Sieben Jahre

 

Michael Horeni: „Viele wissen nicht, dass es schon früher Fotos von Özil und Erdogan gab. Die Reaktionen auf das jüngste Bild vor der WM symbolisieren eine dramatische deutsche Entwicklung weit über den Fußballplatz hinaus …

Es gibt auch eine Aufnahme, auf der Özil dem türkischen Präsidenten ein Fußballtrikot seines damaligen Klubs Real Madrid überreicht, das er selbst und einige andere Spieler von Real unterschrieben hatten. Dieses Foto ist sieben Jahre alt. Es hat, wie alle anderen Fotos, die von Özil und Erdogan vor dem Jahr 2018 gemacht und veröffentlicht wurden, die Deutschen nicht interessiert. Viele wissen nicht einmal, dass es sie gibt. Aber weil das so ist, sind diese Fotos, die jeweils den türkischen Präsidenten mit einem deutschen Nationalspieler mit türkischen Wurzeln zeigen, der ihm sein Fußballtrikot schenkt, ein eindrückliches Dokument dafür, wie dramatisch sich die Zeiten verändert haben.“

http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball-wm/deutsches-team/reaktion-auf-erdogan-fotos-symbole-deutschen-scheiterns-15668200.html

Wie sehr hat sich Deutschland in den letzten 7 Jahren verändert, dass der einst als „Muster für Integration“ gefeierte 92-malige Nationalspieler und 5-malige „Nationalspieler des Jahres“ Mesut Özil aus „der Mannschaft“ zurücktreten musste?

 

Erdogate

 

Am 14. Mai 2018 tauchen Bilder auf, die Recep Tayyip Erdogan zusammen mit Cenk Tosun, Ilkay Gündogan und Mesut Özil zeigen. Ilkay Gündogan schreibt noch dummerweise auf sein Trikot-Geschenk: „Für meinen Präsidenten, hochachtungsvoll."

Der DFB-Präsident Reinhard Grindel reagiert unwirsch und von DFB-Teammanager Oliver Bierhoff ist zu hören, er habe „nach wie vor überhaupt keine Zweifel an Mesuts und Ilkays klarem Bekenntnis, für die deutsche Nationalmannschaft spielen zu wollen und sich mit unseren Werten zu identifizieren".

Wenn er keine Zweifel daran hat – wer dann?

Wg. öffentlichen Drucks sehen sich Mesut Özil und Ilkay Gündogan gezwungen, ihren Urlaub zu unterbrechen und zu „ihrem“ Präsidenten Frank-Walter Steinmeier zum Rapport zu erscheinen.

Beim Länderspiel in Klagenfurt gegen Österreich werden Mesut Özil und Ilkay Gündogan von deutschen Zuschauern ausgepfiffen. Ilkay Gündogan danach: „Einige Reaktionen haben mich getroffen, vor allem auch die persönlichen Beleidigungen", „Ich verstehe, dass man die Aktion nicht gut finden muss."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gießt noch Öl ins Feuer und meint, es sei „eine Interpretationsfrage“, ob die beiden sich entschuldigt hätten.

Beim Spiel gegen Saudi-Arabien wird Ilkay Gündogan vom Moment seiner Einwechslung an ausgepfiffen.

Selbst danach twittert Ilkay Gündogan, er sei „immer noch dankbar, für dieses Land zu spielen".

Nach dem WM-Aus erklärt Oliver Bierhoff „Wir haben Spieler bei der deutschen Nationalmannschaft bislang noch nie zu etwas gezwungen, sondern immer versucht, sie für eine Sache zu überzeugen. Das ist uns bei Mesut nicht gelungen." Daher hätte man „überlegen müssen, ob man sportlich auf ihn verzichtet".

Später meint Oliver Bierhoff, er hätte das nicht so gemeint, wie es rüber gekommen sei. Der Wurm glaubt ihm das sogar. So, wie es später Mesut Özil darstellt, gab es aber tatsächlich Überlegungen, ihn wg. der „Werte“ des DFB nicht zur WM mitzunehmen.

