Ein Toter

Es konnte nicht mehr länger geleugnet werden und die saudi-arabische Regierung musste zugeben, dass Jamal Khashoggi in ihrem Konsulat in Istanbul ermordet wurde.

Abenteuerlich wird das Ganze dadurch, dass er zerstückelt und in Teilen aus dem Konsulat gebracht worden sein soll.

Dass es sich bei Saudi-Arabien um einen Schurkenstaat handelt, hatte der Wurm bereits mehrfach dargelegt, unter anderem in http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/222-1000-peitschenhiebe.html .Ebenso, dass es sich bei jenen Staaten, die vorgeben, um die Menschenrechte besorgt zu sein und gleichzeitig Freunde Saudi-Arabiens sind, um Heuchler handelt.

 

Wer war Jamal Khashoggi?

 

Thomas Pany: „Nun kann man den US-Medien und insbesondere der Washington Post dabei zusehen, wie sie an der nächsten Legende stricken: der Dissident Jamal Khashoggi, der unbeugsame, kritische Journalist, der es mit dem mächtigen Kronprinzen aufnahm.

Sein ehemaliger Arbeitskollege bei den saudischen Arab News, der Buchautor und Journalist John R. Bradley, gibt am Ende seines Buches "Saudi Arabia Exposed" Einblick in die Wandlungsfähigkeit des unabhängigen Journalisten Jamal Khashoggi und in dessen Treue zur königlichen Familie.

Khashoggi war 2003 als Chefredakteur von al-Watan entlassen worden, weil er dort einen Meinungsartikel erscheinen ließ, der die Lehren von Ibn Taymiyya aus dem 13. Jahrhundert als nicht so wichtig und verbindlich für Individuen im 21. Jahrhundert werten wollte wie die Wahhabisten, die das saudische Königshaus auf keinen Fall beunruhigen wollte.

Der "Dissident" wurde als PR-Mann für den saudischen Prinzen Turki al-Faisal nach London geschickt (dem er später nach New York folgte). Dort erklärte er, wie Bradley schildert, der BBC, dass in Saudi-Arabien keine Schiiten verfolgt und dort niemand gefoltert würde.

Bemerkenswert ist das nicht nur wegen der makabren Pointe, sondern auch weil Bradley auch in seinem aktuellen Artikel das Bild des Journalisten Jamal Khashoggi korrigiert. Porträtiert wird Khashoggi als "Dissident", der sich mit dem falschen Reformer-Prinzen Mohammad bin Salman angelegt habe, weil er für mehr liberale Reformen eintritt, exemplarisch wird das so von der Washington Post und natürlich vom immer biedereren Guardian gezeichnet wird. Aber nicht nur das, Bradley korrigiert auch das geschönte Bild von Saudi Arabien.

Um es kurz und grob zusammenzufassen: Das Königshaus agiert nach den langjährigen Erfahrungen, die Bradley im Land gesammelt hat, wie die Mafia. Wer dort ist, darf nicht austreten oder er ist des Todes. Das ist ein Motiv, mit dem Bradley die Ermordung Khashoggis erklärt. Das andere liegt im Engagement Khashoggis für die Muslimbrüder.

In den 1970er Jahren habe sich Khashoggi, der sich niemals wirklich um die westliche pluralistische Demokratie gekümmert habe, den Muslimbrüdern angeschlossen, was unter anderem dazu geführt habe, dass er die "moderate Opposition" in Syrien unterstützte. Da Khashoggi zum "de facto-leader" der Muslimbrüder in Saudi-Arabien wurde, sei er zum "größten politischen Widersacher der Herrschaft der Bin Salmans außerhalb der königlichen Familie" geworden.

Mohammad Bin Salman würde zwar den Wahhabismus in Schranken weisen, was dem Westen gefalle, aber anderseits die Muslimbrüder weiterhin als "hauptsächliche Bedrohung" begreifen, die seine Vision von einem künftigen Saudi-Arabien gefährden könnte. Zumal Khashoggi sich zuletzt für eine neue politische Partei engagierte, genannt "Demokratie für die arabische Welt jetzt", die sich für den politischen Islamismus in demokratischen Wahlen in der Region einsetzen sollte.

Als drittes Mord-Motiv - neben der Abtrünnigkeit vom Mafia-Clan der Sauds und dem Engagement für die Muslimbrüder - deutet Bradley noch das Insiderwissen an, das Khashoggi im Lauf der Zeit mit Geheimdienstkontakten gesammelt hat: "Khashoggi traf sich mit britischen, US-amerikanischen und saudischen Geheimdienstvertretern, er war mehr als jeder andere auf eine einzigartige Weise dazu fähig, wertvolle Insiderinformation zu sammeln."

Khashoggis Protektor in der Saud-Familie, Prinz Turki al-Faisal ("In Saudi Arabia, you need to attach yourself to the right prince", As'ad AbuKhalil), war von 1977 bis zum 1. September 2001, "dem Tag, an dem er aus unerklärlichen Gründen zurücktrat" (Bradley), saudi-arabischer Geheimdienstchef. Khashoggi machte in jungen Jahren auch die Bekanntschaft von Osama Bin Laden in Afghanistan, wo auch Khashoggi als Kämpfer posierte, wie ein Bericht von Moon of Alabama ausführlich schildert …

Eine an interessanten Einzelheiten reiche Hintergrundgeschichte zu Khashoggi, die bar ist von biederen politischen Wunschbildern, bietet der amerikanisch-libanesische Autor As'ad Abu Khalil. Dort wird Khashoggis politische Ausrichtung entzaubert:

Khashoggi war reaktionär; er unterstützte alle Monarchien und Sultanate in der Region und behauptete, dass sie "reformierfähig" wären. Aus seiner Sicht verweigerten nur die säkularen Republiken wie der Irak, Syrien und Libyen, in angespannten Verhältnissen zu Saudi-Arabien Reformen und sollten gestürzt werden. Er wollte die Islamisierung der arabischen Politik nach den Linien, wie sie die Muslimbrüder vorgeben. Seine Vision war die von arabischen Aufständen, die vom saudischen Regime angeführt werden.

Das erstaunt. Anscheinend staunte auch Khashoggi später darüber, dass der Kronprinz seiner Vision nicht folgen wollte. Der Bruch kam in der Darstellung von Abu Khalil erst spät. Khashoggi soll noch die Aktion des Kronprinzen unterstützt haben, der im Ritz auf spektakuläre Weise reiche Saudi-Araber so lange festhielt, bis sie sich mit vielen Millionen freikauften.

Als Motiv für den Einsatz der saudischen Fachkräfte in Istanbul, der zum Tod Khashoggis führte, erwähnt As'ad Abu Khalil, der im Blog "Angry Arab" seit vielen Jahren kritisch über Saudi-Arabien berichtet, die Verbindungen von Khashoggi zu Katar. Eine saudische Zeitung soll ihm sogar unterstellt haben, dass er sich mit dem Emir in New York getroffen habe und Khashoggi auch geheimdienstliche Verbindungen nach Katar gehabt haben soll.

"Katar ist Feind Nummer 1 für Saudi-Arabien, schlimmer als Iran", merkt Abu Khalil an. Zudem werde Khashoggi als Abtrünniger ("defector" ) betrachtet, dergleichen erlaube das saudische Regime nicht.“

https://www.heise.de/tp/features/Fall-Khashoggi-Saudi-Arabien-ist-viel-besser-als-sein-Ruf-4192602.html

 

Der Fall Khashoggi – eine Chronologie der Ereignisse

 

Fabian Urech: „28. September

Jamal Khashoggi besucht an diesem Freitag das saudische Konsulat in Istanbul, um eine Bestätigung der Scheidung von seiner saudischen Ex-Frau zu erhalten. Diese benötigt er, um seine türkische Verlobte, Hatice Cengiz, heiraten zu können.

Laut Angaben von Cengiz und eines Freundes teilt ihm ein Konsulatsmitarbeiter mit, er könne das Dokument in der darauffolgenden Woche abholen. Über das Wochenende nimmt Khashoggi an einer Konferenz in London teil. Laut der «New York Times» teilt er dem Konsulat von dort aus telefonisch mit, er werde das gewünschte Dokument am Dienstag, 2. Oktober, abholen.

2. Oktober

Eine Überwachungskamera hält fest, wie Khashoggi am frühen Nachmittag das saudische Konsulat in Istanbul betritt. Seither gilt er als verschwunden.

Gemäss aus Ermittlerkreisen durchgesickerten Informationen traf am frühen Morgen desselben Tages eine Gruppe von fünfzehn saudischen Agenten in zwei Flugzeugen aus Riad in Istanbul ein. Das mutmassliche Sonderkommando soll laut den Angaben türkischer Behörden das saudische Konsulat zu derselben Zeit besucht haben, als Khashoggi dort anwesend war.

Cengiz wartet vor dem Konsulat auf ihren Verlobten. Als Khashoggi auch nach mehreren Stunden nicht auftaucht, informiert sie die Polizei.

3. Oktober

Cengiz kehrt zum saudischen Konsulat zurück, von ihrem Verlobten fehlt aber weiterhin jede Spur. Verschiedene Medien – darunter die Nachrichtenagentur Reuters und die «Washington Post» – vermelden, der saudische Journalist sei verschwunden.

Die saudischen Behörden veröffentlichen eine Erklärung: Khashoggi werde vermisst, er habe das Konsulat tags zuvor jedoch verlassen. Die türkischen Behörden teilen derweil mit, Khashoggi befinde sich immer noch in dem Konsulatsgebäude.

4./5. Oktober

In Ankara wird der saudische Botschafter einbestellt. Die türkische Regierung fordert von Riad eine Erklärung über den Verbleib Khashoggis.

In einem Interview mit Bloomberg sagt der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, man werde den türkischen Behörden gestatten, das Konsulat in Istanbul zu durchsuchen. Khashoggi habe das Gebäude verlassen, bevor er verschwunden sei. «Wir haben nichts zu verstecken», beteuert Salman.

6./7. Oktober

Laut Berichten der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf Quellen in der türkischen Regierung beruft, geht Ankara davon aus, dass Khashoggi in dem saudischen Konsulat getötet wurde. Offiziell bestätigt die türkische Regierung lediglich, dass eine Untersuchung eröffnet wurde.

Verschiedene türkische und internationale Medien berichten nun davon, Khashoggi sei in dem Konsulat gefoltert und umgebracht worden. Ein Vertreter der türkischen Regierungspartei AKP erklärt gegenüber CNN Türk, Ankara verfüge über Beweise für die Ermordung Khashoggis. Saudiarabien weist diese Vorwürfe entschieden zurück.

8./9. Oktober

Der Druck auf Riad wächst. Nach langem Schweigen äussert sich die amerikanische Regierung zu dem Fall. «Wir rufen die Regierung Saudiarabiens auf, eine gründliche Untersuchung des Verschwindens von Herrn Khashoggi zu unterstützen», sagt der amerikanische Aussenminister Mike Pompeo. Vizepräsident Mike Pence schreibt, er sei «tief beunruhigt» über das Verschwinden des Journalisten. Die USA erwarteten zudem von Riad Transparenz in dieser Untersuchung.

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan fordert, dass die saudischen Behörden für ihre Version der Ereignisse Beweise liefern. Wenn Saudiarabien behaupte, der Journalist habe das Konsulat in Istanbul lebend verlassen, «dann müssen die zuständigen Behörden das beweisen», sagte Erdogan. Um die Dringlichkeit der Forderung zu unterstreichen, wird der saudische Botschafter in Ankara zum zweiten Mal innerhalb einer Woche einbestellt.

