurms) an die Erdoberfläche, um zu sehen, was die da oben schon wieder alles treiben. Und gibt Kunde davon seinen staunenden Kumpels im Erdreich und jenen über der Erde, die sich für ihn interessieren.

Menschen-Fischer

„Tausende Menschen verdanken Rupert Neudeck ihr Leben – und haben es ihm in einem bewegenden Gottesdienst gedankt. Es war ein Abschied, bei dem viel gelächelt wurde.

Es war, als hätten sich in St. Aposteln zu Köln alle 10.375 boat people versammelt, die Rupert Neudeck mit seiner Hilfsorganisation Cap Anamur aus dem Südchinesischen Meer gerettet hat, samt ihrer Kinder und Kindeskinder. Die Trauerfeier für den vor zwei Wochen im Alter von 77 Jahren gestorbenen Neudeck am Dienstag dieser Woche wurde ein großer vietnamesischer Dankgottesdienst …

Rainer Maria Kardinal Woelki, der die Messe zelebrierte, würdigte das Wirken dieses Menschenretters: "Rupert Neudeck hat das Leben verteidigt, konsequent und kompromisslos. Viele von Ihnen, die heute hier sind, verdanken ihm ihr Leben" …

"Er schien noch so viel, so unendlich viel vorzuhaben", sagte der Kardinal und fragte: "Woher nahm der Mann diese Kraft?"

Nicht zuletzt wohl aus seinem Glauben. Denn Neudeck hat selbst einmal katholische Theologie studiert, schloss sich den Jesuiten an, unterwarf sich ihren strengen Exerzitien. Warum er Theologie studierte? "Weil es das Radikalste ist, was man machen kann", lautete Neudecks Antwort. Er hat sich dann der Philosophie zugewandt, promovierte über die politische Ethik bei Sartre und Camus. Jesus und Camus blieben seine Leitfiguren, das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter und der Mythos des Sisyphos seine ethischen Leitplanken …

Anders gesagt: Er hat ein vorbildliches Leben gelebt. Sein Einsatz kontrastierte mit dem Kleinmut von uns "gewöhnlichen Menschen". So sagte es der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani, auch er ein Schriftgelehrter – oder besser: ein Schriftengelehrter, denn er kennt sich im Koran genauso gut aus wie in der Bibel. Kermani schilderte in seiner Ansprache das "mulmige Gefühl", mit dem wir nach den Abendnachrichten manchmal ins Bett gehen: Wieder sind Menschen im Mittelmeer ertrunken, aber wir tun nichts. Wir haben gelernt, die Bilder "auszuhalten".

Neudeck aber wollte diese Bilder nicht aushalten. Er wollte nicht zu den Vernünftigen zählen, zu den Pragmatikern, die wissen, dass wir zusammenbrechen, wenn wir uns das ganze Elend dieser Welt auflasten, und damit unser Nichtstun entschuldigen – wenn auch "mit mulmigem Gefühl". Navid Kermani sagte: "Wir Vernünftigen legen uns ins Bett und löschen das Licht." Neudeck konnte das nicht. Er blieb ein unbequemer, ja unerbittlicher Radikaler im humanitären Dienst.“

http://www.zeit.de/politik/2016-06/rupert-neudeck-trauerfeier-koeln

Rupert Neudeck hat es wahrlich verdient, dass ihn der Wurm würdigt. Als Einstieg bietet sich der Film „Mission: Menschen retten - Rupert Neudeck und die Cap Anamur“ an:

 

 

Bedingungsloses Grundeinkommen

Letzten Sonntag kam es in der Schweiz zu Volksabstimmungen. Zur Disposition stand unter anderem das Bedingungslose Grundeinkommen. Der Vorteil von solchen Volksabstimmungen ist, dass diejenigen, die abstimmen, sich zumindest kurz mit der jeweiligen Thematik auseinandersetzen müssen. Siehe auch http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/97-hassobjekt-schweiz.html

Trotzdem die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) deutlich abgelehnt wurde, wissen jetzt viele Schweizer, worum es sich handelt. Im Gegensatz zu anderen Nationalitäten – da geistern Vorstellungen herum, die nicht immer der Realität entsprechen.

Es handelt sich weder um ein Schlaraffenland für Müßiggänger noch um einen Schaden für den Staat oder die Wirtschaft – im Gegenteil: zum größten Teil wird für das BGE vom intelligenteren Teil der Wirtschaft Werbung gemacht. Den humanitären Aspekt kann mensch entweder als Kollateral-Nutzen ansehen oder als bewusstes Konzept, das Effizienz- und Fairnessüberlegungen dauerhaft miteinander versöhnt.

Zumindest für die Vermeidung von explosiven internen Auseinandersetzungen wird das BGE so ziemlich die letzte Chance sein. Rational spricht nichts dagegen – da die Menschen entgegen ihrer Selbst-Einschätzung aber höchst irrational sind, kann es sich der Wurm kaum vorstellen, dass das BGE jemals in einem größeren Industriestaat eingeführt wird.

Als Einstieg in die Materie lohnt sich der Dokumentarfilm der Initiatoren der Schweizer Volksabstimmung, Daniel Häni und Enno Schmidt, aus dem Jahr 2011:

 

 

Allons enfants de la Patrie!

Wir befinden uns im Jahre 2016 unserer Zeitrechnung. Die ganze westliche Welt ist von den Großkapitalisten und ihren Helfern besetzt ... Die ganze westliche Welt? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Land hört nicht auf, den Unterdrückern Widerstand zu leisten.