Am 22. Juli äußert sich Mesut Özil erstmals öffentlich zum Thema und will nicht mehr für „die Mannschaft“ spielen.

http://www.spiegel.de/sport/fussball/mesut-oezil-vom-foto-mit-recep-tayyip-erdogan-zum-ruecktritt-die-chronologie-a-1219642.html

 

Mesut Özil schreibt

 

Mesut Özil erklärt sein Erdogan-Foto und wie Teile der deutschen Öffentlichkeit incl. Sponsoren sich von ihm distanzierten und ihn beleidigten. Schwer ist er von DFB-Präsident Reinhard Grindel enttäuscht und zitiert ihn mit anti-islamischen Aussagen.

„Wegen der Behandlung durch den DFB und viele andere möchte ich das deutsche Trikot nicht länger tragen. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht gewollt bin und vergessen wurde, was ich seit meinem Debüt 2009 geleistet habe. Leute mit rassendiskrimierendem Hintergrund sollten nicht im größten Fußball-Verband der Welt arbeiten dürfen, der viele Spieler mit zwei Heimatländern hat. Solche Einstellungen spiegeln einfach nicht die Spieler wider, die sie vorgeben zu vertreten.

Schweren Herzens und nach gründlicher Überlegung werde ich wegen der zurückliegenden Vorkommnisse nicht länger für die deutsche Nationalmannschaft spielen, da ich Rassismus und fehlenden Respekt spüre. Ich habe früher das deutsche Trikot mit so viel Stolz und Begeisterung getragen, heute nicht mehr. Es war sehr schwierig, diese Entscheidung zu treffen, da ich immer alles für meine Teamkollegen, das Trainerteam und die guten Menschen in Deutschland gegeben habe.

Aber wenn hochrangige DFB-Offizielle mich so behandeln, wie sie es getan haben, meine türkischen Wurzeln nicht respektieren und mich aus selbstsüchtigen Gründen für politische Propaganda benutzen, dann ist genug genug. Dafür spiele ich nicht Fußball, und ich werde mich nicht zurücklehnen und in dieser Sache nichts tun. Rassismus darf niemals akzeptiert werden."

https://sport.sky.de/fussball/artikel/alle-oezil-statements-im-wortlaut/11445499/33896

 

Die Integration des Mesut Özil

 

Oliver Bierhoff 2008: „Sollte sich Özil für den DFB entscheiden, wäre das vorbildlich für die Integration anderer Ausländer hier ... Dieser Rolle sollte er sich auch bewusst sein."

Mesut Özil 2009: „Ich bin in Deutschland geboren und wurde hier ausgebildet. Ich bekenne mich zu meinen türkischen Wurzeln, hoffe aber, dass sich durch meine Entscheidung viele Deutsche mit Migrationshintergrund mehr mit der deutschen Nationalmannschaft identifizieren".

Cem Özdemir 2009: „Ich werbe aktiv dafür, dass sich hier aufgewachsene türkischstämmige Fußballer für eine sportliche Karriere in Deutschland entscheiden. Dabei ist es auch wichtig, dass es die ersten Eisbrecher wie Mesut Özil gibt. So wird in ein paar Jahren die Diskussion beendet sein, ob die deutsche Nationalmannschaft auch die Nationalmannschaft von Deutschtürken oder anderen Migrantengruppen ist."

Mesut Özil 2009: „Ich stehe für eine gute Integration von Migranten in Deutschland. Wenn man hier als Spieler mit türkischen Wurzeln in der Nationalmannschaft eine tragende Rolle spielen darf, was ich mir wünsche, dann hilft das auch für die weitere Integration vor allem junger Migranten weiter. Deshalb habe ich mich zuletzt auch für Integrationsprogramme eingesetzt."

Der türkische Präsident Abdullah Gül 2010: „Das hätten sie nicht tun sollen. Und wenn Mesut Özil mich gefragt hätte, für wen er spielen soll, hätte ich ihn ermutigt, im deutschen Team zu spielen. Ich unterstütze ihn uneingeschränkt. Was er tut, ist ein sehr gelungenes Beispiel für Integration, und es ist ein Beitrag zur deutsch-türkischen Freundschaft."

Joachim Löw 2010: „Ich denke, dass Mesut ein Musterbeispiel für Integration ist. Mesut hat sich den muslimischen Glauben, die türkische Kultur bewahrt und spielt trotzdem für Deutschland Fußball. Das ist ein tolles Signal."

DFB-Pressesprecher Harald Stenger: „Wir haben das getan, weil das Foto mit der Kanzlerin und Mesut Özil ein Bild mit besonderer Symbolkraft und von gesellschaftspolitischer Bedeutung ist … Es steht für Integration, für die Rolle, die der Fußball dabei spielt, für die Bedeutung der Nationalmannschaft. Deshalb haben wir das Tabu gebrochen."

2010 erhält Mesut Özil den „Bambi“ für Integration und 2010 und 2014 das „Silberne Lorbeerblatt“ der Bundesrepublik Deutschland“.

Christoph Sydow: „Um das Drama des Mesut Özil zu begreifen, lohnt es sich, acht Jahre zurückzuschauen. Der 8. Oktober 2010 ist im Rückblick der Tag, an dem die Tragödie ihren Anfang nahm. An jenem Freitag spielte die deutsche Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation gegen die Türkei.

Die Mehrzahl der 76.000 Zuschauer im Berliner Olympiastadion drückte der Türkei die Daumen. Sie pfiffen Mesut Özil bei jeder Ballberührung gnadenlos aus - weil er sich für Deutschland entschieden hatte. Anders als Nuri Sahin und die Zwillingsbrüder Hamit und Halil Altintop, die an jenem Abend in Berlin das Trikot der Türkei trugen. Die drei kamen genau wie Özil als Kinder türkischer Einwanderer im Ruhrpott zur Welt, entschieden sich aber gegen eine Karriere in der DFB-Elf und für die türkische Nationalmannschaft.

Trotz der Pfiffe der türkischen Fans machte Özil damals ein überragendes Spiel, der damals 21-jährige war Dreh- und Angelpunkt des deutschen Spiels. Er schoss das 2:0, auf den Torjubel verzichtete er aus Respekt vor seinen türkischen Wurzeln. "Ausgerechnet unser Özil", jubelte die "Bild" am nächsten Tag.

Nach dem 3:0-Sieg eilte Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Kabine der deutschen Mannschaft. Sie wollte sich im Glanz des türkischstämmigen Profis sonnen, der plötzlich für ein weltoffenes und erfolgreiches Deutschland stand. Ein Fotograf des Bundespresseamts schoss ein Foto, das Özil seither verfolgt: Merkel schüttelt dem Nationalspieler die Hand, der mit freiem Oberkörper in der Kabine steht. Das Foto sollte zeigen: Özil gehört zu Deutschland. Der schüchterne Mittelfeldspieler wurde plötzlich zu Deutschlands Integrationsmaskottchen.

An jenem Abend traf Özil aber noch jemand anderen: Recep Tayyip Erdogan. Der damalige türkische Regierungschef und die Bundeskanzlerin hatten das Spiel gemeinsam auf der Ehrentribüne verfolgt. Heute undenkbar, damals selbstverständlich. Während seines Berlin-Besuchs rief Erdogan damals die in Deutschland lebenden Türken dazu auf, sich zu integrieren. "Da bin ich selbstverständlich dafür, dass die Menschen türkischer Abstammung hier in Deutschland sich integrieren für ihr eigenes Glück", sagte Erdogan. Hätte Özil damals für ein Foto mit dem türkischen Premier posiert, hätte sich wohl kaum jemand aufgeregt.

Und Özil ist inzwischen zu einem Weltstar mit 31 Millionen Facebook-, 23 Millionen Twitter-, und 17 Millionen Instagramfollowern geworden, der nirgendwo so kritisch gesehen wird wie in Deutschland.

Özil spielt seit 2010 in Madrid und London, in Mannschaften mit Profis aus aller Herren Länder, in denen allein Leistung zählt und nicht der Reisepass. Er selbst hat sich in all den Jahren mit Statements zu Politik und Integration zurückgehalten. Durch Interviews hangelte er sich mit den üblichen Fußballerphrasen.