Türkische Ermittler erhalten die Erlaubnis, das saudische Konsulat in Istanbul zu durchsuchen. Die saudischen Behörden hätten einem entsprechenden Gesuch Ankaras stattgegeben, teilt das türkische Aussenministerium mit.

Die «New York Times» berichtet unter Berufung auf türkische Sicherheitskreise, das fünfzehnköpfige Team saudischer Agenten habe Khashoggi in dem Konsulat ermordet, seinen Körper danach mit einer Knochensäge zerstückelt und die sterblichen Überreste mutmasslich in Koffern aus dem Konsulat geschafft.

10. Oktober

Die Hinweise auf einen Mord verdichten sich. Laut einem Bericht des türkischen Regierungsblatts «Sabah» konzentrieren sich die Ermittlungen der Türkei vor allem auf die fünfzehn Männer, die Khashoggi umgebracht haben sollen. Gemäss dem Bericht und Videoaufnahmen, die im türkischen Fernsehen gezeigt werden, sollen – zweieinhalb Stunden nachdem Khashoggi das Konsulat betreten hatte – sechs Autos mit den fünfzehn saudischen Regierungs- und Geheimdienstmitarbeitern das Konsulatsgelände verlassen haben.

Ein schwarzer Mercedes Vito mit verdunkelten Scheiben und ein weiteres Fahrzeug seien zur 200 Meter entfernten Residenz des Generalkonsuls gefahren, wo sie vier Stunden geblieben seien. Den türkischen Mitarbeitern des saudischen Konsulats sei an jenem Tag überraschend mitgeteilt worden, sie hätten nicht zum Dienst zu erscheinen, schreibt «Sabah».

11./12. Oktober

Video- und Tonaufnahmen aus dem saudischen Konsulat sollen die Ermordung Khashoggis belegen. Die «Washington Post» zitiert eine anonyme Quelle, die Kenntnis von den Aufnahmen haben soll. Demnach belegen die Bänder, dass Khashoggi erst verhört, dann gefoltert und schliesslich ermordet wurde.

Die regierungsnahe türkische Tageszeitung «Milliyet» berichtet ebenfalls von Tonaufnahmen, auf denen heftige Auseinandersetzungen und Schreie zu hören seien. Die Aufnahmen stammen laut dem Bericht von Khashoggis Smart Watch, die er beim Betreten des Konsulats getragen haben soll. Diese sei mit einem Mobiltelefon ausserhalb des Konsulats gekoppelt gewesen.

13. Oktober

Der amerikanische Präsident Donald Trump droht Riad mit «schweren Strafen», sollten sich die Berichte über Khashoggis Ermordung bestätigen. In einem Interview deutet Trump an, dass er den vermissten saudiarabischen Journalisten für tot hält. Das laufende 110-Milliarden-Dollar-Rüstungsgeschäft mit den Saudi soll von etwaigen Sanktionen indes nicht betroffen sein.

Die Türkei wirft Saudiarabien vor, bei den Untersuchungen nicht ausreichend zu kooperieren. Aussenminister Mevlüt Cavusoglu fordert Riad erneut dazu auf, türkischen Ermittlern Zugang zum Konsulat in Istanbul zu gewähren. Trotz gegenteiliger Zusicherung gestattete Saudiarabien bisher den Zugang zum Konsulat nicht.

14. Oktober

Riad reagiert erbost auf die Sanktionsdrohung aus Washington. Das Königreich werde «jedwede Massnahme mit einer grösseren beantworten», zitiert die staatliche Nachrichtenagentur SPA eine amtliche Quelle. Das Königreich weise jeglichen Versuch zurück, der darauf abziele, es durch Androhung wirtschaftlicher Sanktionen oder politischen Drucks zu schwächen, hiess es aus Riad. Wegen der Drohung aus Washington erlebt die saudische Börse am Sonntag den schlimmsten Kurseinbruch seit drei Jahren. Die Aktien fielen zeitweilig um sieben Prozentpunkte.

In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Aussenminister Deutschlands, Frankreichs und Grossbritanniens Saudiarabien eindringlich dazu auf, das Verschwinden Khashoggis aufzuklären. «Wir nehmen diesen Vorfall überaus ernst», heisst es darin. Erwartet werde «eine detaillierte und umfassende Antwort» der saudiarabischen Regierung.

Erstmals seit Khashoggis Verschwinden spricht der türkische Präsident Erdogan mit dem saudischen Kronprinzen Salman. Bei dem Telefonat am Sonntagabend soll es laut der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu um die Gründung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe gegangen sein, die den Fall gründlich untersuchen soll.

15. Oktober

Türkische und saudische Ermittler durchsuchen das saudische Konsulat in Istanbul. Sie hätten das Gebäude nach neun Stunden wieder verlassen, meldet die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Abend. Demnach haben die Ermittler auch Proben aus dem Garten des Konsulats mitgenommen. Ausserdem seien zwei Müllwagen der Gemeinde ins Konsulat gefahren, unklar war zunächst warum.

Der amerikanische Präsident Trump telefoniert am Montagabend mit dem saudischen König Salman und erkundigt sich nach dem Verbleib Khashoggis. Laut den Angaben des Weissen Hauses verneint Salman energisch, zu wissen, was dem Journalisten widerfahren sei.

Trump kündigt zudem an, der amerikanische Aussenminister Pompeo werde in Kürze nach Riad aufbrechen und danach in die Türkei weiterreisen.

16. Oktober

Am Dienstagmorgen trifft der amerikanische Aussenminister Mike Pompeo zu Gesprächen mit König Salman in Riad ein, bei denen das Schicksal von Khashoggi im Vordergrund steht. Am Abend steht ein Treffen mit Kronprinz Mohammed bin Salman auf dem Programm. Am nächsten Tag will Pompeo in die Türkei weiterreisen.

Das saudische Königshaus hält weiterhin daran fest, nichts mit dem Verschwinden Khashoggis zu tun zu haben.

17. Oktober

Der amerikanische Aussenminister Mike Pompeo reist von Riad in die Türkei. Noch vor dem Abflug nach Ankara erklärt Pompeo, die saudischen Würdenträger hätten ihm versichert, ebenfalls an einer Aufklärung interessiert zu sein und alle involvierten Personen zur Verantwortung ziehen zu wollen.

In Ankara trifft sich Pompeo mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu. Über den Inhalt der Gespräche sind nur wenige Details bekannt.

Türkische Medien berichten derweil, im saudischen Konsulat seien DNA-Spuren sichergestellt worden, die auf die Ermordung Khashoggis hinwiesen.

Die regierungstreue türkische Tageszeitung «Sabah» veröffentliche zudem Aufnahmen aus Überwachungskameras, die den angeblichen Anführer des fünfzehnköpfigen «Killerkommandos» zeigen sollen, das Khashoggi umgebracht habe. Dabei soll es sich um einen Mann namens Maher Abdulaziz Mutreb handeln. Mutreb war früher angeblich Diplomat. Eine Liste des britischen Aussenministeriums aus dem Jahr 2007 führt ihn als Ersten Sekretär in der saudischen Botschaft in London auf. Mutreb hat den saudischen Kronprinzen in diesem Jahr auf etlichen seiner Auslandsreisen begleitet, wie Recherchen der «New York Times» darlegen. Bilder zeigen ihn im März in Boston und im April in Madrid, Paris und Houston, immer nur wenige Meter vom Thronfolger entfernt.

Daneben dringen immer mehr Details über die angeblichen Tonaufnahmen in türkischem Besitz an die Öffentlichkeit. Auf diesen ist laut mehreren Medienberichten zu hören, wie der Forensik-Experte in der fünfzehnköpfigen Delegation, die kurz vor dem Verschwinden Khashoggis aus Riad nach Istanbul gereist war, seinen Kollegen empfahl, Musik zu hören, während er die Leiche Khashoggis zerlege.

Der amerikanische Präsident Trump scheut vor einer Verurteilung des saudischen Königshauses noch zurück. Man gelte als unschuldig, bis die Schuld bewiesen sei, erklärt er in einem Interview. Trump rechnet damit, dass bis zum Ende der Woche Antworten zum Verschwinden Khashoggis vorliegen.

18. Oktober

Präsident Trump ändert seinen Ton. Er glaubt nun, dass Khashoggi tot sei. Geheimdienstinformationen aus mehreren Quellen deuteten darauf hin, dass der Journalist von einem ranghohen saudischen Kommando ermordet worden sei, sagt Trump gegenüber Journalisten der «New York Times». Trump gibt auch zu, dass der Fall Khashoggi eine der grössten aussenpolitischen Krisen seiner Präsidentschaft sei. Die Vorwürfe gegen das Königreich stellten das Bündnis der USA mit Saudiarabien infrage.

Als weiteres Zeichen der veränderten amerikanischen Haltung sagt Finanzminister Steven Mnuchin seine Teilnahme an «Davos in der Wüste» ab. Die für die folgende Woche geplante Investorenkonferenz sollte das Königreich als zukunftsorientierte Wirtschaftskraft präsentieren. Im Zuge der Affäre Khashoggi waren vor Mnuchin schon zahlreiche Absagen eingegangen, unter anderem jene der Finanzminister Grossbritanniens, Frankreichs und der Niederlande. Auch Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, hat ihre Teilnahme annulliert.

Auch der amerikanische Aussenminister ist nach seinen Besuchen in Riad und Ankara zurück in Washington. Pompeo sagt gegenüber Journalisten, man gebe den Saudi noch einige Tage, um ihre Untersuchung abzuschliessen. Laut amerikanischen Medien hat Washington Riad eine Frist von drei Tagen gesetzt, um für Klarheit zu sorgen. Es kursieren erste Gerüchte, dass Saudiarabien ein Teilgeständnis erwägt.

20. Oktober

Am frühen Samstagmorgen erfolgt eine dramatische Kehrtwende: Die saudische Regierung gibt zu, dass Khashoggi im Istanbuler Konsulat gewaltsam ums Leben gekommen ist. Das Königreich stellt den Tod des Journalisten jedoch als Unfall dar. Khashoggi sei bei einem Streit, der in einen «Faustkampf» ausartete, unbeabsichtigt getötet worden.

Laut offiziellen Angaben aus Riad wurden fünf Regierungsvertreter entlassen und 18 Verdächtige inhaftiert. Sie sollen allem Anschein nach als Sündenböcke herhalten, damit der unter Verdacht stehende Kronprinz entlastet wird.

Die USA erklären, sie würden den weiteren Verlauf der saudischen Strafuntersuchung genau verfolgen. Der amerikanische Präsident Trump sagt auf dem Weg zu einem Wahlkampfauftritt, dass er es durchaus für möglich halte, dass der Kronprinz nichts von dem Mord gewusst habe. In einem Interview mit der «Washington Post» sagt Trump später: «Natürlich gab es Täuschung und Lügen». Zugleich verteidigt Trump Saudiarabien jedoch als «unglaublichen Alliierten» und nennt den saudischen Kronzprinzen «eine starke Person».

Die Reaktionen anderer Staaten auf die Erklärung der Saudi zum Tod von Khashoggi sind von grosser Skepsis geprägt. Die EU-Aussenbauftragte Federica Mogherini fordert «umfassende, glaubwürdige und transparente Ermittlungen».

