Man spricht Deutsch

„Jetzt auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen“. Volker Kauders Satz aus dem Jahr 2011, der schon damals in Europa schlecht ankam, war nie wahrer als heute.

Letztes Wochenende mit dem Höhepunkt des Montags wird in die Geschichtsbücher eingehen. Dies ist auch jedem bewusst und den meisten ist zudem bewusst, dass es sich um ausnahmslos schlechte bis sehr schlechte Folgen handeln wird.

Für Griechenland, für Europa, für Deutschland, für die Weltwirtschaft, möglicherweise auch für die Geopolitik.

 

Neoliberaler Siegeszug in Griechenland setzt sich weiter fort

 

Um die Vorgeschichte hatte sich der Wurm bereits in aller Ausführlichkeit gekümmert: http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/175-die-siechen-griechen.html . Es hat sich noch einmal verschlechtert. Hier die aktuellen Ergebnisse:

„Das Ergebnis des EU-Gipfels ist vorhin offiziell veröffentlicht worden. Die Lektüre lohnt sich schon deshalb, weil man in jeder Zeile des Papiers spürt, welch eisiger Wind den Teilnehmern in Brüssel um die Nasen geweht sein muss.

Kritiker beklagen ja bereits einen Staatsstreich zu Lasten des griechischen Souveräns. Das sind natürlich starke Worte. Allerdings kann man auch mal einen Schritt zurücktreten, einen Perspektivwechsel wagen und sich fragen: Was wäre wohl die juristische Sicht der Dinge, wenn Deutschland auf der Sünderbank säße und sich dieser Agenda unterworfen müsste?

Ich greife nur mal folgende Kernpassage heraus:

The government needs to consult and agree with the Institutions on all draft legislation in relevant areas with adequate time before submitting it for public consultation or to Parliament.

Die griechische Regierung muss sich also für jede gesetzgeberische Initiative – und damit sind nicht nur Gesetze, sondern auch Verordnungen gemeint – vorab die Zustimmung der Institutionen einholen, noch bevor sie diese im Parlament einbringt oder öffentlich macht. Es bedarf nur wenig Fantasie, was unser Bundesverfassungsgericht zu dieser faktischen Schattenregierung und der damit verbundenen Aushebelung des Grundsatzes „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ sagen würde. Nämlich ein deutliches Nein.

Es gibt noch so einige andere Punkte in dem Papier, bei denen deutsche Verfassungsrechtler sich vor Schmerzen winden müssten. Juristisch gesehen liefe das alles – auf Deutschland bezogen – darauf hinaus, dass das Volk tatsächlich einen guten Teil seiner Souveränität für Geld verkauft. Beziehungsweise verkaufen muss. Sonderlich wohl muss einem dabei nicht sein.

Heute sind es vielleicht nur „die Griechen“. Aber wer weiß, was morgen ist?“

http://www.lawblog.de/index.php/archives/2015/07/13/was-wuerde-karlsruhe-sagen/

„Das nun durchgepaukte 3. Hilfspaket verpflichtet Griechenland u.a. zur drastischen Anhebung der Mehrwertsteuer und des Renteneintrittsalters, zur Einrichtung eines Treuhandfonds unter europäischem Kuratel, zur Privatisierung von Häfen und Flughäfen und sonstigem Staatseigentum. Der Verkaufserlös soll nur zu einem geringen Teil im Land investiert werden, der weitaus größere Teil soll der Schuldenabsicherung dienen. Der für die Sanierung Griechenlands notwendige Schuldenschnitt scheiterte insbesondere am deutschen Widerstand.

Außerdem musste der griechische Ministerpräsident zusagen, dass das griechische Parlament einige Reformvorschläge bis Mittwoch verabschiedet. Für eine ausreichende inhaltliche Prüfung des für Griechenlands Zukunft äußerst bedeutsamen Maßnahmepakets durch die Volksvertretung wurde keine Zeit zugestanden. Eine größere Missachtung von Verfassungsorganen ist kaum vorstellbar. Der Vorgang verdeutlicht, dass die europäischen Institutionen Griechenland inzwischen als Protektorat betrachten, das nur noch den Willen des Protektors umzusetzen hat.

Es gilt die Devise: Vogel friss oder stirb! interessant wäre, was das Bundesverfassungsgericht sagen würde, wenn dem deutschen Gesetzgeber von außen eine derartige Verfahrensweise angesonnen würde. Der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman kommentierte das Vorgehen der Retter treffend: Das sei nicht mehr Strenge, das sei schiere Rachsucht und vollständige Zerstörung nationaler Souveränität, ohne Hoffnung auf Abhilfe. Es sei ein grotesker Verrat an allem, wofür das europäische Projekt eigentlich stehen sollte. Ergänzend hierzu die Einschätzung von Sahra Wagenknecht: „Die Annahme des vorgeschlagenen Pakets läuft auf die Fortsetzung des fatalen Giftcocktails von Kürzungspolitik und sich verschärfender Wirtschaftskrise hinaus“; dies habe in den letzten Jahren ein Viertel der griechischen Wirtschaftskraft zerstört und die griechischen Schulden immer weiter erhöht.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26785

"Urplötzlich war das Angebot der Euro-Gruppe vom 26. Juni nicht mehr existent und die mühselig dem Parlament abgerungenen griechischen Vorschläge dementsprechend nichts mehr wert. Mit der Begründung des „zerstörten Vertrauens“ wurden die Würgeisen beim griechischen Ministerpräsidenten und seinem neuen Finanzminister plötzlich um viele Umdrehungen fester gezogen.

Die Finanzminister befahlen als Vertrauensbeweis, dass die umstrittenen „Reformen“ der Mehrwertsteuer und des Rentensystems und andere Auflagen binnen zweier Tage, bis zum 15. Juli durchs Parlament gepaukt werden müssten. Bevor überhaupt weiterverhandelt werden könne, müssten wirtschafts- und finanzpolitische Anpassungsmaßnahmen verschärft und z.B. die durch Gerichtsurteil kassierte Rentenreform von 2012 finanziell ausgeglichen werden. Das Stromnetz soll sofort privatisiert werden. Bis hinein in die Sonntagsöffnung von Geschäften gehen die Befehle. Einmal mehr spielten sich die Finanzminister wie eine Besatzungsmacht auf, für die es offenbar nur noch die bedingungslose Kapitulation der Griechen gibt.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26754#more-26754

„Wie auch immer Griechenland in seine jetzige Lage gekommen ist: Man wird einen Staat nicht neu und besser aufbauen können, indem man ihn durch immer neue Sparrunden ausbluten lässt. Es ist nicht nur eine ethisch-moralische Bankrotterklärung Europas, Millionen Bürgerinnen und Bürger eines Landes in bittere Armut zu treiben. Es hat sich auch in Griechenland als vollkommen untaugliches Rezept erwiesen …

Ginge es darum, in europäischer Gemeinsamkeit ein Griechenland zu bauen, das irgendwann auch seine Schulden bezahlen kann, denn müsste spätestens jetzt in den Aufbau eines funktionierenden Staatswesens, in die Infrastruktur des Landes und in die Wiederbelebung der Wirtschaft investiert werden. Die letzten Besitztümer dieses Staates in einen Fonds zu verschieben und dann zwecks Schuldenbedienung zu verscherbeln, ist das genaue Gegenteil eines erfolgversprechenden Weges.“

http://www.fr-online.de/aktuelle-kommentare/griechenland--rettung--verrat-an-der-europaeischen-idee,30085308,31210264.html

„Viele Leser fragen entsetzt, was jetzt geschehen ist, vor allem stellt sich die Frage, wie der griechische Ministerpräsident diesem Paket zustimmen konnte. Nun ja, wenn jemand eine Pistole am Kopf hat, ist er zu manchem bereit. Ich vermute, in Griechenland gibt es unglaublich viel Wut, aber am Ende wird auch das griechische Parlament seiner eigenen Entmachtung zustimmen. Wir haben das schon einmal erlebt, das Land hieß Zypern und die Ergebnisse waren genauso katastrophal.

Griechenland hat gar keine Wahl, weil es den Grexit als einfache Alternative nicht gibt, weil die Regierung kein Mandat dazu hat und weil sich kein neugewählter junger Regierungschef dieser Welt vorstellen kann, die Verantwortung für eine solche Operation zu übernehmen.“

http://www.flassbeck-economics.de/was-ist-geschehen/

„Der deutsche Deal zu Griechenland wird scheitern – da sind sich die meisten Ökonomen einig. Doch je mehr Details bekannt werden, desto klarer wird: dieser Deal SOLL scheitern, er ist eine Falle …

All das kommt erst jetzt heraus. Merkel und Schäuble war es hingegen schon beim Gipfel bekannt – auch die Sache mit dem IWF und den Schulden. Sie haben den Deal also wider besseres Wissen durchgedrückt.

Wenn man dann noch die Salamitaktik nach dem Gipfel hinzunimmt – Merkel schließt einen Schuldenschnitt aus, Schäuble fordert weiter den „temporären“ Grexit -, dann wird klar:

Die deutsche Regierung sucht gar keine Lösung. Sie will Griechenland nicht retten, sondern aus dem Euro drängen. Angesichts der vielen eingebauten Fallen ist es nur eine Frage der Zeit, wann es knallt.

Vorteil dieser Strategie aus Berliner Sicht: Griechenland hat ja alle Konditionen selbst unterschrieben – und es wird die Regierung in Athen sein, die den programmierten „Graccident“ verschuldet…“

http://lostineu.eu/dieser-deal-soll-scheitern/

„Was Deutschland und die anderen Kreditgeber Athen da aufdrängen, ist so extrem, dass man nicht nur in Griechenland schockiert ist. Es wird einige Tage dauern, bis man dort die Ereignisse des Wochenendes verdaut hat.

Die entrüsteten Reaktionen, die ich wahrgenommen habe, kamen nicht einmal von den üblichen Verdächtigen, sondern von eher konservativ gesinnten Deutschland-freundlichen Ökonomen …

Deutschland stellt mit seiner Diplomatie sicher, dass das jetzt beschlossene Griechenland-Programm keinesfalls funktionieren wird. Der von den Franzosen in den vergangenen Wochen ausgehandelte Kompromiss hätte den entscheidenden Vorteil gehabt, dass die Syriza-Regierung die inhaltliche Obhut übernommen hätte. Es war schließlich ihr Programm.

Für das, was jetzt beschlossen wurde, gibt es in Griechenland niemanden, der inhaltlich dahintersteht. Es ist das Programm einer feindlichen ausländischen Macht. Dadurch wird der Grexit bestenfalls hinausgeschoben, aber nicht verhindert. Lediglich die Kosten eines Grexits werden für alle Beteiligten steigen. Zu den deutschen Risiken von 80 bis 90 Milliarden Euro kommen jetzt noch weitere bis zu 20 Milliarden dazu.“

http://www.spiegel.de/wirtschaft/wolfgang-schaeubles-diplomatie-ist-rueckfall-in-alte-zeit-kolumne-a-1043404.html

„Völlig erratisch ist in den letzten Tagen die Strategie der Europartner und insbesondere der deutschen Regierung geworden. Ging es denen um den definitiven Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone, um die restlose Durchsetzung der neoliberalen Wirtschaftsreformen, um die Vernichtung der gegenwärtigen griechischen Regierung, um die Bedienung des aufgeheizten innenpolitischen deutschen Klimas, um die Disziplinierung von kompromissbereiten Ländern wie Frankreich und Italien?

In einer Sache jedenfalls hat die augenblickliche Situation den Vorzug der Eindeutigkeit: Es handelt sich nicht mehr um die ökonomische Effizienz dieser oder jener Reformmaßnahmen, sondern um rohe Machtpolitik. Was sich jetzt als "Einigung" abzeichnet, fasst die politische Logik der europäischen Krisenpolitik perfekt zusammen: Das Konsortium aus Gläubigerinteressen, Finanzregime und Politik hat nun den Staatsstreich gegen Griechenland geprobt."

http://science.orf.at/stories/1760173/

„Aber im Visier ihrer Politik hatten und haben sie alles, was den abhängig Beschäftigten lieb und teuer sein muss: die solidarische Absicherung vor den Risiken von Alter und Krankheit zum Beispiel, also eine gesetzlich-staatliche Rentenversicherung und eine solidarische Krankenversicherung. Oder etwa die öffentliche staatliche oder kommunale Versorgung mit Gütern der Daseinsvorsorge - mit Wasser, Schienenverkehr, Luftverkehr, Krankenhäusern, Energie, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen.

Merkel und Genossen zwingen die Griechen dazu, ihre öffentlichen Einrichtungen wie Flughäfen, Seehäfen und Energieversorger zu privatisieren bzw. in einen Fonds einzubringen, der organisiert ist wie die berüchtigte Treuhandanstalt in Deutschland. Das ist nichts anderes als Raub von Volkseigentum - zumal in einer wirtschaftlichen Lage, in der für das öffentliche Vermögen nur Dumpingpreise zu erzielen sind. Man nimmt dem griechischen Volk sein Vermögen weg, um es zu verschleudern an x-beliebige, ausschließlich an immer mehr Rendite interessierte Finanzinvestoren aus der kapitalistischen Welt. Wie seinerzeit die Treuhandanstalt in Deutschland.

Noch etwas verordnet Euro-Europa den Griechen: Ihre Löhne sollen noch weiter sinken, als sie es ohnehin schon sind. Und dann sollen die Geringverdiener auch noch über eine erhöhte Mehrwertsteuer den Staatshaushalt sanieren: nackte Interessenpolitik derer da oben gegen die hier unten. Und über alledem schwebt stets die Warnung an alle Menschen in Europa, die von abhängiger Arbeit leben müssen: Wer aufbegehrt, wer falsch wählt, etwa gar linksradikal, der wird das zu büßen haben. Damit niemand auf die Idee kommt, es könnte eine Alternative zur neoliberal-marktradikalen Gestaltung des Gemeinwesens geben.

Es ist gar nicht zu bestreiten, dass Europa Griechenland zu viel an Finanzhilfen und Krediten gegeben hat, so viel, dass sie kaum jemals zurückgezahlt werden können. Und Griechenland hat das Geld angenommen. Aber wenn überhaupt, dann können die Hellenen nur zurückzahlen, wenn Europa sie produzieren lässt, etwa auch Leistungen des Tourismusgewerbes, wenn die Menschen Arbeit und die Selbstständigen und Unternehmen Aufträge haben, wenn die Wirtschaft brummt. Genau das aber haben die "Institutionen" unter deutscher Führung seit Beginn der Krise 2010 verhindert und mit ihrer Austeritäts-, also Sparpolitik die Wirtschaft Griechenlands in die Knie gezwungen. So wächst keine Beschäftigung, und wer in eine Krise hinein spart, der spart am Ende weniger, als er - unter anderen Bedingungen - sparen könnte.

Deprimierend bei alledem ist die Kaltschnäuzigkeit, mit der europaweit die Eliten in Politik, Medien und Wirtschaft und auch große Teile der Bevölkerung das Elend, das die geschilderte Politik über die Mehrheit unserer griechischen Mitbürger/innen gebracht hat, billigend in Kauf nehmen und sehenden Auges auch noch verschärfen: 60 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, drei Millionen Menschen ohne Krankenversicherung, Kinder und Rentner, die sich aus Mülltonnen ernähren, all das bis hin zu Hunger, Krankheit und Tod inklusive einer rasant steigenden Zahl an Selbsttötungen.“

http://publik.verdi.de/2015/ausgabe-05/gesellschaft/meinung/seite-15/A2

„Es geht nicht um eine Erholung der griechischen Wirtschaft und auch nicht um die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Landes. Es geht einzig und allein um die Absicherung internationaler Großbanken und um die rücksichtslose Plünderung eines Landes vor seinem endgültigen Zusammenbruch. Leidtragende werden in erster Linie wieder die schwächsten und hilfsbedürftigsten Mitglieder der Gesellschaft sein.

Entgegen dem von Politikern wie Jean-Claude Juncker oder Martin Schulz in zahlreichen Talkshows geheuchelten Mitleid mit der humanitären Katastrophe in Griechenland wird dem Land eine weitere Reform der Altersrenten zugemutet, die viele griechische Senioren endgültig in Armut und Hunger treiben wird. Selbst die unfassbare Zahl von siebentausend Selbstmorden verzweifelter und durch sechs Sparprogramme um ihre Existenz gebrachter Menschen hält die Bürokraten aus Brüssel, Frankfurt und Washington nicht von dieser Maßnahme ab, die auch noch von einer Erhöhung der Mehrwertsteuer – von der die Ärmsten immer am härtesten betroffen sind – begleitet wird.

Die geforderte Privatisierung des staatlichen Stromnetzbetreibers Admie wird nicht nur Rentner und Sozialhilfeempfänger, sondern sämtliche Bezieher kleiner Einkommen in noch größere Not bringen. Wie diverse Beispiele dieser vom IWF in zahlreichen Ländern bereits erprobten Maßnahme zeigen, werden die ausländischen Konzerne, die diesen Wirtschaftsbereich übernehmen, alles daran setzen, in kürzest möglicher Zeit höchstmögliche Profite zu erwirtschaften. Ein Blick nach Nigeria, wo diese Maßnahme zuletzt durchgeführt wurde, zeigt zudem, dass sich die Versorgungslage nach der Privatisierung erheblich verschlechtert.

Im übrigen dient dieser Schritt wie auch die Einrichtung des Treuhandfonds, an den griechisches Staatsvermögen im Werte von 50 Mrd. Euro übertragen werden soll, einer ganz bewussten Schwächung und Demütigung der durch ihren Wahlbetrug am griechischen Volk ohnehin angeschlagenen Syriza-Regierung. Der Versorgungsbereich in Griechenland wird nämlich weitgehend von den Gewerkschaften beherrscht. Syrizas erzwungene Zustimmung zu seiner Privatisierung kommt einem erzwungenen Selbstmord auf Raten gleich und bereitet einen Regime-Wechsel in Athen vor.

Grund dafür ist die Tatsache, dass die Troika an Syriza ein Exempel statuieren möchte: Auch wenn Tsipras und seine Weggefährten in der vergangenen Woche bedingungslos kapituliert haben, wird die Troika ihnen ihre fünfmonatige – wenn auch nur halbherzig und zur Täuschung griechischer Wähler durchgehaltene – Auflehnung gegen die Austeritätspolitik niemals verzeihen.

Darauf zielt auch die ausdrückliche Forderung ab, alle ins Parlament eingebrachten Gesetzesentwürfe in Zukunft Wort für Wort mit der Troika abzusprechen - eine Maßnahme, die die seit 2010 nicht mehr vorhandene Souveränität des Staates Griechenland noch einmal drastisch unterstreicht.

Die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer (vor allem der im gastronomischen Bereich) ist der Todesstoß für zahllose Familienbetriebe, von denen 180.000 bereits mit dem Bankrott kämpfen. Sie wird die Zahl der 70.000 bereits in den Konkurs getriebenen Betriebe dramatisch erhöhen. Lokal gefärbte Cafés, Bistros und Restaurants werden globalen Ketten wie Starbucks, McDonald's oder Subway weichen und das Gesicht der Städte grundlegend verändern.

Die geplanten Arbeitsmarktreformen, die die Ausbeutung der ohnehin ums Überleben kämpfenden Beschäftigten noch weiter verschärfen und auch auf den ersten Blick weniger wichtige Maßnahmen wie die Ausweitung der Ladungsöffnungszeiten auf den Sonntag werden vor allem kleine und mittelständische Betriebe treffen und zeigen symbolisch, wohin die Reise geht: Im Hintergrund lauern bereits hunderte große international operierende Konzerne, um alles, was sich ihnen in Griechenland an mittelständischen Betrieben bietet, zu schlucken oder nach deren Konkurs durch eigene Filialen zu ersetzen.

Aber nicht nur Investoren warten: Auch Spekulanten aus aller Welt stehen Gewehr bei Fuß, um demnächst auf Einkaufstour zu gehen und die finanzielle Not der Inländer und der griechischen Banken auszunutzen, um ihnen Aktien, Immobilien und andere Vermögenswerte zu Spottpreisen abzukaufen. Währungsspekulanten rechnen bereits durch, in welcher Höhe sie sich in Griechenland verschulden sollen, um ihre Kredite nach der Einführung einer Parallelwährung, deren Wert um mindestens 50 Prozent unter dem Euro liegen wird, zurückzuzahlen und auf diese Weise auf Kosten des griechischen Volkes Kasse zu machen.

Die abgrundtiefe Bösartigkeit, die sich hinter diesem Szenario verbirgt, ist kaum fassen, denn selbst wenn Griechenland alle Maßnahmen erfüllen sollte, die ihm von den Geldgebern aufgezwungen werden, so wird das seinen Untergang nicht verhindern. Der Schuldenberg ist so riesig, dass er niemals zurückgezahlt werden kann. Und alle jetzt angeordneten Maßnahmen werden dazu führen, dass die Wirtschaft weiter in die Knie gezwungen und die Einnahmen des Staates weiter verringert werden.

Das heißt: Die Finanzsituation Griechenlands wird sich auch zukünftig von Tag zu Tag verschlechtern und mit unerbittlicher Logik zum finalen Crash führen. Aber selbst diesen Fall haben die Geldgeber bereits in ihren Master-Stufenplan integriert: Auf Stufe 1 lautet die Devise: Die Folgen der Krise so lange wie möglich auf das griechische Volk abwälzen, um sich selbst, so weit es irgend geht, daran zu bereichern. Stufe 2 soll gezündet werden, wenn die Katastrophe eingetreten ist. Dann wollen die Geldgeber mit prall gefüllten Portemonnaies über ein zerstörtes und am Boden liegendes Land herfallen und es "wieder aufbauen".“

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45433/1.html

 

Nicht gewollte Lösungs-Ansätze

 

„In den Analysen und Wertungen der verschiedenen Artikel kommt ein Hinweis zu kurz: Die deutsche Volkswirtschaft verdankt ihre Stärke im Vergleich zu der Mehrheit der anderen Euro Staaten einer Fehlkonstruktion. Man kann eine Währungsunion nämlich nicht gründen, wenn man nicht zugleich dafür sorgt, dass die Wettbewerbsfähigkeiten der Partner/alias: die Lohnstückkosten sich einigermaßen ähnlich entwickeln und auf mittlere Sicht ein Ausgleich der Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite stattfindet. Deutschland hat diese Fehlkonstruktion brutal ausgenutzt. Es hat mit der Agenda 2010 die Löhne gedrückt und ist stolz auf die Entwicklung eines Niedriglohnsektors.

Damit wurden immer mehr Leistungsbilanzüberschüsse produziert. (2014 ca. 220 Milliarden Euro) Das bedeutet: Deutschland hat seine Arbeitslosigkeit exportiert. Es hat mehr produziert, als es selbst konsumiert und investiert hat.

Das ist keine neue Analyse. Aber man muss daran erinnern, wenn man die deutsche Politik richtig bewerten will. Merkels, Schäubles, Gabriels und aller anderen Herrenmenschengehabe gründet auf einer falschen Anlage der Währungsunion, und wenn diese falsche Konstruktion nicht geändert wird, dann wird sich auch an den Krisen nichts ändern. Das Herrenmenschenturm gründet darüber hinaus auf der Charakterlosigkeit und dem Egoismus der handelnden Personen. Wenn man es gut mit ihnen meint, kann man Charakterlosigkeit auch durch Nichtwissen ersetzen. Aber das macht die Sache nicht besser …

Zurück zur Sache und zu einem alten aber stimmigen Lied: um den weiteren Zerfall der Eurozone zu verhindern, ist es dringend notwendig, die Entwicklung der Lohnstückkosten aneinander anzupassen. Das kann man nicht alleine nur von den Leistungsbilanzdefizitländern verlangen. Daran müssen Deutschland, Österreich, die Niederlande und andere Überschussländer mitwirken.

In Europa bedarf es also keineswegs nur einer Koordination der Fiskalpolitik, wie oft behauptet wird.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26783

„Europa wird zerbrechen, und es wird zur Beute nationalistischer Populisten werden, wenn nicht endlich die demokratischen Kräfte ein funktionierendes Modell entwickeln. Wer den Euro nicht scheitern sehen will, muss aufhören, ihn zum Mittel nationaler Interessen zu machen, wie Deutschland das von Anfang an getan hat. Europa bräuchte, gerade jetzt, eine gemeinsame Wirtschafts-, Haushalts-, Steuer und Sozialpolitik, zumindest gemeinsame Mindeststandards in diesen Bereichen. Es bräuchte einen Ausgleich zwischen seinen unterschiedlich strukturierten Volkswirtschaften, auch wenn das mit Transferzahlungen verbunden wäre, mit denen etwa Deutschland sich an Investitionen in Griechenland beteiligen würde. Und um zu beginnen, wäre ein Schuldenschnitt für Griechenland das richtige Signal. Den Nationalisten (und den vielen besorgten Zweiflern) wäre nur durch eine neue europäische Vision zu begegnen. Nichts davon ist im stärksten Land der EU zu sehen. Das ist Verrat an der europäischen Idee.

Das westdeutsche Wirtschaftswunder hat vom Erlass der alten deutschen Schulden und von einer Regel entscheidend profitiert, die die Rückzahlung der verbleibenden Kredite vom erfolgreichen Wiederaufbau abhängig machte: Nur ein bestimmter Prozentsatz der Wirtschaftsleistung musste in die Bedienung der Kredite fließen. Das ist genau das, was die Tsipras-Regierung jetzt für Griechenland vorgeschlagen hat. Niemand hat sich dagegen stärker gewehrt als ausgerechnet Deutschland.

Und deshalb hat sich unser Land an der Idee von Europa schwer versündigt. Das wird nicht nur Griechenland auf die Füße fallen, sondern auch uns.“

http://www.fr-online.de/aktuelle-kommentare/griechenland--rettung--verrat-an-der-europaeischen-idee,30085308,31210264.html

 

Mutwillige Zerstörung Europas

 

Reinhard Bütikofer, Chef der Europäischen Grünen, wetterte: Der “herzlose, herrische und hässliche Deutsche hat wieder ein Gesicht, und das ist das von Schäuble”.

Bekannterweise sieht der Wurm Probleme nicht in Einzel-Personen, sondern in Strukturen. Es gibt in Deutschland immer noch eine Richtlinien-Kompetenz des Bundeskanzlers: es sind Angela Merkel und die gesamte Bundesregierung, die dieses Ergebnis wünschten. Wolfgang Schäuble vertritt in keinster Weise seine Einzel-Interessen und wird von Partei, deutschen Medien und dem Großteil der deutschen Bevölkerung gefeiert.

„Es ist ein verstörendes Bild. Die Union und weite Teile der deutschen Öffentlichkeit applaudieren dem Finanzminister für seine unnachgiebige Haltung gegenüber Griechenland. Das hat sogar dazu geführt, dass der CDU-Vize und Schäuble-Schwiegersohn Thomas Strobl vor laufender Kamera die antideutschen Vorurteile bestätigte, indem er sagte: „Der Grieche hat jetzt lang genug genervt.“. Damit hat Reinhard Bütikofer nur teilweise Recht, wenn er im Phoenix-Interview sagt: „Der herzlose, herrische und hässliche Deutsche hat wieder ein Gesicht und das ist das von Schäuble.“ Es scheint noch mehr Gesichter zu geben, die diese Zuschreibung verdienen.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26794

„Die Frage ist, ob das geneigte Publikum die historische Dimension des Geschehens wirklich begreift? Wir erleben gerade das Ende eines demokratischen Europas. Merkel, Schäuble und ein sogenannter Vize-Kanzler haben eine demokratisch gewählte Regierung eines EU-Mitgliedlandes durch brutale Erpressung in die Knie gezwungen.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26775

Das Ergebnis war so beabsichtigt und die möglichen Folgen sollten vorher bekannt gewesen sein.

Die Meinung der Wirtschaftswissenschaftler

Heiner Flassbeck:

„Was wir gestern und heute erlebt haben, ist in der Tat ein historischer Moment. Man wird sich an diesen Tag erinnern als den Tag, an dem eine bornierte und starrsinnige deutsche Politik in einer Weise Europa aufgezwungen wurde, die so viel Widerstand bei den Menschen in Europa und in der ganze Welt hervorgerufen hat, dass Europa von da an nur noch eine Schimäre war. Eine Vorstellung nämlich von der Zusammenarbeit der Völker und einem fairen Umgang untereinander, die im Würgegriff der deutschen Restriktionspolitik erstickt wurde.“

http://www.flassbeck-economics.de/was-ist-geschehen/

Paul Krugman:

„Angenommen, man hielte Tsipras für eine inkompetente Flasche. Angenommen, man wolle Syriza gerne entmachtet sehen. Selbst angenommen, man begrüße die Aussicht, die ärgerlichen Griechen aus dem Euro drängen zu können.

Selbst wenn all das zuträfe, wäre die Liste der Forderungen der Eurogruppe ein Wahnsinn. Der aktuelle Hashtag ThisIsACoup sieht das ganz richtig. Das ist jenseits von harsch und die reine Rachsucht, eine totale Zerstörung der nationalen Hoheitsgewalt ohne jede Hoffnung auf Erleichterung. Das mag als Angebot gedacht sein, das Griechenland nicht annehmen kann; aber auch so ist es ein grotesker Verrat an allem, wofür das europäische Projekt angeblich stehen sollte.

Gibt es noch irgendetwas, das Europa vom Rand des Abgrunds retten kann? Es wird gemunkelt, dass Mario Draghi wieder etwas Vernunft in das Ganze zu bringen versucht, und dass Hollande endlich ein bisschen von dem Widerstand gegen Deutschlands moralstückartige Wirtschaftspolitik aufbringt, den er bisher so sehr hat vermissen lassen. Aber ein Großteil des Schadens ist bereits angerichtet. Wer wird jetzt noch jemals wieder auf Deutschlands gute Absichten vertrauen?

In gewisser Weise ist die Wirtschaft inzwischen fast schon nebensächlich. Eins aber müssen wir ganz klar sehen: Wie wir in den letzten paar Wochen gelernt haben, bedeutet Mitglied in der Eurozone zu sein, dass die Gläubiger die Wirtschaft eines Landes zerstören können, wenn dieses aus der Reihe tanzt. Mit der eigentlichen Austeritätspolitik hat das gar nichts zu tun. Es stimmt nach wie vor, dass der Zwang zu harter Austerität ohne Schuldennachlass eine zum Scheitern verurteilte Politik ist, ganz gleich, wie leidensbereit ein Volk ist. Und das wiederum bedeutet, dass selbst eine totale griechische Kapitulation nur in die Sackgasse führen würde. Kann Griechenland einen erfolgreichen Austritt hinbekommen? Wird Deutschland versuchen, einen Aufschwung zu verhindern? (Sorry, aber das sind die Fragen, die man jetzt stellen muss.)

Das europäische Projekt - ein Projekt, das ich immer gelobt und unterstützt habe - hat gerade einen fürchterlichen und vielleicht sogar tödlichen Schlag erhalten. Und ganz gleich, was man von Syriza oder Griechenland hält, dieser Schlag kam nicht von den Griechen.“

http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/150714-krugman-griechenland.pdf

Jeffrey Sachs, Joseph Stiglitz, Paul Krugman:

„Jeffrey Sachs ist wütend auf Wolfgang Schäuble. Richtig wütend. Man muss dazu nur verfolgen, was der amerikanische Ökonom am Sonntag auf Twitter verbreitet, während in Brüssel die Euro-Gruppe um die Griechenland-Rettung ringt. Es ist eine ganze Serie von Tweets, und sie haben nur ein Thema: Wie Deutschland - und vor allem Schäuble - die Krise handhabt.

"Ich habe so etwas noch nie gesehen", schreibt Sachs, einer der bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler der Welt in einem seiner Tweets. Schäuble sei absolut gegen Griechenland, sein Verhalten völlig irrational.

Und in einem anderen heißt es, Schäuble stelle bloß Forderungen auf, biete aber keine Lösungen an. Das sei "schockierend" und werde zu einer "europaweiten Krise" führen.

Und in einem weiteren Tweet schreibt: "Griechenland mag inkompetent sein, aber die Führer der deutschen Regierung sind grausam."

Dutzende von Tweets setzt Sachs während des Gipfels ab, teils im Minutentakt. Und er spricht, verkürzt jeweils auf Botschaften von maximal 140 Zeichen, genau das aus, was er und andere amerikanische Ökonomen in den vergangenen Tagen immer wieder gefordert haben: Dass Griechenland schon sehr, sehr viel getan hat; dass das Land es jedoch niemals schaffen wird, seinen Schuldenberg selber abzubauen - auch nicht mit noch so viel Wachstum; und dass Griechenland daher einen Schuldenschnitt benötigt, wie ihn Deutschland 1953, auf der Londoner Schuldenkonferenz auch erhalten habe.

So hatte es Sachs vor wenigen Tagen auch in einem offenen Brief gefordert, den er, der französische Ökonom und Bestseller-Autor Thomas Piketty, der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck und zwei Kollegen an Angela Merkel adressiert hatten. Das Schreiben hatte im Internet für sehr viel Furore gesorgt.

Sachs war als Ökonom mit seiner Kritik an Schäuble am Sonntag nicht allein. Aus Äthiopien meldete sich am Abend Joseph Stiglitz zu Wort, der amerikanische Nobelpreisträger ist dort für eine Entwicklungshilfe-Konferenz der UN. Stiglitz warf der Bundesregierung einen "Mangel an Solidarität" vor. "Die Währungsunion kann nicht ohne ein Mindestmaß an Solidarität funktionieren", so der ehemalige Chefökonom der Weltbank.

Zuvor äußerte sich Paul Krugman - ebenfalls Nobelpreisträger - in seinem Blog für die New York Times. Er schrieb, die Nachrichten aus Europa seien "schrecklich". Griechenland habe schon sehr viel geleistet, aber offenkundig reiche Deutschland die "sustanzielle Kapitulation" der Regierung Tsipras nicht aus; vielmehr gehe es darum, Griechenland vollständig zu demütigen. Und mancher in Europa wolle Griechenland offenbar ganz aus der Euro-Zone herausdrängen - auch auf die Gefahr hin, dass das Land dann ein "failed state" werde.

Auch Sachs hält das für keine gute Idee. Besser wäre es, meint Sachs, wenn Deutschland die Währungsunion verließe und nicht Griechenland.

Der Ökonom weiß, dass dies natürlich nur eine theoretische Idee ist, kein realistischer Ansatz. Und doch stellt er via Twitter fest: "Deutschland mit der DM und der Rest Europas mit dem Euro würde ganz gut funktionieren."

Und weil das eben kein wirklich realistischer Vorschlag ist, setzt Sachs darauf, dass die Franzosen die Deutschen noch zu Vernunft bringen. Seine Sorge ist nur: Hat François Hollande wirklich den Mut, Angela Merkel bis zum Schluss die Stirn zu bieten?“

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/streit-um-griechenland-politik-twitter-gewitter-gegen-merkel-und-schaeuble-1.2563170

http://www.sueddeutsche.de/medien/offener-brief-von-kapitalismuskritiker-piketty-wenn-wissenschaftler-kampagne-machen-1.2556450

http://www.sueddeutsche.de/kultur/piketty-brief-an-merkel-wissenschaft-beraubt-sich-ihrer-staerksten-waffe-1.2558133

Die Meinung der Anderen

„Es ist zu hoffen, dass es den anderen europäischen Nationen langsam dämmert, dass ihnen das gleiche Schicksal wie Griechenland blühen kann, wenn Sie es wagen sollten, von der deutschen neoliberalen Agenda abzuweichen.“

„Nach dem Wochenende muss man sagen: Nicht nur ‪Russland stellt das „Recht des Stärkeren gegen die Stärke des Rechts“. Angela Merkel, die diesen Satz prägte, tut es auch, wenn aus ihrer Sicht die Vorteile die Nachteile überwiegen.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26775

„Bundeskanzlerin Angela Merkel will einen "karthagischen Frieden", schrieb am Sonntag die Washington Post. Es reiche nicht, dass Athen sich unterordnet, es müsse auch noch gedemütigt werden.

Tatsächlich liest sich der Wortlaut des Papiers, das Finanzminister Wolfgang Schäuble am Wochenende mit offensichtlicher Rückendeckung durch die Bundeskanzlerin als Antwort auf die jüngsten Vorschläge der Athener Regierung herumschickte, genau so …

Man muss sich bei all dem fragen, was die Bundesregierung mit ihrem kompromisslosen Vorgehen bezweckt. Um die 50, 60 oder auch 80 Milliarden Euro, wie einige CDU-Politiker behaupten, die der Bundeshaushalt maximal über viele Jahre verteilt verlieren kann, wird es kaum gehen. Immerhin hat die Eurokrise dem Etat bereits einen Zinsgewinn von 100 Milliarden Euro beschert, von dem zusätzlichen Geschäft der Exportindustrie im Folge des krisenbedingt besonders unterbewerteten Euros gar nicht zu sprechen.

Was auch immer Merkels Motive sind – vermutlich handelt es sich um eine Mischung aus dem Ausbau der deutschen Vormachtstellung und die Durchsetzung massiver Angriffe auf die Lage der Lohnabhängigen nicht nur in Griechenland –, offensichtlich ist sie dafür bereit, ein tiefes Zerwürfnis innerhalb der EU in Kauf zu nehmen.“

http://www.heise.de/tp/news/Will-Angela-Merkel-die-EU-spalten-2748538.html

Die Bundesregierung hat an einem einzigen Wochenende siebzig Jahre Nachkriegsdiplomatie zunichte gemacht. Der Vorschlag eines vorübergehenden Austritts von Griechenland als Druckmittel während des Marathongipfels vom Wochenende war am Ende der Hebel für eine Kapitulation Griechenlands …

Was am Wochenende in Brüssel passierte, war die Rückkehr Europas zurück zu Machtgefügen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in denen der Stärkere dem Schwächeren seinen Willen aufzwang. Es war nebenbei auch der Anfang vom Ende der Währungsunion. Sie ist zu einem festen System mit gemeinsamem Zahlungsmittel und ohne gemeinsamer Politik degradiert.“

http://www.spiegel.de/wirtschaft/wolfgang-schaeubles-diplomatie-ist-rueckfall-in-alte-zeit-kolumne-a-1043404.html

„Mit einer beispiellosen Machtdemonstration hat Berlin die Regierung Griechenlands gedemütigt, an den Rand des Zusammenbruchs getrieben und Athen seiner Souveränität in zentralen Bereichen staatlichen Handelns beraubt. Dies ist das Resultat des Eurogruppen-Gipfels, der am heutigen Montag zu Ende gegangen ist. Wie aus Brüssel berichtet wird, erhält Griechenland nicht den benötigten Schuldenschnitt, sondern muss mit einem neuen "Hilfsprogramm" aus Brüssel vorlieb nehmen. Um es zu erhalten, muss Athen in Zukunft wichtige politische Entscheidungen zunächst Vertretern von EU, EZB und IWF vorlegen, bevor sich das eigene Parlament überhaupt mit ihnen befasst. Griechenland wird damit de facto zu einer Art Protektorat nicht demokratisch gewählter Finanzinstitutionen. Griechenlands Parlament soll nun zentralen Forderungen ultimativ binnen zweier Tage zustimmen; andernfalls droht dem Land der vollständige Kollaps. Die Beschlüsse der Eurogruppe entsprechen weitestgehend deutschen Vorstellungen. Forderungen insbesondere aus Frankreich, die eine Erleichterung für Athen bedeutet hätten, wurden sämtlich von Berlin kalt abgeschmettert. In der griechischen Hauptstadt werden inzwischen Neuwahlen in Aussicht gestellt. Man könne den deutschen Zumutungen nicht zustimmen, erklärt Arbeitsminister Panos Skourletis. Bereits gestern Abend hatten prominente US-Ökonomen den deutschen Kurs aufs Schärfste verurteilt und festgestellt, Berlin ziele faktisch auf einen Staatsstreich in Athen.“

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59158

„Die Ergebnisse des Brüsseler Abkommens über Griechenland werden in mehreren Ländern West- und Südeuropas als Vorzeichen eines kommenden Zusammenbruchs der kontinentalen Nachkriegsordnung und einer Rückkehr Deutschlands zur offen auftretenden Diktatorialmacht gewertet. Während sozialdemokratische Beobachter eine Beruhigung der Widersprüche nicht ausschließen wollen, sprechen unter anderem konservative Medien in Südeuropa von einer Neuauflage deutscher Herrschaftsambitionen, die sowohl den Ersten wie den Zweiten Weltkrieg maßgeblich bestimmten oder ausgelöst haben. Im Zentrum der Befürchtungen stehen die Folgen der französisch-italienischen Unterwerfung bei den Verhandlungen in Brüssel, wo es Paris nicht gelang, das deutsche Souveränitätsdiktat gegen Griechenland abzuwehren, während Rom einen solchen Versuch ernsthaft nicht unternahm. Sowohl Italien wie Frankreich müssen fürchten, die nächsten Opfer der deutschen Finanzdiktatur zu werden, und konkurrieren um die erhoffte Aufnahme in ein nordeuropäisches Kerneuropa, über dessen Teilnehmer Berlin entscheiden wird, sollte es zu dem für möglich gehaltenen Bündnisbruch kommen. Die jetzigen Ereignisse gehen auf zielgerichtete Bemühungen der deutschen Außenpolitik in den 1990er Jahren zurück und stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der territorialen Erweiterung der ökonomischen Basis Deutschlands durch die sogenannte Wiedervereinigung.“

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59160

Die deutsche Regierung, einschließlich der sozialdemokratischen Fraktion, habe in einer Nacht alles politisches Kapital verspielt, das ein besseres Deutschland in einem halben Jahrhundert angehäuft habe, befürchtet der deutsche Philosoph Jürgen Habermas.

Gegenüber dem Guardian erneuerte Habermas seine Kritik an der "Verwandlung von Politikern in Zombies". Ende Juni hatte Habermas in der SZ kritisiert, dass sich Politiker in Brüssel und Berlin weigern, ihren Kollegen aus Athen als "Politiker zu begegnen". Wenn die deutschen Verhandlungspartner auch aussehen wie Politiker, so sind sie nur in einer Rolle ansprechbar: als Gläubiger.

Die Einengung der politischen Diskussionspunkte, die überhaupt nur gelten und anderes wird erst gar nicht angehört ("Das vollständige Fehlen aller demokratischen Skrupel"), hält Habermas, der für seine Theorie des kommunikativen Handelns berühmt wurde, für einen Skandal. Wenn sich die Auseinandersetzung mit Griechenland auf die Frage des Gläubigers konzentriert, ob die Schuldentragfähigkeit (Schäuble) gewährleistet ist, dann sei eine Verwandlung im Gange, so Habermas in der SZ.

‚Diese Verwandlung in Zombies hat den Sinn, der verschleppten Insolvenz eines Staates den Anschein eines unpolitischen, vor Gerichten einklagbaren privatrechtlichen Vorgangs zu geben‘.

Wie man aus der Camouflage einer quasi-neutralen, an Regeln ausgerichteten Position des Gerichtsapparates heraus spricht, dafür gab Finanzminister Schäuble gestern Anschauungsunterricht.

Habermas hält dieser Politik nicht nur mangelnde Sensibilität vor, die politisches Vertrauen in Deutschland kaputt macht, das deutsche Nachkriegspolitiker mühsam aufgebaut haben, vielmehr spricht er auch er dem Guardian gegenüber von einem Zuchtmeistergehabe und "hegemonialen Anspruch", das die deutsche Regierung "schamlos" offenbart habe.

Ihm geht es darum, das Gewicht bei der Auseinandersetzung über Griechenland, die eine Auseinandersetzung über die Zukunft Europas ist, auf politische Gestaltungsmöglichkeiten zu verlagern, die Technokraten nicht in den Blick nehmen. Deren Vorschläge zu Griechenland seien ein toxischer Mix, die eine erschöpfte griechische Regierung entmutigen und jeden Wachstumsimpuls abtöten.“

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45465/1.html

„Es hat unendlich viel Arbeit im Grossen und Kleinen und viel Geld der USA gekostet, um nach 1945 mit den anderen Staaten Europas wieder so weit ins Reine zu kommen, dass sie sich auf eine Zusammenarbeit mit Deutschland eingelassen haben. Adenauer in Moskau, Brandt in Warschau, das sind nur die bekanntesten Beispiele dafür, wie man früher die Sache angepackt hat: Demütig. Überhaupt nicht als Herrenmensch. Und auch ein Helmut Kohl muss Maggie Thatcher dezent gefügig gemacht haben, die vor einem viertel Jahrhundert gegen die deutsche Wiedervereinigung arbeitete: Weil sie Angst vor zu viel Machtkonzentration in Berlin hatte. Man hat sie für ihre Ressentiments belächelt …

Jetzt hat eine Boulevardzeitung Merkel mit einer Pickelhaube gekrönt und das europäische Volk lernt gerade, was „die heimliche Herrscherin Europas“ in der Realität bedeutet: Ultimaten, um überhaupt in Verhandlungen einzusteigen und Gesetze, die in Brüssel geschrieben werden, und in drei Tagen durch das Parlament der Griechen gebracht werden sollen. Nur um „Vertrauen herzustellen“. Wie demütigend die Verhandlungen dann selbst ausgehen, ist unklar.

Für geschichtsbewusste Deutsche ist es diesmal schwierig, eine formschöne Antwort zu finden, wenn andere Länder morgen Begriffe wie „Kanonenbootpolitik“ verwenden. Oder „Münchner Abkommen“. Oder daran erinnern, dass Anweisungen für zu erlassende Gesetze in anderen Ländern zumindest in Westeuropa aus gutem Grund nach 1945 nicht mehr üblich sind. Auslieferung von Vermögenswerten, Eingriffe in die Tarifautonomie und Sozialgesetzgebung sind, wenn ich an dieser Stelle daran erinnern darf, durch die Europapolitik der deutschen Besatzer nicht minder historisch kontaminiert. Natürlich geht es hier nicht um eine militärische Besatzung, sondern um die Rettung einer Gemeinschaftswährung, und es treten nicht nur die Deutschen brutal auf, sondern auch die Regierungen der früher auch nicht gerade deutschfeindlichen Finnen und Litauer. Und natürlich kann der Zweck in den Augen von Technokraten sogar solche Pickelhauben-Mittel für das große Ziel des Euro heiligen. Trotzdem: „Vertraut uns“, war das Credo der deutschen Europapolitik der letzten 70 Jahre. „Befolgt unsere Anweisungen, wenn ihr wollt, dass wir euch vertrauen“, ist das neue Motto, und leider ähnelt es dem, was davor unter dem Joch der Deutschen in Konflikten üblich war. Das deutsche „Nie wieder“ hat ein Kleingedrucktes mit Ausnahmen bekommen, heute Nacht in Brüssel, und es könnte von Oswald Spengler geschrieben sein.

Zu diesem Zwecke hat die deutsche Nation eine Pickelhaube und einen Burgfrieden zwischen den grossen Parteien und Ultimaten und eigentlich unannehmbare Forderungen auf dem Balkan – die Völker Europas können es sich heraussuchen, zu welcher schrecklichen Epoche der deutschen Geschichte sie hier Ähnlichkeiten sehen wollen. Wir liefern sie en gros und en detail frei Haus und so, wie man das aus der Geschichte kennt: Ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Gnade, ohne Grossmut, begleitet von Medien im „Serbien muss sterbien“-Stil. Wir achten weder die anderen noch auf das, was in den letzten 70 Jahren an Vertrauen zu unserem eigenen Nutzen mühsam aufgebaut wurde, um dem Kontinent unser Diktat aufzuzwingen. Niemand ist in Moskau mit Adenauer, niemand ist in Warschau mit Brandt so umgegangen, wie wir jetzt mit den Griechen umgehen.

Das ist nicht nur ein massiver Schaden für das in sieben Jahrzehnten aufgebaute Billionenprojekt des neuen Europa. Es ist nicht nur eine bittere Ironie für eine Gemeinschaft, die noch vor Kurzem den Friedensnobelpreis bekam. Es riecht nicht nur nach Napalm der zur Unkenntlichkeit verbrannten Ideale am Morgen. Für diese letzte Nacht in Brüssel werden die Griechen kurzfristig so oder so einen hohen Preis zahlen. Pleite oder Kapitulation und Protektorat, das ist unser Angebot an die Griechen, und für den Rest des Kontinents gibt es keinen Brandt auf Knien mehr, sondern Pickelhauben-Merkel.

Es ist der Beginn einer neuen Epoche. Die alte war nett, angenehm und lieferte schöne Geschichten des Wohlstands für dieses Blog. Es war ein hübsches Europa für Tee und Kuchen und Gespräche über Thomas Mann. Niemand hatte die Absicht, über Oswald Spengler zu diskutieren. Wir sind gut damit gefahren, auch wenn es nicht immer ganz billig war. Es hat sich für uns langfristig gelohnt.

This is a coup. Das ist ein Putsch gegen Griechenland. Und gegen die alte BRD.“

http://blogs.faz.net/stuetzen/2015/07/13/das-ist-ein-putsch-gegen-die-alte-brd-5404/

„Schon im ersten Satz der Gipfelerklärung vom vergangenen Wochenende steht das Wort "Vertrauen". Es ist da von Griechenland die Rede. Aber Griechenland ist der falsche Adressat. Wichtiger wäre es gewesen, sich an Deutschland zu wenden. Das größte und stärkste Land der Europäischen Union hat in dieser Krise viel Vertrauen verspielt. Der scheinbare Erfolg Angela Merkels verschleiert nur: Seit jener langen Nacht von Brüssel ist Deutschland wieder zum Problem geworden in Europa

Aber es braut sich da etwas zusammen am europäischen Horizont, für das Deutschland sich gar nicht wappnen kann. Der alte Europäer Romano Prodi hat gewarnt: "Meine Sorge ist, dass sich eine antideutsche Spannung entwickelt. Wir haben das Schlimmste verhindert, aber es entsteht ein tiefer Bruch zwischen Deutschland und vielen anderen Ländern." Sein Landsmann Matteo Renzi formulierte es kürzer: "Genug ist genug."

Mit beängstigender Gleichgültigkeit gehen Medien und Politik in Deutschland darüber hinweg. Aber es ist eben nicht nur eine weitere Verbalinjurie des brauseköpfigen früheren Finanzministers, wenn Yanis Varoufakis sagt, die Vereinbarung von Brüssel sei das "Versailles unserer Tage". Und es ist eben nicht nur angelsächische Kenntnislosigkeit europäischer Verhältnisse, wenn der englische "Telegraph" schreibt: "Griechenland wird behandelt wie ein besetzter Feindstaat." Oder wenn der "Guardian" entsetzt feststellt: "Die Euro-Familie wurde als Klub der Schuldenhaie entlarvt, dem die Demokratie gleichgültig ist." Oder wenn Roger Cohen, Kolumnist der "New York Times", kurz zusammenfasst: "Die deutsche Frage ist zurück."

Die deutsche Frage - sie ist viel älter als die gegenwärtige Krise. Heribert Prantl hat in der "Süddeutschen Zeitung" an jene europäische Ursorge erinnert, die in der Frage des Johann von Salisbury an den Stauferkaiser Friedrich I. aufbricht: "Wer hat die Deutschen zu Richtern über die Völker bestellt?" Dem Engländer leuchtete nicht ein, dass ein Deutscher für die ganze Christenheit sprechen wollte. Wem leuchtet heute ein, dass eine deutsche Kanzlerin für ganz Europa spricht?“

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augstein-ueber-das-vertrauen-in-der-euro-krise-a-1043987.html#ref=nl-thema-22845-spon_augstein

„Wolfgang Schäuble hat sich mit seinen "harten Sprüchen" über Griechenland in die Hartherzen eines erstaunlich großen Bevölkerungsteils gegrantelt. Der CDU-Vizevorsitzende Thomas Strobl erklärt: "Der Grieche hat jetzt lang genug genervt." Der Grieche. Dieser Sound ist gut bekannt aus dem preußischen Reim, "Jeder Stoß ein Franzos', jeder Schuss ein Russ'", man muss wahrscheinlich froh sein, dass Strobl nicht dichtete: "Mit einem Tritt zum Grexit", mein Vorschlag für das nächste Mal wäre: "Jeder Stich ein Griech'" …

Und die neue, superbesorgniserregende Qualität daran ist, dass das nicht hintenrum passiert - sondern ganz offen. Cameron sagt offen, was er sagt. Orbán tut offen, was er tut. Merkel lässt offen bleiben, was sie tut und was nicht, sie lässt ansonsten ihre Stellvertreter offen chauvinistisch pöbeln und holzen.

Das kommt mir wie die Aufkündigung genau dieses gesamteuropäischen humanistischen Erbes vor, "unverletzliche und unveräußerliche Rechte", Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, "universelle Werte", das gerinnt alles zu Gelaber. Diese Leute machen die Idee von Europa kaputt! Und es ist ja nicht nur meine Idee, sondern die ursprünglich herbeipräambelte. Aber wie eingangs gesagt, kann es auch einfach sein, dass ich ein Idiot bin, weil ich dachte, das sei irgendwie ernst gemeint.“

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/griechenland-und-die-folgen-mein-europa-ist-kaputt-lobo-kolumne-a-1043779.html

Auch das „besondere Verhältnis“ zu Frankreich dürfte vorbei sein

„Nach der Kapitulation Hollandes sehen Kritiker ein "neues Problem" in Europa. Es sitzt in Berlin.

Sollte es in Frankreich noch Illusionen darüber gegeben haben, dass die französische sozialdemokratische Regierung der deutschen Vormachtstellung in Europa etwas Substantielles entgegenhalten kann, so haben sie sich seit gestern Nacht erledigt. Hollande beugte sich; er schluckte die deutsche Liste mit den giftigen Extra-Auflagen für Griechenland …

In den Medienberichten zum Griechenland-Krisenwochenende fällt noch eine andere Einigkeit auf. Nicht nur Medien, die in der linken Mitte platziert sind, wie Le Monde, der l‘Obs oder die Libération, sondern auch der konservative Le Figaro stellen die Härte der deutschen Position zu Griechenland heraus, den Machtanspruch, das Unbeugsame.

Da mag im konservativen Spektrum auch Bewunderung im Spiel sein und der Wunsch, sich der Linie anzuschließen, worauf der Chef der "Republikaner", Sarkozy, drängte ("Hollande soll sich zusammenreißen und die französisch-deutsche Partnerschaft neu aufbauen"), aber das könnte auch kippen.

Der Machtverlust gegenüber der Berliner Regierung, der auf europäischer Ebene nun unmissverständlich sichtbar wurde, ist nicht leicht zu verdauen. Daraus könnten auch Ressentiments gegen Deutschland entstehen

Die deutsch-französische Beziehung werde nun von einem neuen Bündnis in den Schatten gestellt und überholt. Merkel halte sich nun nicht mehr an Paris, sondern an nordeuropäische und baltische Länder. Macht sei Berlin wichtiger. Zitiert wird dazu der italienische Ministerpräsident Renzi, dem das deutsche Gebaren zu weit geht, weil es Griechenland demütige.

Was hier als Nord-Süd-Kluft angedeutet wird, wird von dem in Frankreich bekannten Intellektuellen Emmanuel Todd weiter bearbeitet. Er spricht von einer Spaltung in Europa, die dem alten Limes der Römerzeit entspreche. Das hat Anklänge an die Kultivierten diesseits des Limes und die Barbaren jenseits.

Das Thema "lateinische Staaten" versus nordische Staaten, das zuvor schon Agamben in Zusammmenhang mit dem deutschen Hegemon in Europa bemüht hatte (Europas Hegemon unter intellektuellem Kreuzfeuer), wird von Todd noch mit der Geschichte des 20.Jahrhunderts aufgeladen. Zweimal habe sich Europa auf einen selbstmörderischen Kurs begeben, so Todd, jedesmal kam die Initiative dazu aus Deutschland. Ganz ähnlich laufe es jetzt.

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45423/1.html

„Paris will die Griechen auf jeden Fall im Euro halten und hatte sie bei der Arbeit an ihren Spar- und Reformvorschlägen auf Beamtenebene unterstützt - entsprechend würdigte Hollande die Pläne schon am Freitag als "seriös" und "glaubwürdig". Ein "Grexit", so fürchtet er, würde ihm nicht nur die Gefolgschaft seiner sozialistischen Parteilinken kosten, sondern auch den rechten Front National weiter beflügeln und Europa insgesamt schaden.  

Umso entsetzter ist die französische Seite gewesen, als am Rande der Sitzung am Samstag ein Papier aus dem Bundesfinanzministerium das Licht der Öffentlichkeit erblickte, in dem die Athener Vorschläge "nicht als Basis für ein komplett neues Hilfsprogramm" angesehen werden. Vielmehr sehen Wolfgang Schäubles Vorschläge nur noch zwei Lösungsmöglichkeiten. Sollten die Verhandlungen über ein neues Hilfspaket mit einem Umfang von knapp 80 Milliarden Euro scheitern, empfiehlt Schäubles Truppe den Griechen eine "Auszeit vom Euro" für mindestens fünf Jahre. In dieser Zeit könne es auch einen Schuldenschnitt geben, der nach Berliner Lesart der EU-Verträge für Euroländer verboten, für Nicht-Mitglieder im sogenannten Pariser Club jedoch möglich ist …

Da bleibt selbst einem Vertreter der Deutschen Bank die Spucke weg: Aus dem Plan spreche jenes, so Nicolaus Heinen gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, "paternalistische Verständnis der Europapolitik", mit dem Deutschland schon länger für böses Blut sorge. Ein Beobachter der Sitzung konstatiert: "Die Hürden für Griechenland wurden im Laufe des Abends immer höher gelegt, so dass der Eindruck entstehen könnte, dass manche Länder einfach keine Einigung wollen“ …

Fassungslos stehen ausländische Journalisten vor Angehörigen der deutschen Delegation, die "Wir sind für beide Optionen offen" sagen und damit auch den "Grexit" meinen, der immer wahrscheinlicher zu werden scheint, weil wiederum die griechische Delegation die immer härtere Überwachung und die immer neuen Reformforderungen als "völlig inakzeptabel" bezeichnet.

Deutschland steht deshalb am Pranger. Nicht aus Griechenland, sondern vor allem aus Frankreich, Italien und Luxemburg. "Die Völker Europas verstehen das ständige deutsche Nachlegen nicht", erklärt der Parteichef der französischen Sozialisten, Jean-Christophe Cambadélis. "Einen europäischen Partner zu demütigen, obwohl Griechenland fast alles aufgegeben hat, ist unvorstellbar", wird Italiens Premier Matteo Renzi von der Zeitung "Il Messagero" zitiert: "Genug ist genug."

Für den Luxemburger Außenminister und EU-Veteranen Jean Asselborn steht daher nicht weniger als die deutsch-französische Zusammenarbeit und die Zukunft Europas insgesamt auf dem Spiel. "Wenn Deutschland es auf einen Grexit anlegt, provoziert es einen tiefgreifenden Konflikt mit Frankreich", sagt er der "Süddeutschen Zeitung". Dies "wäre eine Katastrophe für Europa".“

http://www.tagesspiegel.de/politik/griechenland-krise-deutschland-gegen-frankreich/12044910.html

„Merkel und Schäuble wollen ein Exempel statuieren, dass eine Alternative zu ihrer Politik ohne Gnade verhindert wird.

Das ist das Signal, das an François Hollande oder an Matteo Renzi oder auch an die Podemos in Spanien ausgesandt werden soll.

Wenn sich Frankreich und Italien nicht wehren, dann werden sie demnächst wie die Griechen unter der Kuratel der von den Deutschen angeführten Nordeuropäer stehen.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26754#more-26754

 

Am deutschen Wesen mag die Welt genesen

 

Auf Emanuel Geibels Gedicht „Deutschlands Beruf“ von 1861 geht der Spruch „Am deutschen Wesen mag (bzw. „soll“) die Welt genesen“ zurück. Das Gedicht muss aus seiner Zeit verstanden werden und war nicht so gemeint, wie es heutzutage ankommt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Am_deutschen_Wesen_mag_die_Welt_genesen

Emanuel Geibel hatte 1861 ein friedliches Deutschland vor Augen, das nur das Beste für sich und alle anderen wollte. Genauso wie bis in die 1990er viele Deutsche glaubten, dass Deutschland seine Lehren aus der Geschichte gezogen hätte. Und nur das Beste für sich und alle anderen wollte. Und es gab Umfragen, nach denen die Deutschen das beliebteste Volk auf der Welt seien. „Wir sind die Guten“ dachten damals viele. Wer (West-)Deutschlands Wandel in Gesellschaft und Medien-Landschaft in den letzten 25 Jahren miterlebt hat, wird vom Benehmen der deutschen Regierung nicht überrascht sein. Und erst recht nicht vom Zuspruch seitens der deutschen Bevölkerung.

Über die Entwicklung der Deutschen hatte sich der Wurm schon vorher (anlässlich des letzten „Eurovision Song Contest“) seine Gedanken gemacht:

„Seit 1990 wird dieses Volk immer schwerer erträglich. Waren sie (also die im Westen aufgewachsenen Deutschen) vorher noch neugierig auf die Welt und haben auf allgemeine Verständigung gesetzt, erzählen sie nun überall, wie die anderen sich zu verhalten hätten.

Sie selbst haben es nicht „besser“ gemacht, sie haben es überhaupt „richtig“ gemacht. In früheren Zeiten hieß das „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“.

In Reisegruppen, auch auf Studienreisen mit hohem Niveau, hat mensch gute Chancen, diesen Deutschen zu begegnen.

Der Schweizer „Freeman“ sagt aus leidvoller Erfahrung Folgendes:

„Über alles in der Welt reisst Ihr das Maul auf und wissen tut Ihr immer alles besser, dabei stapelt sich der Dreck bei Euch bis zum Dach. Kehrt doch den Dreck vor der eigenen Haustür zuerst.

Zeigt doch endlich, Ihr könnt nicht nur rummaulen und schimpfen, sondern auch was für Euer Land tun und es verbessern.“

http://alles-schallundrauch.blogspot.de/2015/05/die-verrater-sitzen-in-berlin-und-der.html

Das Schlusswort gehört Gert Ewen Ungar:

„Wir sind wieder was als Deutsche, lächerlich nämlich. Lächerlich und gefährlich sind wir in unserer Ignoranz und Blödheit. Unsere Medienlandschaft ist ein Desaster gerade angesichts eines Landes wie Russland, auf das wir nur allzu bereit sind hinunter zu gucken. Es gibt in Russland einseitige Berichte, die den Namen Propaganda verdienen mögen, aber es gibt eben auch eine Vielzahl anderer Positionen, die Raum finden. Genau diese Pluralität besitzt die deutsche Medienlandschaft eben nicht. Aus diesem Grund weiß ich auch genau zu beurteilen, welche Nation unter der Glocke umfassender Propaganda hockt. Die Russen sind es nicht.

Die Menschen in Russland sind politisiert und haben vielfältige Ansichten, die kontrovers diskutiert werden. Hier sind die Menschen zur Kontroverse oft gar nicht mehr in der Lage, weder im Politischen noch im persönlichen Umgang. Das ist das Ende jeder Dynamik.

Wir haben das Gefühl, wir hätten alles richtig gemacht und hätten daher das Recht, andere zu belehren. Belehren im Hinblick auf ihr Wirtschaften, die Umsetzung von Reformen, von Menschenrechten, die Ausgestaltung von Demokratie. Ein ausgesprochen unangenehmer Zug, der zudem noch in grundlegend falschen Annahmen wurzelt. Wir merken gar nicht, wie lächerlich wir uns damit machen, zumal es um unsere Demokratie, um unsere sozialen und politischen Errungenschaften angesichts von TTIP, Austeritätspolitik und marktkonformer Demokratie keineswegs gut bestellt ist. Jeder weiß das, jeder außerhalb Deutschlands. Nur die Deutschen selbst, die wissen es nicht. Ihnen bleiben die Zusammenhänge verborgen.

Deutschland träumt von seinem Modellcharakter, glaubt, das, was hier gut sei, sei für alle gut, und verpennt dabei, wie Rechte und Freiheiten hier angegriffen und beschnitten werden, wie asymmetrisch und einseitig unsere Wahrnehmung absichtsvoll gehalten wird. Deutschland pennt und glaubt sich wach.

Es ist ein sehr hässliches Bild, das wir inzwischen wieder abgeben. Einige Tage in Moskau brachten dies deutlich und schmerzlich zum Bewusstsein. Es braucht diesen Austausch, das hinausschauen über den eigenen Tellerrand, Vernetzung, um sich entwickeln zu können und auch sich selbst wahrnehmen zu können. Es war übrigens Wladimir Putin, der genau dies für das Verhältnis von EU und Russland immer wieder vorgeschlagen hat. Austausch, Zusammenarbeit, Vernetzung, Handel. Wir haben das zurückgewiesen.“

http://logon-echon.com/2015/03/09/moskau-ein-reisebericht/

Wenn Russland mit seinem Beitrag in Deutschland und Europa sehr erfolgreich ist, heisst das, dass die Anti-Russland-Hetze bei vielen nicht wirkt.

Und wenn der deutsche Beitrag trotz eines ordentlichen Auftritts keinen einzigen Punkt erhält, liegt das mit Sicherheit an der Politik. Sprich: Wirtschafts- und Finanzpolitik, die den anderen Ländern so aufgezwungen wird.

Wer Kollegen aus dem Ausland, vor allem aus dem südlichen Europa, hat, möge die mal fragen. Die Antwort wird er schon bekommen.“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/167-eine-million-stimmen-und-jede-menge-idioten.html

Deutsche Medien

Mensch achte mal darauf, wie in den Medien die Situation in Deutschland hochgejubelt wird. In Fernseh-Magazinen, etwa dem Frühstücks-Fernsehen, werden nach dem positiven Deutschland-Bericht gerne chaotische Zustände in Nachbarländern geschildert.

Heiner Flassbeck über sehr einseitige und sehr unwissende deutsche Medien (sehr lohnenswert):

https://www.youtube.com/watch?v=_opnmWVQxuQ

„Was ich ebenfalls schockierend finde, ist die Abwesenheit einer starken politischen Gegenreaktion in Deutschland. Die große Ausnahme waren die Grünen. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, dass Schäubles Idee einer Suspendierung Griechenlands aller vertraglichen Grundlagen entbehrt und auch gegen das Grundgesetz verstößt.“

http://www.spiegel.de/wirtschaft/wolfgang-schaeubles-diplomatie-ist-rueckfall-in-alte-zeit-kolumne-a-1043404.html

Wolfgang Münchau schreibt zwar einen recht guten Artikel, aber genau an dieser Stelle manipuliert er (wie es andere auch tun), indem er die starke politische Gegenreaktion der Linken verschweigt, die von Anfang an deutlich gegen die Politik der Bundesregierung waren und sich innerhalb und außerhalb des Bundestages klar dazu äußerten. Im Gegensatz zu den lauen Grünen.

„Leider absolut wahr, wir erleben gerade etwas, was man 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Nazi-Barbarei nicht für möglich gehalten hätte. Der Hass und die Hetze, die von den deutschen „Qualitätsmedien“ und Politikern in den letzten Wochen gegen Griechenland verbreitet wurde, hat jedes Maß überschritten und ist von einer völligen Kaltschnäuzigkeit speziell gegenüber dem Leid und der Not der griechischen Bevölkerung gekennzeichnet. Nicht minder erschütternd, dass die Mehrheit der Deutschen wieder einmal jenen widerspruchslos folgt, die Hass und Verachtung gegenüber anderen Nationen predigen. Ist Merkel, Schäuble und ihrem Vize-Kanzler genannten Erfüllungsgehilfen überhaupt bewusst, was sie hier anrichten? Wer konnte ahnen, dass man sich je wieder für eine deutsche Regierung schämen muss.“

„Wer sich heute fragt, wie ein ganzes Volk zu Nazis, zu Helfern und zu Helfershelfern von Nazis werden konnte, bekommt zurzeit instruktiven Geschichtsunterricht.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26775

Der folgende Kommentar der „Nachdenkseiten“ bezieht sich auf Kommentare der ARD, die hier zu sehen sind:

https://www.youtube.com/watch?v=wf6BHqO2A0c

„Liebe ARD-Kommentatoren,

dass Ihr Merkel toll findet, konnte man ja schon im New Yorker lesen, aber dass Ihr andere Politiker, deren Einstellung ihr nicht so toll findet, so diffamiert und herabwürdigt, damit hätte ich nicht gerechnet.

Lieber Alois Theisen,

Tsipras und Varoufakis – zwei Politiker, die genau so vom Volk gewählt wurden wie Merkel – als „Zocker“, „Schurken“ und „angebliche Demokraten“ zu betiteln, die Euroländer „täuschen“ wollten, trägt nicht zur Völkerverständigung in Europa bei.

Und lieber Rainald Becker,

Sie werfen dem „irrlichternden“ Varoufakis vor, dass er den „Karren in den Dreck gezogen hat“, obwohl er gerade mal fünf Monate an der Regierung war. In der Zeit hatten CDU und SPD nicht einmal ihre Koalitionsgespräche abgeschlossen. Aber fünf Jahre zuvor haben die Euroländer wissentlich mit einer korrupten Elite in Griechenland Verträge ausgemacht, deren Austeritätspolitik die Schwächsten der Schwächsten getroffen hat. Vielleicht sollten Sie sich mal „gut bezahlte Vorträge“ von Varoufakis ansehen, damit Sie überhaupt mal wissen, was er vorgeschlagen hat.

Aber liebe ARD-Kommentatoren,

das wäre ja alles zu viel verlangt von Menschen, die gut bezahlte Kommentare in einem Land absondern können, in dem die wahren „Zocker“ und „Schurken“, nämlich die schwarzen Schafe unter den Investment-Bankern, sitzen, die sich mit ihren Griechenland-Anleihen schlicht verzockt haben, aber mit großem Wohlwollen Ihrer geliebten Kanzlerin gerettet wurden, ohne dass ihnen ähnlich harte Sanktionen drohten wie der griechischen Bevölkerung, oder der spanischen, oder der portugiesischen. Sie, liebe ARD-Kommentatoren, „täuschen“ damit die deutsche Bevölkerung und schüren einen Hass auf unsere europäischen Mitbürger, den ich bestenfalls von der „Bild“-Zeitung erwartet hätte.

Liebe ARD,

Sie können gerne weiter der Politik von Schäuble, Merkel und Finnlands rechtsnationaler Regierung huldigen – das garantiert Ihnen die Meinungsfreiheit -, aber bitte tun sie es mit sachlichen Argumenten und nicht mit einem Populismus, den Sie nur der Gegenseite unterstellen. Sie werden sehen, Ihre Kommentare werden dann vielleicht so gut, dass man sie „Analysen“ nennen könnte. Jetzt sind es leider nur tumbe Parolen.

Ich bin froh, Ihnen helfen zu können,

Ihr Beitragszahler“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26812#h18

Die Konsequenz

„Der italienische Schriftsteller und Wissenschaftler Franco Berardi hat angekündigt, Deutschland nicht mehr zu betreten, und deshalb die schon zugesagte Teilnahme an einem Literaturfestival abgesagt. Als Sohn eines italienischen Antifaschisten, der 1943 verhaftet und in Nazigefängnissen festgehalten wurde, könne er in diesem Moment nicht nach Deutschland reisen, erklärte Berardi. In seiner Absagebegründung lieferte er eine Kritik an Deutschland, wie man sie hierzulande selbst von der außerparlamentarischen Opposition kaum hört.

"Ich glaube, dass für jeden europäischen Demokraten nun der Moment gekommen ist, einer tief schmerzlichen und erschreckenden Wahrheit ins Auge zu sehen: Siebzig Jahre nach dem Ende des Naziregimes, zweiundsechzig Jahre nach der Londoner Akte, in der die Schulden, die Deutschland gegenüber der Menschheit hatte, erlassen wurden, zeigt die Nation dieselben kulturellen, psychologischen und politischen Züge, die sie in ihrer dunkelsten Vergangenheit charakterisiert haben.

Die moralische Schuld, die der griechische Staat gegenüber der Europäischen Union hat, besteht in der Fälschung der Rechnungsbücher. Die moralische Schuld, die der deutsche Staat gegenüber der Welt trägt, besteht in der physischen Auslöschung von sechs Millionen Juden, zwei Millionen Roma, dreihunderttausend deutscher Kommunisten, dreiundzwanzig Millionen Russen, dreihunderttausend Jugoslawen, und weitere werden nicht genannt. An der obengenannten Schuld jedoch ist das griechische Volk unschuldig, denn für die Fälschung sind die Finanzgesellschaften verantwortlich, die die Funktionäre von Nea Demokratia und Pasok unterstützt haben. Das deutsche Volk hingegen ist keinesfalls unschuldig an den undenkbaren Verbrechen des Nazismus, denn ein Großteil der deutschen Bürger war aktiv oder passiv Mittäter."

http://www.heise.de/tp/news/Bundestag-rettet-Griechenland-wieder-einmal-2752606.html

Deutscher Rassismus

Auf den deutschen Rassismus und die Lügen über die griechischen Rentner ist der Wurm bereits in http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/175-die-siechen-griechen.html eingegangen.

Hier ein Beitrag zur Jahres- und Lebens-Arbeitszeit und dem „faulen Griechen“:

„Einige Stereotype sind in Bezug auf Griechenland in den letzten Jahren von den hiesigen Medien so oft wiederholt worden, dass sie inzwischen von der großen Mehrheit der Bevölkerung kaum noch hinterfragt werden. Eines davon ist die Figur des "faulen Griechen“.

Wir haben einmal die Statistik der OECD, der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, befragt, ob es in der ökonomischen Realität für das inzwischen fest ins öffentliche Unterbewusstsein eingebrannte Vorurteil Belege gibt, nach dem in Griechenland viel zu wenig gearbeitet wird und die Menschen viel zu früh in Rente gehen.

Nach OECD-Angaben wurden in Deutschland 2014 im Durchschnitt 1371 Stunden gearbeitet. In Griechenland betrug die mittlere Jahresarbeitszeitzeit hingegen 2042 Stunden. Die fleißigen Deutschen haben übrigens von allen OECD-Ländern die kürzeste jährliche Arbeitszeit. Die Griechen hingegen werden in der OECD-Statistik nur noch von den Mexikanern und Costa Ricanern übertroffen. Und wie lange wird in der Woche gearbeitet? In Deutschland kommt man, Vollzeit- und Teilzeitjobs gleichzeitig betrachtet, im Schnitt auf 35,3 Stunden Arbeit in der Woche. In Griechenland sind es hingegen 41,9.

Bei so langen Wochen- und Jahresarbeitszeiten kommt natürlich im Arbeitsleben ganz schön was zusammen. Nach dieser Tabelle betrug die Jahresarbeitszeit in Deutschland (vermutlich ist Westdeutschland gemeint) 1960 2.144, 1973 1.808, 1980 1.696 und im Jahre 2000 1.463 Stunden. Wer also 1965 im Alter von 15 Jahren – wie es damals in Westdeutschland noch für viele Arbeiter üblich war – sein Erwerbsleben begonnen hat und 2015 dann im Alter von 65 Jahren in Rente geht – was die wenigsten Arbeiter wirklich gesundheitlich durchhalten – wird also jährlich in etwa durchschnittlich 1.550 Stunden gearbeitet haben, multipliziert mit 50 Arbeitsjahren ergibt das 77.500 Stunden.

In Griechenland hat man früher übrigens auch länger gearbeitet – noch länger –, aber wir gehen der Einfachheit halber vom aktuellen Wert aus. Teilen wir also die deutsche Lebensarbeitszeit durch die aktuelle griechische Jahresarbeitszeit von 2.042 Stunden pro Jahr, so erhalten wir knapp 38 Jahre. Mit anderen Worten: Ein Grieche, der mit 15 Jahren angefangen hat zu arbeiten, hat im Alter von 53 die gleiche Lebensarbeitszeit wie ein Deutscher mit 65 Jahren erreicht. Natürlich haben nicht alle schon mit 15 angefangen, aber das gilt für Griechenland wie für Deutschland gleichermaßen.“

http://www.heise.de/tp/news/Faule-Deutsche-fleissige-Griechen-2752738.html

Das Klischee des „faulen Griechen“ ist zutiefst unverschämt. Vor allem, wenn es von Leuten kommt, die (statistisch gesehen) am wenigsten arbeiten. Der Wurm gönnt ihnen all jene Errungenschaften, die sich ihre Vorfahren erkämpft haben, zutiefst – aber sie sollten bitte nicht mit dem Finger auf andere zeigen, die mehr arbeiten und diese dann auch noch als „faul“ beschimpfen.

Mensch höre sich nur mal das deutsche Gejammer über die hohen Sommer-Temperaturen an und sehe sich die Deutschen an, wie sie fix und fertig sind (auch in Büros) und vergleiche diese mit Südländern, die noch höhere Temperaturen ertragen müssen – dabei aber bessere Leistung wie die Deutschen erbringen.

Menschen, die schon mal im südöstlichen Asien waren, können bestätigen, dass dort wesentlich mehr gearbeitet wird als in Deutschland. Dort kommt aber keiner auf die Idee, auf die „faulen Deutschen“ zu schimpfen.

Mensch erkundige sich mal, wie viele Jahre in den europäischen Ländern die Schüler in die Schule gehen, bis sie ihr Abitur haben – es sind fast durchgängig 12 Jahre. In Deutschland wurde lange Zeit getrödelt. Nachdem die 13 Jahre in 12 Jahre geändert wurden, herrscht allgemeines Gezeter bei Schülern, Eltern und Lehrern. Über „Jammer-Deutsche“ haben sich die restlichen Europäer noch nicht beschwert (ist zumindest dem Wurm noch nicht zu Ohren gekommen).

Diejenigen, die aus den ehemaligen sozialistischen Ländern nach (West-)Deutschland gekommen sind, waren in ihren Schulen Leistung gewohnt – im Gegensatz zu deutschen Schulen. In völliger Verdrehung der Tatsachen wurden sie jedoch von den Deutschen beschimpft, dass sie in ihren Schulen nichts gelernt hätten, dort ein schönes Leben hatten und überhaupt nicht so fleißig seien wie die Deutschen.

Den ganz gewaltigen Balken im eigenen Auge ignorieren und andere über deren vermeintliche Splitter im Auge belehren wollen – das ist typisch deutsch.

Größtes Volk aller Zeiten

„Auch Bert Rürup, ehemaliger Kopf der Wirtschaftsweisen, ist voll des Lobes über Deutschland: „Seit einigen Jahren ist Deutschland ein wirklich tolles Land.“ Die meisten Deutschen seien heute offen, liberal, nicht mehr verhuscht. „Und alles funktioniert. Alles!“, ruft er. „Wenn ich Papst wäre, wüsste ich, warum ich den Boden küsse, wenn ich nach Deutschland komme.““

 

http://www.capital.de/dasmagazin/bofinger-wundert-sich-ueber-irren-arbeitsmarkt.html

 

„1,3 Millionen bis 2,5 Millionen Alkoholabhängige; 9,5 Millionen konsumieren Alkohol in riskanten Mengen; 10.000 Kinder kommen alkoholgeschädigt zur Welt; volkswirtschaftlicher Schaden durch Alkohol: 20 Milliarden Euro; je nach Schätzung 16.000 bis 73.000 Tote durch Alkohol (1.500 Tote durch illegale Drogen); 15.000 Unfälle bedingt durch Alkohol, davon 300 tödlich

 

110.000 Todesfälle durch Aktiv- und 3.000 durch Passivrauchen; 200.000 Menschen konsumieren illegale Substanzen (ohne Cannabis); 1,4 Millionen bis 1,9 Millionen sind medikamenten-abhängig; 800.000 Menschen weisen ein „problematisches“ oder „pathologisches“ Glücksspiel-Verhalten auf

 

Im Jahr 2009 1,5 Milliarden verordnete Psychopharmaka „definierte tägliche Dosis“ = 4 Millionen Dosen täglich. Je nach Rechnung nehmen 4 Millionen Deutsche täglich Psychopharmaka oder 8 Millionen jeden 2. Tag oder 40 Millionen jeden 10. Tag. Im Jahr 2014 dürfte die Zahl deutlich gestiegen sein.

 

10.000 Selbstmorde

 

Ein krankes Volk.

Aber so tun, als wären sie die Größten.“

 

Das war der Schluss vom „Weltmeister“-Wurm (http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/105-weltmeister.html ).

 

Gerne zitiert der Wurm Gert Ewen Ungar, der es treffend auf den Punkt bringt:

„Das zweite Juliwochenende im Jahr 2015 wird in die Geschichte eingehen. An diesem Wochenenden haben die Deutschen mal so richtig geprasst und ganz Europa dazu gebracht, in einer gigantischen Orgie mit zu prassen, und Geld für reines Vergnügen auszugeben, für ein rein deutsches Vergnügen.

Und was ist das größte Vergnügen der Deutschen? Es ist, sich moralisch über andere zu erheben. Dieses Gefühl der Überlegenheit lassen wir uns schon mal ein paar Milliarden kosten.

Einige Wochen im Vorfeld schon konnten wir uns täglich an unseren Tugenden berauschen, die Deutschen sind fleißig, pünktlich, arbeiten mehr, gehen später in Rente, die auch viel niedriger ausfällt als bei allen anderen. Alles nicht wahr, aber wir glauben mit religiöser Inbrunst dran.

Wir sind nicht korrupt, können daher auch ganz tolle Flughäfen und Philharmonien bauen, hier sind Wirtschaft und Politik noch sauber getrennt, hier wechselt nicht mal eben jemand von einem politischen Posten in den Vorstand von Bau- oder Logistik-Konzernen, hier vergisst niemand mal 100.000 DM von einem Waffenschieber in einer Schublade, hier käme niemand auf die Idee, wissenschaftliche Arbeiten zu fälschen, um sich mit einem erschwindelten Doktortitel zu schmücken.

Hier würden nie Steuerfahnder auf Geheiß der Politik mit falschen psychiatrischen Gutachten in den Vorruhestand geschickt, damit die Finanzindustrie weiter ihre obskuren Geschäfte machen kann. Niemals blieben die Finanzämter im Hinblick auf ihre Kontrollmöglichkeit personell absichtsvoll völlig unterversorgt. Niemals!

Kein Politiker käme hierzulande auf die dummdreiste Idee, einem Versicherungskonzern den Ausbau der Autobahnen bei einer Zusicherung von festen Gewinnmargen zuzuschustern, während sich das Land gerade eigentlich für umsonst mit Geld versorgen könnte. Derartige Formen von Korruption sucht man in Deutschland vergebens. So etwas gibt es nur woanders. Und der Deutsche weiß auch wo: im Süden! Wir hier sind Saubermänner durch und durch.

Es sind die faulen und korrupten Südländer, in denen sich Politik und Privatwirtschaft mischen, jeder nur seine eigenen Interessen verfolgt, weshalb dort die Korruption grassiert, daher die Staaten dort auch ausbluten. Misswirtschaft eben, südländischer Schlendrian hier, deutsche Tugenden dort. Solides Wirtschaften eben. Die schwäbische Hausfrau …

Der Gipfel der deutschen Berauschung und des Selbstbetrugs war dann am Sonntag, den 12.7. erreicht. Ein deutscher Finanzminister erniedrigt Griechenland in größtmöglichem Maße und der Mainstream applaudiert. Diese Selbstberauschung und die Verleugnung der Realität wird Europa als Ganzes und jeden einzelnen von uns teuer zu stehen kommen.

Der ehemalige griechische Finanzminister, vom deutschen Mainstream zum enfant terrible erklärt, hatte vertreten, dass er keine neuen Kredite will, dass es eine Umstrukturierung der Schulden braucht, damit sie auch bezahlt werden können. Er hat es lang und breit und auf allen ihm zur Verfügung stehenden Kanälen erklärt, ganz pädagogisch in verständlicher Sprache ökonomische Zusammenhänge aufgezeigt. Seit 2010 ist Griechenland bankrott und jeder weitere Kredit ist eine Insolvenzverschleppung.

Allein der Mainstream hat ihm kein Gehör geschenkt oder es furchtbar entstellt wieder gegeben. Dem Mainstream waren Beugungswinkel von Mittelfingern und die Krawattenfrage wichtiger als Inhalte. Der einzige, der in diesem Zusammenhang übrigens wirklich pöbelte, keine Möglichkeit auf Erteilen eines Seitenhiebs ausließ und sich gänzlich undiplomatisch verhielt, war jedoch nicht Varoufakis, sondern Schäuble.

Der blieb freilich von jeder Kritik seitens Presse, Funk und Fernsehen für seine dreisten Absonderungen verschont.

Und die Leser und Zuschauer haben es mitgetragen, haben sich hetzen lassen und im Vorfeld rauschhaft wütende Briefe an griechische Restaurants geschrieben, sich in rasender Verblendung in der BILD abdrucken lassen, haben sich ganz lustvoll der Niedertracht hingegeben, sich mitreißen lassen in diesen Strudel nationalistischer Wut. Es war widerlich und es ist es noch. Für diese Lust an der Niedertracht und die Entsolidarisierung werden wir bezahlen dürfen …

Die bellizistische Sprache ist Absicht, denn es herrscht offensichtlich Krieg in Europa. Ein Krieg ohne Militär, einer der Finanzen. Die Drohung Deutschlands war schlicht, die Griechen einfach auszuhungern, sie abzuschneiden von jedem Zugang zum Markt.

Du unterschreibst oder wir lassen deine Nation hungern. Nicht weniger war es, was Tsipras zur Unterschrift bewegte. So funktioniert Europa. Das ist das Deutsch, das in Europa gesprochen wird. Es gibt gar keine Worte, die den Ekel auszudrücken in der Lage wären, von dem jeder vernünftig denkende Mensch angesichts dieser Erbärmlichkeit der deutschen Europapolitik ergriffen wird

Wie ließe sich die neoliberale Doktrin besser installieren als über einen ökonomischen Schock. Ein wirtschaftliches Desaster ist der Traum eines jeden Postdemokraten vom Schlage eines Schäuble. Ein Grexit, und in einem Moment sind mehrere Milliarden Euro einfach futsch. Die Schuldfrage wird dann schnell geklärt sein, die Griechen waren’s. Auf die dann folgende Rezession antwortet man mit den alt bekannten Rezepten. Sozialausgaben senken, also Hartz IV zusammenstreichen, Arbeitsmarkt flexibilisieren, das heißt Arbeitnehmerrechte beschneiden und Löhne senken, Renten kürzen, Verbrauchssteuern erhöhen, die Steuern für Reiche senken und öffentliches Eigentum verscherbeln.

Die Interessen der Deutschen und der Europäer werden von Schäuble und der deutschen Politik nicht vertreten. Wer das glaubt, hat die Zusammenhänge nicht verstanden.“

http://logon-echon.com/2015/07/19/soziopath-mit-raedern-unten-dran/

Go East

Zur geänderten deutschen Europa- und Welt-Politik hatte der Wurm vor einem Jahr aus einem Artikel von Ulrich Rippert und Peter Schwarz zitiert:

„Zu Beginn des Jahres verkündeten der Bundespräsident, der Außenminister und die Verteidigungsministerin, die Zeit der militärischen Zurückhaltung sei vorbei, Deutschland werde künftig wieder selbstbewusst und eigenständig in den Krisenregionen der Welt eingreifen. Münkler hat diesen außenpolitischen Kurswechsel mit vorbereitet und wirbt seither in zahlreichen Vorträgen und Artikeln dafür …

Münklers Angriffe auf Fritz Fischer und sein Eintreten für eine aggressivere imperialistische Außenpolitik hängen inhaltlich eng zusammen. Um neue Verbrechen des deutschen Imperialismus vorzubereiten, müssen seine historischen Verbrechen, zu deren Verständnis Fischer maßgeblich beigetragen hat, verharmlost und beschönigt werden.

Fritz Fischer hatte in den 1960er Jahren den ersten großen Historikerstreit im westlichen Nachkriegsdeutschland ausgelöst. Es ging dabei um die deutsche Verantwortung für den Ersten Weltkrieg sowie um die Kontinuität der deutschen Kriegsziele im Ersten und im Zweiten Weltkrieg. Der zweite Historikerstreit entbrannte 1986, als Ernst Nolte versuchte, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu verharmlosen und als verständliche Reaktion auf den Bolschewismus darzustellen.

In beiden Kontroversen setzten sich damals Historiker durch, die eine deutsche Mit- oder Hauptverantwortung für die beiden Weltkriege bejahten: im ersten Fritz Fischer, der eine jüngere Generation von Historikern beeinflusste, die wesentlich zum Verständnis des Ersten Weltkriegs und seiner Ursachen beitrugen; im zweiten die Gegner Ernst Noltes, die eine Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen ablehnten.

Das soll nun geändert werden. Das Geschichtsverständnis soll in Übereinstimmung mit den neuen Zielen der deutschen Außenpolitik gebracht werden …

Kern des Septemberprogramms war ein wirtschaftlich geeintes Mitteleuropa unter deutscher Hegemonie. Dieses Ziel war von führenden Bankiers und Industriellen wie Walther Rathenau schon lange vertreten worden: „Nur ein durch ein ‚Mitteleuropa‘ verstärktes Deutschland sei in der Lage, sich zwischen den Weltmächten Großbritannien, USA und Russland als ebenbürtige Weltmacht zu behaupten.“ Außerdem sollte Deutschland auf Kosten Frankreichs und Belgiens „ein zusammenhängendes mittelafrikanisches Kolonialreich“ erhalten.

Die deutsche Vorherrschaft in Mitteleuropa sollte durch Gebietsabtretungen Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs, Handelsverträge, die diese Länder in deutsche Abhängigkeit brachten, die Gründung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsverbandes unter Einschluss Frankreichs, Belgiens, Hollands, Dänemarks, Österreich-Ungarns, Polens und eventuell Italiens, Schwedens und Norwegens sowie die Zurückdrängung Russlands erreicht werden.

Das Septemberprogramm stellte „keine isolierten Forderungen des Kanzlers dar“, schreibt Fischer, „sondern repräsentiert Ideen führender Köpfe der Wirtschaft, Politik und des Militärs“ und sollte „im Prinzip Grundlage der gesamten deutschen Kriegszielpolitik bis zum Ende des Krieges“ sein …

Herfried Münkler und eine Reihe weiterer Autoren haben sich zum Ziel gesetzt, die „Dominanz der Fischer-Schule in Deutschland“ zu beenden und „die von Fischer und seinen Schülern vorgenommene Themenversiegelung“ aufzulösen, wie Münkler am 20. Juni in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung schrieb, der die Unterüberschrift „Für eine Abkehr von den Thesen Fritz Fischers“ trägt. Ohne den geringsten Beweis zu liefern, behauptet er: „Die jüngere Forschung neigt inzwischen stärker der Position Ritters zu.“

Es geht dabei um eine „geschichtspolitische Weichenstellung“, wie Volker Ulrich, einer der wenigen Historiker, die Fischer verteidigen, schon im Januar in der Zeit feststellte. „Was den Konservativen im ‚Historikerstreit‘ der achtziger Jahre noch missglückte – nämlich die Deutungshoheit über die deutsche Geschichte zurückzugewinnen, – das soll jetzt gelingen. Es fällt auf, wie matt der Widerspruch bislang war“ …

Man kann die Heftigkeit, mit der Münkler Fischer attackiert, nur im Zusammenhang mit der aktuellen politischen Lage verstehen. Nach zwei gescheiterten Versuchen unternimmt Deutschland heute einen dritten Anlauf zum „Griff nach der Weltmacht“. Dabei unterliegt es objektiven Faktoren, die sich kaum von jenen im Ersten und im Zweiten Weltkrieg unterscheiden. Münkler selbst nennt sie im eingangs zitierten Artikel für die Website Review 2014: Deutschlands Rolle als Exportnation, die geopolitische „Mittellage“ Deutschlands in Europa und die sicherheitspolitische Bedeutung der europäischen Peripherie.

Die Europäische Union hat sich seit der Finanzkrise 2008 immer offener als Instrument der deutschen Vorherrschaft über Europa entpuppt. Als stärkste Wirtschaftsmacht diktiert Deutschland die Finanzpolitik der EU und die Angriffe auf die europäische Arbeiterklasse, einschließlich der deutschen. Bethmann Hollwegs „Septemberprogramm“, laut dem nur ein durch ein „Mitteleuropa“ verstärktes Deutschland in der Lage sei, sich zwischen den anderen Großmächten als ebenbürtige Weltmacht zu behaupten, erlebt so seine Auferstehung.

Angesichts wachsender internationaler Rivalitäten und Konflikte wendet sich der deutsche Imperialismus wieder seiner traditionellen Expansionsrichtung zu, dem Osten. Liest man die Werke Fischers im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen in der Ukraine, bekommen sie eine hochaktuelle Bedeutung.

Bereits im „Griff nach der Weltmacht“ war Fischer ausführlich auf die deutsche Ukrainepolitik eingegangen, und 1968 hatte ein Doktorand Fischers, Peter Borowsky (1938-2000), zu diesem Thema promoviert. 1969 fasste Fischer seine Erkenntnisse im Artikel „Hitler war kein Betriebsunfall“ folgendermaßen zusammen: „Zwei Tage nach seinem Beginn als Weltkrieg, am 6. August 1914, nannte der deutsche Reichskanzler als Kriegsziel die Zurückwerfung der russischen Grenze auf Moskau und die Bildung einer Reihe von Pufferstaaten (Finnland, Polen, die Ukraine, Georgien) zwischen Deutschland, beziehungsweise Österreich-Ungarn, und Russland; und im vieldiskutierten Septemberprogramm des Kanzlers vier Wochen später heißt es, dass Russland soweit als möglich von der deutschen Ostgrenze zurückgeworfen und seine Herrschaft über die nicht-russischen Völker gebrochen werden muss.“

Die deutsche Ostpolitik nach der Oktoberrevolution 1917 habe die Ziele von 1914 fortgesetzt und verwirklicht, schreibt Fischer. „Der Friede von Brest-Litowsk (März 1918) war ein Friede des Deutschen Reichs mit Sowjetrussland und einem selbständigen Staat Ukraine, nachdem Polen und Finnland schon vorher zu selbständigen Staaten gemacht worden waren. In den Zusatzverträgen vom August 1918 wurden auch noch Estland und Georgien von Russland abgetrennt. Neben raumpolitisch-strategischen waren es vor allem wirtschaftliche Interessen (die Ukraine als Kornkammer und Lieferant von Erzen), die das Motiv dieser Politik bildeten.“ Russland sei auf seine Grenzen im 16. Jahrhundert zurückgeworfen worden.

Fischer weist darauf hin, dass eine gerade Linie von der deutschen Besetzung der Ukraine zum Milieu Adolf Hitlers in München führt. Unter den ukrainischen Emigranten, die sich dort sammelten, befand sich auch der ehemalige deutsche Statthalter in Kiew, „Hetman“ Skoropadsky. Skoropadsky wurde Mitbegründer des Nazi-Parteiblatts Völkischer Beobachter und seine politischen Vorstellungen flossen in Hitlers „Mein Kampf“ ein. In Hitlers Ostfeldzug spielte die Eroberung der Ukraine dann eine zentrale Rolle. „Die geopolitisch-strategische und ökonomische Zielsetzung (‚Nach Ostland wollen wir reiten!‘) ist Kontinuität des wilhelminisch-alldeutschen Expansionismus“, bemerkt Fischer dazu.“

https://www.wsws.org/de/articles/2014/07/31/muen-j31.html

… In welche Richtung das „neue Selbstverständnis für die Deutschen“ geht, sollte jetzt klar sein. Dem Wurm gefällt das nicht.“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/110-go-east.html

 

Düsterer Blick in die Zukunft

 

„Für Leute, die in Europa oder in den USA eine keynesianische Wirtschaftspolitik befürworten, bleibt in Griechenland nur noch die Wahl zwischen der Kommunistischen Partei und der rechtsradikalen Partei Goldene Morgenröte.

Vielleicht kommt jetzt eine demokratisch nicht legitimierte Regierung von Technikern ans Ruder, wie schon einmal im Jahr 2011, als der ehemalige Notenbanker Loukas Papademos die Regierungsgeschäfte übernahm. Oder es kommt zu einer Großen Koalition mit den korrupten Parteien, die Griechenland in seine Misere hineingeführt haben. Man wird jetzt mit allen technischen Mitteln versuchen, gegen den Willen des Volkes durchzuregieren und das Programm umzusetzen.“

http://www.spiegel.de/wirtschaft/wolfgang-schaeubles-diplomatie-ist-rueckfall-in-alte-zeit-kolumne-a-1043404.html

„Es gibt in diesem Kalkül jedoch zwei unberechenbare Faktoren: Zum einen die Tatsache, dass ein jederzeit möglicher Zusammenbruch des globalen Finanzsystems alle Zukunftspläne zunichte machen könnte. Um diesen Crash zu verhindern, tun die Zentralbanken in aller Welt derzeit alles, was in ihrer Macht steht: Das Zinsniveau wird immer weiter nach unten (bis in den Minusbereich) gedrückt und es wird ohne Rücksicht auf (zukünftige) Verluste immer mehr Geld erzeugt und den Großbanken zur Spekulation an den Finanzmärkten zur Verfügung gestellt – alles Maßnahmen, die nur noch begrenzt wirken werden und zwangsläufig zur Zerstörung des globalen Finanzsystems führen.

Der zweite unkalkulierbare Faktor ist der Widerstand des griechischen Volkes. Den haben Tsipras und seine politischen Helfershelfer durch ihren historischen Verrat vorerst einmal schwer erschüttert. Die Menschen in ganz Griechenland befinden sich seit Tagen in einer Art Schockstarre. Doch wenn die Bilanz von zweitausend Jahren menschlicher Geschichte auch nur eine bedeutende Lehre enthält, dann diese: Kein Volk ist auf Dauer bereit, seinen eigenen Untergang kampflos hinzunehmen. Auch Griechenland nicht. Und auch Menschen nicht, die bis vor einer Woche den Lügen von politischen Falschspielern wie Tsipras und Varoufakis geglaubt haben. Deshalb wird die Durchsetzung der von den Geldgebern geforderten Maßnahmen in den kommenden Tagen dazu führen, dass sich das griechische Volk nicht nur gegen sie, sondern auch gegen deren Verbündete in der Regierung in Athen erhebt.

Was dann geschieht, lässt sich derzeit nur erahnen. Brennende Ministerien und Banken, Straßenschlachten, ein Eingreifen des Militärs und die Errichtung eines faschistischen Regimes in Athen sind ebenso möglich wie ein auf andere südeuropäische Länder übergreifender Flächenbrand, der sich in länderübergreifende Bürgerkriege verwandeln könnte.

Doch ganz egal, ob globaler Crash oder soziales Chaos: Auf jeden Fall wird der Lauf der Ereignisse schon sehr bald in eine neue und überaus dramatische Phase der Zeitgeschichte münden. Sie wird vom nackten Überlebenskampf verzweifelter, erniedrigter und gedemütigter Menschen gegen die an diesem Wochenende einmal mehr öffentlich zur Schau gestellte eiskalte Arroganz von politischen Betrügern geprägt sein und zeigen, dass deren Allmachtsphantasien inzwischen zu komplettem Realitätsverlust geführt haben.“

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45433/1.html

 

Kleiner Hoffnungs-Schimmer

 

Trotz aller Hetze und aller Manipulation sind viele Deutsche mit dem Kurs ihrer Regierung nicht einverstanden bzw. sind darüber empört. Einer davon ist Ken Jebsen, der „die Faxen dicke“ hat und zusammen mit dem in Deutschland lebenden Arzt Anthanassios Giannis eine Spenden-Aktion für griechische Krankenhäuser ins Leben gerufen hat:

 

 

https://www.youtube.com/watch?v=eXhiHyND1fw

http://www.rtdeutsch.com/26220/inland/medikamenten-nothilfe-fuer-griechenland-wir-brauchen-akut-die-hilfe-unserer-deutschen-und-europaeischen-freunde/