Paukenschlag des Bundesverfassungsgerichts: Zwei Geschlechter sowie die seit 2013 gesetzlich ermöglichte leere Angabe als Alternative im Personenstandsregister sind ungenügend.
Stephan Schleim: „Mit einem Streich wurden nicht nur vorangegangene Urteile des Amtsgerichts Hannover (13.10.2014, Az. 85 III 105/ 14), des Oberlandesgerichts Celle (21.1.2015, Az. 17 W 28/ 14) und des Bundesgerichtshofs (22.6.2016, Az. XII ZB 52/15) aufgehoben, sondern auch die entsprechenden gesetzlichen Regelungen für verfassungswidrig erklärt. Gerichte und Verwaltungsbehörden (vor allem Standesämter) dürfen diese Paragraphen nicht mehr anwenden, wenn sich eine Person dauerhaft weder dem männlichen noch weiblichen Geschlecht zuordnen will; alle Verfahren werden bis zu einer Neuregelung angehalten, für die der Gesetzgeber bis zum 31.12.2018 Zeit bekommen hat.
In dem Fall geht es um eine Person mit Turner-Syndrom, die bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugeordnet bekam, sich damit jedoch nicht identifiziert. Bei diesem Syndrom hat jemand statt einem XX- oder XY-Chromosomenpaar nur ein funktionierendes X-Chromosom. Damit werden eine Reihe innerer wie äußerer Merkmale in Zusammenhang gebracht, Lebenserwartung und Intelligenz sind aber nicht eingeschränkt.
Seit einer Gesetzesänderung von 2013 gab es die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag im Geburtenregister leer zu lassen, wenn sich kein Geschlecht zuordnen ließ …
Die klagende Person beantragte unter Vorlage einer Chromosomenanalyse beim Standesamt aber die Geschlechtsangabe “inter/divers” oder “divers”. Mit Verweis auf die Gesetzeslage lehnten die Standesbeamten dies jedoch ab – und bekamen auf dem Rechtsweg von den drei Gerichten Recht.“
https://scilogs.spektrum.de/menschen-bilder/abschied-vom-binaeren-geschlechtsmodell/