Während der Langeweile des Liegens sucht man sich mannigfaltig zu zerstreuen; so vertrieb ich mir einmal die Zeit, indem ich meine Verwundungen zusammenzählte. Von Kleinigkeiten wie von Prellschüssen und Rissen abgesehen, hatte ich im ganzen mindestens vierzehn Treffer aufgefangen, nämlich fünf Gewehrgeschosse, zwei Granatsplitter, eine Schrapnellkugel, vier Handgranaten- und zwei Gewehrgeschoßsplitter, die mit Ein- und Ausschüssen gerade zwanzig Narben zurückließen. In diesem Kriege, in dem bereits mehr Räume als einzelne Menschen unter Feuer genommen wurden, hatte ich es immerhin erreicht, daß elf von diesen Geschossen auf mich persönlich gezielt waren. Ich heftete daher das Goldene Verwundetenabzeichen, das mir in diesen Tagen verliehen wurde, mit Recht an meine Brust.
Der Mann sollte noch lange leben: vor 20 Jahren starb Ernst Jünger im Alter von 102 Jahren als „Mann des 20. Jahrhunderts“, der beträchtlichen Einfluss auf das 21. Jahrhundert hat.
Wie kaum ein zweiter beharrt Ernst Jünger auf seiner Individualität, was ihn jedoch nicht hindert, die Gemeinschaft zu suchen und sich in ihr wohlzufühlen. Probleme mit Menschen hat er keine, ob sie nun von links, rechts, oben oder unten kommen – er redet mit allen, auch, wenn sie anderer Meinung sein sollten. Er kennt seine Schwächen, weiss, dass ihm „Vereinsmeierei“ nicht liegt und lässt es deshalb gleich bleiben.
Was er aber kann, ist beobachten und beschreiben. Ob es sich um Insekten, Menschen oder Situationen handelt. Nüchtern und emotionslos, aber manchmal auch mit esoterischem Geschwurbel.
Restlos zufrieden ist er nie. Sehr zum Leidwesen jener, die sich mit seinen Werken befassen und feststellen müssen, dass es mehrere Fassungen seiner Werke mit stilistischen und inhaltlichen Änderungen gibt.
Ernst Jünger lässt sich nicht leicht einordnen. Die Begriffe „rechts“, „nationalistisch“, „konservativ“ könnten einem als erstes einfallen. Jene Bezeichnung, die auf ihn am ehesten zutrifft, ist das Wort „aber“. Nichts passt so richtig zu ihm, auch nicht die drei zuerst erwähnten Begriffe. Es wäre nicht verkehrt, zu behaupten, dass jeweils das Gegenteil richtig sei.
Die Verlockung, ihn zu verdammen, kommt einem Wurm mehrfach – aber da gibt es ja noch die andere Seite.
Bei aller Kritik, die an Ernst Jünger vorzubringen ist, muss das Umfeld und die Zeit, in der er tätig war, berücksichtigt werden. Große Hilfen waren dem Wurm die großartigen Bücher „Ernst Jünger – Die Biographie“ von Helmuth Kiesel und „Ernst Jünger – Leben und Werk in Bildern und Texten“ von Heimo Schwilk.