Aktuell ist der Versuch im Gange, die in Jahrzehnten erfochtenen Rechte zu schleifen und die Gallier endgültig zu unterjochen, so wie alle anderen Völker des Imperiums schon unterjocht wurden. Doch die Gallier sind unbeugsam. Sie lassen sich nicht alles nehmen. Auch nicht von ihren eigenen Häuptlingen.

Der Verteidigungskampf der Gallier ist eine der letzten Hoffnungen der von den Mächten der Finsternis unterdrückten Völker.

Baden in Milch

„Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat die Ursache für den Verfall beim Milchpreis beim Namen genannt: Ursache der Entwicklung seien starke Einbrüche bei der Nachfrage. „Der Stein, der das alles ins Rollen gebracht hat, war das Russland-Embargo“, sagte BV-Generalsekretär Bernhard Krüsken der Nachrichtenagentur Reuters. Nach dem Inkrafttreten der Sanktionen war der Milchpreis bereits von 40 Cent auf 28 Cent gefallen. Der russische Markt war für die deutschen Bauern immer wichtig gewesen. Durch die Sanktionen ist der russische Markt faktisch über Nacht weggefallen. Je länger die Sanktionen aufrechtbleiben, werde sich die Lage tendenziell eher verschlechtern: Der Milchpreis liege derzeit im Schnitt bei 23 Cent pro Liter, steuere aber auf 20 Cent pro Liter zu, sagte Krüsken. „Bei den Preisen, die wir im Moment haben, sind alle Betriebe hochgradig defizitär.“

Verschärft wird die Lage durch eine „konjunkturelle Schwäche“ „im internationalen Bereich – Südost-Asien, in vielen Schwellenländern.“ Betroffen sei der Markt für transportfähige Milchprodukte wie Magermilchpulver und Butter. Zudem hätten einige Länder ihre Milch-Produktion erhöht.

Nun müssen die Steuerzahler den Preis für die Russland-Politik der Bundesregierung bezahlen. Es seien Direkthilfen in einer Größenordnung von 60 bis 100 Millionen Euro im Gespräch, hieß es am Dienstag im Landwirtschaftsministerium laut Reuters …

Zuletzt war aus den deutschen Bundesländern und EU-Staaten die Forderung erhoben worden, die Russland-Sanktionen zu beenden. Denn auch andere Branchen leiden massiv unter den Sanktionen. Es ist zu erwarten, dass sie bei Fortdauer der Maßnahmen bald bei der Bundesregierung vorstellig werden, um vom Steuerzahler Entschädigungen zu verlangen.“

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/05/18/bauern-erzuernt-russland-sanktionen-haben-milchpreis-verfall-ausgeloest/

Es wurde in letzter Zeit einiges an Unfug erzählt und einige Nebelkerzen wurden gezündet. Nichtsdestotrotz sind es genau diese Gründe, weshalb der Milchpreis stark gefallen ist:

1. Der russische Markt ist komplett weggefallen durch die Sanktionen der EU gegenüber Russland bzw. die Gegen-Sanktionen der russischen Seite gegenüber der EU

2. Die konjunkturelle Schwäche in asiatischen Schwellenländern führt zu geringeren Abnahmen

Was noch dazu kommt, ist der Wegfall der Milchquote der EU zum 31.03.2015. Seitdem müssen keine Strafen mehr an die EU bezahlt werden, wenn mehr Milch bzw. mehr Milchprodukte produziert werden.

Mit der Folge, dass auf dieses Datum hin ordentlich investiert wurde, um mehr produzieren zu können. Innerhalb eines Jahres stieg so die Milcherzeugung in Europa um 3,8% bzw. 6 Millionen Tonnen:

http://www.agrarheute.com/wissen/quotenende-soviel-mehr-milch-produzieren-eu-laender

Abbild der Wirklichkeit

Das Interesse des Wurms am „Eurovision Song Contest“ hält sich in Grenzen, zumal er sich schon im letzten Jahr ausführlich damit beschäftigen musste. Zu einem sehr großen Teil könnte er seinen Beitrag wiederholen; zumindest wird er Teile daraus zitieren.

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/167-eine-million-stimmen-und-jede-menge-idioten.html

Die Show hat er sich gar nicht erst angesehen und erst mittendrin bei der Stimmverteilung nachgeguckt, was da so passiert: Australien weit vorne, Russland weit abgeschlagen, Deutschland bildet kurz hinter Polen das Schlusslicht. Ja, das war’s und so ging der Wurm schlafen bzw. verkroch sich in sein Erdreich.

Große Überraschung am nächsten Morgen: Sieger wurde die Ukraine, Russland belegte in der Publikums-Wertung den 1. Platz, Polen den 3. Platz und Deutschland blieb nach wie vor Letzter.

Ursprünglich sollte die Veranstaltung der Europäischen Rundfunkunion die nationalen Eigenheiten der europäischen Länder zeigen. Mittlerweile kann jeder mitmachen, der mitmachen will (Australien ist kein typisch europäisches Land), trotz aller Fähnchen-Schwenkerei wurden die Lieder alle mit einer Ausnahme entweder ganz oder teilweise auf Englisch gesungen. Die Ausnahme war der österreichische Beitrag, der auf Französisch gesungen wurde – einer Sprache, die dort nicht landestypisch ist. Von der Musik, von Aussehen, Kleidung und Auftreten her war meistens nicht ersichtlich, woher die Auftretenden kamen. Von den Texten her zumeist auch nicht – das übliche Trallala.

Die Krone aufgesetzt hat dem Ganzen das Abstimmungs-Verhalten der nationalen Jurys. Damit hat sich der Eurovision Song Contest endgültig als Farce erwiesen.