Nur einmal, 2015, macht er seiner Wut Luft. Er ärgerte sich öffentlich darüber, dass er noch immer als "Deutschtürke" bezeichnet werde. "Nur ich werde so bezeichnet. Bei Sami Khedira sagt keiner 'der Deutsch-Tunesier' oder bei Lukas Podolski und Miroslav Klose 'der Deutsch-Pole'", sagte Özil damals der "Sport-Bild". "Viele vergessen, dass ich in Gelsenkirchen geboren wurde, in Deutschland aufwuchs."“

http://www.spiegel.de/sport/fussball/mesut-oezil-integrationsmaskottchen-wider-willen-a-1219733.html

http://www.spiegel.de/sport/fussball/mesut-oezil-dauerthema-identitaet-a-1219804.html

 

Recep Tayyip Erdogan

 

Ein wesentlicher Punkt um die Diskussion um die Erdogan-Fotos war die veränderte Wahrnehmung von Recep Tayyip Erdogan innerhalb der letzten 7 Jahre.

Aus einem früheren Beitrag des Wurms aus dem Jahr 2013: „Auch wenn es viele überraschen dürfte: Rupert Regenwurm ist für Erdogan. Aus folgenden Gründen:

1. Erdogan und die AKP sind demokratisch gewählt. Die letzten drei Wahlen mit überragenden Erfolgen bis hin zu absoluten Mehrheiten. Ob es einem Regenwurm passt oder nicht – er hat den Willen des Volkes zu respektieren. Das hat er bei anderen Ländern auch getan, obwohl ihm da manches Ergebnis gar nicht gefallen hat.

2. Mensch weiss seit Langem, mit wem er es zu tun hat und was droht, auf ihn bzw. seine Freunde in der Türkei zuzukommen. Wenn das alles so schlimm ist - warum hielten sich die Medien dann so lange zurück?

3. Die Weltpresse hat zu den aktuellen Vorgängen in Istanbul und anderen Großstädten der Türkei quasi nur eine einzige Meinung, kennt nur einen Schuldigen (Erdogan) und benutzt eine Wortwahl, die manchmal manipulativ wirkt. Gewalttätige Demonstranten passen nicht ins Bild und werden deshalb als Provokateure der Polizei bezeichnet (als ob da nur Friedfertige demonstriert hätten und die gewaltbereiten Regimegegner zu Hause geblieben wären).

Erdogan selbst spricht von einer „Verschwörung ausländischer Medien“ und „diese Kräfte wollen der Türkei schaden“. Ausdrücklich nennt er CNN und die Nachrichtenagentur Reuters.

Warum sollten die „ausländischen Medien“ so was machen? Anscheinend ist die aktuelle türkische Regierung in Ungnade gefallen, in dem sie Sachen tut, die andere für unbotmäßig halten. Schert Erdogan aus der großen Koalition gegen die aktuelle syrische Führung aus oder leistet er sich Eigenmächtigkeiten in anderen außenpolitischen oder wirtschaftlichen Fragen?

Wer genügend Geld und Einfluss hat, kann heutzutage in so gut wie jedem Land der Erde eine größere Demonstration vom Stapel treten. Am effektivsten sind milliardenschwere Geheimdienste bei der Einflussnahme auf die öffentliche Meinung. Mensch kann davon ausgehen, dass gerade im Bereich der Medien diese Geheimdienste tätig sind. Ob sie direkt tätig sind oder geschickt auf der Klaviatur der Medien spielen, ist eher nebensächlich …

Wenn es zu einem wichtigen Thema in der gesamten Medienlandschaft nur eine einzige Meinung gibt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es sich um eine gesteuerte Kampagne handelt. Wie gerade in der Türkei.“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/22-getuerkt.html

Aus dem Jahr 2015: „Gut und schön – aber welche Interessen haben weltweit jene Parlamente, die allen Ernstes über Begebenheiten von vor 100 Jahren abstimmen, mit denen sie gar nichts zu tun haben?

