„Das Zentrum für politische Schönheit erregt mit seiner subversiven Kunstaktion "Die Toten kommen" die Gemüter der Nation. Tausende Menschen haben am Sonntag symbolische Gräber vor dem Reichstag ausgehoben, um gegen die tödliche Abschottungspolitik an den europäischen Außengrenzen zu protestieren. Aufgebrachte Stimmen mussten nicht lange auf sich warten lassen. Doch möchten wir wirklich in einer Gesellschaft leben, die sich mehr über einen zerstörten Rasen als über das Massensterben im Mittelmeer empört?
Wie werden einst künftige Historiker auf unsere heutige Gesellschaft blicken? Werden sie ihr, angesichts des vermeidbar gewesenen Elends auf der Welt, etwas anderes als Selbstbezogenheit attestieren können? Es ist unbestreitbar: Der Kampf um die Menschenrechte wird viel zu höflich geführt. Angetrieben von dieser tragischen Erkenntnis vertritt die Künstlergruppe um das Zentrum für politische Schönheit einen "aggressiven Humanismus". Es ist ein Humanismus, der dazu bereit ist, Grenzüberschreitungen zu wagen, sofern dies der Verteidigung der Menschenrechte dient.
Widerstand und Provokation können dabei nicht ausgeschlossen werden. Das Zentrum nutzt dafür nicht nur die Mittel der Kunst, sondern auch den straffreien Raum, der durch sie ermöglicht wird. Das Material der Aktionskünstler ist die Gesellschaft, die es zu gestalten gilt. In Zeiten emotionaler Kälte ist das Zentrum für politische Schönheit ein kreatives Sprachrohr menschlicher Wärme, ein gesellschaftliches Korrektiv.
Es war ein Akt politischer Schönheit, als am Sonntag mehr als 5.000 Menschen die Wiese vor dem Reichstag eigenverantwortlich besetzten und couragiert symbolische Gräber aushoben. Von reiner Zerstörungswut oder gar Vandalismus kann nicht die Rede sein. Denn hinter dem entschlossenen aber weitgehend friedlichen Ungehorsam stand ein ernsthaftes Anliegen. Allein in einer einzigen Woche im April 2015 starben über tausend Flüchtlinge im Mittelmeer. Mitverantwortlich ist die europäische (Anti-)Flüchtlingspolitik, die Grenzen statt Menschen schützt. Wer möchte bestreiten, dass die unterlassene Hilfeleistung ein Skandal ist? Ist es nicht verständlich, ja notwendig, dass gegen diese tödliche Abschreckungspolitik revoltiert wird?“
Zur Flüchtlings-Problematik mit Gründen und Lösungs-Ansätzen hatte sich der Wurm bereits an anderer Stelle geäußert (http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/154-krokodilstraenen-der-internationalen-verbrecherbande.html ) und wird das nicht noch mal tun. Hierzu nur so viel: Es geht nicht darum, alle, die wollen, in Europa aufzunehmen, sondern dafür zu sorgen, dass sie in ihren Heimatländern ihr Auskommen haben. Bei entsprechendem politischen Willen der westlichen Länder wäre dies sogar machbar.
Allein: der politische Wille zur Lösung bei denjenigen, die das Schlammassel überhaupt erst angerichtet haben, ist nicht oder nur wenig vorhanden. Umso mehr bedarf es solcher Aktionen, um die lethargische Bevölkerung aufzurütteln und der Politik Feuer unterm Arsch zu machen. Ob jede Aktion gut oder unterstützenswert ist, sei dahin gestellt. Aber es wird etwas getan.