21. Oktober

Der saudische Aussenminister Adel al-Jubeir versucht die Zweifel an der von Riad verbreiteten Version des Todes von Khashoggi zu zerstreuen. Das Königshaus werde alles unternehmen, die Todesumstände aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, sagt Jubeir in einem Interview mit dem amerikanischen Sender Fox News. Ein enormer und schwerwiegender Fehler sei begangen worden. «Es ist eine furchtbare Tragödie.» Dass das Königshaus und vor allem Kronprinz Mohammed bin Salman den Auftrag gegeben hätten, Khashoggi zu verschleppen oder gar zu ermorden, stellt Jubeir in Abrede.

Der türkische Staatspräsident Erdogan stellt für Dienstag ausführliche Erklärungen zum Fall in Aussicht. Bereits am Vortag erklärten Vertreter der Regierungspartei AKP, man werde keine Vertuschungsaktionen dulden

Die deutsche Regierung schliesst wegen der Ungereimtheiten um Khashoggis Tod weitere deutsche Rüstungsexporte nach Saudiarabien aktuell aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt am Sonntagabend, Rüstungsexporte könnten nicht stattfinden, «in dem Zustand, in dem wir im Augenblick sind».

23. Oktober

Der türkische Präsident hat seinen mit Spannung erwarteten Auftritt vor dem Parlament in Ankara. Es bestehe kein Zweifel, dass es sich um einen geplanten und angeordneten Mord gehandelt habe, sagt Erdogan. Während er den saudischen König Salman in Schutz nimmt, lässt er durchschimmern, dass er Kronprinz Mohammed verdächtigt, den Mord angeordnet zu haben.

Erdogan schildert den Ablauf der Ereignisse, wie ihn die Ermittler rekonstruiert haben. Er nennt etwa die Reisezeiten der 15 Saudi, die für Khashoggis Tötung verantwortlich sein sollen. Er weist auch darauf hin, dass im Vorfeld der Tat ein Waldstück bei Istanbul als möglicher Ort zur Beseitigung der Leiche inspiziert worden sei. Zum saudischen Kommando habe auch ein Mann gehört, der in Alter und Statur Khashoggi ähnelt. Das Körperdouble habe nach der Tat in den Kleidern des Getöteten das Konsulat verlassen. Mit seinen Ausführungen widerspricht Erdogan der saudischen Version eines misslungenen Entführungsversuch, von dem die saudische Führung keine Kenntnis gehabt habe.

Der türkische Präsident hat konkrete Forderungen: Er verlangt die Überstellung der in Saudiarabien verhafteten Mitglieder des Sonderkommandos. Erdogan will auch, dass Riad eine Reihe von Fragen beantwortet, unter anderem: Warum konnte das Konsulat erst zwei Wochen nach Khashoggis Verschwinden durchsucht werden? Wo befindet sich die Leiche? Wer sind die lokalen Komplizen in Istanbul, von denen Saudiarabien spricht?

Später am Dienstag gibt die amerikanische Regierung bekannt, erste Strafmassnahmen gegen 21 saudische Verdächtige eingeleitet zu haben. Es handelt sich laut Aussenminister Mike Pompeo um Personen in den Geheimdiensten, vom Königshof und aus mehreren Ministerien. Ihnen wird entweder das Visum entzogen, oder sie werden zu Personen erklärt, die für ein Einreisevisum in die USA nicht mehr in Frage kommen.“

https://www.nzz.ch/international/fall-khashoggi-die-ereignisse-im-chronologischen-ueberblick-ld.1428258

 

Bedenkenswerte Taten der letzten Zeit

 

Jens Berger hat einen sehr schönen Artikel geschrieben, der einen kurzen, aber prägnanten Überblick gibt: „Der wahrscheinliche Mord am saudischen Journalisten und Oppositionellen Jamal Khashoggi lässt nun sogar die deutschen Medien an unseren „netten“ Freunden aus Saudi-Arabien zweifeln. Das ist erstaunlich, da die Affäre Khashoggi bestenfalls die Spitze des Eisbergs einer langen Kette von Verbrechen und Ungeheuerlichkeiten darstellt, die auf das Konto der Golfmonarchie gehen. Saudi-Arabien – eine lupenreine Despotie, die geistig im Mittelalter steckengeblieben ist und um die sich kein Mensch scheren würde, wäre das Land nicht zugleich größter Erdölförderer und damit steinreich. Der Umgang der deutschen Politik mit dem Schurkenstaat stellt dabei eine bis ins Perverse überzogene Praxis der doppelten Standards dar. Kein anderer Staat könnte sich auch nur im Ansatz das erlauben, was Saudi-Arabien sich mittlerweile fast monatlich leistet. Doch die Saudis haben Geld. Viel Geld. Und sie bieten dem Westen auch an, an ihrem Reichtum zu partizipieren. Wer so „nett“ ist, darf offenbar auch das Völkerrecht und die Menschenrechte mit den Füßen treten.

 

Die Entführung eines Staatschefs

 

Stellen Sie sich doch einmal folgendes Szenario vor: Das südkoreanische Staatsoberhaupt Moon Jae-in bricht unter ungeklärten Umständen zu einem Blitzbesuch nach Peking auf. Von dort aus wird tags drauf seine schriftliche Abdankung verkündet. In den folgenden vier Wochen hört und sieht man nichts mehr von Moon. Es gelangen jedoch Geheimdienstinformationen an die Öffentlichkeit, dass Moon von der chinesischen Regierung inhaftiert und unter Folter zur Abdankung gezwungen wurde, da den Chinesen Moons freundlicher Umgang mit den USA ein Dorn im Auge ist. Daraufhin reist Japans Premier Abe nach Peking und erreicht eine Freilassung Moons, der zurück im „sicheren“ Seoul seinen Rücktritt zurücknimmt, aber ansonsten wie ein Grab darüber schweigt, was in den letzten vier Wochen geschehen ist. Der internationale Protest wäre sicher groß. China stünde unter Anklage, Deutschlands Politik wäre empört, ARD und ZDF würden mit Brennpunkten und Spezialsendungen nicht geizen.

Wie Sie wahrscheinlich bereits ahnen, hat sich dieses Szenario tatsächlich abgespielt. Nur, dass es in der Realität der libanesische Premier Saad Hariri war, der im November letzten Jahres unter bis heute nicht völlig aufgeklärten Umständen in der saudischen Hauptstadt Riad von saudischen Sicherheitskräften inhaftiert, dann vier Wochen festgehalten wurde und offenbar unter Folter seinen Rücktritt erklärte. Es ging freilich auch nicht um die guten Beziehungen zur USA, sondern um Hariris angeblich zu freundlichen Umgang mit dem Iran. Der Vermittler war übrigens Emmanuel Macron, der sich als französischer Staatschef immer noch als Schutzherr der ehemaligen Kolonialmacht versteht. Gab es zu dieser unglaublichen Tat einen Brennpunkt? Hat Kanzlerin Merkel den saudischen Botschafter einberufen? Hat der UN-Sicherheitsrat getagt? Natürlich nicht

 

Die Verhaftungen von Menschenrechtlern

 

Oder wie wäre es mit folgendem Szenario: Russlands Präsident Putin erklärt in einer Pressekonferenz, dass Russland künftig die Ehe für Alle in der russischen Verfassung verankern will. Doch dann lässt er kurz vor der Verfassungsänderung namhafte Menschenrechtler und LGBT-Aktivisten verhaften und zum Teil zu hohen Zuchthausstrafen verurteilen – einigen droht sogar die Todesstrafe. Der Westen wäre wohl außer sich. Grüne Abgeordnete würden sich vielleicht aus Protest an die Tore der russischen Botschaft in Berlin anketten und eine Reihe neuer Sanktionen wäre ganz sicher die Folge eines solchen Vorgehens.

Ganz anders im Falle Saudi-Arabiens. Dort hat König Salman beschlossen, dass Frauen in der Golfmonarchie ab dem 24. Juni 2018 endlich auch Auto fahren dürfen. Weltweit berichteten die Medien positiv über diese „historische Zäsur“. Dass wenige Wochen nach der Ankündigung erst einmal 17 namhafte Frauenrechtlerinnen inhaftiert wurden und zum großen Teil heute noch in Haft sind, wurde jedoch nur am Rande erwähnt – darunter die Frauenrechtlerin Loujain al-Hathloul, die noch vor drei Jahren unsinnigerweise von ABC zur drittmächtigsten arabischen Frau gewählt wurde, die Bloggerin Eman al-Nafjan und die Aktivistin Samar Badawi, die 2012 von Michelle Obama und Hillary Clinton persönlich mit einem Preis für ihr Engagement ausgezeichnet wurde. Für fünf Aktivistinnen hat die saudische „Staatsanwaltschaft“ im Rahmen der Verfahren, die nach der muslimischen Scharia verhandelt werden, sogar die Todesstrafe gefordert. Human Rights Watch und Amnesty International schlagen Daueralarm, aber das scheint auch hierzulande niemanden so richtig zu interessieren. Während Pussy Riot mit jeder noch so abstrusen PR-Nummer eine exklusive Titelgeschichte in den deutschen Medien bekommt, ist das dramatische Schicksal saudischer Menschenrechtler hierzulande kein Thema.

 

Ein Staatsstreich mit Folgen

 

Was wäre die Reaktion des Westens, wenn der venezolanische Verteidigungsminister das komplette who is who des Sicherheitsapparats, der Politik, der Medien und der Wirtschaft des Landes in ein Luxushotel in Caracas locken und dort von seinen Soldaten inhaftieren lassen würde? Wer die „Nacht der langen Messer“ überleben will, muss sich auf den Verteidigungsminister einschwören, seine Ämter niederlegen und einen Großteil seines Vermögens an die „Staatskasse“ überweisen. Wahrscheinlich käme der Verteidigungsminister gar nicht mehr dazu, diesen Putsch fadenscheinig als „Anti-Korruptionsmaßnahme“ zu verklären, sondern würde noch in der selben Nacht von amerikanischen Drohnen oder Spezialkräften „neutralisiert“.

Für Saudi-Arabien gelten auch da andere Regeln. Ende Oktober letzten Jahres lud dort der heute allmächtige, erst 33 Jahre alte Kronprinz Mohammed bin Salman, in den Medien meist als MBS bezeichnet, 500 Vertreter der saudischen Elite zu einem Meeting ins Ritz Carlton in Riad ein oder besser „vor“ – darunter elf Prinzen, wie Al-Waleed bin Talal (der reichste Saudi) und Mutaib bin Abdullah (damals oberster Befehlshaber der Nationalgarde) und sogar den Halbbruder Osama bin Ladens, der den Baukonzern der Bin-Laden-Familie leitet. Diese 500 VIPs wurden von MBS im Rahmen einer erst wenige Tage zuvor ins Leben gerufenen Anti-Korruptions-Kampagne angeklagt und noch im Hotel verhört, gefoltert und inhaftiert. Es war natürlich kein Zufall, dass diese 500 Saudis auch die Speerspitze der Opposition gegen MBS bildeten. Insgesamt verhängten die von MBS extra dafür eingesetzten „Richter“ Geldstrafen in kaum zu fassender Höhe von 86 Milliarden Euro – alleine Prinz Al-Waleed bin Talal soll über eine Milliarde US$ „Lösegeld“ für seine Freilassung bezahlt haben. Der „Schuss vor den Bug“ wurde verstanden. Heute bezeichnet Al-Waleed bin Talal seine Inhaftierung als „großes Missverständnis“; alles sei nun „bestens“. Für MBS mag dies gelten. Seit der „Nacht der langen Messer“ hat er keine ernstzunehmende Opposition mehr im saudischen Machtapparat und konnte alle zentralen Stellen mit Vertrauten besetzen. Ernsthafte Kritik kam auch in diesem Fall nicht aus dem Westen.

 

Ein Nachbarstaat wird abgeriegelt

 

Spielen wir doch wieder „was wäre wenn“. Was wäre, wenn die Türkei ohne eine völkerrechtliche Erklärung von heute auf morgen eine See- und Luftblockade gegen ihren Nachbarn Zypern verhängen würde? Was wäre, wenn Erdogan der zypriotischen Regierung dann einen Dreizehnpunkte-Forderungskatalog übergeben würde, der unter anderem einen Austritt aus der EU und das Verbot aller namhaften zypriotischen Fernseh- und Radiostationen beinhalten würde. Zypern sollte auch künftig keine Beziehungen mehr zu Deutschland und Großbritannien unterhalten. Nicht nur die EU wäre sicher außer sich und würde Ankara einen ganzen Sanktionskatalog entgegenschleudern und die Medien würden Erdogan geradezu steinigen.

In der Realität war es die Golfmonarchie Katar, die im Juni letzten Jahres von der benachbarten Golfmonarchie Saudi-Arabien und deren Handlangern in den Emiraten von Land, See und Luft aus abgeriegelt wurde. Als „casus belli“ diente dabei ein gefälschtes Interview mit dem katarischen Emir, das von Hackern auf den Seiten einer katarischen Nachrichtenagentur veröffentlicht wurde. Unsere Qualitätsmedien meldeten natürlich wieder einmal, dass Russland hinter dem Hack stünde. Wer auch sonst? Dabei stand zu diesem Zeitpunkt schon fest, dass die Hacker-Freelancer von den Saudi-Verbündeten in den Emiraten beauftragt wurden.

Der Katalog mit den 13 Forderungen an Katar sah unter anderem die Schließung des populären TV-Senders Al-Jazeera, die Einstellung der diplomatischen Beziehungen zu Iran, Reparationszahlungen und eine diplomatische De-Facto-Isolation vor. Dem konnte Katar freilich nicht zustimmen. Schlussendlich war es wohl der ehemalige US-Außenminister Rex Tillerson, der die Saudis in letzter Minute davon abhalten konnte, den Marschbefehl auszusprechen. In Katar liegt bekanntlich auch der größte und wichtigste US-Truppenstützpunkt in der Golfregion. Als „Dank“ für die Vermittlung musste Tillerson kurze Zeit später abdanken – sein Präsident zählt nämlich zu den großen Freunden Saudi-Arabiens und war via Twitter ganz angetan von den saudischen Bemühungen, den „Terrorismus in der Region“ zu bekämpfen. Das entbehrt freilich nicht einer gewissen Komik, ist Saudi-Arabien doch selbst nach Angaben der US-Geheimdienste der mit großem Abstand wichtigste Sponsor des weltweiten Terrorismus. Es gibt wohl kaum einen größeren islamistischen Terroranschlag, der sich nicht direkt oder indirekt auf Saudi-Arabien, saudisches Geld oder von saudischem Geld finanzierten wahhabitischen bzw. salafistischen Gruppierungen zurückverfolgen ließe.

Internationaler Protest blieb selbst bei der bis heute andauernden Katar-Blockade Mangelware. Nun will Saudi-Arabien Katar mittels eines 60 Kilometer langen Kanals an der Landesgrenze zu einer Insel machen und direkt an der Grenze ein „Endlager“ für den kommenden Atommüll errichten. Saudi-Arabien plant immerhin 16 Atomkraftwerke und liebäugelt auch mit dem Gedanken an ein eigenes Atomwaffenprogramm, das interessanterweise offenbar ausgerechnet von Israel unterstützt wird. Auch hier gelten für Saudi-Arabien offenbar eigene, sehr eigenwillige Regeln.

 

Ein Krieg ohne Mandat

 

Nun stellen wir uns – last but not least – doch einmal vor, Russland würde eine Seite des Bürgerkriegs in der Ukraine offen unterstützen und tagein tagaus massive Luftangriffe auf seine Gegner in der Ukraine fliegen. Dabei würde Russland mit seinen „Präzisionsbomben“ Schulbusse in die Luft sprengen und an jedem zweiten Tag im Jahr zivile Fahrzeuge treffen. Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte würde sich vor der UN bitterlich darüber beschweren, dass Russlands Bomben vor allem auf Wohngebiete, Märkte, Beerdigungen, Hochzeiten, Gefängnisse, zivile Schiffe und sogar Krankenhäuser niedergingen, Russlands Vorgehen als Kriegsverbrechen bezeichnen und dabei die Regierung ausdrücklich mit einbeziehen. Kaum vorstellbar, nicht wahr? Die NATO würde in einem solchen Fall sicher ein Großaufgebot ihrer Truppen an der ukrainischen Grenze zusammenziehen und Russland jede nur denkbare Protestnote schicken.

Dem Bürgerkrieg im Jemen, der vom saudischen Kronprinzen MBS wenige Tage nach seiner Übernahme des Verteidigungsministeriums begonnen wurde, sind bis heute rund 50.000 Menschen zum Opfer gefallen – mehr als drei Millionen Menschen wurden vertrieben. Im Westen wird der Krieg gerne als Stellvertreterkrieg zwischen den Hegemonialmächten Saudi-Arabien und Iran beschrieben, doch das ist Unsinn. Während man seine liebe Mühe hat, selbst kleinste iranische Waffenlieferungen an die Huthi-Rebellen nachzuweisen, hat die saudische Luftwaffe mehr als 16.305 Bombeneinsätze (Stand Februar 2018) im Jemen geflogen. Jeder dritte Einsatz galt dabei einem zivilen Ziel, 1.491 Mal wurden dabei Wohngebiete bombardiert, 212 Schulen wurden durch gezielte saudische Bombardierungen zerstört. Das saudische Militär unterhält dabei ganz offiziell Militärstützpunkte im Jemen und bildet jemenitische Truppen aus. Keiner dieser Punkte ist auch nur im Ansatz durch das Völkerrecht gedeckt. Und der Wertewesten? Verhängt der Sanktionen? Mitnichten. Die USA, Frankreich und Großbritannien unterstützen Saudi-Arabien sogar mit Logistik, Hilfe bei der Seeblockade und Geheimdienstinformationen. Die Kriegsverbrechen der Saudis werden vom Westen nicht etwa sanktioniert, sondern subventioniert.

 

Waffen für 110 Milliarden Dollar und der Jackpot

 

Dies hat natürlich auch Gründe. Schon seit langer Zeit haben die USA und Saudi-Arabien eine eigenwillig symbiotische Beziehung. Saudi-Arabien verkauft Öl und die USA verkaufen den Saudis dafür moderne Waffen. Zum Riyadh Summit 2017 reiste Donald Trump sogar höchstpersönlich an und unterzeichnete mit dem saudischen König Salman eine Absichtserklärung, in den nächsten Jahren Waffen im Wert von 110 Milliarden US$ in die Golfmonarchie zu liefern. Zusätzlich hat sich Saudi-Arabien verpflichtet, 40 Milliarden US$ in privatisierte amerikanische Infrastrukturprojekte zu investieren und es wurde wohl auch unter der Hand ein Deal geschlossen, dass die Saudis auch künftig in großem Volumen US-Staatsanleihen erwerben.

Auf der anderen Seite hat Kronprinz MBS den USA ein Angebot gemacht, das selbst die kühnsten Träume der Wall Street übersteigt. Bis 2021 sollen der staatliche saudische Ölkonzern Aramco und das gigantische Petrochemie-Unternehmen Sabic an die Börse gebracht, also privatisiert werden. Zwar erhofft sich Saudi-Arabien damit Erlöse in Billionenhöhe. Das ist wohl auch der große Unterschied zwischen den Saudis und den Russen. Putin stoppte den Ausverkauf der nationalen Bodenschätze und ist seitdem der Lieblingsschurke des Wertewestens, MBS ermöglicht den Ausverkauf der nationalen Bodenschätze und ist seitdem unser Darling in Nahost. Aber es stehen immer noch gewaltige Fragezeichen hinter diesem Deal. Wer investiert schon gerne in ein Unternehmen, das von offensichtlich geistesgestörten Hasardeuren gemanagt wird? Mit den Erlösen will MBS übrigens sein gigantomanisches Industrieprojekt Saudi Vision 2030 finanzieren und hier kommen dann auch die Deutschen ins Spiel, die sicher ein Auge auf das Billionenbudget geworfen haben.

 

Heiko Maas vs. Sigmar Gabriel – der traurige Paradigmenwechsel der SPD

 

Auch Deutschland hat seine Aktien im saudischen Spiel. Seit ihrer Vereidigung hat die neue Bundesregierung bereits Rüstungsexporte im Wert von 254 Millionen Euro genehmigt. Und dies, obwohl sie pikanterweise im Koalitionsvertrag Rüstungsexporte in Länder, die sich am Krieg im Jemen beteiligen, eigentlich untersagt hat. Aber was interessiert die SPD ihr Geschwätz von gestern, wenn sie nun die Minister stellt? Erst recht, wenn die Minister derartige Opportunisten sind wie Heiko Maas.

Maas´ Amtsvorgänger Sigmar Gabriel sprach wenigstens hin und wieder noch mal Tacheles, wenn es um Saudi-Arabien ging. Als die Saudis den libanesischen Premier Hariri entführten, platzte Gabriel der Kragen. Er sagte damals mit Blick auf Saudi-Arabien, „dass man nicht mehr bereit [sei], das Abenteuertum, das sich dort in den letzten Monaten breit gemacht [habe], einfach sprachlos hinzunehmen“. Die Saudis waren von derlei Offenheit gar nicht angetan, drohten mit Konsequenzen und schon wenige Tage später ruderte Gabriel zurück und pries die Saudis allen Ernstes als „die größten Spender humanitärer Hilfe im Jemen“ und bedauerte, dass „dieser Fakt“ in Deutschland „von einigen ignoriert [würde]“.

Wer denkt, derlei Unterwürfigkeit ließe sich nicht toppen, kennt jedoch Heiko Maas noch nicht. Der beendete vor wenigen Wochen den immer noch gärenden „Gabriel-Eklat“ mit einem „Kniefall“ vor Saudis. „Wir bedauern aufrichtig“, dass es „Missverständnisse“ gegeben hat, so Maas. Peinlich.

 

Der Wertewesten – nur Maulhelden und Arschkriecher

 

Wenn schon Kriegsverbrechen, Angriffskriege, Entführungen, Mord, Erpressung und Folter nicht ausreichen, um dem Wertewesten einen leisen(!) Protest zu entlocken, warum sollte sich dies dann durch den Mord an dem Oppositionellen Jamal Khashoggi ändern? So grausam der Fall Khashoggi zu sein scheint – er ist nur die Spitze des Eisbergs und stellt qualitativ sicher keinen neuen Tiefpunkt der an Tiefpunkten reichen jüngeren Geschichte saudischer Verbrechen dar. US-Präsident Trump nahm die Saudis gestern schon mal vorsorglich in Schutz. Das ist insofern schon fast wieder verständlich, da die US-Dienste offenbar bereits im Vorfeld erfahren haben, was die Saudis mit Khashoggi planen und Trump ansonsten erklären müsste, warum die US-Regierung den US-Staatsbürger Khashoggi wider besseren Wissens nicht vor den Mördern aus Riad geschützt hat. Die Antwort darauf dürfte selbst Trumps Wählern nicht gefallen.

Und Deutschland? Selbst fanatische Anhänger der SPD – so es die denn noch gibt – würden sicher noch nicht einmal im Traum daran denken, dass ausgerechnet Heiko Maas Profil zeigt und einen Staat kritisiert, der unter der Protektion des großen Bruders aus Washington steht. Wer sich schon für das einzige leise Wort der Kritik seines Vorgängers förmlich bei den Saudis entschuldigt, hat ganz offensichtlich weder die moralischen noch charakterlichen Mittel, aus der selbstgewählten Rolle als Opportunist auszubrechen.

Liegt es am Geld? An den Petrodollars aus Riad? Unwahrscheinlich. Die Russlandsanktionen kosten die deutsche Wirtschaft auch ein Vermögen und Russland ist für Deutschland ganz sicher kein unwichtigerer Handelspartner als Saudi-Arabien. Und wenn es um Russland geht, kann Heiko Maas bekanntlich kein dummer Spruch dumm genug sein. Wie kann es sein, dass ein Minister gen Russland den Maulhelden gibt und zum Duckmäuser wird, wenn es um Saudi-Arabien geht? Die Antwort darauf ist wohl jenseits des Atlantiks zu suchen.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=46589

 

Jamal Khashoggi kein Einzelfall

 

Daniel Steinvorth: „Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass prominente Oppositionelle im Ausland dem saudischen Regime zum Opfer fallen, wie die Fälle dreier abtrünniger Prinzen beweisen.

Prinz Sultan bin Turki bin Abdelaziz: Am 12. Juni 2003 wurde der Enkel von König Abdelaziz bin Saud (dem Gründer des heutigen Königreichs Saudiarabien) laut eigenen Schilderungen in einem Hotel am Stadtrand von Genf von einer Gruppe maskierter Männer überwältigt, narkotisiert und in ein Flugzeug Richtung Riad verfrachtet. Ein anderer Prinz, Abdelaziz bin Fahd, hatte ihm zuvor in dem Hotel eine Falle gestellt. Nach seiner Ankunft in Saudiarabien wurde Prinz Sultan, der mehrfach die Menschenrechtslage in seiner Heimat kritisiert und Reformen gefordert hatte, unter Hausarrest gestellt. 2010 erlaubte ihm das saudische Regime zur medizinischen Behandlung die Ausreise in die USA.

Vom sicheren Exil aus machte der oppositionelle Prinz dann seine Geschichte öffentlich: In der Schweiz klagte er gegen seinen Entführer, Prinz Abdelaziz, und den saudischen Minister für islamische Angelegenheiten. Mitte 2015 nahm die Genfer Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Nur wenige Monate später, am 1. Februar 2016, wurde Sultan laut übereinstimmenden Zeugenaussagen erneut gekidnappt. Der Prinz war auf dem Weg von Paris nach Kairo, um dort seinen Vater zu besuchen, als die Maschine – ein von der Botschaft in Paris bereitgestellter Privatjet – plötzlich Saudiarabien ansteuerte. Nach seiner Ankunft in Riad wurde Sultan nicht mehr öffentlich gesehen.

Prinz Turki bin Bandar: Der ehemalige hochrangige Polizeioffizier wurde im November 2015 in Marokko festgenommen und nach Saudiarabien deportiert. Nach einem Erbstreit war der Angehörige der saudischen Königsfamilie im Gefängnis gelandet. 2012, nach seiner Freilassung, floh er nach Paris. Hier begann der unbequeme Prinz Videos auf Youtube zu veröffentlichen, in denen er sich für Reformen im Königreich aussprach. Die saudischen Behörden versuchten ihn daraufhin mehrfach zurück in die Heimat zu locken. Auf einen Haftbefehl Riads hin wurde Turki schliesslich von den marokkanischen Behörden nach Saudiarabien ausgeliefert. Über sein weiteres Schicksal gibt es keine Angaben.

Prinz Saud bin Saif al-Nasr: Ungefähr zur selben Zeit wie Prinz Turki verschwand Ende 2015 Prinz Saud bin Saif al-Nasr, ein eher unbedeutendes Mitglied des Königshauses. Saud pflegte lange Zeit eine Vorliebe für europäische Kasinos und Luxushotels, bis er 2014 politisch in Erscheinung trat. In einem Tweet forderte er, jene saudischen Führungsmitglieder anzuklagen, die den Putsch gegen Ägyptens Präsidenten Mohammed Mursi unterstützt hatten. Im September 2015 schloss sich Saud sogar einem Aufruf zum Sturz von König Salman an und verschwand wenige Zeit später von der Bildfläche: Laut den Aussagen eines anderen exilierten Prinzen hatte ein Privatjet, der eigentlich von Mailand nach Rom hätte fliegen sollen, Saud in aller Diskretion nach Saudiarabien gebracht.

Öffentlicher Dissens gilt in Saudiarabien als Verrat. Dass der starke Mann im Königreich, Kronprinz Mohammed bin Salman, bereits den Verdacht von Gegnerschaft unterdrücken will, bewies er mit einer Säuberungswelle im November 2017, als zahlreiche Prinzen, Minister und Militärs über Wochen im Hotel Ritz Carlton in Riad festgehalten wurden. Zu den prominentesten dieser «Luxus-Gefangenen» gehörte Prinz Alwaleed bin Talal, der mit einem geschätzten Vermögen von 18,7 Milliarden Dollar als reichster Araber überhaupt gilt. Offiziell der Korruption beschuldigt, sass der Investor 80 Tage in seiner Suite fest, bis er sich mit einer Milliarde Dollar freikaufen konnte. Weswegen ihn das Regime im Auge hatte, ist unklar. Womöglich könnten es bereits Talals kritische Äusserungen gegenüber Donald Trump im amerikanischen Wahlkampf gewesen sein, den der Kronprinz ausdrücklich als Freund betrachtet.

Ebenso mit einer Milliarde Dollar erkaufte sich Prinz Miteb bin Abdallah, der ranghöchste aller verhafteten Prinzen im Ritz Carlton, die Freiheit zurück. Ihm wurde die Unterschlagung öffentlicher Gelder vorgeworfen, doch relevanter dürfte die Tatsache gewesen sein, dass Miteb Chef der mächtigen Nationalgarde gewesen war, welche die Königsfamilie beschützt. Auch potenzielle Rivalen um die Macht dürfen sich in Saudiarabien nicht sicher wähnen.

Dies gilt auch für ausländische Regierungschefs: Dass auch Saad Hariri, der libanesische Ministerpräsident, im November letzten Jahres für mehrere Tage in Riad festgesetzt wurde, liess tief blicken. Unter offensichtlichem Druck verlas Hariri für das saudiarabische Fernsehen eine Erklärung über seinen Rücktritt als Regierungschef. Diese nahm er allerdings später, nach seiner Heimkehr nach Beirut, wieder zurück. Die saudische Führung war verärgert gewesen über Hariris nachgiebige Haltung gegenüber der proiranischen Gruppierung Hizbullah.“

https://www.nzz.ch/international/verhaftet-entfuehrt-und-nicht-mehr-gesehen-wie-das-saudiarabische-regime-seine-kritiker-verfolgt-ld.1427119?reduced=true

 

Propaganda

 

2017: „Das saudische Königshaus sieht sich nach der Blockade gegen Katar falsch verstanden. Deshalb sollen demnächst PR-Firmen das Image des Landes verbessern. Außerdem sucht das Ministerium für Öffentlichkeitsarbeit "Social Influencer", um das Image zu glätten.

Das Königreich Saudi-Arabien plant eine Medien-Kampagne in London, Berlin und Paris, damit die Europäer ein besseres Bild von der Golf-Monarchie bekommen. Die Image-Kampagne richtet sich an Europa und Asien. Zukünftig wolle der Öl-Staat die negative Berichterstattung über das Königreich intensiver bekämpfen, berichtet die Financial Times.

Schon in den letzten Jahren hatte es immer wieder Berichte gegeben, wonach offizielle Stellen aus Saudi-Arabien versuchen, über einzelne Journalisten Einfluss auf die öffentliche Meinung im Ausland zu nehmen. Die neue Initiative kommt kurz, nachdem Riad versucht hatte, ein regionales Embargo gegen den Golf-Staat Katar zu erreichen. Zudem sieht sich das Land wegen des verheerenden Krieges im Jemen zunehmend mit Kritik konfrontiert. Seit mehr als zwei Jahren bombardieren saudische Truppen mit Unterstützung durch die USA dort die Huthi-Rebellen - und treffen dabei doch in erster Linie die Zivilbevölkerung.

Das saudische Informationsministerium will bereits im September damit beginnen, "Hubs" in London, Berlin, Paris und Moskau einzurichten, so ein Dokument, das der Financial Times vorliegt. Deren Ziel sei es, das "veränderte Gesicht des Königreiches Saudi-Arabien im Rest der Welt zu promoten und die internationale Wahrnehmung des Königreichs zu verbessern", heißt es dort. Die Initiative solle später auf Peking, Tokio, Mumbai und andere große Städte erweitert werden.

Das streng islamische Königreich bemüht sich seit Jahren darum, sein Bild im Westen zu verbessern. Obwohl westliche Mainstream-Medien bereits jetzt nur äußerst zurückhaltend über die Verbrechen im Jemen-Krieg berichten, finden sich immer wieder kritische Beiträge zum Öl-Staat. Insbesondere US-Medien kritisierten die saudische Führung bereits mehrfach dafür, dass sie weltweit eine extreme Form des Islam fördert. Auch die skandalöse Behandlung von Frauen und Gastarbeitern führt regelmäßig zu Negativ-Schlagzeilen.

Die geplanten PR-Hubs sollen Pressemitteilungen produzieren, Inhalte auf Social-Media-Plattformen veröffentlichen und "soziale Einflussfaktoren" dazu einladen, das Königreich Saudi-Arabien zu besuchen. Außerdem will das Ministerium verschiedene PR-Firmen damit beauftragen, die "saudische Perspektive auf globale Entwicklungen" darzustellen. Damit will Riad auf Berichte reagieren, die das Königshaus als "negativ" oder "ungenau" bezeichnet. Außerdem soll zukünftig die Verbreitung der saudischen Kultur durch Kunstausstellungen und religiöse Diskussionen gefördert werden.

In den letzten Wochen schlugen vor allem Menschenrechtsorganisationen Alarm. Das Königreich hat in den vergangenen zehn Jahren nicht nur massiv aufgerüstet. Unter dem Kronprinzen Mohammed bin Salman verfolgt Saudi-Arabien zunehmend auch eine interventionistische Außenpolitik. Größte Leidtragende sind zur Zeit die Bevölkerungen in Syrien und dem Jemen. Seit dem Jahr 2012 bewaffnet Saudi-Arabien radikal-islamische Milizen für einen Stellvertreterkrieg gegen die Regierung Assad.

Außerdem führt Riad eine Koalition von sunnitischen Staaten an, um im Jemen seine Marionettenregierung unter Mansur Hadi wieder einzusetzen. Dieser war im Januar 2015 von seinen Ämtern zurückgetreten und lebt seitdem in einem Hotel in der saudischen Hauptstadt Riad. Seit drei Jahren führt Saudi-Arabien inzwischen einen massiven Luftkrieg gegen den Jemen. Zudem hatte Saudi-Arabien eine Seeblockade gegen das Land verhängt. Die UNO bezeichnet die Situation als die zurzeit schlimmste humanitäre Krise der Welt. Millionen Jemeniten sind von der Hungerkatastrophe und einer Cholera-Epidemie bedroht.

Zuletzt hatte Saudi-Arabien im Juni zusammen mit vier weiteren arabischen Staaten ein Embargo gegen Katar verhängt. Der Vorgang, mit dem das Königreich erneut versuchte, die Kontrolle über die gesamte Golfhalbinsel zu erlangen, löste die schlimmste diplomatische Krise am Golf seit Jahrzehnten aus. Zu den saudischen Forderungen an Katar gehörte es, dass der kleine Nachbar sein Nachrichtennetzwerk Al Jazeera und zahlreiche weitere internationale Medien abschalten sollte.

Genau wie in Syrien und Jemen steht das Königreich jedoch auch in Hinsicht auf Katar vor dem völligen Scheitern seiner Initiative. In Syrien ist eine endgültige Niederlage des "Islamischen Staates" und anderer salafistischer Terrormilizen bereits absehbar. Die neue Regierung im Jemen gibt den saudischen Forderungen keinen Zentimeter nach. Der Versuch, den kleinen Nachbarn Katar zu isolieren, ist binnen weniger Wochen vollkommen gescheitert.

Laut letzten Umfragen in Europa hat das saudische Image besonders unter der Kampagne gegen Katar und die Angriffe auf den Jemen gelitten. Bereits im Januar erklärten zwei Drittel der britischen Bevölkerung, dass Waffenexporte nach Saudi-Arabien "inakzeptabel" sind.

Das Königreich importiert die Waffen und die Munition für den Jemen-Krieg sowie für seine irregulären Milizen vor allem aus den USA und Europa. Während die reguläre Bewaffnung in der Regel aus den USA, Großbritannien oder Deutschland stammt, kauft Saudi-Arabien die Waffen für seine Proxys auf dem europäischen Schwarzmarkt aus Kroatien, Bulgarien und anderen Ländern.“

https://deutsch.rt.com/gesellschaft/57382-saudi-arabien-plant-globale-pr/

Wie sich die PR-Offensive in den deutschen öffentlich-rechtlichen Medien auswirkt, ist unter anderem in der „Propagandaschau“ dokumentiert: https://propagandaschau.wordpress.com/tag/saudi-arabien/

 

Saudi-Arabien als Verbündeter der westlichen Politik

 

Iran

 

In der Geo-Politik geht es traditionell folgendermaßen zu: der mächtigste Staat sagt dem zweitmächtigsten, was er zu tun hat. Der wiederum sagt jenen Staaten, die unter ihm stehen, was sie zu tun und zu lassen haben.

Sollte es Staaten geben, die sich Einmischung in ihre inneren und äußeren Angelegenheiten verbitten, werden die sehr schnell sehr große Probleme bekommen. Es sei denn, sie können sich dagegen wehren, wie es militärisch etwa bei Nordkorea der Fall ist, siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/141-feuerwerk.html oder dass sie wie etwa Kuba innenpolitisch die Lage im Griff haben, siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/216-menschenrechts-verletzungen-auf-kuba.html .

Es gibt auch Glückliche, die wie Syrien mächtige militärische Verbündete haben und dadurch noch mal den Hals aus der Schlinge ziehen können: http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/275-giftgas-in-syrien.html

Weniger Glückliche waren in den letzten Jahrzehnten etwa Serbien http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/88-bruch-des-voelkerrechts.html , der Irak, siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/190-die-luege-aller-luegen.html und http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/234-massen-moerder.html oder Libyen.

Ein ganz großes Ziel zumindest eines Teils der westlichen Werte-Gemeinschaft ist die Einverleibung des Iran, siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/330-weltjustiz.html . Wenn nicht durch einen Regime-Wechsel, dann militärisch. Auf jeden Fall wird dafür Saudi-Arabien gebraucht.

 

Palästina

 

Lissy Kaufmann: „Es soll der Deal des Jahrhunderts werden. Und er könnte den Nahen Osten grundlegend verändern. Frieden zwischen Israelis und Palästinenser – das ist Donald Trumps Ziel. Der US-Präsident will damit das schaffen, was all seinen Vorgängern misslang. Dafür braucht es Unterstützer und Verbündete in der Region. Nicht zuletzt, um den arabischen Staaten ein mögliches Abkommen schmackhaft zu machen.

Dabei kommt vor allem dem saudischen Königshaus eine besondere Bedeutung zu. Die Golfmonarchie soll ihren Einfluss in Trumps Sinne geltend machen. Was nicht zuletzt heißt, die jahrzehntealte Konfrontation mit dem jüdischen Staat hinter sich zu lassen. Genau dieses Ziel scheint Kronprinz Mohammed bin Salman als Saudi-Arabiens starker Mann zu verfolgen.

Für Washington ist der 33-Jährige damit unverzichtbar. Auch das dürfte ein Grund für die US-Administration sein, an den guten Beziehungen festzuhalten. Sogar der Mord an dem regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi soll das Jahrhundertprojekt „Frieden im Nahen Osten “ möglichst nicht gefährden.

Seit Monaten machen Berichten die Runde, Gesandte der saudischen Führung seien unterwegs, um für Amerikas Konzept zu werben. Die Vorstellungen sind zwar noch Verschlusssache. Das Terrain wird aber schon mal sondiert. Und viel scheint dafür zu sprechen: Die Palästinenser werden weitgehend leer ausgehen.

So sollen bin Salmans Boten Präsident Mahmud Abbas bereits klipp und klar signalisiert haben, dass er keinesfalls mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines eigenen Staates rechnen darf. Ebenso müsse er sich mit den jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten abfinden. Auch das mit dem Rückkehrrecht könne der 83-Jährige vergessen. Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn, Nahostbeauftragter und ein Freund des saudischen Thronfolgers, setzt noch eins drauf. Er will den Palästinensern ihren Flüchtlingsstatus nehmen.

Widerspruch aus Riad gibt es nicht. Im Gegenteil. Der saudische Kronprinz geht längst auf Israel zu. Im Frühjahr erkannte Mohammed bin Salman überraschenderweise das Existenzrecht des jüdischen Staats an und brach so mit einer ideologischen Grundregel der arabischen Welt. Er sei der Überzeugung, dass „Palästinenser und Israelis das Recht auf ihr eigenes Land haben“, sagte der Prinz damals dem US-Magazin „The Atlantic“.

Diese Kursänderung kommt nicht von ungefähr. Die Palästinenserfrage rangiert für die Golfmonarchie seit Langem unter ferner liefen. Vielmehr treibt die Herrscher um, wie sie dem Erzfeind Iran Einhalt gebieten können. Genau das verbindet sie mit Israel. Denn Ministerpräsident Benjamin Netanjahu versucht ebenfalls, Teherans Einfluss mit allen Mitteln zu begrenzen. So bilden Saudi-Arabien, Israel und die USA eine gemeinsame Front gegen die Islamische Republik. Schließlich ist auch Trump ein erklärter Gegner der Mullahs und hat deshalb das Atomabkommen aufgekündigt – sehr zur Freude der Regierenden in Riad und Jerusalem.

Dass die Palästinenser womöglich die großen Verlierer der Trump’schen Nahostpolitik sein werden, macht auch die jüngste Entscheidung der US-Regierung deutlich. Das für palästinensische Angelegenheiten zuständige Generalkonsulat wird geschlossen und in die Botschaft in Jerusalem eingegliedert. Die war unter heftigem Protest der Autonomiebehörde von Tel Aviv in die heilige Stadt umgezogen und im Mai eröffnet worden. Die Entscheidung sei aus Effizienzgründen getroffen worden, heißt es aus Washington.

Für die Palästinenser kommt sie dennoch einer weiteren bitteren Niederlage gleich. Deren Bereitschaft, wieder mit den Vereinigten Staaten Gespräche über ein Abkommen mit Israel aufzunehmen, dürfte sich damit kaum erhöht haben. Bereits im Dezember vergangenen Jahres, als Trump Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannte und den Botschaftsumzug ankündigte, froren die Palästinenser die Kontakte umgehend ein. Washington käme als Vermittler nicht mehr infrage, hieß es aus Ramallah. Abbas nannte Amerikas neue Nahostpolitik eine „Ohrfeige des Jahrhunderts“.

Seither versucht Donald Trump, die Palästinenser an den Verhandlungstisch zurückzuzwingen. Er stellte Zahlungen für medizinische und humanitäre Projekte ein, außerdem die finanzielle Unterstützung für das Flüchtlingshilfswerk UNRWA, für das die USA bisher ein wichtiger Geldgeber waren. 360 Millionen Dollar sind noch im Vorjahr überwiesen worden.

UNRWA kümmert sich seit 70 Jahren um palästinensische Flüchtlinge und deren Nachkommen – das sind heute rund fünf Millionen Menschen. Von ihnen wollen die USA künftig nur noch rund ein Zehntel als Flüchtlinge anerkennen. Auch ihr Rückkehrrecht wird immer häufiger infrage gestellt.

Von Trumps Ankündigung, Israel werde ebenfalls Zugeständnisse machen, ist bisher nichts Konkretes zu hören. Selbst wenn es zuletzt aussah, als würde der US-Präsident eine Zweistaatenlösung bevorzugen. Aber Beobachter bezweifeln mittlerweile, dass in dem angekündigten „ultimativen“ Friedensdeal die Gründung eines eigenen Palästinenserstaates überhaupt noch vorgesehen ist.“

https://www.tagesspiegel.de/politik/friedensplan-fuer-nahost-wie-trump-und-bin-salman-gemeinsame-sache-machen/23212618.html

 

Michael Lüders

 

Michael Lüders hat die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte einfach darstellen zu können. So auch in seinem in diesem Jahr erschienenen Buch „Armageddon im Orient - Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt“, das der Wurm empfehlen kann: http://michael-lueders.de/kategorie/buecher/sachbuecher/

Vorträge von bzw. Gespräche mit ihm sind auf seiner Homepage zu finden http://michael-lueders.de/kategorie/im-gespraech/ , unter anderem jenes bei „Markus Lanz“ (ab der 4. Minute):

 

 

Wirtschaftliche Interessen

 

Andreas Zumach: „Nicht die Politik, die wirtschaftlichen Interessen diktieren die Welt. Das zeigt sich gerade jetzt wieder in aller Deutlichkeit.

Bei einem Wahlkampfauftritt vor Militärs auf dem Luftwaffenstützpunkt Luke in Arizona nannte US-Präsident Donald Trump die vom Königshaus in Riad angebotene Erklärung für den gewaltsamen Tod von Jamal Kashoggi «glaubwürdig» und wertete die Festnahme von 18 an der Tötung des Regimekritikers beteiligten Personen als «ersten großen Schritt». Gleich im nächsten Atemzug lobte Trump Saudiarabien als «grossartigen Verbündeten» und verwies auf die saudischen Aufträge an US-Unternehmen in Höhe von 450 Milliarden Dollar, die er von seinem Besuch in Riad im April 2017 – seiner ersten Auslandsreise als Präsident – mitgebracht hatte. «Darunter 110 Milliarden Dollar für neue Waffen, die viele Jobs in unserer Rüstungsindustrie sichern und in erster Linie Euch zu Gute kommen», betonte Trump gegenüber den Militärs gleich mehrfach.

Doch die äusserst lukrativen Rüstungsgeschäfte mit Riad sind nicht der einzige Grund für die windelweiche Haltung der Trump-Administration gegenüber dem Regime in Riad. Der US-Präsident braucht dringend eine Erhöhung der saudischen Ölproduktion und Exporte, um – insbesondere vor den US-Zwischenwahlen im November – ein weiteres Ansteigen der Benzin- und Heizölpreise sowie andere negative innenpolitische Folgen seiner Sanktionspolitik gegen Iran zu verhindern. Schon seit Mai ist die Nachfrage auf dem Welt-Ölmarkt grösser als das Angebot. Der Preis für ein Fass stieg seitdem von rund 50 auf knapp 75 US-Dollar. Entsprechend zogen die Benzinpreise in den USA in den letzten fünf Monaten bereits deutlich an.

Wesentlicher Grund für diese Entwicklung sind die im Mai verhängten Sanktionen, mit denen die Trump-Administration Iran völlig vom internationalen Ölmarkt abschneiden wollen. Anfang November werden diese Sanktionen noch einmal erheblich verschärft. Dann könnte die Nachfrage auf dem Ölweltmarkt das Angebot um mindestens 1,7 Millionen Fass täglich übersteigen. Wenn Saudiarabien oder andere Mitglieder des von Riad angeführten Kartells der Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC) ihre Produktion nicht erhöhen, könnte der Weltmarktpreis nach Einschätzung von Experten wieder das Rekordniveau des Krisenjahres 2008 von 150 US-Dollar pro Fass erreichen. Das würde nicht nur zu einem weiteren Anstieg der Benzin-und Heizölpreise in den USA führen, sondern könnte den derzeitigen Aufschwung der Wirtschaft beenden, von dem die Republikaner bei den Zwischenwahlen zu profitieren hoffen.

Neben der Ölwaffe hat das Regime in Riad noch ein weiteres Druckmittel, um im Fall Kashoggi schärfere Kritik oder gar handfeste Sanktionsmassnahmen der Trump-Administration zu verhindern. Saudiarabien ist der zwölftgrösste Gläubiger der USA. Einen Grossteil ihrer Einnahmen aus dem Ölgeschäft haben die Saudis in den USA investiert. Darunter derzeit die Rekordsumme von fast 170 Milliarden in US-Staatsanleihen. Sollten die Saudis diese Staatsanleihen verkaufen, würde das die Zinsen an den Anleihemärkten hochtreiben. Die Trump-Administration ist aber auf niedrige Zinsen angewiesen, um die gigantische zusätzliche Staatsverschuldung zu finanzieren, die sie mit ihren erheblichen Steuererleichterungen für Unternehmen verursacht.

Allein für 2018 belaufen sich die zusätzlichen Staatsschulden der USA auf 800 Milliarden Dollar. 2019 werden es voraussichtlich bereits eine Billion Dollar sein (1000 Milliarden). Diese Schulden will die Trump-Administration durch die Ausgabe neuer Staatsanleihen wieder hereinholen. Der Verkauf von US-Staatsanleihen durch Saudiarabien wäre eine sehr unliebsame Konkurrenz. Schliesslich ist Saudiarabien inzwischen der wichtigste Risikokapitalgeber für Start-ups in den USA geworden. Seit Mitte 2016 hat der saudische Machthaber Kronprinz Mohammed Bin Salman hier rund 13 Milliarden Dollar investiert.“

https://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Saudiarabien-Kashoggi-Trump-Rustungsgeschafte

 

Heuchelei

 

Christian Weisflog: „Wie gross das saudische Selbstbewusstsein ist, zeigte sich jüngst am Zerwürfnis mit Kanada. Nachdem die kanadische Aussenministerin im August die Inhaftierung einer saudischen Frauenrechtlerin kritisiert hatte, wies Riad den kanadischen Botschafter aus und fror die Handelsbeziehungen ein. Bemerkenswerter als dieser Konflikt waren indes das betretene Schweigen in anderen westlichen Hauptstädten und die fehlende Solidarität mit Kanada. Auch diese Leisetreterei ist Riad bestimmt nicht entgangen und bestärkte das Königshaus in seinem harten Kurs.

https://www.nzz.ch/meinung/der-preis-des-wegschauens-ld.1427126

„Legt man die Reaktion der Bundesregierung auf das mutmaßliche Skripal-Attentat als Messlatte an, dann müsste es jetzt Sanktionen gegen Saudi-Arabien hageln. Doch diesmal betonte der Regierungssprecher: "Wir können doch nicht Ermittlungsergebnissen vorgreifen."

Als am 4. März 2018 der ehemalige russische Doppelagent Sergej Skripal zusammen mit seiner Tochter Julia bewusstlos in der englischen Stadt Salisbury aufgefunden wurde, dauerte es nicht lange, bis die britische Regierung behauptete, die Skripals seien einem Attentat mittels des Nervengiftes Nowitschok "aus russischer Produktion" zum Opfer gefallen.

Auf Grundlage der britischen Behauptungen wurden in weiterer Folge Dutzende russische Diplomaten aus EU-Ländern ausgewiesen. Auch die Bundesregierung wies "als Signal der Solidarität" vier russische Diplomaten aus, bevor die britischen Strafermittler überhaupt mit ihren Ermittlungen begonnen hatten. Bis heute verweist die Bundesregierung, ohne weitere Belege anzuführen, auf die "hohe Plausibilität" der Schuld Russlands.

Ganz anders stellt sich die Reaktion der Bundesregierung im Fall des mutmaßlich im saudischen Konsulat von Istanbul ermordeten Exil-Journalisten Dschamal Chaschukdschi dar. Dieser hatte am 2. Oktober das saudische Konsulat in Istanbul betreten, um Papiere für seine Hochzeit mit einer Türkin abzuholen, und ist seitdem verschwunden. Die türkischen Behörden gehen davon aus, dass er von einem aus Saudi-Arabien angereisten Sonderkommando getötet wurde. Es sollen laut türkischen und US-Quellen Video- und Tonaufnahmen von dem Mord existieren. Doch trotz zahlreicher Indizien wurde bisher noch kein einziger saudischer Diplomat "als Zeichen der Solidarität" ausgewiesen, geschweige denn, dass Sanktionen gegen die wahhabitische Monarchie verhängt wurden.

Begründet wird die Zurückhaltung von Regierungssprecher Seibert mit dem Verweis darauf, man wolle "möglichen Ermittlungsergebnissen" nicht vorgreifen. Die Frage von RT Deutsch, wieso die Bundesregierung jetzt im Fall des saudischen Journalisten die Ermittlungsergebnisse abwarten will, aber in der Causa Skripal nicht gezögert hatte, Diplomaten auszuweisen, ohne dass dazu bereits Ermittlungsergebnisse vorlagen, beantwortete der Regierungssprecher auf seine ganz eigene Weise:

https://www.youtube.com/watch?time_continue=4&v=O9U8kojLuqI

https://deutsch.rt.com/inland/77677-skripal-und-saudi-journalist-doppelstandard-bundesregierung/

Siehe auch http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/326-gut-gestylter-nato-strichjunge.html

Jakob Reimann: „Gestern wurden im Jemen bei einem Angriff der Saudi-Emirate-Koalition auf eine Fabrik mindestens 16 Zivilisten getötet. Ein Rüstungsexportbericht der Bundesregierung ergab, dass in den ersten drei Quartalen 2018 Rüstungslieferungen in Höhe von 416 Millionen Euro an Saudi-Arabien genehmigt wurden, in ganz 2017 waren es 254 Millionen. Deutschland macht sich zum Komplizen am Genozid im Jemen.

Die Aufmerksamkeit der geneigten, an Krieg und Frieden interessierten Leserin lag gestern – womöglich – auf drei Nachrichten mit Bezug zum Jemen. Eine aus Hodeida, eine aus Berlin und eine aus New York.

Die erste Nachricht: In Bayt al-Faqih, 70 km südlich von Hodeida im Westjemen fielen gestern Bomben der Saudi-Emirate-Koalition auf eine Fabrik zur Verpackung von Gemüse. 16 Menschen wurden getötet, berichtet Reuters unter Berufung auf Rettungskräfte und Anwohner. Zwölf weitere Menschen wurden verletzt. Das Gesundheitsministerium spricht von 21 Toten. Ein Sprecher der Saudi-Emirate-Koalition versprach – wie immer – eine „vollständige Untersuchung“.

Anfang August bombardierte die Koalition bereits das Al Thawra Hospital in Hodeida sowie einen nahegelegenen Fischerhafen und tötete 55 Zivilisten, 124 weitere wurden verletzt.

Nur eine Woche später regneten US-gefertigte Bomben der Saudi-Emirate-Koalition auf einen Schulbus in der Nähe eines Marktplatzes in der Sa’da-Provinz, 51 Menschen wurden getötet, fast alles Kinder, 77 weitere wurden verletzt.

Mitte September bombardierte die Koalition eine strategische Fernstraße nahe Hodeida und tötete 15 Zivilisten.

Und so weiter und so fort.

Die zweite Nachricht kam in der Tagesschau, die gestern über einen Rüstungsexportbericht von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) berichtete. Laut diesem genehmigte die Bundesregierung allein in den ersten drei Quartalen 2018 Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien in Höhe von 416 Millionen Euro, im Jahr zuvor waren es insgesamt 254 Millionen Euro. Eine Verdopplung zum Vorjahr ist demnach für 2018 absehbar – auch wenn Merkel nun einen vorläufigen Exportstopp nach Saudi-Arabien ankündigte.

Ein Satz von Tagesschau-Sprecherin Judith Rakers war bemerkenswert: „Vor allem die Lieferungen an Saudi-Arabien sind nach der Tötung des kritischen Journalisten Khashoggi umstritten.“

Der Mord an Jamal Khashoggi ist abscheulich und mit größtem Nachdruck zu verurteilen, auch ist er bezeichnend für die Philosophie des Tyrannen Mohammed bin Salman (MbS). Doch ebenso bezeichnend ist der Umstand, dass nicht dreieinhalb Jahre versuchter Völkermord des Tyrannen MbS im Jemen deutsche Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien „umstritten“ machten, sondern der Mord an einem einzigen Journalisten. Die Empörung der deutschen und westlichen Öffentlichkeit ist ein seltsames, unter kognitiver Dissonanz leidendes Wesen.

Nicht der Mord an 131 Besuchern einer Hochzeitsfeier durch die Saudi-Emirate-Koalition im September 2015, nicht der Mord an 140 Trauernden auf einer Beerdigung im Oktober 2016 genauso wenig wie der Mord an 42 Menschen auf einem Flüchtlingsboot im März 2017 erzwingen ein Handeln der Merkel-Regierung, sondern der Tod eines Journalisten der Washington Post – die „westliche Wertegemeinschaft“ ist eine Lebenslüge.

Doch wenn es nun den Tod eines weltberühmten Journalisten bedurfte, um den Druck derart zu erhöhen, dass sich die Bundesregierung zum Handeln gezwungen sieht, sollten die Forderungen der antimilitaristischen Öffentlichkeit ebenso opportunistisch sein, wie das Regierungshandeln selbst: Einstellung sämtlicher Waffenexporte nach Saudi-Arabien und die anderen Koalitionsparteien – nicht nur zukünftiger, sondern auch Canceln bereits genehmigter Lieferungen. Es würde Milliardenverluste bei den deutschen Rüstungskonzernen geben, so heißt es, auch Vertragsstrafen würden auf die Regierung zukommen.

Ja, Werte haben einen Preis. Und das ist der Preis, den die Bundesregierung zur Verteidigung ihrer „Werte“ zahlen muss.

Bereits im Koalitionsvertrag der aktuellen GroKo-Ausgabe steht unmissverständlich geschrieben: „Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.“ Die Regierung hat es bis heute nicht geschafft, eine Liste zu erstellen, auf welche Länder dies überhaupt zutrifft. „Es gibt Gespräche“, erklärt Regierungssprecher Steffen Seibert und ist auf Nachbohren von Tilo Jung so hilflos wie selten.

Doch entgegen dem Standpunkt der Regierung ist dies keine Ansichtssache, sondern eine Sache von Fakten: Es gibt eine offiziell neun Länder umfassende Koalition, die den Jemen bombardiert. Plus den Jemen selbst sind dies also zehn Länder, die in jedem Fall tabu sind. Hinzu kommen die USA und Großbritannien, ohne deren Logistik der Krieg im wahrsten Sinne des Wortes morgen früh zu Ende wäre – eine „unmittelbare Beteiligung“ kann also auch bei diesen zwei Ländern nur schwer wegdefiniert werden.

Doch die Bundesregierung verrät nicht nur die jemenitische Bevölkerung, sondern auch die deutsche und begeht offensichtlichen Wortbruch an ihrem eigenen Papier: Erst im September wurden „millionenschwere Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Jordanien genehmigt“, heißt es in einem internen Schreiben von Wirtschaftsminister Altmaier an den Bundestag, welches dem Spiegel vorliegt. Die Luftwaffen all dieser drei Länder lassen jeden Tag Bomben auf die Bevölkerung des Jemen niederregnen – wie vieler „Gespräche“ bedarf es, um herauszufinden, ob diese Länder „unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind“?

Die Saudi-Emirate-Koalition begeht im Jemen einen versuchten Völkermord. Unablässiger Bombenterror tötet jeden Tag unschuldige Menschen – und zerstört deren ohnehin marode, dafür umso lebensnotwendigere Infrastruktur: Kraftwerke, Stromnetze, Straßen, Wohnviertel, Brücken, Häfen.

Sie bombardiert Krankenhäuser und Wasserwerke und verwandelt so die größte Choleraepidemie seit Beginn der Aufzeichnungen in eine Kriegswaffe. Sie bombardiert Marktplätze und Lebensmittelfabriken, blockiert über ein striktes Luft- und Seeembargo – auch mit deutschen Kriegsschiffen – Lebensmittelimporte und verwandelt so auch den Hunger in eine Kriegswaffe.

Die dritte Jemen-Nachricht von gestern: „14 Millionen Menschen von Hunger bedroht“, titelt die Tagesschau. Der Jemen hat rund 23 Millionen Einwohner, 60 Prozent sind demnach akut vom Hunger bedroht. Die Hungerkatastrophe im Jemen ist „viel größer als alles, was ein Mensch, der in diesem Feld arbeitet, in seinem Berufsleben jemals gesehen hat“, beschreibt der UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock das historische Ausmaß vor dem UN-Sicherheitsrat.

Hunger als genozidale Kriegswaffe – ausgeführt mit „unserem“ Kriegsgerät, „unserem“ Equipment, ermöglicht durch „unsere“ politische, diplomatische und vor allem moralische Rückendeckung.

Die UN-Völkermordkonvention bestraft nicht nur Genozid selbst, sondern stellt unter Artikel 3 (e) des Dokuments auch explizit „die Komplizenschaft an Genozid“ unter Strafe. Verbrechen gegen diese Konvention werden am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verhandelt, Deutschland ist ratifiziertes Mitglied des Gerichts.“

http://justicenow.de/2018-10-25/deutschland-liefert-saudi-arabien-toetet/

Gerhard Mersmann: „Über den Jemen wissen wir nahezu nichts aus den hiesig dominanten Medien. Da wurde eher von der drohenden, größten menschlichen Katastrophe aller Zeiten im syrischen Idlib schwadroniert, die dann allerdings doch nicht eintrat, weil es auch Einigungsprozesse gibt, bei denen der „Westen“ nicht beteiligt ist. Als Zyniker könnte man fragen, ob das positive Ergebnis nicht deshalb zustande kam. Einmal abgesehen von der Tatsache, dass den Lamenteuren hierzulande es um das Schicksal von IS-Kämpfern ging. Aber im Jemen, da lassen Tausende ihr Leben, und die Nachrichtenticker bleiben im Cool-Modus.

Und nun der Fall Khashoggi! Das Schicksal des dem saudischen Regime gegenüber kritischen Journalisten ist bedauernswert. Einen Menschen wegen seiner Meinung zu ermorden, das geht nicht, und doch wurde uns gezeigt, wie leicht es ist. Dass andere, auch westliche Geheimdienste ähnlich wie der saudische unterwegs sind, lässt sich nur vermuten, meistens bekommen wir Nachrichten darüber, wie derb und brutal die Russen zulangen und die Spekulation über CIA und MI5 leitet sich aus Hollywoodproduktionen ab, die, fragte man die Agenten, allesamt ihre Storys aus der Luft greifen.

Politik ist auch die Art und Weise, wie etwas kommuniziert wird. Der Kommunikationsmodus verrät vieles über die tatsächlichen Motive, die Werte und die Interessen. Und der Fall Khashoggi zeigt, wie tief der nahezu komplette Überbau dieser Gesellschaft gefallen ist. Während der massenhafte, von saudischer Seite und deutschen Waffen mitbetriebene Völkermord im Jemen nahezu keine Erwähnung findet, während die ehedem bekannte Unterstützung von Al Qaida und dem IS aus Saudi Arabien tabuisiert wird, muss nun ein einziger Leichnam herhalten, um eine Welle der Empörung auszulösen, die in heißen Telefonaten der Weltprotagonisten ausartet und den saudischen Prinzen Salman, den größten Kriegstreiber im Nahen Osten, dazu veranlasst, die von ihm selbst gedungenen Mörder ganz empört vor ein Gericht zu stellen. Da beweist sich, wie hoch die Werte, auf die sich die Unterhändler der Waffenlieferungen an alle möglichen Dunkelmänner berufen, tatsächlich auf der Börsenwand firmieren.

Der Fall Khashoggi illustriert die im politischen Lager des Westens grassierende Verwahrlosung, und sie hat auch ein System. Es besteht aus einer komplett falsch verstandenen Relativitätstheorie. Aber in Zeiten des Glaubwürdigkeitsverfalles ist auch dieses sekundär. Während ein Einzelschicksal zum Kulminationspunkt einer bedeutungslosen Symbolpolitik hochstilisiert wird, werden quantitativ wie qualitativ bedeutende Ereignisse aus dem Blickfeld genommen. Das ist von den Relationen unangemessen und grenzte an eine pathologisch zu kategorisierende Wahrnehmungsstörung, verbürge sich nicht dahinter das bewusste System einer gezielten Verschleierung.

Das ist es, was uns der Fall Khashoggi lehrt. Es geht nicht um die Empörung über einen abscheulichen Mord. Es geht um die Ablenkung von Kriegen und Kriegsvorbereitungen und um die Verschleierung eigener Mitschuld im Sinne sehr materieller Unterstützung eines Mörderregimes.

„Wir sind die Guten“, das ist der Slogan einer Elite, die sich komplett vom Rest der Bevölkerung abgeschottet hat und nicht einmal mehr ahnt, was in der Köpfen derer, die derartig unwürdige Schauspiele beobachten, vor sich geht. Entfremdung, nennt man so etwas, und das, was sich überall in unseren Wertezonen an Erosion zu beobachten ist, ist auf dieses Phänomen zurückzuführen. Bleibt nur eine Folgerung: Game over!“

https://form7.wordpress.com/2018/10/26/politische-relativitaetstheorie/

Siehe auch http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/312-leute-vor-ort.html

 

Warum die ganze Aufregung?

 

Zigtausende Tote, beinahe täglich Bombardierungen von Zivilisten, Millionen von Hunger und Cholera bedrohte Menschen im Jemen.

Zigmillionen Menschen im Iran leiden unter westlichen Import-Verboten, unter anderem an Medikamenten.

Islamistische Kopfabschneider werden von der „westlichen Wertegemeinschaft“ unterstützt, um die Zivil-Bevölkerungen im Nahen und Mittleren Osten zu tyrannisieren.

Kritiker der Regierung werden in Saudi-Arabien inhaftiert, ausgepeitscht, getötet.

Um nur einige Punkte aus dieser einen Region zu nennen.

Wie viele Menschen im Westen stören sich daran? Wie viele reden darüber? Wie viele engagieren sich dagegen?

Es sind nicht sehr viele.

Die Aufregung um die Ermordung von Jamal Khashoggi ist berechtigt – der Wurm bittet dann aber auch darum, sich über die Opfer der eigenen westlichen Politik aufzuregen und dafür zu sorgen, dass diese Politik geändert wird.

Warum überhaupt die Aufregung?

Es gibt zwei Gründe: Jamal Khashoggi wird als in den USA lebender Kolumnist der Washington Post als „einer von uns“ wahrgenommen (deshalb auch der Protest der kanadischen Außenministerin Chrystia Freeland wg. der Verhaftung unter anderem von Samar Badawi, deren als Menschenrechtlerin vielfach geehrte Schwägerin Ensaf Haidar (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/222-1000-peitschenhiebe.html ) in Kanada lebt und die kanadische Staatsbürgerschaft besitzt).

Mensch stelle sich vor, ein in Saudi-Arabien lebender Politiker oder einer der drei weiter oben erwähnten entführten Prinzen wären auf die gleiche Art und Weise zu Tode gekommen – wie viele Menschen hätte das länger als eine Minute interessiert?

Wenn „einer von uns“ das Opfer ist, ist das (zurecht) ganz, ganz furchtbar. Wenn es jedoch „andere“ sind, ist das dem überwiegenden Teil der Menschheit sehr egal.

Der 2. Grund: es ist überhaupt bekannt geworden. Und das auch nur deshalb, weil der Vorfall sich im Ausland abgespielt hat, in einem Land, das Spannungen mit Saudi-Arabien hat, welches den Vorgang zur Gänze mitkriegt, dokumentiert und an die internationale Presse weiter gibt.

Bei aller Tragik kann die Türkei den Mordfall Khashoggi als Volltreffer im Lotto betrachten. Je nachdem, welche Informationen oder Beschuldigungen die Türkei weiter gibt oder auch nicht, kann sie mit politischer und materieller „Belohnung“ seitens Saudi-Arabiens und der USA rechnen.

 

Die Folgen

 

Für Saudi-Arabien wird die Khashoggi-Ermordung keine Folgen haben. Weshalb auch? Bislang hat sich ja auch keiner an den Machenschaften gestört.

Zumindest unter einer Voraussetzung: MbS wird gestürzt. Wenn er nicht mehr zu sehen ist, wird die ganze Affäre wohl schnell in Vergessenheit geraten. Wenn er aber immer wieder in den Medien zu sehen ist, werden die Menschen jedes Mal an die Tötung und Zerstückelung Jamal Khashoggis erinnert werden und den westlichen Regierungen gegenüber möglicherweise noch die eine oder andere Forderung stellen.

Wenn MbS jedoch nicht mehr an der Macht ist, wird er wohl auch nicht mehr lange am Leben bleiben – dafür hat er zu viele zu mächtige Feinde. Ob sein Ende spektakulär sein oder er einen kleinen Unfall haben wird, wird sich zeigen.

Die Türkei hat das große Los gezogen, auch wenn darüber und über die Folgen kaum geredet oder geschrieben werden wird.

Wie Saudi-Arabien innen- und außenpolitisch reagieren wird – auch das wird sich zeigen. Der Wurm möchte darüber lieber nicht spekulieren. Alles fließt.

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm