Mit dem Regenwurm ist es so eine Sache. Meist nimmt ihn keiner wahr und ernst nehmen tut ihn kaum jemand. Und doch: meist ist er da und oft auch wichtig. Ein eigenes Leben hat er allemal, wenn auch überwiegend unter der Erde - da wühlt und gräbt er sich durch alles durch und kommt mit allem in Kontakt, was es da so gibt im Wurzelbereich und drunterhinaus. Was dahin gerät - und das meiste kommt früher oder später mal da an - betrifft ihn und seine Freunde. Ab und zu kommt Rupert (so der Name des Regenwurms) an die Erdoberfläche, um zu sehen, was die da oben schon wieder alles treiben. Und gibt Kunde davon seinen staunenden Kumpels im Erdreich und jenen über der Erde, die sich für ihn interessieren.
Die halbe Welt regt sich darüber auf, dass von einer Terrorgruppe namens „Boko Haram“ („Westliche Erziehung ist Sünde“) über 200 Mädchen aus einer Schule entführt wurden mit dem Ziel, Lösegeld zu erpressen.
Das ist ohne Zweifel schlimm. Aber: seit über 10 Jahren wurden zehntausende Menschen in Nigeria getötet. Über drei Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht. Polizei, Justiz und Verwaltung sind vollkommen korrupt. Das Land hat eine (zumindest auf dem flachen Land) kaputte Infrastruktur und eine miserable Bildungspolitik. 80% der Menschen leben in bitterster Armut. Dazu kommen fanatisierte Religiöse (evangelikale Christen und Muslime). Sofern mensch nicht der Oberschicht angehört, ist es ein Horror, in solch einem Land leben zu müssen.
Doch der Wurm hat keine große Aufregung in der Welt vernommen über die Zustände im Land, die Millionen Flüchtlinge, die zehntausende Toten. Aber jetzt: 200 entführte Mädchen!
Letzte Woche, genauer gesagt am 29. April, erlebte das deutsche Fernsehen mit „Die Anstalt“ eine Sternstunde. Doch bevor der Wurm näher darauf eingeht, möchte er ein paar Zitate bringen und fragen, von wem die sein könnten:
"Man sollte vielleicht früher bedenken, was das Ergebnis ist, wenn man im Vorhof einer anderen Großmacht von außen für politische Veränderungen sorgt."
"Ich würde es umdrehen: Man muss sich fragen, ob man jemanden wie Putin nicht wesentlich früher hätte in den Prozess einbinden sollen – statt die Gespräche erst dann zu beginnen, wenn es zu spät ist."
"Hier ist eine Situation entstanden, in der sich Russland in die Ecke gedrängt fühlte"
Hier die Auflösung: es handelt sich um Topmanager der deutschen Wirtschaft: Frank Appel (Deutsche Post), Herbert Haimer (adidas) und Heinrich Hiesinger (ThyssenKrupp) in einem Gespräch mit der „Welt“.
Was die deutsche Wirtschaft insgesamt von der aktuellen Ukraine-Krise hält, wird, wenn überhaupt, nur sehr am Rande erwähnt und wird den meisten erst bewusst, als US-Senator John McCain diese Haltung scharf kritisiert. Aus einem weiteren Artikel der „Welt“:
„Der Einfluss der "Industrielobby" sei so groß, als säßen die Interessensvertreter selbst in der Bundesregierung, schimpfte McCain: "Eine Schande" und "peinlich" sei das.“
Der Schreiber des Artikels scheint der gleichen Meinung zu sein wie McCain und schreibt „Zu Hause muss sie (Angela Merkel) ihre Politik, sich von Putin nicht alles bieten zu lassen, gegen eine russlandfreundliche Öffentlichkeit verteidigen. Dort identifizieren sich nicht nur die überwältigende Mehrheit der Wirtschaft und führende Publizisten, sondern auch die Mehrheit der Leserbriefschreiber mit dem Aggressor.“
Bemerkenswert ist die Wortwahl („sich von Putin nicht alles bieten zu lassen“, „Aggressor“) und die Frage, wer diese „führenden Publizisten“ sein sollen. In erster Linie aber ist es „die überwältigende Mehrheit der Wirtschaft“, die sich mit dem „Aggressor“ „identifiziert“. In anderen Worten: zum Maß halten aufruft.
Zusammen mit Angelo Roncalli wurde Karol Wojtyla heilig gesprochen. Von 1978 bis 2005 war er Papst und war in dieser Zeit durch die Medien ständiger Begleiter der Menschen. Ob sie es wollten oder nicht.
Bereits bei seiner Begräbnisfeier forderten Sprechchöre und Spruchbänder seine sofortige Heiligsprechung. Alleine schon deshalb wäre es verwunderlich gewesen, wenn der Vatikan lange damit gewartet hätte. An einem oder mehreren Wundern, die dazu benötigt werden, sollte es jedenfalls nicht fehlen.
„CHARLES SPENCER CHAPLIN, geboren am 16. April 1889 in London. In der überlieferten Geschichte der Menschheit ist wohl kein Mensch zu Lebzeiten und danach weltweit so bekannt geworden wie Charlie Chaplin. Seit rund 75 Jahren hat jede Generation diesen komischen kleinen Kerl neu für sich entdeckt und in ihr Herz geschlossen. 1922 schrieb Kurt Tucholsky über ihn: "Er ist, wie alle großen Komiker, ein Philosoph. Versäumen Sie nicht, ihn sich anzusehen. Sie lachen sich kaputt und werden für dieses Lachen dankbar sein, solange Sie leben." Dabei kannte Tucholsky 1922 noch gar nicht Filme wie "Goldrausch", "Zirkus", "Lichter der Großstadt", "Der große Diktator" oder "Moderne Zeiten".
Federico Fellini, der große italienische Künstler, nennt Chaplin "…den Adam, von dem wir alle abstammen." Und Billy Wilder, selbst einer der ganz großen Komödianten dieses Jahrhunderts, sagte einmal über Charlie: "Bei Chaplin war Gott in Hochform. Es wird ein oder zwei Jahrhunderte dauern, bis ein solches Genie wiederkommt." Das bekanntlich sehr viel durchmachen musste, um zu d e m zu werden, was ihn berühmt werden ließ. Denn in den Jahren seines produktivsten Schaffens - als die Leute außer Rand und Band gerieten vor Chaplin-Begeisterung und Gagen wie Ruhm ins scheinbar Unermessliche stiegen - war er auch der innerlich zerrissene Künstler mit dem besessenen Hang zur absoluten Perfektion.
Zwei Ehen waren die reinste Katastrophe, die Frauenverbände verfolgten ihn wegen seines "unmoralischen Lebenswandels", und 1949 jagten ihn die Amerikaner sogar aus dem Land. Für sie war dieses Lästermaul aus England ein Kommunist und Volksverführer. Chaplin ging weg und wurde ausgebürgert. Und schuf in England sein Meisterwerk "Ein König in New York", wo er es den amerikanischen Kommunistenjägern heimzahlte. Erst 1972 nahm ihn Amerika wieder "richtig" auf und verlieh ihm einen Ehren-"Oscar". Charlie war gerührt, die Bilder gingen um die Welt.
Charles Spencer Chaplin, den alle Welt "Charlie" nennt, ist unsterblich. Noch in 100 Jahren wird man ihn mit der gleichen Freude und Gerührtheit betrachten und lieben wie einst und heute. Ein Leben ohne irgendwo mit "Charlie" Chaplin - undenkbar! Nochmal Kurt Tucholsky: "Da geht er hin und ruckt nach all dem Kummer an einem kleinen Hut und watschelt ab und sagt mit den Beinen: Auf Wiedersehen!"“
Charlie Chaplin wäre dieser Tage 125 Jahre alt geworden. Besser als der Filmkritiker Hans-Ulrich Pönack hätte es der Wurm auch nicht auf den Punkt bringen können. Es lohnt sich übrigens, die Kritiken anzusehen. Hans-Ulrich Pönack ist einer von wenigen Menschen, die eine Meinung haben und diese auch vertreten.
Letzte Woche ist Karlheinz Deschner gestorben. Die Bewohner des Erdreichs, vor allem die Mitglieder der Arbeitsgruppe REA (Religiöses, Esoterisches, Abstruses) trauern um den großen Tierfreund und Humanisten.
Michael Schmidt-Salomon hat einen treffenden Nachruf geschrieben:
“‘Aufklärung ist Ärgernis, wer die Welt erhellt, macht ihren Dreck deutlicher.‘ Mit diesem Aphorismus formulierte Karlheinz Deschner das eigene Lebensmotto. Denn Deschner war die Personifikation des aufklärerischen Ärgernisses, ein Stachel im Fleisch der Zeit, an dem sich die Diskussion immer wieder entzünden musste ...
Schon allein aufgrund seiner ungeheuren literarischen Qualität gehört Deschners Werk zu den kostbarsten Juwelen der Aufklärung, ein Juwel, das auch in Zukunft noch funkeln wird, um die Welt zu erhellen und jenen Dreck zu verdeutlichen, der ansonsten liebend gerne wieder unter den Teppich gekehrt würde ...“