Offensichtlich geht es darum, damit ein Mittel in der Hand zu haben, der Türkei Schaden zuzufügen bzw. ein Droh- oder Druckmittel zu besitzen. In diesem Zusammenhang erinnert der Wurm gerne an die „angedeutete“ Farb-Revolution in der Türkei von vor zwei Jahren, abgehörte Telefon-Gespräche und Korruptions-Vorwürfe hochrangiger türkischer Politiker.

Teilweise mag es um die aktuelle Regierungs-Politik der Türkei gehen, aber mit der Frage des Völkermordes an den Armeniern und der armenischen Weigerung, den Konflikt mit Hilfe einer unabhängigen Historiker-Kommission zu lösen, geht es überhaupt um den Bestand der geostrategisch äußerst interessanten Türkei.

Der Wurm hat keine Ahnung, welches Spiel mit welchen Zielen international mit dem immerhin NATO-Land Türkei gespielt wird. Aber es tut sich was.“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/155-die-100-jahre-des-musa-dagh.html

Siehe auch http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/217-darf-satire-alles.html aus dem Jahr 2016. 

Schön dokumentiert ist ein ähnlicher Fall, der etwas länger zurück liegt. Aus dem Buch „Reporter – eine Art Beruf“ von Dagobert Lindlau, ehemaliger Chefreporter des Bayerischen Rundfunks und Moderator des „Weltspiegel“ in der ARD:

„„Noch mit Datum vom 3. September 1987, also knapp ein Jahr vor der weltweiten Empörung über Ceausescus »Bulldozerpolitik« und 13 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Systematisierung der Dörfer, war der deutschen Botschaft in Bukarest vom Auswärtigen Amt in Bonn ein geheimes Richtlinienpapier übermittelt worden, in dem aufgelistet war, warum der rumänische Despot als Freund des Westens zu gelten habe. In dem Papier hieß es: Die letzten sowjetischen Truppenkontingente seien schon 1958 auf Drängen von Ceausescus Vorgänger Gheorghe Gheorghiu-Dej aus Rumänien abgezogen worden. 1967 habe das Mitglied des Warschauer Pakts noch vor Jugoslawien diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. 1968 habe sich Ceausescu geweigert, seine Truppen an der militärischen Intervention der fünf anderen Staaten des Warschauer Pakts gegen den Prager Frühling zu beteiligen. Als erstes Land des Ostblocks habe Rumänien 1973 einen Wirtschaftsvertrag mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen und 1979 der Eröffnung eines deutschen Kulturinstituts zugestimmt. Schon 1980 sei die Unterzeichnung erster Verträge mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erfolgt, und vier Jahre später habe Rumänien dann sogar an den Olympischen Spielen teilgenommen, obwohl die Gerontokraten in Moskau deswegen im Dreieck gesprungen waren. Ceausescu war im Westen zum leuchtenden Vorbild für die anderen Staaten hinter dem Eisernen Vorhang geworden. Eine Redaktion der ARD mußte sich vor dem Richtlinienausschuß eines Rundfunkrats verantworten, weil sie Ceausescus Spitzelsystem und seinen Terror in einem Kommentar angeprangert hatte.“

Dann schlug die Stimmung um. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Die Linke und die Rechte in Deutschland wurden sich über Nacht einig, daß der rumänische Regierungschef ab sofort als der blutrünstigste Tyrann des Ostblocks zu gelten habe. Und die Presse machte wie auf Kommando mit. Nach dem, was wir in Rumänien sahen und hörten, schien Ceausescu zu einem »zweiten Hitler« eine ganze Menge zu fehlen. Sein Terror war nicht mit dem Hitlers zu vergleichen, wenn man den Opfern der Nazis nicht ins Grab spucken wollte. In Tirgu Mures waren bei Ausschreitungen der Miliz vier Menschen ermordet worden. Vier Tragödien. In der deutschen Dissidentenszene war danach von einem »rumänischen Auschwitz« die Rede gewesen.““

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/129-sir-ceausescu.html

 

Deutsche Großherrlichkeit

 

In den letzten 7 Jahren wurden neben Recep Tayyip Erdogan weitere ausländische Regierungs-Chefs wie Baschar al-Assad http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/34-feinde-syriens.html oder Wladimir Putin http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/106-falsche-flagge.html oder gleich ganze Völker wie „die faulen Griechen“ http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/175-die-siechen-griechen.html aufs Übelste diffamiert, Europa wirtschaftlich dominiert bis beinahe unterjocht http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/177-man-spricht-deutsch.html und Anstalten unternommen, in der Weltpolitik militärisch sehr viel stärker mitmischen zu wollen http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/266-heute-gehoert-uns-europa-und-morgen-die-ganze-welt.html .

 

Der Sündenbock

 

In den letzten 7 Jahren ist das Image der Muslime in Deutschland sehr gesunken. Zumindest in weiten Kreisen der Bevölkerung.

Das hat mit Attentaten zu tun (bei denen jedesmal der Sicherheits-Apparat die Attentäter vorher kannte) und damit, dass im Zuge der Flüchtlingskrise sehr viele Muslime kamen, die eine völlig andere Kultur und völlig andere Gepflogenheiten haben als jene, die hier üblich sind http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/186-kater-vor-der-tuer.html . Weder die große Politik noch die einfachen Gutmenschen sind bereit, das anzuerkennen und zu einer gelungenen Integration beizutragen.

Die Folgen sind nicht gut. Vor allem nicht für die seit Langem hier lebenden und bestens integrierten Ausländer. Vor allem dann nicht, wenn sie Muslime sind.

Bassam Tibi in seinem Buch „Europa ohne Identität? – Europäisierung oder Islamisierung“: „Der Zusammenhang zwischen illegaler Migration, Schieberbanden und Missbrauch von Sozialhilfe gehört zu den von mir beklagten deutschen Tabus. Eine weitere Tabuzone stellt die Kriminalität von Ausländern dar. In der Statistik fällt auf, dass deren proportionaler Anteil an den Sozialhilfeleistungen wie an der Zahl der Kriminalitätsfälle unverhältnismäßig hoch ist. Stets ist die Rede allgemein von den Ausländern, so dass wir integrierte Ausländer uns diskriminiert fühlen. Ich bin für die Deutschen trotz meines deutschen Passes nach wie vor ein Ausländer und möchte nicht im Licht dieser Ausländerstatistik betrachtet werden; darum wehre ich mich mit diesem Buch so entschieden gegen die deutsche Handhabung der Zuwanderung und zugleich gegen eine jeden Ausländer einbeziehende Pauschalierung der negativen, kriminellen Begleiterscheinungen. Die Statistik besagt, dass der Ausländeranteil an der Bevölkerung in Deutschland nur neun Prozent ausmacht, dennoch beziehen diese, laut statistischem Jahrbuch, 20,7 Prozent der Sozialhilfeausgaben; 1967 waren es nur 1,3 Prozent gewesen. Und noch alarmierender: Laut einer Information des Bundesinnenministeriums soll der Anteil der Ausländer an der Kriminalität 62 Prozent betragen.

Die beschriebenen Missstände ergeben sich nicht automatisch aus der Tatsache, dass Ausländer in diesem Land leben. Ich gehöre zu der Generation von Ausländern, die dieses Land mit aufgebaut haben. Wir integrierte Ausländer glauben, ein Recht auf Würde und Anerkennung verdient zu haben. Wir möchten nicht im Namen des Ausländerschutzes das Spiel mitmachen, dass über diese Dinge nicht geredet werden darf. Schweigen wir über diese Dinge, dann werden wir mit in einen Sog geraten, und das kann nicht in unserem Sinne sein. Wenn das Pulverfass explodiert und es zu Ausschreitungen gegen Ausländer kommt, dann werden es nicht die deutschen Gesinnungsethiker sein, die gefährdet sind, sondern wir und unser Dasein als Deutschländer. Da hilft kein deutscher Pass, wenn man nicht ethnisch deutsch ist.“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/296-kassandra-tibi.html

Die Stimmung hat sich gedreht, gerade gegenüber Muslimen.

Wie würde Joachim Löws Aussage von 2010 heute ankommen? „Ich denke, dass Mesut ein Musterbeispiel für Integration ist. Mesut hat sich den muslimischen Glauben, die türkische Kultur bewahrt und spielt trotzdem für Deutschland Fußball. Das ist ein tolles Signal."

Würde er das heute überhaupt noch sagen?

Wäre Mesut Özil heute noch „Unser Özil“?

 

Immer Ärger mit Mesut

 

Aus einem früheren Beitrag des Wurms: „Auch bei dieser WM wurde mal wieder breit über die Singerei bzw. Nichtsingerei diskutiert und dabei Mesut Özil zitiert, warum er nicht singt (er betet) und wie das Gebet im Wortlaut geht. Da im Gebet das Wort „Allah“ auftaucht, hat das die Lage noch verschlimmbessert. – Das Deutschland des Jahres 2018 sieht anders aus als von vor ein paar Jahren.

Mesut Özil in seinem Buch „Die Magie des Spiels“ aus dem Jahr 2017: „… Kurz vor dem Anstoß bete ich. Auch das hat bei mir Tradition. Es ist immer derselbe Text, den ich kurz vor dem Anstoß auf dem Rasen vor mich hinsage. Ich bete auf Türkisch.

„Allah (Gott), gib uns für das heutige Spiel Kraft und schütze mich und meine Teamkollegen vor Verletzungen. Allah (Gott), Du kannst uns den Weg (Erfolg) eröffnen oder auch verschließen. Führe uns nicht vom rechten Weg ab. Amen“ …“

https://www.bild.de/sport/fussball/mesut-oezil/das-bete-ich-waehrend-der-nationalhymne-50697118.bild.html

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/340-identitaet.html

Nein – heutzutage kommt das nicht mehr so gut an wie noch vor ein paar Jahren.

Moritz Tschermak: „Kurz nach dem Ausscheiden bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland berichteten viele Medien vor allem über einen deutschen Nationalspieler: Mesut Özil. Es war schließlich auch etwas passiert nach dem letzten Gruppenspiel gegen Südkorea: Eine Person auf der Tribüne beleidigte Özil, vermutlich ausländerfeindlich. Der DFB schrieb uns auf Nachfrage, dass dem Verband Informationen vorliegen, die diesen Vorgang bestätigen. Özil ließ sich das nicht bieten. Torwarttrainer Andreas Köpke und ein Bodyguard mussten einschreiten.

Doch statt zu schreiben „Eklige Attacke gegen Mesut Öziloder „Rassistischer Angriff auf Nationalspieler“, titelten die Redaktionen …

So, als ginge die Aggression von Özil aus; als hätte nicht zuerst irgendein Holzkopf ausländerfeindlichen Dreck von sich gegeben; als müsste ein Nationalspieler nach dem Ausscheiden bei einer WM alles hinnehmen, auch rassistische Anfeindungen; als dürfte er sich gegen die Beleidigung nicht wehren, ohne mit dieser Reaktion für Ärger zu sorgen …

„sportlich leider nix los“ ist dann auch eine ausgesprochen negative Auslegung dessen, was Mesut Özil beispielsweise gegen Südkorea auf dem Spielfeld gezeigt hat. Er hat sicher kein überragendes Spiel gemacht, aber laut Statistiken deutlich mehr als „nix“: mit 110 Ballberührungen die zweitmeisten im deutschen Team, mit 95 Pässen ebenfalls die zweitmeisten, darunter sieben sogenannte „Key Passes“, also solche, die direkt zu guten Chancen führen. Mesut Özil war, glaubt man den Zahlen, gegen Südkorea einer der Besten einer insgesamt schwachen Mannschaft.

Und dennoch suchten zahlreiche Redaktionen Fotos von Özil aus, um das Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft zu bebildern: Die „Welt“ zeigte, „wie schwach Deutschland wirklich war“, und wählte für den Artikel ein Foto von Özil. Bei der „FAZ“ brachten sie die Schlagzeile „Der deutsche Untergang“ und wählten ein Foto von Özil (was die Redaktion später änderte). „Bild“ schrieb bei Instagram „Peinlicher Auftritt“ und wählte dazu ein Foto von Özil. „Pro Sieben“ forderte ausschließlich Mesut Özil per Twitter zum Rücktritt auf (wofür sich der Sender später entschuldigte). „11 Freunde“-Chefredakteur Philipp Köster hat das alles drüben bei „Übermedien“ detailliert aufgeschrieben.

Mit der sportlichen Leistung allein lässt sich die Wucht der Kritik an Mesut Özil nicht erklären. Vielleicht spielt eine angestaute Wut darüber, dass er die deutsche Nationalhymne nicht mitsingt, eine Rolle. Vielleicht das generelle Misstrauen gegenüber, der Hass auf Türken. Auf jeden Fall immer noch das Foto mit Erdogan.“

https://bildblog.de/99621/medien-ueber-mesut-oezil-der-rassismus-der-anderen/

https://bildblog.de/99327/welt-pseudoserioeses-unken-ueber-mesut-oezil-in-bild/

 

Fußball als Spiegelbild der Gesellschaft

 

„Vor zehn Jahren hat Sönke Wortmann, der Regisseur des „Sommermärchens“, einen Spot mit den Eltern deutscher Nationalspieler und Nationalspielerinnen für den Deutschen Fußball-Bund gedreht. Es ging dabei um Integration. Um die Vorstellung davon, wie sie aussieht, wenn sie gelingt. Wortmanns Spot zeigt viele fröhliche Menschen verschiedener Herkunft, darunter einen dunkelhäutigen Gastgeber, der eine Frau mit Kopftuch begrüßt. Man trifft sich zum Grillen in einem blühenden Garten, der zu einem schönen, frei stehenden Haus gehört. Man isst zusammen, Kartoffelsalat und Kebab. Man trinkt zusammen, Sekt und Saft. Natürlich gibt es auch Bier, und dann schaut man gemeinsam Fußball. Dazu sagt eine Stimme aus dem Off: „Was haben alle diese Menschen gemeinsam? Ihre Kinder spielen in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. DFB. Más Integración.“

In diesen Zeiten, als auch die ersten Fotos 2011 von Özil mit Erdogan entstanden, wurde in Deutschland ein türkischstämmiger Spieler wie Nuri Sahin kritisiert, weil er sich für die türkische Nationalmannschaft entschied und nicht für die deutsche. Und Özil stand in der Türkei in der Kritik, weil er sich für die DFB-Auswahl entschied, wofür er in Deutschland gefeiert und geehrt wurde.“

http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball-wm/deutsches-team/reaktion-auf-erdogan-fotos-symbole-deutschen-scheiterns-15668200.html

 

 

10 Jahre alt ist der Spot mit Sicherheit nicht; Sönke Wortmann hat ihn vor 5 Jahren auf YouTube eingestellt. Aber: wäre ein solcher Spot heute auch noch möglich? Würde er nicht von vielen aufs Übelste beschimpft werden?

Wie sieht die Zukunft „der Mannschaft“ aus? Wird sie wieder „Nationalmannschaft“ heissen? Der Wurm geht davon aus, dass in Zukunft die „deutschen Werte“ wieder hochgehalten werden und die heuchlerischen Hymnen-Singer die potentiellen Nicht-Singer dazu nötigen werden, die Hymne mitzusingen.

Auf die Gesellschaft übertragen: ausländer hat sich gefälligst anzupassen. Es geht nicht mehr darum, dass jeder auf seine Weise zum Gelingen beiträgt, sondern dass alle sich so verhalten müssen, wie es die Mehrheits-Meinung vorschreibt.

Vor 7 Jahren war Fremden-Feindlichkeit noch Spinnern am äußersten Rand der Gesellschaft vorbehalten. Jetzt ist sie inmitten der Gesellschaft und greift immer mehr um sich.

Nichtsdestotrotz: der Wurm bedankt sich bei Mesut Özil für seine Verdienste um den deutschen Fußball. Auch, wenn er sich größtenteils aus gesellschaftlichen Themen rausgehalten hat, hat er sich dennoch nicht verbiegen lassen.

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm