Die siechen Griechen

Die EU hat den Karren an die Wand gefahren und ist darüber empört, dass die griechische Regierung das Volk befragen will, wie es weiter gehen soll.

Da der Wurm sich ausführlich informiert und seine Gedanken dazu gemacht hat, ist es zu einem recht umfangreichen Text gekommen. Deshalb die Zusammenfassung vorab:

- Euro war von Anfang an ein Fehlkonstrukt, das früher oder später zu Verwerfungen führen musste

- Griechenland wurde wider besseres Wissen der EU-Verantwortlichen in den Euroraum aufgenommen

- dass Griechenland 2001- 2008 über seine Verhältnisse gelebt hätte, ist bis dahin aber niemandem aufgefallen. Im Gegenteil: Griechenlands Wirtschaftswachstum war im innereuropäischen Vergleich außerordentlich, Griechenlands Entwicklung wurde als Beispiel dafür gefeiert, wie der Euro es den ärmeren Ländern ermöglicht, an die reicheren Länder anzuschließen, und Analysten, etwa des IWF, hatten keinerlei Bedenken, dass sich die Wachstumsaussichten Griechenlands in der mittleren Frist weiterhin im deutlich positiven Bereich bewegen würden

- Finanzkrise löste eine Negativspirale aus, die fast nichts mit der griechischen Wirtschaft und fast alles mit dem europäischen Bankensystem und der globalen Finanzkrise zu tun hatte

- frühzeitiger Schuldenschnitt hätte relativ poblem- und geräuschlos über die Bühne gehen können

- Günter Verheugen: „Es ging niemals um die Rettung Griechenlands, es ging immer um die Rettung bestimmter europäischer Banken“

- private Risiken bzw. Schulden der Investoren werden auf Allgemeinheit übertragen

- nur ca. 12% der 230 Milliarden Euro flossen in den griechischen Staatshaushalt

- Sparprogramme mit katastrophalen Folgen für Wirtschaft und Menschen (auch in Portugal, Spanien, Irland)

- Troika: undemokratisch, gottgleich, neoliberal, weltfremd

- Privatisierungen: Staaten wurden gezwungen, zum Bruchteil des eigentlichen Wertes Staatseigentum zu verkaufen

- Deutschland:

     - im schlimmsten Fall haftet Deutschland für über 80 Milliarden Euro (maximal 3 Milliarden Euro pro Jahr)

     - bereits jetzt über 100 Milliarden Euro an Finanzkrise verdient (unter anderem wg. niedriger Zinsen bei Kredit-Aufnahme)

     - in Deutschland pro Jahr ca. 30 Milliarden Euro Verlust wg. Steuerflucht ins Ausland – darüber aber herrscht kaum Aufregung

     - deutsches „Wirtschaftswunder“ nach dem 2. Weltkrieg erst durch Schuldenschnitt auch mit Hilfe Griechenlands ermöglicht

     - zu geringe Löhne in Deutschland ermöglichen höhere Exporte, was zu großen Problemen gerade in Südeuropa führt: Deutschland lebt unter seinen Verhältnissen

     - dadurch wirtschaftliche und politische Hegemonie Deutschlands in EU

     - massive Manipulation und Medienhetze gegenüber Griechen in deutschen Staatsmedien

Syriza:

     - stellt als einzige halbwegs glaubwürdige Partei seit diesem Jahr die Regierung

     - von EU-Seite wird alles getan, damit Syriza scheitert

     - scheitert Syriza, werden in ganz Europa (rechts-)extreme Parteien gewinnen

- die letzten Verhandlungen wurden von EU-Seite so geführt, dass griechische Regierung scheitert

- Lügen von Juncker, Schulz, Schäuble, Gabriel

- Schuldenschnitt und Investitions-Programm längst fälliger Schritt zur Gesundung Griechenlands und damit der EU

 

Legendär ist „Die Anstalt“ zum Thema Griechenland. Verständlich erklärt auch für diejenigen, die nicht „im Thema drin“ sind.

 

 

http://www.zdf.de/ZDF/zdfportal/blob/37830270/2/data.pdf

 

Aufnahme Griechenlands in Euro-Raum

 

Geostrategische Erwägungen: Mission accomplished

Dirk Müller im Gespräch mit „Handelsblatt“ und „LZ“:

Wir reden immer nur über die Schulden von Griechenland oder Zypern, nie darüber, dass diese Länder auf riesigen Bodenschätzen sitzen, die für die Energieversorgung Europas von entscheidender Bedeutung sein könnten. Im östlichen Mittelmeer liegt unglaublich viel Öl und Gas, das ist ein neuer Persischer Golf. Aber unsere europäischen Politiker wollen davon entweder nichts wissen, oder enthalten uns das bewusst vor. Stattdessen sehen sie dabei zu, wie andere sich die Rohstoffe sichern.

Wer denn?

Darum streiten sich amerikanische und russische Konzerne, unterstützt von deren Regierungen. Es gibt eindeutige Hinweise darauf, dass auch die Geheimdienste im Hintergrund aktiv sind. Nach meiner Recherche gab es Bemühungen von westlicher Seite außerhalb Europas, die Regierung Griechenlands unter Karamanlis  zu destabilisieren. Es gab Befürchtungen, dass Karamanlis mit den Russen über die Förderung der Öl- und Gasvorkommen sowie die South-Stream-Pipeline verhandelt. Um es kurz zu machen: Das Ende der Regierung Karamanlis war kein Zufall, auch nicht, dass darauf mit Papandreou ein Regierungschef folgte, der den Amerikanern sehr wohlgesonnen war.

Karamanlis ist aus dem Amt gewählt worden. Alles andere klingt sehr nach einer Räuberpistole. Lässt sich das beweisen?

Ich habe viele Recherchen zu diesem Thema auch in Griechenland geführt und trotz der deutlichen Quellenlage lange überlegt, ob ich das mit ins Buch aufnehmen soll, um genau diesem Vorwurf zu entgehen. Als aber die griechische Staatsanwaltschaft 2012 in diesem Zusammenhang Anklage gegen Unbekannt wegen Hochverrat und Vorbereitungen zum Umsturz gegen Karamanlis erhoben hat, war die Faktenlage gut genug unterlegt, um das Thema im Buch aufzunehmen.

Die Probleme in Europa haben uns doch nicht Amerikaner oder Russen eingebrockt. Daran sind wir selbst nicht ganz unschuldig.

Die Grundprobleme sind hausgemacht, völlig klar. Die wirtschaftliche Leistungskraft der einzelnen Mitgliedsstaaten war von Beginn zu unterschiedlich, als dass man sie in eine Währungsunion hätte stecken können. Das ist unsere Achillesferse. Aber die Pfeile, die gegen diese Achillesferse geschossen werden, die kommen aus dem angelsächsischen Raum. Da sehe ich eine koordinierte Aktion.

Glauben Sie, dass die USA gezielt gegen Europa schießen?

Ich glaube, dass hier geostrategische Interessen im Spiel sind. Gehen wir ein paar Jahre zurück: Der Euro war auf dem besten Wege, den Dollar als Leitwährung anzugreifen. Davor hat unter anderem Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman gewarnt. Aus Sicht der Amerikaner wäre es fahrlässig gewesen, nichts dagegen zu tun. Amerika ist existenziell darauf angewiesen, dass der Dollar die Leitwährung der Welt bleibt. Weltweit gibt es Öl fast ausschließlich gegen US-Dollar. Wenn es hierdurch nicht eine beständige Nachfrage nach US-Dollar geben würde, würde das amerikanische Modell überhaupt nicht mehr funktionieren. Die Frage ist nicht: Kann es sein, dass die Amerikaner etwas gegen den Euro haben? Sondern: Ist es realistisch, dass sie tatenlos zuschauen, wie der Euro den US-Dollar als Weltleitwährung gefährdet.

Das hört sich schon ein wenig nach Verschwörung an.

Ich sage doch nicht, dass es einen Masterplan von einigen wenigen Mächtigen gibt. Das wäre Quatsch. Letztlich geht es um die ganz normalen Mechanismen internationaler Politik. Es gibt unterschiedliche Interessen. Jeder versucht, seine durchzusetzen - der eine hat mehr Macht, der andere weniger, dies zu tun. Bundesfinanzminister Schäuble hat 2010 selbst gesagt, er sei gegen eine Beteiligung des IWF an der Euro-Rettung, weil er eine zu große Einflussnahme der USA befürchtete.“

http://www.handelsblatt.com/finanzen/anlagestrategie/trends/dirk-mueller-im-interview-hier-stimmt-etwas-nicht/8085168-2.html

Dirk Müller vertritt als einer von Wenigen (aber mit stimmigen Argumenten) die These, wonach Griechenland bewusst destabilisiert wurde, um billig an die riesigen griechischen  Erdgasvorkommen ranzukommen und billig staatliche Firmen und Infrastruktur kaufen zu können:

https://www.youtube.com/watch?v=eyC56WWRP8U

„Vor einigen Jahren beeinflussten sogenannte Ratingagenturen, die quasi aus dem Nichts auftauchten, stark die Märkte. Sie waren in der Lage, nicht nur Unternehmen, sondern ganze Staaten abzuwerten. Warum hört man von denen nichts mehr?

MÜLLER: Ratingagenturen gibt es schon lange. Sie haben insbesondere in Europa zwischen 2008 und 2011 eine unrühmliche Rolle gespielt. Hintergrund war, dass der Euro den Dollar beinahe als Leitwährung abgelöst hätte, sich die USA das aber auf keinen Fall leisten konnten. Die Ratingagenturen hatten in dieser Zeit einen maßgeblichen Anteil daran, die Eurozone in Misskredit zu bringen, was ja auch funktioniert hat. Heute hört man von den Ratingagenturen kaum noch Lautes in Richtung Europa. „Mission accomplished“, sozusagen. Dafür ist jetzt Russland im Fokus der Abwertungen.“

http://www.lz.de/owl/20323200_Dirk-Mueller-Wir-werden-nicht-von-Gutmenschen-regiert.html

Die Rolle von Goldman Sachs

„Nach Berichten des Spiegels sowie der New York Times hatten US-Banken wie Goldman Sachs und JP Morgan verschiedenen Euro-Ländern wie Italien und Griechenland in den letzten zehn Jahren dabei geholfen, das Ausmaß ihrer Staatsverschuldung zu verschleiern. Neu aufgenommene Kredite waren als Währungsswaps verbucht worden, welche nicht zur Staatsverschuldung gerechnet wurden. Die Verwendung von Finanzderivaten zur Staatsfinanzierung wurde bis 2008 nicht reguliert. Nach der Regulierung durch Eurostat im Jahr 2008 kam die griechische Regierung den Meldevorgaben nicht nach, als die Nachmeldung solcher Transaktionen angefordert wurde.

Laut einem Bericht von Bloomberg Business konnte sich die griechische Regierung über ein 2001 mit Goldman Sachs abgeschlossenes Währungsswap-Geschäft mehr als 2,8 Milliarden Euro leihen. Mithilfe fiktiver Währungskurse konnten mit diesem Geschäft circa 2 % der griechischen Staatsschulden in der Bilanz verborgen werden. Das Geschäft erwies sich jedoch, wohl auch aufgrund seiner Intransparenz bzw. Komplexität, als unvorteilhaft für den griechischen Staat, so dass bereits drei Monate nach Abschluss eine Neuverhandlung angesetzt wurde, die zu einem Geschäft mit inflationsgekoppelten Derivaten geführt hat. Diese stellten sich in der Folge aber als ebenfalls unvorteilhaft für den griechischen Staat heraus, so dass im August 2005 die griechische Regierung mit Goldman Sachs über den Rückkauf der gesamten Anleihen durch die griechische Zentralbank verhandelte. Für die Rückzahlung dieser Derivate ergab sich schließlich eine Höhe von 5,1 Milliarden Euro, zu deren Finanzierung außerbörsliche Zinsswap-Geschäfte aufgenommen wurden. Angeblich erhielt Goldman Sachs für die Durchführung dieses Geschäfts 600 Millionen Euro. Andere Berichte sprechen davon, dass künftig zu erwartende Einnahmen, zum Beispiel aus Flughafengebühren und Lotteriegewinnen, abgetreten wurden.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Griechische_Staatsschuldenkrise

„Die Investmentbank Goldman Sachs und der Ölkonzern Shell sind die diesjährigen Träger des Negativpreises Public Eye Award. Die globalisierungskritische Organisation "Erklärung von Bern" und die Naturschützer von Greenpeace verliehen den Preis in Davos - in Sichtweite des Weltwirtschaftsforums. Während nebenan Wirtschaftsführer und Politiker aus aller Welt tagen, werden in dem noblen Schweizer Skiort seit 2000 auch die "übelsten Unternehmen des Jahres" ausgezeichnet. Einen Preisträger kürt eine Jury, der zweite wird durch eine öffentliche Abstimmung bestimmt …

Die Jury der Public Eye Awards vergab ihren Preis an die Investmentbank Goldman Sachs, weil sie "die Profite von wenigen mit explodierender Ungleichheit und der Verarmung breiter Schichten" bezahle. Die Bank sei "einer der Hauptgewinner der Finanzkrise", erklärte der Juryvorsitzende Michael Baumgartner. Mit Buchungstricks und gegen hohe Honorare habe Goldman Sachs das wahre Ausmaß der Staatsschulden Griechenlands verschleiert. Die US-Bank sei daher mitverantwortlich für die Beinahepleite des Staats und die gesamte EU-Staatsschuldenkrise …

Darüber hinaus prangerte die Jury das "undurchsichtige, weltweit einzigartige Netz an Verbündeten in höchsten Positionen" der Bank an. Viele Ex-Banker sind in Politik und internationale Organisationen gewechselt: Zu den bekanntesten Beispielen gehören der italienische Ministerpräsident Mario Monti, der ehemalige US-Finanzminister Henry Paulson und EZB-Präsident Mario Draghi. Aber profitiert die Bank wirklich von Entscheidungen ihrer Ex-Kollegen? Belege gibt es dafür bislang nicht, nur haufenweise Theorien von Verschwörungstheoretikern. Goldman Sachs jedenfalls gibt sich überzeugt: "Für eine solche Vermutung sehen wir keine sachliche Grundlage."“

http://www.spiegel.de/wirtschaft/goldman-sachs-und-shell-mit-public-eye-awards-ausgezeichnet-a-879384.html

Politikversagen im großen Stil

„Griechenland gehörte zu jenen Staaten, welche die EU-Konvergenzkriterien „im Entscheidungsjahr“ 1999 mit 3,07 % Staatsdefizit des BIP und einer Schuldenquote von ungefähr 100 % nicht erfüllten; da bei einer Näherung an den Referenzwert bei „hinreichend rückläufiger" Entwicklung eine Teilnahme möglich war, wurde es im Jahr 2001 in die Eurozone aufgenommen. Entgegen dem Vertrag von Maastricht, nach dem ein Euro-Land auch nach der Einführung des Euros sowohl das jährliche Haushaltsdefizit als auch den Staatsschuldenstand in Richtung Grenzwert abbauen muss, gelang Griechenland die Reduzierung der überschrittenen Kriterien nicht. Die Zinslastquote (staatlicher Zinsaufwand im Verhältnis zum BIP) ging zwar zurück, lag aber weiterhin über derjenigen anderer Euroländer und stieg wieder an …

Als eine Ursache nannten einige Autoren die unzureichende Durchsetzung der Verträge der EU: Die EU-Behörden haben trotz frühzeitiger Kenntnis der wirtschaftlich kritischen Lage von Ländern wie Griechenland weder in wirksamer Weise das Verfehlen der Kriterien thematisiert, noch Gegenmaßnahmen gefördert. Nach Ansicht der Journalistin Ursula Welter ist der Mangel an automatischen Sanktionen bei steigenden Schulden zu beanstanden. Kurzfristig dürfen EU-Länder den Haushaltssaldo und Schuldenstand übermäßig ausweiten, ohne Konsequenzen seitens der EU fürchten zu müssen. Das im Vertrag von Maastricht festgelegte Verbot der Haftungsübernahme für Schulden (No-Bailout-Klausel) sei zudem ausgehöhlt.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Griechische_Staatsschuldenkris

Der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen im  Gespräch mit der „Zeit“:

„ZEIT ONLINE: Die EU-Kommission tat unter Ihrer Mitwirkung damals das Falsche – und stimmte der Aufnahme Griechenlands in den Euro zu.

Verheugen: Ja, ich war am Vorschlag der Kommission beteiligt. Nach allem, was ich heute weiß, war es eine krasse Fehlentscheidung, Griechenland im zweiten Anlauf 2000 zu attestieren, dass die Bedingungen für die Teilnahme am Euro erfüllt seien.

ZEIT ONLINE: Die Regierungen der Euro-Länder haben damals sehr auf diese Entscheidung gedrängt. Auch die deutsche unter Gerhard Schröder.

Verheugen: Sie haben sogar entschieden! Es war damals ein politischer Wunsch, Griechenland dabeizuhaben. Das galt schon für die Aufnahme Griechenlands in die EG 1981. Das Desaster, das darauf folgte, ist – von den großen Fehlern im Land einmal abgesehen – eine Geschichte des entschlossenen Wegguckens. Das war Politikversagen im großen Stil. Auf der Ebene der Mitgliedsländer, aber auch der europäischen Institutionen. Wir sind alle verantwortlich.“

http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-06/interview-verheugen

 

Gründe für das Desaster

 

„Wikipedia“ nennt folgende Gründe:

Beitritt zur Eurozone und Handelsbilanzdefizite

„Der Eurobeitritt 2001 hatte für Griechenland erhebliche Folgen. Einerseits durch Festlegung eines hohen Wechselkurses, andererseits durch die Aufgabe einer nationalen Geldpolitik, mit der es die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft im Zweifelsfall hätte verbessern können, um Handelsbilanzdefizite zu beheben.

Griechenlands Wirtschaft wies Handelsbilanzdefizite auf. Vor dem EG-Beitritt 1981 war der griechische Export durch wenig technologieintensive Produkte geprägt wie Nahrungsmittel, Textilien und mineralische Produkte. Griechenland konnte diesen Rückstand bei technologieintensiven Produkten zu den anderen EG-Mitgliedstaaten in den folgenden Jahren nicht aufholen.“

Hohe Staatsausgaben

Hier hat „Wikipedia“ mehrere Punkte, die sich unter „Überdimensionierter und ineffizienter Staatsapparat“ zusammenfassen lassen. Das stimmt alles, ist aber nicht erst in den letzten Jahren entstanden.

Hohe Militärausgaben

„Wegen der Spannungen mit der Türkei sind diese, bezogen auf das BIP, größer als die der anderen EU-Länder. Auch die Truppenstärke von fast 130.000 Soldaten ist überproportional hoch. Rüstungsgüter wurden insbesondere in den USA, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Russland gekauft.“

Geringe Staatseinnahmen

„Griechenland hatte in den Jahren vor der Krise einige Steuern gesenkt, was zu einer Verringerung der Staatseinnahmen führte. 2007 lagen die Steuern auf Einkommen aus Gewinnen und Vermögen in Griechenland bei 15,9 Prozent, in Deutschland bei 24,4 Prozent; den Höchstwert in der EU gibt es im Vereinigten Königreich mit 42,7 Prozent.

Griechenland lässt eine überdurchschnittlich große Schattenwirtschaft von geschätzten 40 Prozent des BIP (Schätzung für Deutschland: 15 Prozent) zu und verliert damit jedes Jahr Steuereinnahmen zwischen (geschätzt) 12 und 30 Milliarden Euro. Obwohl alleine die Eindämmung der Steuerhinterziehung einen Haushaltsüberschuss erzeugen würde und damit die griechische Finanzkrise hätte verhindern können, wurden die steuerpflichtigen Bürger von den Finanzbehörden nicht intensiver kontrolliert.

Im Dezember 2011 organisierte die griechische Denkfabrik Hellenic Foundation for European and Foreign Policy eine Konferenz zum Thema Steuerhinterziehung. Dort wurde der Schaden bzw. Einnahmeausfall durch Steuerhinterziehung auf 13 Mrd. Euro jährlich geschätzt. Nach Diomidis Spinellis bekomme der Staat zudem nur einen geringen Anteil der Steuern, die für dieses Steuerdelikt eigentlich bezahlt werden sollten.

Es wird geschätzt, dass die griechische Staatskasse durch Benzinschmuggel in den letzten 20 Jahren ca. 25 Mrd. Euro verloren hat. Ähnlich liegen die Probleme, was den Zigarettenschmuggel angeht.“

Weltweite Ursachen

Unter den Anlegern bestand eine falsche Einschätzung des Risikos. Unter anderem griechische Staatsanleihen wurden wegen der nur leicht höheren Zinsen gekauft, ohne wachsende Probleme zu beachten. Mit Ausbruch der Finanzkrise ab 2007 begannen die Risikoprämien auf staatliche Schuldpapiere Griechenlands zu steigen.

Die im Zuge der weltweiten Finanzkrise ab 2007 ergriffenen Maßnahmen zur Bankenrettung werden als weitere Ursache der griechischen Finanzkrise gesehen. Nach Irland war Griechenland am stärksten von einem angeschlagenen Bankensektor betroffen. Um Banken vor einem möglichen Bankrott zu retten, wandelte die griechische Regierung Kreditrisiken der privaten Finanzinstitutionen durch Garantien und bezuschusstes Kapital in staatliche Risiken um. Durch diese Übernahme der Risiken aus den Geldhäusern stieg das Ausfallrisiko. Es wurde in Folge für den griechischen Staat aufgrund höherer Risikoprämien teurer, auf den Finanzmärkten Kapital zu leihen.

Sowohl die zunehmende Staatsverschuldung (Tilgungslasten) als auch die steigenden Risikoprämien (Zinsen bei Staatsanleihen) belasteten den griechischen Staatshaushalt. Nach der Bankenrettung führte jede Verschlechterung der Wirtschaftsperspektiven zu einem stärkeren Anstieg der Risikoprämien bei den Staatsanleihen. Die dadurch weiter steigende Verschuldung erhöhte wiederum die Zinsen, so dass Ursachen sich gegenseitig verstärkten und hin zu immer höheren Kapitalkosten führten.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Griechische_Staatsschuldenkrise

Dagegen sieht Frederic Heine die Ursachen kaum bei Griechenland, sondern im europäischen Finanz-System:

Dass Griechenland 2001- 2008 über seine Verhältnisse gelebt hätte, ist bis dahin aber niemandem aufgefallen. Im Gegenteil: Griechenlands Wirtschaftswachstum war im innereuropäischen Vergleich außerordentlich, Griechenlands Entwicklung wurde als Beispiel dafür gefeiert, wie der Euro es den ärmeren Ländern ermöglicht, an die reicheren Länder anzuschließen, und Analysten, etwa des IWF, hatten keinerlei Bedenken, dass sich die Wachstumsaussichten Griechenlands in der mittleren Frist weiterhin im deutlich positiven Bereich bewegen würden

Das Verschwinden von Währungsrisiken, die Verfügbarkeit einer Vielzahl an europäischen Staatsanleihen, die implizite Annahme, die Eurozone und die EZB würden die Mitgliedsstaaten im Falle Zahlungsproblemen in jedem Fall unterstützen, sowie einige institutionelle Regelungen der europäischen Zentralbank machten die Währungsunion zu einem der wichtigsten Vehikel zur Integration der Finanzmärkte - und zu einem europäischen Finanzboom.

Diese Entwicklung war aber nicht nur gewollt, um europäischen Banken in der Konkurrenz mit amerikanischen den Rücken zu stärken, sondern auch, weil man davon ausging, diese Regelungen würden für die europäischen Staaten, Banken, Unternehmen und Haushalte den Zugang zu Kredit verbilligen. Genau das taten sie auch, für eine Zeit lang. Es kam zu der historisch einmaligen Situation, dass die Staatsanleihen aller Euro-Mitgliedsländer zum gleichen Zinssatz gehandelt wurden - was, zumindest nach den ökonomischen Lehrbüchern, bedeutet, dass das Risiko dieser Anlagen genau gleich niedrig eingeschätzt wurde …

Aufgrund der als gering eingeschätzten Risiken, der niedrigen Zinsen auf diese Schulden, und aufgrund eines generellen Optimismus über die europäische Wirtschaftslage, wurde diese Schuldenentwicklung jedoch nicht als problematisch angesehen. Selbst wenn Griechenland damals also "über seine Verhältnisse gelebt" hat, oder vielmehr, einen schuldenfinanzierten Wachstumsschub mit zweifelhafter Nachhaltigkeit erlebt hat, so hat ganz Europa applaudierend, und händereibend, dabeigesessen.

In dieser Zunahme der Gesamtverschuldung der europäischen Ökonomien profitierten die Banken der europäischen Kernländer auch von einem ganz besonderen System des "Carry-trade" - sie verschuldeten sich gegenüber dem nicht-europäischen Ausland, um noch mehr Schuldscheine in der europäischen Peripherie erwerben zu können. Diese Form der "Hebelung" - also der Investition in riskante Produkte mit geliehenem Geld, um die eigene Profitmarge zu erhöhen - trug entscheidend zur Instabilität der Finanzmärkte im Vorkrisenzeitraum bei und sollte eine entscheidende Rolle im Verlauf der Krisenpolitik spielen.

Als 2007 die Finanzkrise in den USA begann, 2008 auf die Finanzmärkte in Europa überschwappte und 2008/2009 auch die "Realwirtschaft" erfasste, kam es dann zu der negativen Kausalkette, die Griechenland in den Abgrund stürzte …

Somit fiel die steigende Staatsverschuldung gerade in die Zeit, als die Banken den ersten Sturm durch die kräftigen Finanzspritzen des Staates zwar gerade so überwunden hatten - in der sie aber noch lange nicht stabil waren, ihre Bilanzen nach unten korrigieren mussten, und ihr Eigenkapital erhöhen mussten. Das war der Zeitpunkt, an dem die Finanzmärkte plötzlich wieder anfingen, einen Unterschied zwischen den europäischen Staatsanleihen zu machen …

die Ratingagenturen stuften die Kreditwürdigkeit des Landes herab, und Spekulanten begannen, auf fallende Preise von griechischen Staatsanleihen zu wetten, wodurch die Geschwindigkeit, mit der sich das Problem ereignete, massiv beschleunigt wurde. Die griechischen Staatsschulden wuchsen auf 127% des BIP in 2009 und auf 147,8% in 2010.

Der oben erwähnte "carry trade" machte die griechischen Staatsanleihen zu den toxischen Papieren des europäischen Finanzsektors - denn um die Kredite an ausländische Banken abzubezahlen, die aufgenommen wurden, um mehr Staatsanleihen zu kaufen, mussten die Banken so schnell wie möglich ihre "toxischen", im Preisverfall befindlichen, Staatsanleihen verkaufen, um wenigstens noch so viel wie möglich des ursprünglichen Preises zu retten. Durch die massiv steigenden Zinsraten auf ihre Staatspapiere wurde es für die Krisenländer, allen voran Griechenland, immer schwerer, sich zu refinanzieren, während die Schuldenlast und der Teil des Staatshaushaltes, der in den Schuldendienst floss, immer schneller anstieg. Dies löste eine Negativspirale aus, die fast nichts mit der griechischen Wirtschaft und fast alles mit dem europäischen Bankensystem und der globalen Finanzkrise zu tun hat

Dass die Inflationsziele der EZB de facto fast der der Bundesbank entsprachen, ist also in erster Linie als Versuch zu interpretieren, die südeuropäischen Länder zu "disziplinieren" und sie unter Regeln zu unterwerfen, die einzig für das politökonomische Modell Deutschlands vorteilhaft waren. Die katastrophalen Folgen dieses institutionellen Arrangements zeigten sich, als die peripheren Staaten in Finanzierungsschwierigkeiten gerieten - und anders als die Banken, die sich bei der EZB zu historisch niedrigen Zinsraten leicht mit Liquidität versorgen konnten, für ihre Refinanzierung absolut von den Finanzmärkten abhängig waren, und zwar zu einer Zeit, in der an genau diesen Finanzmärkten Panik, Misstrauen, und gegen Staaten gerichtete Spekulation vorherrschten. Allein der institutionelle Bias der EZB, die alles tat, um die europäischen Banken liquide zu halten, aber keinerlei Handhabe (und auch keinen politischen Willen) hatte, die Staatshaushalte zu unterstützen, dürfte einiges dazu beigetragen haben, dass sich die Finanzkrise in eine "Staatsschuldenkrise" verwandeln konnte …

Für die enormen Turbulenzen, die die Risikopositionen der europäischen Investoren, die Spekulationen von Hedgefonds, die institutionellen Fehlkonstruktionen der Eurozone und der politische Bias in Richtung Finanzmärkten und Exportstaaten ausgelöst hatten, wurden alleinig der griechische Staat und die griechische Bevölkerung haftbar gemacht. Auf ihrem Rücken wurde die "Beruhigung der Finanzmärkte" durchgeführt.“

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45347/1.html

 

Investoren-Rettung

 

Frühe Möglichkeiten zur Lösung der Krise und Schuldenschnitt

„Ohne die katastrophale Austeritätspolitik per ordre Merkel wäre die Krise ferner nie derart eskaliert. Heute befindet sich Griechenland im freien Fall und es ist illusorisch zu glauben, dass die Schulden je in voller Höhe beglichen werden können. Hätte man bereits früh mit Hilfe der EZB ein Schuldenmoratorium erlassen und auf die Austeritätspolitik verzichtet, wäre Griechenland womöglich in der Lage gewesen, seine kompletten Schulden zu einem späteren Zeitpunkt in voller Höhe zurückzuzahlen. Davon wollte die marktkonforme Kanzlerin jedoch nie etwas wissen. Nun hat sie die Krise, die sie wollte und wir müssen – neben der griechischen Bevölkerung – den Preis für diese Borniertheit zahlen.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=18230

Harald Schumann: „Das Verrückte ist: Die Experten des IWF, über deren politische Konzepte man streiten kann, aber die viel Erfahrung haben, da der IWF Staatsverschuldungskrisen seit den 70er Jahren managt. Als die nach Griechenland kamen, sich die Situation anguckten, machten sie eine Übersicht und stellten fest: Dieser Staat ist so hochverschuldet, es hat keinen Zweck, neues Geld zu verleihen, solange nicht vorher ein Schuldenschnitt stattfindet. Es wird nicht zurückzahlbar sein. Der IWF darf aber Kredite nur vergeben, jedenfalls nach seinen bis dahin geltenden Regeln, wenn die eigenen Fachleute zu der Meinung kommen, dass die Kredite fristgemäß zurückgezahlt werden können.

Eigentlich hätte damals das Exekutivdirektorium, sprich die Chefs des IWF, die Mitgliedsländer, beschließen müssen: Nein, nach unseren eigenen Regeln dürfen wir Griechenland keinen Kredit geben, bevor es nicht einen Schuldenschnitt für Griechenland gibt. Das wollten aber die Europäer nicht. Und die Amerikaner wollten es im Grunde auch nicht. Wegen des Risikos für das europäische Finanzsystem und den weiteren Wellen. Darum haben sie einfach über Nacht ihre eigenen Regeln außer Kraft gesetzt und haben irgendwo, verborgen auf Seite 54 eines 146 Seiten langen Berichts zu Griechenland, einen Passus eingefügt, dass man auch, wenn es Zweifel an der Schuldentragfähigkeit gibt, aus systemischen Gründen Kredit geben dürfe. Und das haben dann die Europäer und Amerika mit Mehrheit im Vorstand des IWF durchgesetzt. Die Kritiker haben aufgegeben und konnten das nicht widerlegen. Sie haben zwar ihre Kritik eingelegt, aber weil sie nicht die Mehrheit haben, konnten sie sich nicht durchsetzen. Und so kam es dann.

Es sind nicht irgendwelche Kritikaster wie ich, die gesagt haben, man hätte von Anfang an Griechenland die Schulden erlassen müssen. Das waren Fachleute des IWF selber, die von Anfang an gesagt haben, das funktioniert nicht! Es waren die europäischen Regierungen, gemeinsam mit ihren amerikanischen Alliierten, die sich über die Meinung ihrer eigenen Leute beim IWF hinweggesetzt haben. Diese Geschichte ist, glaube ich, im Bundestag auch nie erzählt worden.

Am Anfang war das wirklich nur so gedacht, dass die das eben überwachen, so wie der IWF es schon immer gemacht hat. Staaten, die beim IWF Kredite nehmen, wurden schon immer unter Kuratel gestellt. Es gab schon immer die Kritik am IWF, dass er eine Macht ausübt, die keinerlei parlamentarischer Kontrolle unterliegt. Das Interessante ist: Weil es diese Kritik am IWF seit Mitte der 70er Jahre gibt, von Opposition und Kritikern, hat ausgerechnet der IWF für sich selbst wenigstens interne Kontrollinstitutionen geschaffen. Es gibt zum Beispiel ein unabhängiges Auswertungsbüro. Diese wirklich unabhängige Auswertungsabteilung hat bereits 2012 einen Bericht über das Griechenland-Programm geschrieben, wo sie reingeschrieben haben: Ihr habt mit falschen Faktoren gerechnet, das Wesentliche, was ihr erreicht habt, ist private Verschuldung durch öffentliche zu ersetzen. Ihr habt die wirtschaftliche Misere Griechenlands verschlimmert, anstatt Griechenland zu helfen zu sanieren. Das haben die IWF-Leute in ihren eigenen internen Evaluierungsberichten geschrieben. Das wurde veröffentlicht. Aber die Euro-Finanzministergruppe war überhaupt nicht bereit, irgendwelche Schlussfolgerungen aus diesem IWF-Bericht zu ziehen.“

https://krautreporter.de/463--ich-kampfe-gegen-dieses-troika-regime-und-gegen-diese-ungeheuerliche-nationale-arroganz

„Einer, der das Unheil früh kommen sah, ist Paulo Batista, Exekutivdirektor für Brasilien im 24-köpfigen Vorstand des IWF. Batista war noch nie in Griechenland. Aber seine Heimat stand selbst einst unter Kuratel des Fonds, das schärfte seinen Blick.

Der brasilianische Ökonom erinnert sich noch gut an die Tage im Frühjahr 2010, als es in den Vorstandsbüros im 12. Stock der IWF-Zentrale in Washington hoch herging. Die Europäer drängten auf die Beteiligung des Fonds an den Notkrediten für Griechenland, aber die Experten des IWF selbst waren dagegen. „Sie hatten große Zweifel, ob das Land den Kredit zurückzahlen könnte, die Verschuldung war zu groß“, bestätigt Batista, was offiziell bisher verschwiegen wurde. Nach den Regeln des Fonds hätte der Antrag abgelehnt werden müssen. Gemeinsam mit den Vertretern Indiens, Russlands und der Schweiz mahnte Batista damals, die geplanten Kredite würden lediglich „private durch öffentliche Finanzierung ersetzen“. Insofern könne es „nicht als Rettung von Griechenland gesehen werden, das sich einer schmerzhaften Anpassung unterziehen muss, sondern als Rettungspaket für die privaten Gläubiger von griechischen Schulden, vor allem europäische Finanzinstitute“. Es wäre „viel besser für Griechenland, einen Schuldenerlass zu verhandeln“, forderte der IWF-Dissident.

Doch das wollten die Regierungen Frankreichs und Deutschlands unbedingt verhindern. Die französischen Banken hatten 20 Milliarden Euro im Feuer, die deutschen 17 Milliarden. Und in Dominique Strauss-Kahn fanden sie einen willigen Helfer. Der damalige IWF-Chef, der später über seine Sex-Affären stürzte, wollte für das Präsidentenamt kandidieren und daher die Finanzbranche seines Landes vor Verlusten schützen. Darum ließ er in den Antrag einfügen, dass bei „hohem Risiko einer internationalen systemischen Wirkung“ die Kreditvergabe doch erlaubt sei – ein Putsch, der Batista noch heute ärgert. Die Regeländerung sei „völlig intransparent“ in einem 146 Seiten langen Dokument versteckt gewesen. Mangels Mehrheit im IWF-Vorstand, den Europäer und Amerikaner dominieren, konnten die Kritiker das jedoch nicht verhindern. Mit Beschluss vom 10. Mai 2010 trat darum das erste gemeinsame Programm des IWF mit den Euro-Staaten in Kraft, das im Gegenzug für 80 Milliarden Euro Kredit die Troika als Kontrollinstanz etablierte. Fortan reisten alle drei Monate bis zu 60 Beamte nach Athen, um jeden Zug der Regierung zu überwachen. „Dabei wurde so getan, als sei Griechenland nicht bankrott, sondern nur gerade nicht flüssig“, erklärt der Ökonom Yanis Varoufakis, der nun als Finanzminister mit den Konsequenzen kämpft. „In dieser Lage dem insolventesten aller Staaten den größten Kredit der Geschichte zu geben – wie drittklassige korrupte Banker –, das war ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, empört sich Varoufakis. „Damit zwangen sie Griechenland in eine Verschuldung ohne Ende.““

http://www.tagesspiegel.de/politik/eurokrise-die-troika-macht-ohne-kontrolle/11406286.html

Es ging niemals um die Rettung Griechenlands

Wenn es einer wissen muss, dann er: Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen:

„Einen solchen Rettungsschirm können wir als Europäer überhaupt nicht auf die Beine stellen, um dem massiven Druck der Märkte zu widerstehen, wenn sie uns zeigen wollen, wo der Hammer hängt – und das können sie, sie haben es ja mehrfach demonstriert, dass nicht die Politik die Märkte dominiert, sondern dass die Märkte versuchen, die Politik zu dominieren. Und deshalb reicht es in meinen Augen nicht aus, wenn wir diese Diskussion rein finanzpolitisch führen oder währungspolitisch.

Wir sollten uns mal keine Illusionen machen, um was es bei Griechenland-Rettung oder Portugal-Paket oder was auch immer wirklich geht. Der Begriff ist vollkommen falsch. Es ging niemals um die Rettung Griechenlands, es ging immer um die Rettung bestimmter europäischer Banken.

Diese Banken operieren ja nicht nur mit Einlagen, wenn sie das tun würden, hätten wir ja ein geringeres Problem. Wir haben wieder das berühmte Hebeln. Und das Hebeln führt ja dazu, dass wir Banken in Europa, ich denke, immer noch haben, deren Risiko-Positionen ein Mehrfaches des Bruttosozialprodukts des Landes sind, in denen sie beheimatet sind. Das muss man sich mal vorstellen, das hatten wir in Deutschland auch: eine einzige Bank hat Risiko-Positionen, die höher sind als unser gesamtes Bruttosozialprodukt.

Irgendeiner wird am Ende die Zeche bezahlen müssen … die Sparer und die Verbraucher, das kann ich jetzt schon sicher sagen.”

https://www.youtube.com/watch?v=dSB87QzR84s

„Wie im Krieg war auch bei der Sparpolitik die Wahrheit das Opfer: Kein Wort der Regierenden, dass das teuerste Hilfsprogramm aller Zeiten nie in Athen ankam, sondern zu 90 Prozent direkt an die eigenen Banken floss. Kein Wort, dass das System Euro nur mit Transferleistungen funktioniert. Kein Wort, dass es kein Erfolg ist, wenn einer der Sparstaaten nach enormen Verlusten minimal wächst.“

http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/Die-gefaehrlichste-Idee-Europas/story/27729647

„Auch der Übertrag von privaten in staatliche Forderungen ist auf dem Mist der Kanzlerin gewachsen. Die Taktik, Griechenland so lange staatliche abgesicherte Kredite zu geben, bis ein Großteil der privaten Forderungen bedient wurde, war von Anfang mit der Prämisse geplant, die „faulen Forderungen“ dem Steuerzahler unterzujubeln. Nicht die Griechen, sondern die deutsche Kanzlerin und ihre politischen Freunde tragen die Verantwortung dafür.

Im Finanzsystem gibt es ein schönes Sprichwort: „Das Geld ist nie weg, es hat nur ein anderer“. Das stimmt. Die Verluste, die auf den Steuerzahler in Euroland zukommen, sind längst an anderer Stelle als Gewinne verbucht worden. Banken, Fonds und Versicherungen konnten sich ohne große Abschreibungen von ihren Forderungen an den griechischen Staat trennen, ihren Aktionären ordentliche Dividenden und ihren Kunden schöne Renditen auszahlen. Das ist wahrlich marktkonform. Danke, Frau Merkel!“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=18230

Der Journalist Harald Schumann im Gespräch mit Tilo Jung:

„Das Schlimme an der Politik gegenüber diesen Krisenländern ist, dass dort unterstellt wird, es sind allein die Bürger dieser Länder. Und die Politiker und Bürger dieser Länder sind allein schuld an der Misere, die entstanden ist mit der Überschuldung. Wenn man sich aber die Geschichte der Überschuldung anguckt, dann gab es natürlich immer eine Mitverantwortung – auch von uns aus, oder von Frankreich aus, oder von Großbritannien aus. Wer hat denn diesen korrupten, unsoliden Regierungen in Griechenland viel zu lange Kredit gegeben? Es waren deutsche, französische, britische, amerikanische Banken in erster Linie.

Wer hat denn in Griechenland bestochen wie wild? Siemens, Rheinmetall, Thyssen. Wer hat denn den Immobilienboom in Portugal und Irland finanziert? Deutsche Investoren und deutsche Anleger! Sie hätten wissen müssen, dass es absurd ist, wenn die Immobilienpreise innerhalb weniger Jahre um hundert Prozent steigen. Wer hat denn die Iren gezwungen, alle Gläubiger ihrer Pleitebanken auszuzahlen, obwohl sie das nicht wollten? Sie haben anfänglich eine Garantie ausgesprochen, aber nach zwei Jahren wollten sie diese Garantie zurückziehen. Dann hat die EZB sie gezwungen, es zu tun, und auf einen Schlag hatte Irland 80 Milliarden mehr Schulden. Und an wen flossen diese 80 Milliarden? An Investoren aus Deutschland und Frankreich in erster Linie! Diese Mitverantwortung für die Misere in Schuldenstaaten wird von der hiesigen Politik komplett ignoriert.

Warum ignorieren die das?

Weil es so natürlich viel leichter zu verkaufen ist. Man muss sich doch nur mal vorstellen, damals als das alles losging, im Frühjahr 2010, hätte Schäuble gesagt: Wir müssen den Griechen jetzt leider 80 Milliarden Kredit geben, denn wenn wir das nicht tun, ist Griechenland insolvent und dann verlieren unsere Banken 17 Milliarden, die französischen verlieren 20 Milliarden. Die britischen Banken verlieren 20 Milliarden und so weiter. Das bringt das ganze europäische Finanzsystem dermaßen durcheinander, das können wir nicht riskieren. Also müssen wir die Griechen irgendwie solvent halten. Eigentlich sind sie pleite, aber wir tun einfach mal so vorübergehend, als hätten sie Liquiditätsschwierigkeiten. So ist es objektiv gewesen.

Das ist auch nicht zu bestreiten. Das haben damals ganz viele Ökonomen so gesehen. Man hat sich Zeit gekauft. Das Bankensystem war noch labil. Man darf nicht vergessen: 2010 war die letzte Finanzkrise erst zwei Jahre her, viele Banken waren angeschlagen. Unter Umständen hätte es eine Systemkrise gegeben, die man nicht riskieren konnte. Aber wenn man den Menschen die Wahrheit gesagt hätte, hätten die gesagt: Moment mal, das ist doch eigentlich unser Geld! Wir gehen in Haftung für ein eigentlich bankrottes Griechenland? Und die Profiteure sind die, die in Griechenland falsch investiert haben? Können wir uns das Geld nicht langfristig über eine Sonderabgabe, Vermögensabgabe, Finanztransaktion...? Wir müssen uns das Geld irgendwie wiederholen von denen, die davon profitieren. Stattdessen hat man das alles verschwiegen und den Leuten gesagt: Wir helfen großzügig den Griechen, damit es denen nicht so schlecht geht. Dafür müssen sie sich endlich mal ordentlich reformieren. Deswegen machen wir Auflagen. Und darüber hat sich Frau Merkel als Vertreterin deutscher Tugenden in Europa verkauft. Dies war ein sehr erfolgreiches Konzept, weil die große Mehrheit der Deutschen glaubt dieses Märchen.

Du hast gesagt, die haben sich Zeit gekauft. Wofür denn?

Zeit gekauft, damit sich die privaten Gläubiger dieser überschuldeten Staaten zurückziehen konnten, und die Schulden, die diese Staaten bei den privaten Gläubigern hatten, wurden ersetzt durch Schulden, die sie bei anderen Staaten, sprich bei uns, bei anderen Steuerzahlern hatten. Die private Verschuldung wurde durch öffentliche Verschuldung ersetzt.

Die privaten Gläubiger waren wer?

Deutsche Investoren, deutsche Anleger, deutsche Banken, deutsche Versicherungskonzerne haben sich nach und nach rausgezogen aus all diesen Ländern.

Indem gesagt wurde, wir müssen die Griechen retten, wurde quasi einfach nur die Investitionen von Deutschen gerettet?

Ja, natürlich! Das war der Clou bei der ganzen Geschichte.“

https://krautreporter.de/463--ich-kampfe-gegen-dieses-troika-regime-und-gegen-diese-ungeheuerliche-nationale-Arroganz

Wohin gingen die Milliarden?

Laut „Zeit“ wurde das 230 Milliarden Euro schwere Hilfspaket folgendermaßen verwendet:

81,3 Milliarden Euro   Ablösung von Altschulden

48,2 Milliarden Euro   Bankenrestrukturierung

40,6 Milliarden Euro   Zinszahlungen

34,6 Milliarden Euro   Schuldenschnitt 2012

11,3 Milliarden Euro   Rückkauf von Schulden

9,1 Milliarden Euro     Rückzahlungen an den IWF

2,3 Milliarden Euro     Einzahlungen in den ESM

27,0 Milliarden Euro   Ausgaben Staatstätigkeit

http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-02/eurokrise-griechenland-eu-hilfen-grafik

„Zum Besseren hat sich unter diesem Programm wenig entwickelt. Geändert hat sich hingegen die Gläubigerstruktur. War Griechenland vor fünf Jahren noch zu 94 Prozent bei privaten Gläubigern verschuldet, ist deren Anteil seither auf rund 11 Prozent geschrumpft, wie ebenfalls aus der Anfrage hervorgeht. Die griechischen Schulden bei Banken wurden von öffentlichen Geldgebern - EU, EZB und IWF - abgelöst. Die meisten "Hilfsgelder" sind direkt in den Finanzsektor geflossen, die Griechen selbst haben davon nichts gesehen.“

http://www.n-tv.de/wirtschaft/Die-Horror-Bilanz-der-Griechenland-Hilfen-article14690166.html

„Gleichzeitig ist die Wirtschaftskraft Griechenlands um ein Viertel geschrumpft – so etwas kennt man sonst nur aus Kriegszeiten. Addiert man die Verluste der einzelnen Jahre, so hat Griechenland seit 2007 116 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts eingebüßt. Die Schulden des Landes sind derweil gewachsen, trotz Schuldenerlass. Zu Beginn der Krise lagen sie bei 120 Prozent der Wirtschaftsleistung, derzeit sind es fast 180 Prozent.

Wie kann das sein? Wofür hat Athen die ganzen Auslandshilfen verwendet? Für Renten, Gehälter und ähnliches? Nein. Nur rund ein Zehntel der Hilfen ging in die normalen Staatsausgaben. Der Rest floss auf verschiedene Kanäle in die Bedienung der Schulden.

Der Autor und Ökonom Jannis Mouzakis hat auf der Website www.macropolis.gr nachgerechnet: Rund die Hälfte der Hilfszahlungen – 122 Milliarden Euro – gingen für die Rückzahlung und Verlängerung bestehender Schulden und für Zinszahlungen drauf. Über 90 Milliarden Euro kostete Griechenland der Schuldenerlass. So musste Athen den Gläubigern, die zum Forderungsverzicht bereit waren, zum Ausgleich neue, sicherere Anleihen bieten und ihnen einen Teil der noch bestehenden Restschuld vorab auszahlen – mit Geld von der EU und dem Internationalen Währungsfonds.

Als der Schuldenerlass 2012 umgesetzt wurde, hatten sich die großen Auslandsbanken, vor allem aus Deutschland und Frankreich, bereits aus Griechenland zurückgezogen. Zu den großen Verlierern des Erlasses gehörten daher vor allem – neben den zyprischen Banken – die griechischen Banken, die die Hauptgläubiger Athens waren. Sie mussten Milliarden in ihren Büchern streichen. Um seinen Finanzsektor zu stabilisieren, stützte Athen ihn mit fast 50 Milliarden Euro.

Und schließlich musste Griechenland 2014 damit beginnen, Darlehen des IWF zurückzuzahlen.

Fazit: Griechenland wurde ein desaströses Spar- und Reformprogramm auferlegt. Im Gegenzug erhielt es neue Kredite, mit denen es die alten Kredite trotz Wirtschafts- und Finanzkrise bedienen konnte. Im Ergebnis ist die griechische Wirtschaft heute am Boden, die Schuldenlast ist gestiegen – und die Schulden liegen nicht mehr bei privaten Investoren, sondern bei EU und IWF, also beim „Steuerzahler“.

http://www.fr-online.de/wirtschaft/griechenland-wo-sind-die-milliarden-hin-,1472780,29512532.html

„“Das Ziel der politischen Eliten ist nicht die Rettung der griechischen Bevölkerung, sondern die Rettung des Finanzsektors”, fasst Lisa Mittendrein von Attac die Ergebnisse zusammen: “Sie haben Hunderte Milliarden an öffentlichen Geldern eingesetzt, um Banken und andere Finanzakteure und vor allem deren Eigentümer vor den Folgen der von ihnen verursachten Finanzkrise zu retten.”

Die weit verbreitete und von europäischen Politikern öffentlich vertretene Position, dass das Geld der sogenannten „Rettungspakete“ den Menschen in Griechenland zugutekommen würde, ist damit widerlegt. Die griechische Bevölkerung muss die Rettung von Banken und Gläubigen vielmehr mit einer brutalen Kürzungspolitik bezahlen, die die bekannten katastrophalen sozialen Folgen hat.

Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass das Hauptziel der Krisenpolitik seit 2008 darin besteht, die Vermögen der Reichsten zu schützen. Die Politik nimmt enorme Arbeitslosigkeit, Armut und Not in Kauf – um einen Finanzsektor zu retten, der nicht zu retten ist. Auch die österreichische Regierung trägt diesen menschenverachtenden Kurs seit Jahren mit", ergänzt Mittendrein. Aus demokratiepolitischer Sicht ist zudem bedenklich, dass die Verantwortlichen in Troika und EFSF ihren Umgang mit öffentlichen Mitteln kaum dokumentieren. "Es ist ein Skandal, dass die EU-Kommission zwar Hunderte Seiten an Berichten veröffentlicht, aber nirgendwo auflistet, wofür das Geld konkret verwendet wurde", erklärt Mittendrein. "Die Verantwortlichen sind aufgefordert, für volle Transparenz zu sorgen und zu belegen, wer von den Zahlungen tatsächlich profitiert."

Zu den tatsächlich Geretteten zählt etwa die Milliardärsfamilie Latsis, eine der reichsten Familien Griechenlands, die große Teile der staatlich geretteten „Eurobank Ergasias“ besitzt. Auch Spekulanten profitierten: Der Hedgefonds Third Point streifte im Zuge des Schuldenrückkaufs vom Dezember 2012 mit Hilfe von öffentlichen Geldern einen Gewinn von rund 500 Millionen ein. "Wenn Kommissionspräsident Barroso sagt, die sogenannte Griechenland-Rettung sei ein Akt der Solidarität, stellt sich die Frage: Solidarität mit wem?", kommentiert Mittendrein.

Maximal 46,6 Milliarden (22,5 Prozent) der sogenannten "Rettungspakete" flossen in den griechischen Staatshaushalt. Dieser Summe stehen jedoch weitere Ausgabenposten im selben Zeitraum gegenüber, die nicht der breiten Bevölkerung zugutekommen. Mehr als 34,6 Milliarden flossen aus dem Staatshaushalt als Zinsen für laufende Staatsanleihen erneut an Gläubiger (2. Quartal 2010 bis 4. Quartal 2012 . Zudem wendete der Staat allein in den ersten Jahren weitere 10,2 Milliarden für Verteidigungsausgaben auf (2010 und 2011). Insidern zufolge üben die Regierungen in Berlin und Paris Druck auf Griechenland aus, die Militärausgaben nicht zu kürzen, da davon deutsche und französische Rüstungskonzerne betroffen wären.

"Die sogenannte Griechenland-Rettung entpuppt sich bei genauerem Hinschauen als weitere Banken- und Reichenrettung", bilanziert Mittendrein. Man dürfe nicht vergessen, dass Europas Banken seit 2008 bereits 670 Milliarden Euro an direkter staatlicher Hilfe (ohne Garantien) erhalten haben. Der Finanzsektor Griechenlands – wie auch Gesamteuropas - bleibt jedoch weiterhin höchst instabil. Das zeigt nicht zuletzt die jüngste Auszahlung zweier Tranchen für Bankenrekapitalisierungen im Umfang von 23,2 Milliarden Euro seit Dezember 2012.

Der Schuldenschnitt für den griechischen Staat hat die dortigen Banken so stark getroffen, dass der Staat sich erneut verschulden muss, um sie mit Milliardenhilfen zu retten. "Die europäische Politik hat es in den fünf Jahren seit dem Finanzcrash verabsäumt, die Finanzmärkte zu regulieren und ein Bankeninsolvenzrecht zu verabschieden. So müssen bei Verlusten weiterhin die Steuerzahler einspringen, während die Bank-Eigentümer ungeschoren davonkommen. Die Regierungen müssen endlich aufhören, dem Finanzsektor diese Erpressungsmöglichkeit einzuräumen", kritisiert Mittendrein.

Verschärfend kommt hinzu, dass erneute Milliardenhilfen an die griechischen Banken fließen, obwohl einige von ihnen die offiziellen Bedingungen dafür nur noch mit dubiosen Mitteln erfüllen. Ein Reuters-Bericht deckte 2012 auf, mit welchen skandalösen Praktiken griechische Banken einander unbesicherte Kredite über ein Pyramidenspiel mit Offshore-Firmen zuschanzten, um so den Anschein zu erwecken, noch Zugang zu privatem Kapital zu haben und damit die Voraussetzungen für eine staatliche Rekapitalisierung zu erfüllen. "Während die europäische und griechische Politik der breiten Bevölkerung Blut, Schweiß und Tränen abverlangt, verschließt sie ihre Augen gegenüber den geheimen Deals der Finanzoligarchen, die die wahren Profiteure der Rettungsgelder sind", bestätigt Marica Frangakis, Ökonomin am Athener Nicos-Poulantzas-Institut und Gründungsmitglied von Attac Hellas.

In der europäischen Krisenpolitik ist ein radikaler Kurswechsel überfällig. "Unsere Regierungen retten Europas Banken und Reiche mit immer neuen Milliarden an öffentlichen Mitteln und behaupten gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern, dass diese an die griechische Bevölkerung fließen würden. Mit dieser Scheinheiligkeit muss Schluss sein", fordern Mittendrein und Frangakis. Zu große und damit "systemrelevante" Banken müssen zerteilt und die Profitlogik durch Gemeinwohlorientierung ersetzt werden. Gläubiger und Vermögende müssen an den Kosten der Krise gerecht beteiligt und der Finanzsektor streng reguliert werden. "Griechenland selbst braucht nach drei Jahren, in denen es von der aufgezwungenen Krisenpolitik zugrunde gerichtet wurde, dringend echte Rettungspakete, die auch bei der Bevölkerung ankommen", fasst Mittendrein zusammen.

http://www.attac.at/news/detailansicht/datum/2013/06/17/griechenland-rettung-77-prozent-flossen-in-finanzsektor.html

 

Ablauf und Folgen der Sparpakete

 

„Als Reaktion auf die in WuG erschienenen Beiträge zu Griechenland hat Prof. Claus Köhler, Ökonom und ehemaliges Mitglied im Sachverständigenrat zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der Redaktion die folgenden Informationen mit der Anmerkung zukommen lassen: “Lieber Herr Hild, wer mich zu Griechenland ansprach, dem habe ich die beigefügten Seiten gegeben. Herzliche Grüße, Claus Köhler.” Zusammenstellung und Analyse zeigen eindrucksvoll auf, warum die wirtschaftliche Aktivität in Griechenland einbrechen und derartige soziale Verwerfungen nach sich ziehen musste, wie wir sie seitdem beobachten.

Erstes Sparpaket (April 2010)

Bilaterale Kreditbürgschaften von 110 Mrd. €. Haushalt muss innerhalb von drei Jahren konsolidiert werden (Defizit unter 3 %).

Mehrwertsteuer von 19 % auf 21 % erhöht. Kürzung der Beamtengehälter. Weihnachts- und Urlaubsgeld wird um 20 % und alle Zulagen um 30 % gekürzt.

Zweites Sparpaket (Mai 2010)

Rückwirkende Senkung der Zinsen um 100 Euribor-Basispunkte aus dem ersten Paket. Kreditfälligkeit beider Pakete auf 15 Jahre erhöht. Freiwilliger Schuldenerlass über 100 Mrd. €.

Einfrieren der Beamtengehälter über 2.000 €. Reduzierung der Beamtenebenen und Stadtverwaltungen. Streichung des 13. und 14. Monatsgehalts im öffentlichen Dienst und für Rentner. Nur jede fünfte Stelle im öffentlichen Dienst soll neu besetzt werden. Erhöhung des Rentenalters von 61,3 auf 63,4 Jahre. Anhebung der Mehrwertsteuer von 21 % auf 23 %.

Drittes Sparpaket (Juni 2011)

Vermögenssteuer und Mehrwertsteuer für verschiedene Bereiche werden erhöht. Neu: „Solidaritätssteuer“. Steuerbefreiungen fallen weg. Wegfall von 150.000 Beschäftigten im öffentlichen Dient bis 2015. Verbleibende Beamte müssen länger arbeiten. Sozialleistungen werden überprüft und teilweise gekürzt. Verteidigungsausgaben um 200 Mio € (2012) und um jährlich 333 Mio € (2013 – 2015) gekürzt. Absenkung der staatlich festgesetzten Preise für Medikamente. 700 Mio € weniger für Investitionen (2011), 350 Mio € auf Dauer. Staatsbetriebe sollen privatisiert werden.

Viertes Sparpaket (Februar 2012)

Senkung des Mindestlohns auf 586 €, bei Jugendlichen auf 525 €. Kürzung von bestimmten Gehältern im öffentlichen Dienst um 20 %. Kürzung des Arbeitslosengeldes auf 322 € und der Renten um 10 bis 15 %. Erhöhung der Selbstbeteiligung bei Medikamenten und Kürzung von Medikamentenkosten staatlicher Kliniken. Einsparungen bei Überstunden von Ärzten. Kürzung der Zuschüsse an Städte und Gemeinden. Sofortige Entlassung von 15.000 und bis 2015 von 150.000 Staatsangestellten. Privatisierung von Staatsbetrieben. Einstellung 1.000 neuer Steuerkontrolleure. Kürzung der Militärausgaben um 600 Mio € bis 2015.

Fünftes Sparpaket (November 2012)

Renten ab 1.000 € um 5 bis 15 % gesenkt. Weihnachtsgeld für Rentner abgeschafft. Rentenalter von 65 Jahre auf 67 Jahre angehoben. Bei Staatsbediensteten Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld, Kürzung der Einkommen um 6 bis 20 % und 2.000 sollen frühpensioniert werden. Höhere Eigenbeiträge beim Kauf von Medikamenten. Krankenhausreform. Kein Anspruch auf Kindergeld bei Familieneinkommen von über 18.000 €.

Sechstes Sparpaket (April 2013)

Reform der öffentlichen Verwaltung. Es sollen Staatsbedienstete entlassen werden: bis Ende 2013 4.000, bis Ende 2014 15.000. Es soll eine neue Grundbesitzsteuer eingeführt werden.

Die Auswirkungen dieser Maßnahmen

1. Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum

Das reale Bruttoinlandsprodukt ging in den Jahren von 2008 bis 2013 zurück Im Jahre 2014 wuchs es gerade einmal um 0,8 %. Die Maßnahmen wurden also von einer Abnahme des Lebensstandards begleitet.

2. Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosigkeit insgesamt in Griechenland stieg von 10 % auf fast 30 %. Die Jugendarbeitslosigkeit, die auch in Griechenland, wie in anderen Ländern, über dem Durchschnitt liegt, stieg von 20 % auf knapp 60 %.

Der enge Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Wahlergebnissen bestätigte sich auch hier. Angesichts der überaus hohen Arbeitslosigkeit gewann die Wahl im Januar 2015 eine radikale Partei, die SYRIZA, die Koalition der Radikalen Linken. Sie löste die sozialdemokratische PASOK ab.

3. Auswirkungen auf die Preise

Wenn das reale Bruttoinlandsprodukt von Jahr zu Jahr abnimmt und damit die Arbeitslosigkeit von Jahr zu Jahr steigt, dann ergibt sich ein starker Druck auf die Preise. Die Preissteigerungsraten gehen zurück, es kommt zu Preissenkungen und damit zu einer Deflation.

Die Maßnahmen, die man für die griechische Wirtschaft ergriffen hat, waren einseitig darauf gerichtet, dass der öffentliche Haushalt sein Defizit auf 3 % und seine Schuldenlast auf 60 % verringert. Stattdessen hätte man die öffentlichen Investitionen ausweiten müssen. Die Aufforderung an die griechische Regierung im dritten Sparpaket die Investitionen aktuell und auf Dauer zu kürzen, ist ein Kardinalfehler.“

http://www.wirtschaftundgesellschaft.de/2015/06/griechenland-claus-kohler-wer-mich-zu-griechenland-ansprach-dem-habe-ich-die-beigefugten-seiten-gegeben/

 

Das Treiben der Troika: Harald Schumann

 

Der Journalist Harald Schumann hat einen sehr sehenswerten Film über die Troika gedreht …

 

 

…und über desen Film ein ebenso sehenswertes Interview mit Tilo Bode („jung + naiv“) geführt:

 

 

Dankenswerterweise gibt es dieses Interview auch in Schriftform, aus welchem folgende Passagen stammen:

https://krautreporter.de/463--ich-kampfe-gegen-dieses-troika-regime-und-gegen-diese-ungeheuerliche-nationale-Arroganz

Die Anfänge

„Wie ist diese Troika überhaupt entstanden? Es muss ja irgendeiner mal irgendwann gesagt haben: Komm, wir lassen das mal die EZB, die EU-Kommission und den IWF zusammen machen!

Das ist im Frühjahr 2010 dadurch entstanden, dass die Europäer zusammensaßen und merkten, wir müssen Griechenland Kredit geben, wenn wir das System stabil halten wollen und unsere Banken retten, aber keinerlei Expertise auf europäischer Ebene gehabt, wie man solche Krisen in Staaten managt. Der Vorschlag, soweit ich mich erinnere, kam aus der Bundesregierung: Lass uns doch den IWF mit ins Boot holen, dann haben wir die richtigen Berater dabei. Für uns selber, in unserem eigenen Auftrag, nehmen wir natürlich unsere EU-Kommission, die dabei auch lernt, wie man so etwas macht. Und die EZB nehmen wir als Berater mit ins Boot, weil die verstehen etwas von Banken, und die Banken sind ein ganz wesentlicher Teil dieser Krise. So kam das zustande. Dann wurde beim ersten Vertrag mit Griechenland mit dem schönen Titel „Memorandum of Understanding“, also Einverständniserklärung, festgelegt, dass die Vertreter dieser drei Institutionen als Kontrolleure eingesetzt werden und dort alle drei Monate antanzen und ihre Berichte schreiben.

War denn allen klar, welche Macht die Troika eigentlich haben wird?

Nein, das war zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht klar, weil niemand ahnen konnte, dass sich das solange hinziehen würde …

Wo wurde die Troika denn alles eingesetzt?

Formal wurde sie nur eingesetzt in Irland, Portugal, Zypern und Griechenland. Formal ist sie aus Irland und Portugal bereits wieder abgezogen. Ich sage deswegen formal, weil zwar diese Kreditprogramme ausgelaufen sind, aber die Kredite laufen noch. Diese Kredite müssen weiterhin bedient und zurückgezahlt werden. Auch die zugehörigen Auflagen laufen noch. Das heißt, es reisen weiterhin IWF-Leute und Kommissionsleute nach Lissabon und Dublin, um Berichte zu schreiben und Kontrollen zu machen. Sie können nur die Regierungen nicht mehr zu bestimmten Dingen zwingen, wenn sie sagen: Wir zahlen euch die nächste Tranche nicht aus. Das stimmt.“

Undemokratisch

„Man muss sich das so vorstellen: Da reisen Delegationen von Beamten aus drei verschiedenen Institutionen im Auftrag der Euro-Gruppe in diese Länder und überwachen dort die Regierungen und den Staatsapparat und sagen: Ihr müsst dieses und jenes tun, ihr müsst diese und jene Auflage erfüllen. Sie schreiben alle drei Monate Berichte darüber, mit langen Listen von noch zu erledigenden Aufgaben.

Das Besondere an dieser Arbeitsweise ist, dass dort nicht-gewählte Beamte gewählten Regierungen sagen, was sie zu tun und was sie zu lassen haben. Da wird ein grundlegendes Problem von demokratischer Berechtigung aufgeworfen: Ob die das überhaupt können und dürfen. Das Besondere an diesem Regime ist, man muss es wirklich eine Form von Regime nennen, dass diese Beamten niemanden rechenschaftspflichtig sind – außer den Finanzministern der Euro-Gruppe. Es gibt kein Parlament, das sie herbeizitieren und hinterher beschließen kann: Ihr dürft das und das tun und das dürft ihr nicht tun. Wir haben eine Gruppe von Beamten, die viel Macht ausüben, sich aber gegenüber keinem Parlament rechtfertigen und auch von dort keine Anweisungen entgegennehmen müssen. Übrigens werden sie auch von keinem Rechnungshof dahingehend kontrolliert, ob ihre Politik überhaupt sinnvoll ist und wirtschaftlichen Nutzen bringt oder Schaden …

Wenn jede Detailentscheidung tatsächlich von den anderen Euro-Finanzministern, die Kredit geben und die wiederum ihren Steuerzahlern verantwortlich sind, wenn jede Entscheidung von den anderen Finanzministern getroffen worden wäre und die Beamten vor Ort quasi nur eine bürokratische Überwachung durchführen, dann wäre da nichts gegen zu sagen.

So war es aber nicht?

So war es aber nicht. Sondern ganz häufig war es so, dass die Euro-Finanzminister ganz grob einen Rahmen beschlossen haben, der noch dazu häufig von diesen Beamten dieser drei Institutionen selber vorgeschlagen und festgelegt und ausgehandelt worden ist mit den Regierungen dieser vier Krisenstaaten. Sodass es eigentlich die Beamten waren, die diese Politik gemacht haben und dann auch durchgeführt haben. Und dies auch durchgesetzt haben gegenüber den Regierungen ...

In Portugal gab es acht Urteile des Verfassungsgerichts gegen die Durchführung der Troika-Auflagen. Das interessierte aber nicht diese Beamten und ihre Auflagen bei der Euro-Finanzministergruppe. Ich habe sogar einen internen Bericht des Vertreters der EU-Kommission in Lissabon, in dem er sich darüber mokiert, dass die höchsten Richter des Landes doch im Grunde Politaktivisten in eigener Sache wären, weil sie auch zum öffentlichen Dienst gehören.

Das muss man sich mal vorstellen: Wenn die EU-Kommission sich trauen würde, die Karlsruher Verfassungsrichter als Politikaktivisten zu diffamieren oder zu beleidigen, würde die Bundesregierung in Brüssel auflaufen und dafür sorgen, dass diese Kommission gestürzt wird. Wenn die gleichen Leute das aber in abhängigen Krisenländern machen, dann geht das völlig ungesehen durch …

Ja. Das finde ich so bizarr an dieser ganzen Lage und was ich allerdings auch für extrem gefährlich halte, wenn ich das mal sagen darf. Das Schlimme, was jetzt im Moment gerade passiert, ist doch, dass europaweit demonstriert wird, entweder wir kriechen bei den Deutschen zu Kreuze und machen was die wollen, oder aber die setzen Himmel und Erde in Bewegung, um die Länder wirtschaftlich scheitern zu lassen. Das ist die beste Wahlkampfhilfe für Marine Le Pen und die Rechtspopulisten in Frankreich, die sie sich überhaupt vorstellen. Damit können sie hausieren gehen bei der nächsten Wahl. Sie können sagen: Wir müssen uns unabhängig von den Deutschen machen, das heißt: Wir müssen raus aus diesem Europa. Das wäre der Anfang vom Ende der Europäischen Integration. Wenn Marine Le Pen die nächste Wahl in Frankreich gewinnt, verlieren wir die gesamten Fortschritte auf europäischer Ebene der letzten 30 Jahre. Davor fürchte ich mich. Genau deswegen kämpfe ich so gegen dieses Troika-Regime und gegen diese ungeheuerliche nationale Arroganz! …

Die haben einfach eisern weitergemacht, als ob gar nichts passiert wäre! Griechenland ist immer weiter in die Misere gerutscht. Und übrigens Portugal auch. Die Behauptung, Portugal sei jetzt auf dem richtigen Weg, stimmt einfach nicht! Diese Länder bluten aus. Die Besten wandern aus, und dadurch verlieren sie auch an Produktivitätspotenzial …

Angenommen das wäre jetzt alles demokratisch, würde nicht vielleicht genau dasselbe herauskommen...?

Naja, lass uns das ruhig mal durchspielen. Angenommen der Europäische Währungsfonds würde in einem neuen Krisenland vorschlagen, jetzt begrenzen wir mal die Gesundheitsausgaben auf sechs Prozent der Wirtschaftsleistung. Das würden die Abgeordneten des Landes, die im Europäischen Parlament sitzen, mitbekommen. Natürlich. Sie würden den Europäischen Währungsfonds, dessen Vertreter, vor das Parlament zitieren und fragen: Wie begründet ihr das? Dann würden sie das vielleicht technisch, wirtschaftlich oder sonstwie begründen. Dann müssten sich die Abgeordneten entscheiden: Stimmen wir dem zu, werden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit beim nächsten Mal abgewählt, da wir zugestimmt haben. Wir müssten einen politischen Preis für dieses Programm zahlen. Das ist der Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur.“

Gottgleichheit

„Ich habe zum Beispiel in Griechenland – da habe ich mit früheren Ministern gesprochen, die mir erzählt haben, wie das praktisch lief. Die Troika beschloss, dass Griechenland nur dadurch wieder wirtschaftlich auf die Beine kommt, wenn man dafür sorgt, dass es in Griechenland keine Gewerkschaften und keine Tarifverträge und möglichst auch keinen Mindestlohn mehr gibt, oder wenn, dann einen Mindestlohn von 3,41 Euro pro Stunde.

Das erzeugte starken Widerstand. Und zwar nicht nur von den Gewerkschaften, sondern auch von den Arbeitgebern. Weil sie wussten, wenn man den Mindestlohn soweit absenkt, zieht man dem ganzen Lohngefüge die Basis weg, und dann fällt so viel innere Nachfrage der Binnenwirtschaft in Griechenland weg, dass es der Wirtschaft insgesamt schadet. So ist es auch passiert. Deshalb hat sich der damals zuständige Minister auch widersetzt und gesagt: Ich will das nicht, ich halte das für wirtschaftlich schädlich.

Dann haben die drei Vertreter der Troika gesagt: Entweder ihr beschließt das jetzt und setzt das auch praktisch um, oder die nächste Tranche des Kredits wird nicht überwiesen. Was für Griechenland bedeutet hätte, dass es offiziell einen Staatsbankrott hätte ausrufen müssen. Dann hätte die EZB die Banken nicht weiter liquide halten dürfen, Griechenland wäre aus dem Euro ausgeschieden und die wirtschaftliche Katastrophe wäre noch größer gewesen. Mit anderen Worten: Dort wurde hinter verschlossenen Türen mit der Methode der Erpressung Politik gemacht von nicht-gewählten Beamten über gewählte Regierungen.

Was soll eine Kredit-Tranche sein, was hat das mit der Troika zu tun?

Diese Beamten von den drei Institutionen waren dafür zuständig zu entscheiden, wann der nächste Teil eines insgesamt vorhandenen Kreditprogramms überwiesen wird. Also, wenn die Euro-Gruppe beschlossen hat, wir geben mit Hilfe unseres Euro-Rettungsfonds und des Internationalen Währungsfonds der griechischen oder der irischen oder der portugiesischen Regierung, ich sage jetzt mal: 80 Milliarden Euro Kredit, dann wurden die nicht alle auf einmal überwiesen, sondern in vielen kleinen Teilen, alle drei Monate ein paar Milliarden. Diese Überweisung wurde davon abhängig gemacht, dass die Troika-Beamten vorher gesagt haben: Ja, diese Regierung hat brav ihre Auflagen erfüllt. Auflagen, die häufig von genau diesen Beamten auch selber formuliert wurden. Sie hingen dabei auch einem bestimmten wirtschaftspolitischen Modell an, wozu zum Beispiel die Annahme gehört, dass die Menschen nur deswegen arbeitslos sind, weil sie zu hohe Löhne fordern oder weil es einen zu harten Kündigungsschutz gibt. Das wurde alles abgeschafft. Sowohl in Portugal, als auch in Griechenland, als auch in Zypern, als auch in Irland wurde das, was wir in Deutschland als Sozialstaat oder als Sozialpartnerschaft oder Tarifpartnerschaft definieren, weitgehend abgeschafft. Im Auftrag unserer eigenen Regierung. Das ist das, was mich so empört! Man hat diese Troika-Beamten in diesen Ländern eine Politik durchsetzen lassen, die man im eigenen Land niemals machen würde …

Den Iren ist es nach zwei Jahren gelungen, dieser Falle relativ schnell wieder zu entkommen. Also der Falle, die daraus entsteht, dass man in zu kurzer Zeit einen zu großen Anteil des Staatshaushaltes kürzt und dadurch die Wirtschaft mehr schädigt, als man einsparen kann.

Wie haben sie das gemacht?

Irland hatte bereits eine große, funktionierende Exportindustrie und konnte deswegen innerhalb kurzer Zeit mithilfe auch gesunkener Löhne die Exporte drastisch ausweiten, sodass die wegfallende interne Nachfrage durch externe Nachfrage, sprich durch Exporte nach Kanada, Australien, Amerika und den Rest der Welt ausgeglichen werden konnte. Sodass in Irland tatsächlich in den letzten zwei Jahren die Wirtschaft wieder gewachsen ist und auch tatsächlich neue Jobs geschaffen wurden. Allerdings nicht für die, die vorher ihre Jobs verloren hatten. Also auch Irland hat eine riesige Auswanderungswelle. Die größte seit dem 19. Jahrhundert.

Waren die Iren nicht berühmt für ihre Steuer-Schlupflöcher? Die haben sie wahrscheinlich gestopft...?

Eben nicht. In Irland ist genau das Gleiche passiert wie in allen Krisenländern: Die durchgesetzten Maßnahmen haben ausschließlich die Mittelschicht und die Armen und die Kranken und die Rentner getroffen. Die Privilegierten und die Reichen blieben unangetastet. Und in Irland wurde über die Möglichkeit nicht gesprochen, dass man diese gigantischen, in Irland gebuchten, steuerfreien Gewinne der internationalen Konzerne, dass man sich da ein kleines bisschen was holt, zum Beispiel zum niedrigen irischen Steuersatz von 12,5 Prozent - das hätte man machen können. Darüber ist nicht einmal gesprochen worden! Es war bei den Verhandlungen kein Thema.

Aber wie kann das denn kein Thema sein?

Ein Ökonom in Irland, mit dem ich gesprochen habe, hat ermittelt, dass allein die amerikanischen Konzerne, die in Irland Filialen haben, pro Jahr dort 40 Milliarden Euro aus ihren europäischen Geschäften steuerfrei einnehmen. Wenn man nur auf die 40 Milliarden die 12,5 Prozent Steuern, die in Irland eigentlich fällig werden auf Kapitalgewinne, kassiert hätte, hätte man sich einen ganz großen Teil der Einsparmaßnahmen, die die Regierung machen musste, sparen können. Auch in Irland ging es teilweise brutal zu. Die haben zum Beispiel sämtliche Sozialhilfen für Behinderte einfach mal gestrichen.

Wirklich?

Ja, so war das. In Irland ging es auch schon hart zu.

Die haben die Behinderten bestraft anstatt ein paar ausländische Unternehmen zu besteuern?

In all diesen Ländern werden in erster Linie diejenigen bestraft, die sich nicht wehren können.

Die Reichen, Privilegierten wurden nicht rangenommen: Die haben sich also am besten gewehrt?

Ja, und waren natürlich auch in den Regierungen besser verdrahtet, und die Regierungen haben sich schützend vor ihre eigenen Privilegierten gestellt, und die Troikaner haben eben gesagt: Naja, dann müsst ihr das Geld von woanders herholen. Unterm Strich kam immer heraus: Man holt es sich bei denen, die sich am schlechtesten wehren können.

Besonders krass war das natürlich in Griechenland, das ist bekannt. Darüber wird seit eh und je berichtet, dass dort die Reichen und Privilegierten fast keine Steuern zahlen oder gar keine. Die Reeder sind sogar per Verfassungsrecht von der Besteuerung ausgenommen. Das ist bei uns auch so: Die Reedereien zahlen bei uns keine richtigen Steuern. Aber immerhin die privaten Einnahmen und die Privatvermögen der hiesigen Reeder unterliegen dem normalen Steuerrecht. In Griechenland sind sogar die Privateinnahmen und die Privatvermögen der Reedereien steuerfrei …

Der springende Punkt ist: An diesen Steuerprivilegien für die Reichen wurde nicht wirklich gearbeitet, weil die Regierung, die da gewählt worden ist, oder beide Regierungen, es waren ja erst welche von den angeblichen Sozialdemokraten, dann waren es die Konservativen, dann waren es beide zusammen - die waren so eng mit diesen sogenannten Oligarchen, mit diesen reichen Cliquen verbandelt, dass die da nichts machen wollten. Das hat die Troika durchgehen lassen.

Als es Widerstand gegen die Senkung des Mindestlohns gab, gab es richtige Erpressungssituationen im Kabinett. Dafür habe ich Zeugenaussagen, das ist belegt, als es Widerstand gab gegen die Besteuerung der Reichen... In dem Programm der Troika stand: Die Steuerverwaltung muss effektiv gemacht werden, und es muss vor allem bei den höheren Einkommen und bei den Vermögen zugegriffen werden. Das war formal auch Troika-Programm, wurde aber nicht durchgeführt. In diesem Zusammenhang gab es aber nicht solche Erpressungssituationen, sondern das hat man geduldet. Ich habe den – wenn man so will – den Generalsekretär der Euro-Gruppe, der die Arbeit der Euro-Finanzminister koordiniert, gefragt: Mit eiserner Hand haben Sie durchgesetzt, dass der Mindestlohn gesenkt wird. Warum wurde nicht mit der gleichen eisernen Hand durchgesetzt, dass entsprechende Steuern bei den Reichen erhoben werden? Er sagte: Ja, das sind die gewachsenen politischen Präferenzen des griechischen Steuersystems. Jedes Land hat das System, was dort so entstanden ist. So wie in Dänemark und Deutschland. Das war seine Antwort.

Öffentlicher Dienst

Bei der Reform des öffentlichen Apparates mit viel zu vielen Angestellten gibt es zwei Möglichkeiten, wie man vorgehen kann: Man kann eine richtige Verwaltungsreform machen und eine Organisation schaffen, die die einzelnen Leute überprüft, deren Aufgaben definiert und feststellt, wer ist für seine Aufgabe geeignet und wer nicht, wer war korrupt, wer nicht, wer ist leistungsfähig, wer nicht. Man bereitet die Kündigung vor, wenn das Urteil negativ ausfällt, und zieht das begründeterweise durch nach Recht und Gesetz. Der Vorteil davon ist, dass die, die wirklich etwas können und auch etwas leisten, motiviert sind, auch weiterzuarbeiten und zu bleiben. So wollte es einer der zuständigen Minister, mit denen ich gesprochen habe.

Die Troika wollte Massenentlassungen, um zu demonstrieren, dass noch mehr Stellen abgebaut werden, nachdem bereits 30 Prozent aller Stellen weggefallen waren. Nachdem bereits von einer Million Angestellten des griechischen Staates 300.000 durch Nichtverlängerung von Verträgen und Frühverrentung und so weiter heraus gedrängt worden waren, wollten sie Massenentlassungen. Und das haben sie durchgesetzt. Woraufhin der Minister, der eine ordentliche Verwaltungsreform machen wollte, zurückgetreten ist.

Man konnte dies bei uns an der Berichterstattung an kleinen Dingen ablesen: Zum Beispiel, dass von einem Tag auf den anderen der gesamte öffentliche Rundfunk geschlossen werden sollte und über 2.000 Leute entlassen wurden – unabhängig davon, ob das jetzt gute oder schlechte Journalisten waren, ob das jetzt einfach nur Parteigänger der Regierung waren oder eine gute Berichterstattung. Die haben einfach geschlossen, fertig. Oder nimm ein anderes Beispiel: In allen Steuerbehörden Griechenlands gab es natürlich auch Putzkräfte, die die Büros sauber gemacht haben. Die wurden alle gemeinsam entlassen. 595 Frauen, die dort zum Mindestlohn gearbeitet hatten, teilweise über Jahrzehnte.

Ich wollte gerade fragen: Haben die so viel Geld verdient?

Nein. Und das Irre ist: Der einzige Erfolg dieser Politik war, dass natürlich weiterhin geputzt werden musste in den Büros. Wer wurde dafür beschäftigt? Private Leiharbeitsunternehmen, die unterm Strich genauso teuer waren wie die vorher angestellten Putzfrauen! Nur dass die Profite für die Unternehmen größer ausfielen, dafür aber die beschäftigten Putzkräfte noch weniger verdienen.

Gesundheitswesen

Das mit dem Arbeitsmarkt ist nur ein Element. Ein anderes wichtiges Element: Sie haben in Griechenland durchgesetzt, dass die Ausgaben für das Gesundheitswesen insgesamt sechs Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes nicht überschreiten dürfen. Weißt du wie hoch das in Deutschland ist?

Keine Ahnung.

Zehn Prozent. Warum beschließen sie denn, dass es in Griechenland nur sechs Prozent sein dürfen? Mit welchem Recht?

Vielleicht sind sie dort eh weniger krank.

Nein, das ist eher unwahrscheinlich, weil, durch höhere Belastungen und mehr Stress und mehr Armut gibt es eigentlich mehr Krankheit als weniger Krankheit. Und man muss ja bedenken: Gleichzeitig ist die Wirtschaftsleistung in Griechenland dramatisch eingebrochen, sodass die Folge war, dass insgesamt die Ausgaben im Gesundheitswesen innerhalb von vier Jahren um dreißig Prozent gekürzt wurden. Ein Drittel der gesamten Gesundheitsausgaben fiel einfach weg! Das Ergebnis war: 40 Prozent der Krankenhäuser wurden geschlossen. Die Hälfte aller Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst wurden entlassen, und ein Viertel der gesamten Bevölkerung hat heute keinen Zugang mehr zur medizinischen Versorgung! In Griechenland sterben die Menschen. Die Kindersterblichkeit ist um über 30 Prozent gewachsen, die Selbstmorde haben um 45 Prozent zugenommen. Seuchen wie Tuberkulose und HIV breiten sich aus. Es ist eine große medizinische Katastrophe im Gang. Und das alles auf Geheiß der Euro-Gruppe, aber durchgesetzt von diesen Troika-Beamten, die wiederum niemanden Rechenschaft schuldig sind.

Als wir letztes Jahr in Griechenland waren, haben ein paar Griechen gesagt: Das Krankensystem war vorher schon nicht das Beste. Da war schon einiges faul.

Natürlich, das Gesundheitssystem war ineffizient. Es gab korrupte Ärzte, die zusätzlich Geld von den Leuten kassiert haben. Ist alles richtig. Das musste auch dringend reformiert werden. Aber was tatsächlich passiert ist: Das Gesundheitssystem ist einfach zerstört worden. Das war keine Reform, das war einfach nur eine Auflösung.

Die nennen es Reform, aber haben es eigentlich kaputt gemacht?

Ja. Das ist die wesentliche Folge.“

 

Troika: weitere Quellen

 

Privatisierungen

Privatisierungen bringen nur Peanuts 

„Auf der anderen Seite geschieht aber jetzt mit Griechenland genau das, was im Fall einer geregelten Insolvenz eigentlich ausgeschlossen werden muss. Griechisches Land und Infrastruktur sollen durch Privatisierungen veräußert werden, um wenigstens den Schuldendienst bedienen zu können. Dabei ist die Rede von einstelligen Milliardenbeträgen, die damit zu erzielen wären. Dass das nicht wirklich die Probleme lösen kann, ist sofort ersichtlich. Die gesamte Schuldenlast von 320 Milliarden kann so keinesfalls auch nur annähernd bedient werden. Die von der Troika befohlenen Privatisierungen sind folglich nichts anderes, als ein Ausverkauf der griechischen Nationalökonomie an privates Kapital, zu Schnäppchenpreisen und mit virtuellem Geld, ohne Bezug zur realen Welt. Man könnte sagen: Ein piratischer Gewaltakt, erzwungen mit der Finanzwaffe.“

http://www.anderweltonline.com/wirtschaft/wirtschaft-2015/bringt-uns-griechenland-die-katharsis/

„Grundfalsch waren auch die Annahmen der Troika, was das griechische Tafelsilber am Markt bringen würde. Wie aus den Antworten weiter hervorgeht, sollte die Privatisierung der griechischen Staatskasse in den vergangenen Jahren 22 Milliarden Euro bringen. Noch für dieses laufende Jahr weist die EU optimistische 2,2 Milliarden aus. Dabei brachte der Verkauf von staatlichen Besitztümern insgesamt bisher nur schlappe 2,6 Milliarden Euro ein.

Dass nicht mehr dabei herumgekommen ist, liegt nicht an der Troika, sondern an der Verweigerungshaltung der griechischen Regierungen. Dennoch ist auffällig, dass die EU an ihren optimistischen Prognosen festhält, selbst wenn sie realitätsfern sind. Unter der Links-Rechts-Regierung um Ministerpräsident Alexis Tsipras ist gar nicht abzusehen, dass die Vorgaben irgendwann eingehalten werden.

Für Hunko sind die Privatisierungsauflagen in zweifacher Hinsicht ein Fiasko. Die Besitztümer, die bereits verkauft wurden, seien zum einen verramscht worden. Zum anderen wittere China in Griechenland günstige Einkaufsgelegenheiten und trete als großer Käufer auf. Beides sei nicht im Interesse der EU.“

http://www.n-tv.de/wirtschaft/Die-Horror-Bilanz-der-Griechenland-Hilfen-article14690166.html

„Verweigerungshaltung der griechischen Regierungen“ ist gut: Verkaufen müssen zu einem Bruchteil des eigentlichen Wertes wird keiner gerne tun.

„Die Privatisierungsbehörde hatte den Hafen für 500 Millionen Euro ausgeschrieben - noch dieses Jahr sollte der Kauf abgeschlossen werden. Ein klarer Fall von Ausverkauf staatlichen Tafelsilbers weit unter Wert - fand die neue Regierung und stoppte prompt den Privatisierungsprozess. Sie wolle ein eigenes Investitionsprogramm auf die Beine stellen, so Vize-Regierungschef Giannis Dragasakis gegenüber der griechischen Presse.“

http://www.deutschlandfunk.de/griechenland-privatisierung-des-hafens-von-piraeus-gestoppt.795.de.html?dram:article_id=310424

„Zerstörung im Namen der Troika - Ein neues Gesetz, durch das die gesamte griechische Küste bebaut werden könnte, sorgt für Empörung. Doch die EU sieht es als Mittel gegen die Krise.“

http://www.taz.de/!5036668/

Portugal: „Die Geschwindigkeit und die vermeintliche Sorglosigkeit, mit der die Mitte-Rechts-Regierung auch Unternehmen aus strategischen Bereichen in private – vorwiegend ausländische – Hände gibt, löst im Land zunehmend Zorn und Kritik aus.

Die Ablehnung kommt nicht nur von Gewerkschaften und der linken Opposition. „Das Land wird verramscht!“, titelte jüngst das liberale Nachrichtenmagazin „Visão“. Der einflussreiche „Wirtschaftliche und Soziale Rat“ (CES) von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern äußerte dieser Tage Sorge angesichts einer „Privatisierungspolitik, die die höheren strategischen Interessen des Landes nicht in ausreichender Form beachtet.““

http://www.handelsblatt.com/politik/international/das-land-wird-verramscht-privatisierungsprogramm-erzuernt-portugiesen/11036766.html

Irrtümer

Die Antworten der Bundesregierung zeigen vor allem, dass viele Troika-Annahmen von Beginn an viel zu optimistisch waren. Zudem wurden auch keine Korrekturen vorgenommen, wenn die Prognosen auf der Strecke nicht zutrafen. Das hatte schwerwiegende Folgen sowohl für die Wirtschaftsleistung als auch für den Sozialstaat. Dass Griechenland immer tiefer im Schuldensumpf versackt ist, hat zum Teil zumindest auch mit diesen falschen Annahmen zu tun.

Der erste kapitale Rechenfehler der Gläubiger betrifft das griechische Wirtschaftswachstum: Grundlage der internationalen Hilfen war die Annahme, dass Griechenland - trotz harter Sparvorgaben - schon ab 2012 um 1,1 Prozent wachsen würde. Tatsächlich schrumpfte die Wirtschaftsleistung in dem Jahr aber um 6,6 Prozent. In den Jahren von 2010 bis 2014 brach sie sogar um mehr als ein Fünftel ein. Die Staatsverschuldung kletterte gleichzeitig von rund 300 Milliarden im Jahr 2009 auf 318 Milliarden Euro 2014. Politische Konsequenzen hatte das nicht.

Obwohl die Fieberkurve über die Jahre stieg und Griechenland immer mehr an den Spar- und Reformvorgaben krankte, blieben die Geldgeber hart auf Kurs. Von einem "Sparprogramm" zu sprechen, sei falsch, sagt der Linken-Politiker. Die Gläubiger redeten bewusst von "Austeritätsprogramm", was aus dem Lateinischen übersetzt so viel wie Programm der Härte oder Strenge bedeutet …

Ein weiterer Punkt, bei dem sich die Troika gehörig verrechnet hat, sind die Steuereinnahmen. Sie schrumpften von 2010 bis 2013 um 2,8 Milliarden Euro. Ein Grund hierfür ist, dass die Einkommen der Griechen durch die Sparvorgaben der Troika zwischen 2010 bis 2013 um ein Drittel einbrachen. Die Arbeitslosigkeit erhöhte sich gleichzeitig um knapp 15 Punkte auf 27,5 Prozent. Weil die Menschen weniger konsumieren konnten, versiegten auch die Staatseinnahmen. 

Ein weiterer Grund für rückläufige Steuereinnahmen war die Senkung der Unternehmenssteuer von 40 auf 33,4 Prozent. Dass es in der Kasse plötzlich nicht mehr klingelte, lag also nicht allein an der mangelnden Zahlungsmoral der Griechen, wie ein gängiges Vorurteil lautet, sondern auch an den Vorgaben der Troika.

Interessant ist die Zweigleisigkeit, mit der die Geldgeber bei der Steuerregelung vorgegangen ist. Die Gläubiger seien "auf einem Auge blind" gewesen, sagt Hunko. Sie hätten zwar in die Besteuerung der einfachen Bevölkerung eingegriffen. Die Besteuerung der Reichen, wie die der Reeder zum Beispiel, habe die Troika aber als "innenpolitische Sache" den Griechen überlassen. Rückblickend betrachtet sicherlich ein Fehler.“

http://www.n-tv.de/wirtschaft/Die-Horror-Bilanz-der-Griechenland-Hilfen-article14690166.html

„Entgegen den Zielen der „Rettungspolitik“ stiegen die Schulden Griechenlands jedoch weiter, weil die Austeritätspolitik die Wirtschaft erdrosselte; die Wirtschaftsleistung Griechenlands ist um mehr als ein Viertel zurückgegangen. Ende 2013 betrugen die Staatsschulden 319 Mrd. Euro (2008: 265 Mrd. Euro), was einer Schuldenquote von 175 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht (2008: 109 Prozent).

Die von Griechenland verlangten Kürzungen der Staatsausgaben haben zugleich eine humanitäre Katastrophe verursacht. In aller Deutlichkeit zeigt dies ein im Dezember 2014 veröffentlichter Bericht der Internationalen Föderation von Menschenrechtsorganisationen (FIDH) mit dem Titel „Downgrading rights: the cost of austerity in Greece“ (www.fidh.org/International-Federation-for-Human-Rights/europe/greece/16675-greece-report-unveils-human-rights-violations-stemming-from-austerity ). Darin macht der Dachverband von 178 Menschenrechtsorganisationen gravierende Menschenrechtsverletzungen in Griechenland und deren Verschärfung im Zuge der Krisenpolitik der zurückliegenden Jahre aus. Die „entsetzlichen Auswirkungen“ der Krise auf Demokratie und Menschenrechte „können nicht mehr geleugnet werden“, schreiben die Autorinnen und Autoren. „Wir werden Zeugen eines Übergangs in einen Zustand, bei dem elementare Grundrechte und der Rechtsstaat herausgefordert und abgebaut werden.““

welt.de/politik/ausland/article135808460/Das-Leiden-der-Griechen-verwandelt-sich-in-Wut.html

Interne Kritik

„Auch auf rechtlicher Ebene gibt es kritische Einschätzungen zur Krisenpolitik der vergangenen Jahre. So kam im März 2014 der Abteilungsleiter am Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) der Universität Bremen, Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano, in einem vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), der Arbeiterkammer (AK), dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) und dem Europäischen Gewerkschaftsinstitut (EGI) in Auftrag gegebenen Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Europäische Kommission und die EZB als Teil der EU-Troika, aber auch die Mitgliedstaaten mit ihrer Zustimmung zu den MoU im Gouverneursrat des ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) direkt gegen das EU-Recht und die Menschenrechte verstoßen.“

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/041/1804169

 

Neoliberalismus

 

„Wenn Antonis Manitakis von seiner Zeit als Minister in Athen erzählt, kann er seinen Zorn nur schwer verbergen. Er sei „erpresst“ worden, von Leuten, die „Angst und Schrecken verbreiten“, sagt er dann, und spricht von „Demütigung“ und „Unterwerfung“. Aber er meint keine Kriminellen. Seine Gegner waren Beamte des Internationalen Währungsfonds (IWF), der EZB und der EU-Kommission, jenen Institutionen also, die als Troika seit 2010 europäische Geschichte schreiben …

Mit ihrem Einsatz als Kontrolleure ganzer Staaten erhielt eine kleine Gruppe von Technokraten eine Macht jenseits aller demokratischen Kontrolle. Und so exekutierten sie in den Krisenländern ihre Art von Wirtschaftspolitik selbst dann, wenn sie mehr Schaden als Nutzen brachte. Nicht zuletzt darum kämpft die neue Regierung in Griechenland so erbittert für das Ende dieses Regimes …

Das Gleiche wiederholte sich in Irland, Portugal, Zypern und Spanien, wenn auch in geringerem Umfang. In allen Fällen dienten die vergebenen Notkredite dazu, private Gläubiger auf Kosten der Steuerzahler von ihren Fehlinvestitionen freizukaufen. Und mit den zugehörigen Programmen sollten die Staaten dann „das Vertrauen der Finanzmärkte“ zurückgewinnen. Dazu mussten sie Haushaltsdefizite in Überschüsse verwandeln, um wieder als zuverlässige Schuldner zu gelten. Doch das Konzept blendet aus, dass auch die privaten Haushalte und Unternehmen sparen mussten. „Wenn aber alle gleichzeitig weniger ausgeben, fallen die Einkommen und die Wirtschaft schrumpft“, erklärt der Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman (siehe Interview). So trat das Gegenteil der proklamierten Ziele ein: Die Rezession dauerte an, die Steuereinnahmen fielen, und die Schuldenquoten wuchsen, anstatt zu sinken (siehe Grafik). Einzig Irland entkam nach zwei Jahren dieser Falle, weil es eine starke Exportindustrie hat. Elektronik- und Pharmakonzerne nutzten den Fall der Löhne und steigerten die Produktion für ihre Kunden in Übersee. So kompensierten sie den Ausfall der Binnennachfrage, der mit dem Sparprogramm einherging.

Den zweiten Kardinalfehler der Troika-Programme bekamen jedoch auch die Iren hart zu spüren.

Allein die Mittelschicht, die Staatsangestellten, die Rentner, Kranken und Arbeitslosen mussten die Last der Anpassung tragen. Die wirtschaftlichen Eliten hingegen blieben überall verschont. Schlimmer noch: Die Troika zwang die Regierungen, wertvolle Staatsunternehmen zu Schleuderpreisen zu verkaufen, und verhalf so den Privilegierten, sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern, wie eine Tagesspiegel-Recherche belegte.

In Irland verloren die Angestellten des Staates im Schnitt 14 Prozent ihres Gehaltes, der Mindestlohn wurde um zwölf Prozent gesenkt, die Renten gekürzt, die Hilfen für Behinderte gestrichen und trotz einer Arbeitslosenrate von 15 Prozent das Arbeitslosengeld um 750 Millionen Euro jährlich gesenkt. Über die extremen Einnahmeverluste, die der irischen Staatskasse durch die Steuerdeals mit ausländischen Konzernen entstehen, haben die Troika-Beamten dagegen nicht einmal verhandelt. Dabei kassieren allein US-Konzerne in Irland rund 40 Milliarden Euro jährlich steuerfrei, ermittelte der Ökonom Jim Stewart von der Uni Dublin. Wäre darauf zumindest Irlands geringe Gewinnsteuer von 12,5 Prozent erhoben worden, „wäre uns viel Not und Armut erspart geblieben“, meint Stewart.

Portugals Regierung zog unter Ägide der Troika ein noch härteres Programm durch. Binnen zwei Jahren kürzte sie die Gehälter im öffentlichen Dienst sowie die Renten um bis zu 24 Prozent und zerschlug das System der Tarifverträge in der privaten Wirtschaft. Bis 2008 galt für die Hälfte aller portugiesischen Arbeitnehmer ein von Gewerkschaften ausgehandelter Vertrag. Heute arbeiten nicht mal mehr sechs Prozent nach Tarif. Das drückte die Löhne radikal, vor allem für junge Leute. In der Altersgruppe bis 25 fiel das Entgelt um ein Viertel, selbst Akademiker erhalten oft nur noch den Mindestlohn von 565 Euro im Monat. Nur Jobs schaffte das nicht. Darum verlassen jede Woche rund 2000 Portugiesen ihre Heimat, ein Zehntel der Arbeitsbevölkerung ist schon im Exil.

Doch in keinem ihrer zwölf Prüfberichte über Portugals „Fortschritte“ haben die Aufseher aus Brüssel und Washington auch nur erwogen, den Staatshaushalt auch durch eine Sondersteuer auf große Vermögen zu sanieren, die in Portugal in den Händen von ein paar Dutzend Familien konzentriert sind. So habe die Troika ein „rein ideologisches Programm“ befördert, das „die soziale Struktur radikal geändert hat“, bilanziert der Ökonom Francisco Louçã von der Universität Lissabon. Mit der Massenauswanderung drohe seinem Land nun eine „demografische Tragödie“ …

Ganz anders dagegen gingen die heimlichen Lenker des griechischen Staates mit dem chronischen Steuerbetrug der Reichen um. Zwar war die effektive Steuererhebung ein erklärtes Ziel des Troika-Programms. Aber der Filz zwischen den alten Parteien und der Oligarchenkaste verhinderte das, und die Troika fand sich damit ab. Exemplarisch war der Umgang mit der Liste der 2600 Schwarzgeldkonten von Griechen bei der Schweizer Filiale der Großbank HSBC, die Christine Lagarde, heute Chefin des IWF, als Frankreichs Finanzministerin schon 2010 ihrem griechischen Kollegen übergeben hatte. Bis Ende 2014 wurde nicht ein einziger der Täter vor Gericht gestellt. Doch an diesem Punkt, so berichtet die Anwältin und heutige Parlamentspräsidentin Zoé Konstantoupoulo, machte die Troika keinen Druck. „Im Gegenteil, der IWF-Vertreter im Finanzministerium hat den Beamten sogar abgeraten, diese Fälle zu untersuchen“, erfuhr sie von Zeugen in einem Untersuchungsausschuss zum Thema."

http://www.tagesspiegel.de/politik/eurokrise-die-troika-macht-ohne-kontrolle/11406286.html

Griechenland schrumpft

„Schlimmer geht’s nimmer: Die griechische Wirtschaft ist seit dem Krisenbeginn im Jahr 2008 noch deutlich stärker geschrumpft als bisher angenommen. Das hellenische Bruttoinlandsprodukt (BIP) brach im Zeitraum 2008 bis Ende 2013 kumuliert um 29 Prozent ein. Bisher war ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um kumuliert 26,2 Prozent berechnet worden.

Wie das griechische Statistikamt Elstat nun bekanntgab, brach die griechische Wirtschaftsleistung von 2008 bis 2013 in laufenden Preisen von 242,096 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf 182,438 Milliarden Euro im Jahr 2013 ein.

Damit wurde im Zuge des betriebenen rigiden Austeritätskurses in Athen in den sechs Jahren Rezession in Folge eine Wirtschaftsleistung von 59,658 Milliarden Euro vernichtet.

Das entspricht dem Ausmaß des Wirtschaftseinbruchs, wie er in der sogenannten „Großen Depression“ in den USA in den Jahren 1929 bis 1932 stattfand. Der Unterschied: Die Rezession in Griechenland dauert schon längst deutlich länger – ein weltweit neuer historischer Negativ-Rekord für ein Land in Friedenszeiten.“

http://www.nwzonline.de/grosse-depression-auf-griechisch_a_19,0,1948804539.html

„Insgesamt wirft das IMK den internationalen Gläubigern eine unsoziale und kurzsichtige Politik vor. "Hunderttausende sind in ihrer Existenzgrundlage bedroht, weil die von der Troika aus EU, EZB und IWF geforderte und von den bisherigen Regierungen sehr kurzsichtig und zum Teil interessengeleitet umgesetzte Sparpolitik kaum soziale Abfederung kannte", kritisierte Horn. "Volkswirtschaftlich hatten diese Opfer keinen Sinn, weil sie das Nachfragepotenzial derart reduziert haben, dass die griechische Wirtschaft noch lange brauchen wird, um wieder auf einen einigermaßen stabilen Entwicklungspfad zu kommen."“

http://www.welt.de/wirtschaft/article138583713/Reformen-fuehren-zu-Armut-in-Griechenland.html

Raubökonomie

Im Kampf um die Zukunft Griechenlands und der Eurozone sind die Masken gefallen. Immer deutlicher zeichnen sich die hässlichen Konturen eines Europas ab, das seine demokratischen Hüllen abstreift. Die „Verhandlungen“ der letzten Wochen und Monate haben unmissverständlich gezeigt, wer im europäischen Haus das Sagen hat, wer die Bedingungen diktiert, wer der Souverän ist. Die Bevölkerungen Europas sind es nicht. Wenn Christine Lagarde, Mario Draghi und Jean-Claude Juncker einem Alexis Tsipras gegenüber stehen, dann ist der Grieche, wie die Journalistin Ulrike Herrmann kürzlich treffend bemerkte, mit drei Figuren konfrontiert, die keine oder nur eine äußerst klägliche demokratische Legitimation besitzen. Kein Bürger hat je eine IWF-Chefin, einen EZB-Präsidenten oder einen Kommissionspräsidenten gewählt. Und doch diktieren sie einer frisch gewählten Regierung die Wirtschaftspolitik, den Staatshaushalt, die Renten- und Gesundheitspolitik, die Innen- und Steuerpolitik, und zwar bis ins Detail. Sie entscheiden – oder glaubten bis vor wenigen Tagen entscheiden zu können –, dass profitable Flughäfen und Häfen privatisiert werden, dass die 50 Prozent der griechischen Rentner, die schon jetzt unterhalb der Armutsgrenze leben, noch weiter gedrückt werden, dass die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel weit über das durchschnittliche europäische Niveau steigen soll, obwohl schon heute immer mehr Kinder in Griechenland nicht ausreichend ernährt werden. Sie tun dies ohne auch nur einen Hauch von Legitimation außer der des Geldes. Wenn Du mir Geld schuldest, bist Du mir vollkommen ausgeliefert, lautet ihr Gesetz. Wer Schuldtitel in seinen Händen hält, hat die Macht über ganze Staaten, Regierungen und Bevölkerungen, ja sogar über Leben und Tod. Es ist eine perverse, abstoßende Ordnung.

Das Schauspiel wird aber noch grotesker und hässlicher, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass das Erpressungsspiel gegen Griechenland in vieler Hinsicht vollkommen irrational ist und nicht einmal den unmittelbaren Gläubigern dient. Nehmen wir die deutsche Regierung. Sie hat mit dafür gesorgt, dass die faulen Griechenlandkredite der Privatbanken seit 2010 Schritt für Schritt in EZB-Schulden, IWF-Schulden und Garantien des deutschen Staates überführt werden – also in öffentliche Schulden. Das war der Sinn der sogenannten „Rettungsschirme“, die nicht Griechenland sondern deutsche, französische und andere Banken retteten. Der deutsche Fiskus haftet inzwischen mit bis zu 84 Milliarden Euro für griechische Anleihen. Nun sollte man meinen, dass es das elementare, egoistische Interesse eines deutschen Finanzministers sei, dieses Geld zu schützen. Doch Wolfgang Schäuble hat in den letzten Jahren alles dafür getan, dass Griechenland durch abstruse Kürzungsprogramme in eine Situation getrieben wird, in der es definitiv seine Schulden nicht mehr bezahlen kann und in den endgültigen Bankrott rutscht. Seit Beginn der Austeritätsprogramme, die die Bundesregierung in der EU mit geradezu religiösem Eifer forciert hat, sind nicht nur Arbeitslosigkeit und Massenarmut in Griechenland explodiert, auch der Schuldenberg ist rasant gewachsen, von 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts auf nunmehr über 180 Prozent.

Dass Austerität in einer Wirtschaftskrise nicht funktioniert und alles nur schlimmer macht, sollte jedem VWL-Studenten im ersten Semester klar sein, zumindest seit ein Reichskanzler Brüning Deutschland nach der Wirtschaftskrise 1929 damit in den Abgrund steuerte. Ist es möglich, dass einem deutschen Finanzminister, einer Bundeskanzlerin, einem Eurogruppenchef, einer IWF-Chefin und einem EZB-Präsidenten samt ihren Kollegen und Beratern diese einfache Wahrheit bisher verborgen geblieben ist? Gewiss: Die Physikerin Merkel und der Jurist Schäuble sind ökonomische Laien, sie können nicht einmal eine Volkswirtschaft von einem privaten Haushalt unterscheiden, wie ihr unsinniges Gerede vom Sich-Gesund-Sparen zeigt. Aber all die anderen? Ist so viel Unwissen möglich? Ist es wirklich nur Dummheit?

Im Falle des IWF ist die Antwort sehr klar: Nein, an Wissen fehlt es nicht. Die Ökonomen des Fonds haben über die letzten Jahre immer wieder Berichte veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass die Programme aus der neoliberalen Mottenkiste – Löhne drücken, Gewerkschaften schwächen, öffentliche Dienste schrumpfen, Steuern für die Reichen senken etc. – ökonomisch kontraproduktiv sind. Der letzte Bericht von diesem Typ erschien am 16. Juni. Doch Christine Lagarde setzt sich über die Expertise im eigenen Haus systematisch hinweg und zwingt die Schuldnerländer mit genau den Rezepten, die ihre eigenen Fachleute für erledigt halten, in die Knie. Warum? Warum handelt der IWF gegen sein eigenes Wissen, die Bundesregierung gegen ihre eigenen finanziellen Interessen, die EZB gegen den Euro? Sind sie alle verrückt geworden?

Die Antwort ist, dass all diese Akteure gar nicht in erster Linie volkswirtschaftliche Ziele verfolgen, dass sie sich nicht für die Stabilität von Währungsräumen interessieren, sondern für etwas ganz anderes. Dieses Andere hat zwei Dimensionen: eine politische und eine ökonomische. Politisch geht es darum, jede Idee davon, dass es so etwas wie echte Demokratie in Europa geben könnte, im Keim zu ersticken. Deswegen muss Syriza zu Fall gebracht werden, selbst wenn der Euro auseinanderbricht und das europäische Einigungsprojekt scheitert, selbst wenn Deutschland auf Milliardenverlusten sitzen bleibt. Die ehemalige Bundespräsidentschaftskandidatin Gesine Schwan hat es klar benannt: Die Bundesregierung wolle die linke Regierung in Griechenland, koste es was es wolle, „gegen die Wand fahren“, um zu verhindern, dass sie in Europa Schule macht. In eine ähnliche Richtung deutet auch der jüngste Report der US-Bank Goldman Sachs zu Griechenland, in dem es heißt, die gegenwärtige Krise sei ein notwendiger Durchgangspunkt für ein „re-alignment“ der griechischen Politik, sprich: für einen Regierungswechsel. (Wir erinnern uns: Goldman Sachs ist die Bank, die Griechenland einst dabei geholfen hat, seine Bilanzen zu fälschen, damit Goldman ungehindert weiter Kredite vergeben konnte.)

Dass die Zerstörung der gefährlichen Idee von Demokratie ein Ziel ist, zeigt allein schon die Tatsache, dass die Troika nicht einmal bereit ist, das laufende Kreditprogramm um eine Woche zu verlängern, bis die Griechen darüber entscheiden können, ob sie das Diktat annehmen oder nicht. Die Verlängerung hätte die Institutionen ein müdes Lächeln gekostet und den Bank Run in dieser Woche verhindert. Die Skrupellosigkeit, mit der die Verantwortlichen der EU die Zukunft Europas aufs Spiel setzen, um ein antidemokratisches Exempel zu statuieren, ist erschreckend. Sie erinnert an einige der dunkelsten Momente der europäischen Geschichte, etwa an den Juli 1914, als die österreichische K&K-Monarchie auf Druck der deutschen Regierung Serbien ein unannehmbares Ultimatum stellte und damit Europa in den Abgrund trieb.

Die zweite Säule des kalkulierten Wahnsinns ist ökonomischer Art. Den bestimmenden Akteuren geht es nicht um ein gesamteuropäisches volkswirtschaftliches Programm sondern um einen Mix von Partikularinteressen, die auch um den Preis eines allgemeinen wirtschaftlichen Ruins durchgesetzt werden. Den gemeinsamen Nenner dieser Interessen bildet das, was der britische Sozialwissenschaftler David Harvey einmal die „Ökonomie der Enteignung“ genannt hat: In der kriselnden Weltwirtschaft wird die Klassenmacht der ökonomischen Eliten – ihr Reichtum, ihre Privilegien, ihre politische Macht – nicht mehr in erster Linie durch den Kreislauf von Investition, Produktion, Verkauf, Profit und Reinvestition aufrecht erhalten, sondern durch Enteignung, durch Plünderung ganzer Volkswirtschaften. Die enormen Spekulationsgewinne in der Eurokrise waren nur möglich, weil die Kosten systematisch erst auf Staatshaushalte und dann auf die ärmsten Bevölkerungsteile abgewälzt wurden. Die Schocks der daraus resultierenden fiskalischen Krisen wiederum wurden effektiv genutzt, um die Filetstücke strauchelnder Volkswirtschaften zu Schnäppchenpreisen aufzukaufen. Das Ergebnis dieser modernen Raubökonomie aus staatlich subventionierter Spekulation, Erpressung und Zwangsprivatisierung ist zwar für eine relativ kleine Zahl von Anlegern sehr profitabel, für das Gesamtsystem aber fatal. Denn je erfolgreicher diese Einzelinteressen durchgesetzt werden, desto instabiler werden die Ökonomie und das politische System: Die Kaufkraft schwindet, wichtige Infrastrukturen zerfallen, Staaten werden in politische Wirren gestürzt, die Krise verstärkt sich, die Akteure werden noch rücksichtloser, um ihre Anteile an der Beute zu sichern, und so weiter.

Die postdemokratischen Souveräne in Brüssel und Berlin werden – wenn die Bürger sie nicht daran hindern – Europa ins wirtschaftliche Chaos und in die politische Spaltung treiben. Die neuen Nationalismen sind überall auf dem Vormarsch. Am Horizont zeichnet sich das düstere Bild eines wirtschaftlich implodierenden Europas ab, in dem alle Beteiligten gegeneinander kämpfen. Es wäre das Vermächtnis der großen Koalitionen in Brüssel und Berlin, von Angela Merkel und Sigmar Gabriel, Jean-Claude Juncker und Martin Schulz – und all den willigen oder fahrlässigen Helfershelfern auf konservativer und sozialdemokratischer Seite.

Noch aber ist es nicht soweit. Die griechische Regierung hat, ob aus Selbsterhaltungstrieb oder ehrlicher Neigung zur Demokratie, ein Referendum ausgerufen. Das „freche Bürschchen“, wie CDU-Fraktionschef Kauder den griechischen Regierungschef Tsipras einmal nannte, hat die Totalunterwerfung verweigert und die Unverschämtheit besessen, die Bürger nach ihrer Meinung zu fragen. Man hatte ihm die Folterwerkzeuge gezeigt, jetzt werden sie angewendet. Wollen wir dabei Zuschauer bleiben? Und warten, bis wir selbst an der Reihe sind?

Die EU braucht einen radikalen Richtungswechsel, sonst hat sie keine Zukunft. Immer offensichtlicher agieren ihre Spitzen gegen die eigenen Bürger, nicht nur in der Eurokrise, sondern auch in den geheimen Verhandlungen zu  Handels- und Investitionsschutzabkommen wie TTIP, die elementare demokratische Standards außer Kraft zu setzen drohen. Zugleich setzt diese EU auf eine militarisierte Flüchtlingsabwehr und nimmt dabei den Tod von tausenden Menschen an ihren Außengrenzen zynisch in Kauf. Es ist höchste Zeit, dass die Bürger gegen diese menscheinfeindlichen Entwicklungen auf die Straße gehen. Und zwar massenhaft.“

http://www.kontext-tv.de/node/481

„Die Auflagen, die die Troika der griechischen Regierung unverschämterweise dafür machte, dass sie sie zwang, die Kosten für die Risiken auf sich zu nehmen, die europäische Banken im Vorfeld der Krise eingegangen sind, waren hart. Sie sahen nicht etwa vor, dass Griechenland schnell zum Wachstum zurückkehrt und die Kredite durch Unternehmenssteuern abbezahlt. Die Troika wollte Austerität: Eine absolute Senkung der Staatsausgaben, insbesondere durch Kürzungen im Sozialbereich, eine Reduktion des Lohnniveaus und Privatisierungen, die zwar kurzfristig die Staatskassen entlasten können, langfristig aber weitere Einnahmeverluste erzeugen.

Die Effekte waren eine Katastrophe, für die ein Vergleichsmaßstab noch gefunden werden muss. In 5 Jahren des Troika-Regimes kam es zu einem katastrophalen Schrumpfen des BIP um 25%, der Löhne um 38%, der Renten um 45%, der Haushaltseinkommen um 30%. 1.000.000 Menschen haben ihre Arbeit verloren, die Kindersterblichkeit ist um 42,8% gewachsen, die Selbstmordrate um 62,3%, und die Armutsrate hat sich um 98,2% nahezu verdoppelt.

Auf der Schlachtbank des Troika-Regimes ist dabei nicht einmal das eigentliche Ziel übrig geblieben: Die Schuldenquote zum BIP hat sich seit 2009 kontinuierlich verschlimmert: von 127% 2009 auf 177,1% 2014. Angesichts dieser radikalen Folgen der Austeritätspolitik zu urteilen, Griechenland hätte, im Gegensatz zu anderen Krisenländern, die Reformempfehlungen eben nicht umgesetzt - derzeit die beliebteste Ausrede von Merkel & Co. -, ist blanker Hohn. Es ist diese Bilanz von 5 Jahren der Troika-Radikalkur, gegen die sich das Syriza-Regime mit dem demokratischen Mandat der Bevölkerung zur Wehr setzt. Und es ist diese Radikalkur, die die Troika heute mit aller Macht auch für die absehbare Zukunft fortsetzen will und gegenüber der sie keinerlei Konzessionen und Kompromisse zulässt.“

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45347/4.html

Sozialdemokraten als die Mitvollstrecker eines Gläubigerparadieses

„Der britische Ökonomieprofessor Mark Blyth, Erfolgsautor von „Wie Europa sich kaputtspart“,  hat von der Friedrich Ebert Stiftung den Hans-Matthöfer-Preis für Wirtschaftspublizistik verliehen bekommen. Er nutzte die Preisverleihung, um den vielen anwesenden Sozialdemokraten ins Gewissen zu reden, weil sie sich in Sachen Europapolitik gebärden wie eine neoliberale Partei zum Schutz von Gläubigerrechten. Hier eine Übersetzung interessanter Passagen (am Ende kommt noch ein bisschen Martin Sonneborn, zur Ergänzung):

„Was wir in den letzten 30 Jahren getan haben, war, ein Gläubigerparadies zu errichten, mit positiven Realzinsen, niedriger Inflation, offenen Märkten, klein-gemachten Gewerkschaften und einem Staat auf dem Rückzug – alles überwacht von nicht-gewählten Technokraten in Zentralbank und anderen ungewählten Institutionen, die nur ein Ziel haben: dieses Gläubigerparadies weiterexistieren zu lassen. Warum würde man, als durchschnittlicher Arbeiter, in so einer Welt jemals eine Lohnerhöhung bekommen? Ist es denn ein Wunder, dass die Ungleichheit überall ein Thema ist? In Europa spielt sich das auf nationaler Ebene ab und auf der internationalen Ebene zwischen Gläubigerstaaten (gut) und Schuldnerstaaten (schlecht), wobei jeweils das Recht des Gläubigers geschützt und das Mantra ‚Schulden müssen beglichen werden‘ respektiert werden muss… Es ist eine tiefe Ironie, dass die europäischen Sozialdemokraten sich zu Recht große Sorgen machen, wegen des Investorenschutzes im geplanten transatlantischen Investitionsvertrag mit den USA, und gleichzeitig ohne mit der Wimper zu zucken die Durchsetzung genau des gleichen Gläubigerschutzes gegenüber ihren europäischen Partnern verlangen – für das  Geld, das sie ihnen ‚geliehen‘ haben, um das eigene Bankensystem vor den Folgen seiner falschen Kreditentscheidungen zu bewahren… Etwas läuft furchtbar schief, wenn die Sozialdemokratie denkt, das sei in Ordnung. Es ist nicht in Ordnung. Denn es stellt sich die Grundsatzfrage: ‚Wofür bist du, wenn du für dieses bist?‘ Die deutschen Sozialdemokraten… stehen heute da, als die Mitvollstrecker eines Gläubigerparadieses. Ist es wirklich das, was Ihr sein wollt? Die jüngere europäische Geschichte hat schon oft aufgrund der Entscheidungen der SPD eine Wendung genommen. Dies ist einer dieser Momente… Es kommt darauf an, dass Ihr Eure Stimme wiederfindet, nicht nur Eure geschichtliche Erinnerung. Eure Stimmenprozente gehen nicht nach unten, weil Ihr die CDU nicht genug nachahmt. Sie gehen nach unten, weil es keinen Grund gibt, Euch zu wählen, wenn Ihr das tut.““

http://norberthaering.de/de/newsblog2/27-german/news/287-blyth#weiterlesen

Syriza muss weg!

„Die neoliberale Ideologie setzte sich im Westen durch und bestimmt auch den Kern dessen, was politische Linie in Europa ist. Dafür gibt es verschiedene Belege: die Agenda 2010, die Um-Definition des Wortes Reform, die Abwertung der Sozialstaatlichkeit, die Kommerzialisierung aller Lebensbereiche einschließlich des Fernsehens und des Hörfunks, die Privatisierung öffentlichen Eigentums, die Privatisierung der Versorgung mit öffentlichen Leistungen usw. …

Auf diesem Hintergrund war es vorhersehbar, dass diese geballte Herrschaft eine Wahl wie jene des griechischen Volkes im Januar als eine Provokation betrachten musste. Die Konsequenz konnte man dann auch richtig einschätzen: Die neue griechische Regierung darf keinen Erfolg haben. Eine links bestimmte Regierung darf in Europa keinen Erfolg haben, um jegliche Lust auf eine ähnliche Entscheidung und Entwicklung in anderen Ländern von vornherein und rund um abzutöten. Deshalb haben wir im Januar auch schon prognostiziert, dass die damalige Troika alias Institutionen und die einzelnen Regierungen die neue Regierung Griechenlands und damit auch das ganze griechische Volk am ausgestreckten Arm verhungern lassen wird.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26635

 

Die Rolle Deutschlands

 

Finanzielle Risiken Deutschlands

„Versucht man, Hausnummern für die maximale Haftungsgrenzen Deutschlands Ende Juni 2015 zu ermitteln, muss man zumindest unterscheiden, ob...

◾ Griechenland zahlungsunfähig wird, aber im Euro bleibt. Dann steht Deutschland mit bis zu rund 61,5 Milliarden Euro in der Haftung - allerdings für Zahlungen, die bis zum Jahr 2054 geplant sind.

Oder ob...

◾ Griechenland zusätzlich aus dem Euro ausscheidet. Bei einem Grexit erhöht sich das Haftungsrisiko Deutschlands auf rund 84,5 Milliarden Euro.

Wie setzen sich diese Summen zusammen?

Wichtig ist: Bei diesen Summen handelt es sich um die maximalen denkbaren Schäden für den deutschen Haushalt. Sie würden dann eintreten, wenn Griechenland in den nächsten vier Jahrzehnten nicht einen Cent seiner Schulden bedienen würde. Das ist ein extrem unwahrscheinliches Szenario. Wesentlich wahrscheinlicher ist, dass Griechenland bestimmte Schulden bedienen wird, andere eher nicht …

Gesamtrisiko für Deutschland - wenn Griechenland im Euro bleibt

Die Grafik zeigt die kumulierten Haftungsrisiken Deutschlands, wie sie sich Ende Juni 2015 darstellen.

Auch wenn die Gesamtsumme von 61,53 Milliarden Euro recht groß ist, relativiert sich die Auswirkung auf den Bundeshaushalt durch den langen Zeitraum: Die Ausfälle würden sich bis zum Jahr 2054 verteilen. In keinem Jahr wäre der Bundeshaushalt mit mehr als drei Milliarden Euro belastet, meistens liegt die Summe zwischen ein und zwei Milliarden Euro. Das sind zwar keine Peanuts, aber für ein Land von der Größe Deutschlands verkraftbar. Zum Vergleich: Berlin erhielt allein im vergangenen Jahr rund 3,5 Milliarden Euro per Länderfinanzausgleich von den anderen Bundesländern. Und nicht vergessen werden darf der Effekt der Inflation: Knapp drei Milliarden Euro Zahlungsausfall 2043 - dem Jahr mit dem höchsten Risiko für Deutschland - fallen voraussichtlich deutlich weniger ins Gewicht als heute.

Gesamtrisiko für Deutschland - bei einem Grexit

Zu den oben aufgeführten Kreditrisiken Deutschlands kämen im Fall eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone noch jene Haftungsrisiken hinzu, die sich aus einem Ausscheiden der griechischen Notenbank aus dem Europäischen Zentralbankensystem ergeben.

Hier geht es vor allem um die Notfallhilfen für griechische Banken, die sogenannte Emergency Liquidity Assistance (ELA). Sie beläuft sich derzeit auf rund 90 Milliarden Euro. Deutschland haftet mit 25,57 Prozent für Verluste der EZB - theoretisch. Das ergäbe eine Haftungssumme von rund 23 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt. Daraus ergibt sich die Gesamtsumme von rund 84,5 Milliarden Euro, die für Deutschland im Feuer stehen.

Allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Ela-Kredite völlig abgeschrieben werden müssen. Sie sind besichert - auch wenn es griechische Staatsanleihen und Unternehmenskredite sind, die als Sicherheiten dienen. Zudem: Ob EZB-Verluste in voller Höhe und sofort ausgeglichen werden müssten, ist unsicher - siehe oben.“

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-soviel-verliert-deutschland-bei-pleite-a-1041209.html

„Wenn es um Steuergelder ginge, könnte z.B. etwa auch die massive Steuerflucht im Euroraum unterbunden werden, von der insbesondere Luxemburg profitiert - und die ein Land wie Deutschland jährlich etwa 30 Mrd € kostet, was in den 5 Jahren, die das griechische "Hilfs"programm bereits läuft, auf gut das Doppelte der 80 Mrd. €, die Deutschland zum 240-Mrd.-Kredit für Griechenland berappelte, anwächst. Doch der Mensch, der eine maßgebliche politische Verantwortung für diese Entwicklung trägt, zumindest für den beträchtlichen luxemburgischen Anteil, sitzt im Gegensatz zu Tsipras und Varoufakis nicht auf der europäischen Anklagebank - sondern auf dem Richterstuhl: Es ist der frischgewählte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Der im Übrigen auch der erste war, der der griechischen Bevölkerung implizit, aber sehr deutlich damit gedroht hat, Griechenland aus dem Euro zu werfen, sollte es im Referendum mit Nein stimmen.“

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45347/6.html

Deutschland als finanzieller Krisengewinner

„Ein wichtiges Schlaglicht auf die große "Rettungsaktion" wirft der Geldstrom, der von Griechenland nach Deutschland für erteilte Hilfen geflossen ist. Wie die Anfrage der Linken bei der Regierung ergab, zahlte Athen bisher allein aus dem ersten Hilfspaket 360 Millionen Euro Zinsen an Berlin. Deutschland zählt allgemein zu den größten Profiteuren der Eurokrise. Dank der großzügigen Geldpolitik der EZB kann Berlin so billig Geld am Finanzmarkt tanken wie nie.

Dass solche Länder an der Rettungsaktion auch noch verdienten, sei nicht nur "symbolisch", sondern auch "zynisch", sagt Hunko. Insgesamt ist es nicht eine magere, sondern eine traurige Bilanz der Krisenpolitik in Griechenland. Hier haben nicht nur die griechischen Regierungen, sondern auch die Troika ganz offensichtlich versagt.“

http://www.n-tv.de/wirtschaft/Die-Horror-Bilanz-der-Griechenland-Hilfen-article14690166.html

Wegen der niedrigen Zinsen für Staatsanleihen spart die Bundesregierung bis 2014 mehr als 100 Milliarden Euro an Zinszahlungen. Das Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) hat ermittelt, dass die schwache Konjunktur im Euro-Raum und die Niedrigzinsen der Europäischen Zentralbank für Deutschland erhebliche Minderausgaben bewirken.

Die Studie bezieht sich auf Staatsanleihen, die seit 2009 ausgegeben wurden und ermittelt die Kosten bis Mitte 2014. Um zu berechnen, wie viel die Bundesregierung spart, hat das IfW die Zinssätze dieser Papiere mit dem Durchschnittszinssatz der vorangegangenen zehn Jahre (1999 bis 2008) verglichen …

Deutschland profitiert insgesamt von seinem Image als sicherer Schuldner. Der Bund muss wegen seiner hohen Kreditwürdigkeit niedrige Zinsen zahlen …

Da sich die Zahlen der IfW-Studie auf die gesamte Laufzeit der Wertpapiere des Bundes beziehen, verteilt sich die errechnete Ersparnis über einige Jahre. Der Bund hat demnach seit 2009 bereits rund 80 Milliarden Euro an Zinsen gespart. Der Vorteil, den der Bund wegen der Flucht in sichere Anlagen in den Jahren 2009 bis 2022 aus den 2009 bis 2012 begebenen Papieren habe, belaufe sich auf rund 12 Milliarden Euro. 68 Milliarden Euro betragen dagegen die Entlastungen, weil der Bund nicht mehr die Durchschnittssätze der Jahre 1999 bis 2008 anbieten müsse. Allein im Jahr 2012 werden so knapp 10 Milliarden Euro gespart.

Die Ersparnis des gesamten Staates ist noch höher als für den Bund, der für rund die Hälfte aller Staatsschulden verantwortlich ist. Den Großteil der restlichen Schulden tragen Bundesländer und Kommunen. "Es wäre nicht legitim, die Entlastung einfach zu verdoppeln, aber die Zinsersparnisse von Ländern und Kommunen sind doch erheblich", sagte Boysen-Hogrefe der Welt: "Die Entlastung des Gesamtstaates dürfte deshalb bis Mitte 2014 irgendwo zwischen 100 und 200 Milliarden Euro liegen."“

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-06/bund-spart-milliarden-wegen-niedrigzinsen

Rüstungsgeschäfte mit Griechenland

„Fregatten, Panzer und U-Boote: An Griechenlands Militär geht jedes Sparpaket vorbei. Und Deutschland profitiert davon …

2010 betrug der griechische Rüstungsetat fast sieben Milliarden Euro. Das entsprach knapp drei Prozent der Wirtschaftsleistung, eine Zahl, die in der Nato nur von den USA übertroffen wurde. Zwar kürzte das Verteidigungsministerium 2011 die Rüstungs-Neubeschaffungen um 500 Millionen Euro. Das aber sorge nur dafür, dass der künftige Bedarf umso höher ausfalle, sagt ein Rüstungsexperte. Denn an der Truppenstärke von fast 130.000 Soldaten ändert sich vorerst nichts.

Unter Griechenlands EU-Partnern gibt es nur wenige, die sich öffentlich dafür aussprechen, die griechischen Rüstungsvorhaben umgehend und für lange Zeit zu stoppen. Einer ist Daniel Cohn-Bendit , Chef der Grünen im Europaparlament: »Von außen greifen die EU-Länder in praktisch alle Rechte Griechenlands ein. Krankenschwestern wird der Lohn gekürzt, und alles Mögliche soll privatisiert werden. Nur beim Verteidigungshaushalt heißt es plötzlich, das sei ein souveränes Recht des Staates. Das ist doch surreal.«

Cohn-Bendit glaubt, dass hinter dem Zaudern Europas handfeste wirtschaftliche Interessen stehen. Hauptprofiteur der griechischen Aufrüstungspolitik ist dabei ausgerechnet Europas Sparmeister Deutschland. Laut dem gerade veröffentlichten Rüstungsexportbericht 2010 sind die Griechen nach den Portugiesen – auch ein Staat kurz vor der Pleite – die größten Abnehmer deutscher Kriegswaffen. Spanische und griechische Zeitungen verbreiteten gar das Gerücht, Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hätten Griechenlands Ex-Premier Giorgos Papandreou noch Ende Oktober am Rande eines Gipfeltreffens daran erinnert, bestehende Rüstungsaufträge zu erfüllen oder gar neue abzuschließen. Im Umfeld Papandreous wird das nicht bestätigt, auch die Bundesregierung dementiert entschieden: »Meldungen, Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy hätten Griechenland jüngst zu neuen Rüstungsgeschäften gedrängt, entbehren jeder Grundlage«, teilt ein Sprecher per E-Mail mit.

Aber wer sich in Berlin , Brüssel und Athen umhört, bekommt Zweifel, ob Deutschlands Rolle wirklich so ist, wie es die Bundesregierung beschreibt. Die Rüstungsbranche hat Einfluss in der Bundeshauptstadt – wie viel, hat Hilmar Linnenkamp erlebt. Er war jahrelang Unterabteilungsleiter für internationale Rüstungsangelegenheiten im Verteidigungsministerium und ist heute Berater der Stiftung Wissenschaft und Politik. »Die Industrie unterhält traditionell beste Beziehungen bis in die Regierungsspitzen«, sagt er.

Deutlich ist das offenbar auch bei Staatsbesuchen in Griechenland geworden: Deutsche Regierungsmitglieder äußerten dort ihre Exportwünsche, und die Griechen bekräftigten ihren Importbedarf. Dabei habe jeder gewusst, »dass Griechenland zu viel in sein Militär investiert«, so Linnenkamp. Dennoch türmten die Griechen im Lauf der Jahre enorme Verpflichtungen auf …

Auch der Druck von außen, die Aufrüstung zu beenden, blieb bis heute aus. Die Folge: Bei den von einer Troika aus Experten des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission überwachten Sparmaßnahmen wird das Verteidigungsbudget kaum angefasst. Schon laut Stabilitäts- und Wachstumsprogramm für Griechenland für das Jahr 2010 sollte das Budget für Rüstungsausgaben nur um 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung gekürzt werden – um 457 Millionen Euro. Das klingt viel, doch im selben Dokument wurde vorgeschlagen, die Sozialausgaben um 1,8 Milliarden Euro zu kappen. 2011 sollen laut EU-Kommission »Kürzungen der Verteidigungsausgaben« angestrebt werden. Konkreter wurde es bisher nicht.“

http://www.zeit.de/2012/02/Ruestung-Griechenland

„Vor der Krise war Griechenland ein Top-Kunde der deutschen Rüstungsindustrie. Schmiergelder in Millionenhöhe gingen an griechische Amtsträger. Heute besitzt der Schuldenstaat mehr Panzer als Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen …

Die Staatsausgaben für Rüstung lagen zur Amtszeit von Akis Tsochatsopoulos weit über dem EU-Durchschnitt. Der ehemalige Verteidigungsminister steckte Milliarden, die er gar nicht hatte, in deutsche Waffen: darunter vier U-Boote der Howaldtswerke-Deutsche Werft, 170 Leopard-Panzer und dutzende Militärfahrzeuge. Heute besitzt Griechenland mehr Panzer als Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen. Zeitgleich mit den Rüstungseinkäufen wurde der Minister immer reicher.“

http://www.deutschlandradiokultur.de/geldwaesche-und-panzerkaeufe-erst-ruestung-dann-rettung.2165.de.html?dram:article_id=297617

Londoner Schuldenkonferenz 1953 und „Wirtschaftswunder“

In der sehenswerten Dokumentation „Das Märchen vom Wirtschaftswunder“ wird klar, dass es einige Gründe für das deutsche „Wirtschaftswunder“ nach dem 2. Weltkrieg gab. Definitiv gehören weder Ludwig Erhard noch besonders fleißige Deutsche dazu.

Ein wesentlicher Grund war die Londoner Schuldenkonferenz von 1953. „Es waren also die Griechen und andere Länder Europas, die (durch einen Verzicht deutscher Schulden) unser Wirtschaftswunder erst möglich machten …“

https://www.youtube.com/watch?v=y-jwKVVJjpk (ab Minute 39)

„Die derzeitigen griechischen Regierungsmitglieder werden von den Medien hierzulande wahlweise als Pokerspieler oder Spieltheoretiker verunglimpft, und als Demagogen und Lügner beschimpft. Dabei sind die angeblich so unverschämten und undurchführbaren Forderungen Griechenlands, die maßgeblich aus der Feder des Finanziministers Varoufakis stammen - der zusammen mit dem amerikanischen Ökonomen J.K. Galbraith schon seit November 2010 einen regelmäßig aktualisierten "bescheidenen Vorschlag" zu einer grundsätzlichen und progressiven Lösung der Eurokrise veröffentlicht hat, lange bevor seine Position als griechischer Finanzminister überhaupt im Bereich des Denkbaren lag -, gar nicht so radikal.

Genau genommen ist seine zentrale Forderung - ein Schuldenschnitt, der die Schulden beträchtlich reduziert und eine an das Wachstum gekoppelte Rückzahlung der verbleibenden Schuldenlast vorsieht - ausgerechnet am historischen Beispiel Deutschlands geschult. Denn der deutschen Regierung unter Adenauer ist es 1953 gelungen, auf einer internationalen Geberkonferenz erfolgreich dafür zu werben, die deutsche Schuldenlast, entstanden durch Reparations- und Wiederaufbauschulden zweier Weltkriege, um die Hälfte zu reduzieren. Insbesondere aber mussten die Schulden nur aus laufenden Einnahmen gezahlt werden; erzielte Deutschland also keine Exportüberschüsse, musste es auch keine Schulden abbezahlen.

Einen ähnlich vorteilhaften Deal möchte Deutschland aber heute gegenüber seinem ehemaligen Gläubiger - denn auch Griechenland schrieb die Hälfte der deutschen Schulden ab - um jeden Preis verhindern. Während also die Schulden, die Deutschland durch die Verursachung zweier Weltkriege entstanden sind, zu progressiven Bedingungen erlassen wurden, muss Griechenland, das eher zufällig unter die Räder der gewaltigen Finanzkrise geraten war, die volle Schuldenlast tragen.

Dass Deutschland zudem auch Reparationszahlungen, die bei der Schuldenkonferenz auf den Abschluss eines Friedensvertrages mit den Besatzungsmächten verschob, und gar die Abbezahlung eines Zwangskredites, den die deutsche Besatzungsmacht in Griechenland aufgenommen hatte, um die Kosten diverser Feldzüge zu finanzieren, verweigert, während es Griechenland moralisches Versagen und Erpressertum vorwirft, kann in seiner Perfidität gar nicht mehr angemessen kommentiert werden.“

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45347/5.html

Der Schweizer „Freeman“ drückt das etwas drastischer aus:

„Hier eine Lektion im Geschichtsunterricht, die speziell für alle Deutschen gilt, die Griechenland andauernd schlecht machen. 1953 fand in London eine Konferenz statt, wobei ein Großteil der Schulden der BRD storniert wurden. Das Londoner Schuldenabkommen. Ja, da staunt der Laie. Dieser Schuldenschnitt, oder Befreiung von Schulden, ermöglichte erst das sogenannte Wirtschaftswunder in Westdeutschland. Das lernt man nicht in der Schule und erzählen die deutschen Medien natürlich nicht. Das wollen die Deutschen auch nicht hören, der Aufschwung nach dem II. Weltkrieg war nicht deshalb, weil die Deutschen so besonders fleißig waren, ein nettes Märchen, sondern weil man keine Schulden hatte und deshalb die ganzen Steuereinnahmen für Investitionen für den Wiederaufbau verwendet werden konnte …

Die Schulden, die damals gestrichen wurden, stammten aus zwei Perioden: Vor und nach dem II. Weltkrieg. Ungefähr die Hälfte war wegen Kredite die Deutschland zwischen 1920 und 1933 aufgenommen hatte, bevor die Nazis an die Macht kamen, um die Reparationszahlungen, die mit dem Versailler-Vertrag Deutschland aufgezwungen wurden, nachzukommen. Die andere Hälfte war wegen dem Wiederaufbau nach Ende des II. Weltkriegs. Bis 1952 beliefen sich die Schulden von Westdeutschland gegenüber dem Ausland auf 25 Prozent des BIP, was heute lächerlich wenig wäre …

Nach dem Schuldenschnitt erlebte Westdeutschland das "Wirtschaftswunder", mit einer ernormen Bautätigkeit, einem zweistelligen Wirtschaftswachstum und gigantische Steigerung der Exporte. Den Gläubigerstaaten war es viel wichtiger, dass Westdeutschland stabil und prosperierend wurde, denn es sollte als "Bollwerk" gegenüber dem Kommunismus dienen. Westdeutschland wurde von den Westmächten als Schaufenster ausstaffiert und als Gegenmodell zur DDR und anderen Ostblockländern aufgebaut!...

Warum erzähle ich Euch das alles? Weil es mir stinkt, ständig die arroganten, überheblichen und bösartigen Aussagen aus Deutschland wegen Griechenland zu hören. Statt dass Merkel und Schäuble als Hauptschuldige für die Krise beinhart auf Schuldentilgung und Austeritätsmaßnahmen bestehen und damit die griechische Bevölkerung ins tiefste Elend stürzen, sollen sie das machen, was damals 1953 Westdeutschland zugestanden wurde, einen generellen Schuldenschnitt.

Die Westmächte hätten 1953 auch knallhart auf Rückzahlung der Schulden bestehen können, auf ein Aussaugen bis zum letzten Tropfen Blut. Dann wäre aus Deutschland ein Armenhaus geworden, das niemals aus der Katastrophe des II. Weltkriegs rauskommt. Nur der Schuldenschnitt hat das Wirtschaftswunder ermöglicht. Wie wäre es, wenn man Griechenland mit der gleichen Großzügigkeit behandelt, die Schulden abschreibt und damit einen Neustart ermöglicht?“

http://alles-schallundrauch.blogspot.de/2015/07/schuldenschnitt-hat-das.html

Deutschland lebt unter seinen Verhältnissen

„Bereits wenige Jahre nach Einführung des Euro wurden Stimmen laut, die darauf hinwiesen, dass ökonomische Probleme der südeuropäischen Staaten auch von der ökonomischen Entwicklung Deutschlands bedingt seien. Laut Heiner Flassbeck unterschreite Deutschland dauerhaft die von der Zielinflationsrate vorgegebene Entwicklung der Lohnstückkosten, da das Verhältnis von Reallöhnen und Produktivität in Deutschland sinke, was sich in einer Veränderung der Terms of Trade mit Partnerländern niederschlage. Da innerhalb des Euroraums jedoch kein Ausgleich durch eine Veränderung der nominalen Wechselkurse mehr bestehe, würden diejenigen Mitgliedsländer der Währungsunion, die bereits über eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit verfügten und deren Lohnstückkosten sich entsprechend der Zielinflation nach oben entwickelten, in ein hohes Außenhandelsdefizit und somit langfristig in ein Haushaltsdefizit gedrängt. In diesem Zusammenhang wurde den niedrigen Lohnsteigerungen in Deutschland und in diesem Zusammenhang auch den Maßnahmen zur Arbeitsmarktflexibilisierung eine Ursache an den ökonomischen Problemen im Euroraum zugeschrieben …

EU-Sozialkommissar László Andor forderte eine Abkehr vom deutschen Modell, sich auf Export zu konzentrieren und die Löhne moderat zu halten, um international zu konkurrieren. „Die Kommission rät Deutschland, die heimische Nachfrage durch höhere Löhne anzuregen und auf breiter Basis Mindestlöhne einzuführen.“"

https://de.wikipedia.org/wiki/Griechische_Staatsschuldenkris

Und hier ist ein sehenswertes Gespräch mit Heiner Flassbeck zu sehen. Einige Probleme des Euro ließen sich lösen durch eine deutliche Anhebung der deutschen Löhne.

http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=52562

Deutscher Hegemon

„Es ist offensichtlich: Nicht die kreuzbrave, linkssozialdemokratische Regierung in Athen agiert hier extremistisch, sondern die deutschen Politeliten mitsamt ihren Schreibtischtätern in den Redaktionsstuben, die in den vergangenen Monaten eine beispiellose antigriechische Hetzkampagne losgetreten haben. Es stellt sich somit die Frage, wieso Deutschland diese Demütigungsstrategie eingeschlagen hat, obwohl Athen eine Kapitulation anbot. Wieso hat Berlin "die Geduld mit Alexis Tsipras verloren", wie es die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) im imperialen Tonfall deklarierte, der inzwischen bei deutschen Meinungsmachern en vogue ist.

Es geht bei dieser jüngsten Etappe des unerklärten Wirtschaftskrieges, den Deutschland gegen Europa führt, um viel mehr als Griechenland. Berlin muss an dem Mittelmeerland in alter deutscher Tradition ein "Exempel" statuieren, um seine Dominanz in dem Währungsraum zu festigen. Niemand soll es jemals wieder wagen, den Weisungen aus Berlin zu widersprechen und die deutsche Vormachtstellung im Euroraum herausfordern. "Tu, was wir sagen, oder leide", so formuliert die Washington Post diese deutsche Logik.

Die Sonderbehandlung, die Berlin nun Griechenland angedeihen lässt, stellt für die Washington Post ein "nicht allzu subtiles Signal an die Anti-Austerität-Parteien in Spanien und Portugal dar, dass sie nichts durch die Herausforderung des monetären Status quo erreichen werden". Griechenland soll weiterhin als ein "finanzieller Sklavenstaat" (Business Insider) Deutschlands in "ökonomischer Depression" versinken, um keine Nachahmereffekte in Europa auszulösen.

Merkels "harte Hand" (welt.de), die seit Krisenausbruch in Europa herrscht, muss ein Exempel statuieren, um die Wahlchancen der Linksparteien in Spanien und Portugal in diesem Jahr zu minimieren. Das ist auch der spanischen Protestpartei Podemos klar, die Ende Juni Deutschland beschuldigte, mit diesem rücksichtslosen Vorgehen "das europäische Projekt aufs Spiel zu setzen" …

Und genau diesen Vorwurf richtete der griechische Ministerpräsident an seine europäischen "Partner", nachdem der deutsche EU-Kommissar Günter Oettinger "Europa" dringend aufforderte, Pläne für den Fall sozialer Unruhen und eines Notstands in Griechenland zu entwerfen. Tsipras erklärte, die "Kreditmächte" würden versuchen, die "gewählte griechische Regierung zu unterminieren", nachdem sie Griechenland fünf Jahre lang geplündert hätten …

Das Kreditprogramm für Hellas wurde auch deswegen nicht um sieben Tage verlängert, um den Druck auf die griechische Regierung aufrechtzuerhalten und die griechischen Wähler zu erpressen. Das Land soll in den Ausnahmezustand manövriert werden. Berlin betreibt somit eine ordinär imperialistische Politik, bei der missliebige Regierungen in abhängigen und peripheren Staaten einfach weggeputscht werden, wenn diese nicht die Weisungen aus dem Zentrum befolgen. Südeuropa wird von Deutschland - das die Rolle der USA Europas einnimmt - lateinamerikanisiert.

Der rechte Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer hat bereits 2012 in unverschämter Offenheit diese neue Machtkonstellation ausgesprochen und die Deutschen zu eben den "Amerikanern Europas" erklärt.

Es vergehe kaum ein Tag, ab dem die Kanzlerin "nicht irgendwo in eine Nazi-Uniform gesteckt wird und man wieder Hakenkreuze hervorkramt", lamentierte Fleischhauer, der den deutschen Sparterror in Südeuropa als "Hilfspaket" bezeichnete. Die Deutschen würden sich nun daran gewöhnen müssen, "dass wir in manchen Ländern Europa für einige Zeit nicht mehr sehr beliebt sind". Denn es würde nichts nützen, "sich kleiner zu machen, als man ist", da letztendlich "der Hegemon seine Größe nie auf Dauer verhehlen" könne.

Deutschland müsse folglich die Konsequenz aus seiner Machtfülle ziehen und Politik betreiben, wie sie die USA jahrzehntelang als Welthegemon praktizierten: "Wir sind jetzt die Amerikaner Europas. Der Rollenwechsel wird nicht leicht, das kann man schon heute sagen. Wir sind es gewohnt, dass man uns für unsere Effizienz und unseren Fleiß bewundert, nicht, dass man uns dafür hasst", so Fleischhauer in all der Unverkrampftheit, mit der in Deutschland wieder Ressentiments formuliert werden. Süd- und Osteuropa spielen in dieser realitätsmächtigen Vorstellungswelt längst die Rolle eines europäischen Lateinamerikas.

Die deutsche Regierung hat seit Krisenausbruch die Politik "Europas" gegenüber Griechenland wie auch den Krisenländern bestimmt. Brüssel stellt nur ein europäisches Feigenblatt deutscher Dominanz in Europa dar. Die Verantwortung für das desaströse und gnadenlose Sparregime, mit dem die Eurozone überzogen wurde, liegt nahezu ausschließlich in Berlin …

Es war selbstverständlich der rabiate Merkantilismus, die mittels der Agenda 2010 forcierte extreme Exportausrichtung der deutschen Wirtschaft, die Deutschland den Weg zur gegenwärtigen Wirtschaftsdominanz ebnete. Die enormen Handelsüberschüsse Deutschlands sind die Schulden der Defizitländer. Dieser aggressive Neomerkantilismus Berlins, der einem Wertraub gleichkommt und Schulden, Arbeitslosigkeit und Deindustrialisierung exportiert, lässt sich eindeutig empirisch verifizieren. Der Beitrag der BRD an der Ausbildung der europäischen Schuldenkrise, die Berlin zur Ausformung des deutschen Europas nutzen konnte, lässt sich auf Heller und Pfennig beziffern …

Von den 829,341 Milliarden Euro an Leistungsbilanzüberschüssen, die Deutschland gegenüber der Eurozone bis zum ersten Quartal 2015 anhäufte, entfielen auf die Südperipherie mehr als die Hälfte, nämlich 451,784 Milliarden Euro. Wie aus der Grafik ersichtlich wird, wurden diese Überschüsse erst nach der Euroeinführung erzielt. Die deutsche Beggar-thy-neighbor-Politik entzog den besagten südeuropäischen Volkswirtschaften somit Wertschöpfung im Umfang einer knappen halben Billion Euro in nur einem Dutzend Jahre.

Hiernach nutzte Berlin diesen erfolgreichen Werteraub, um die verschuldeten Volkswirtschaften - wie erläutert, 451,784 Milliarden des südeuropäischen Schuldenbergs entfallen auf die deutschen Überschüsse! - in eine mit weitgehendem Souveränitätsentzug und knallhartem Sparregime einhergehende Schuldknechtschaft zu pressen. Der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, formulierte diesen Zusammenhang in aller Ignoranz Anfang 2014 folgendermaßen: "Mit unseren Überschüssen waren wir überhaupt erst in der Lage, als Garantiegeber für die Euro-Krisenländer aufzutreten." Genau: Die Deutschen Überschüsse, die Europas Schuldenberge generierten, nutzte Berlin, um als "Garantiegeber" das deutsche Europa zu errichten, das uns bald um die Ohren fliegen wird.

Letztendlich führen die deutschen Funktionseliten eine Art Wirtschaftskrieg, um eine hegemoniale Stellung der Bundesrepublik innerhalb Europas zu erringen, wobei sich Berlin gerade auf die neoliberalen Regierungen in den europäischen Krisenstaaten stützen kann, die um reiner Machterhaltung willen keine europäische Alternative zu Austerität und Sparregime dulden können. Sie würden sonst an den Wahlurnen hinweggefegt. Diese südeuropäischen Regierungen - etwa in Spanien oder Portugal - agieren somit tatsächlich als wirtschaftspolitische Kollaborateure Berlins, die offensichtlich entgegen den wirtschaftlichen Interessen ihrer eigenen Bevölkerung handeln. Wer ausschert und sich wehrt, an dem wird ein Exempel statuiert. Beim letzten großen deutschen Anlauf zur Weltmacht wurden für jeden von Partisanen getöteten deutschen Besatzer für gewöhnlich 100 Zivilisten von der Wehrmacht ermordet. Diesmal werden ganze Volkswirtschaften in den sozioökonomischen Zusammenbruch getrieben, sobald deren Bevölkerung die "falsche" Wahl trifft. Die Methoden haben sich gewandelt, die Mentalität der Berliner Politeliten scheint geblieben zu sein.

Dabei kann diese deutsche Strategie, diesmal ganz ohne Waffen-SS die europäische Hegemonie zu erringen, nicht nur am europäischen Widerstand, sondern auch an der Krisendynamik scheitern, die sie befeuerte. Der drohende "Grexit" droht eine Weltwirtschaft zu erschüttern, die sich in einer gigantischen Liquiditätsblase befindet. So könnte bald die Spekulationsdynamik kollabieren, die sich auf Chinas Aktienmärkten entwickelt hat. Trotz massiver Zinssenkungen der chinesischen Notenbank wollen sich die heiß gelaufenen Kurse in der Volksrepublik nicht erholen. Angesichts dieses instabilen globalen Umfeldes könnte sich der "Grexit" allen Eindämmungsversuchen Europas zum Trotz als der berühmte letzte Tropfen erweisen, der das Fass zum Überlaufen bringt.“

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45302/1.html

Deutscher Rassismus

Die Griechen sind faul, verdienen zu viel Geld, genießen ihr Leben mit nur wenig Arbeit und gehen auch noch viel zu früh in Rente. Bei den anderen Südeuropäern ist das nicht viel anders. Dies ist mittlerweile gängige Meinung in Deutschland.

Die Hetze, die von deutschen Staats-Medien (auch ehemals seriösen) betrieben und geglaubt wird, kann der Wurm nur als widerlich bezeichnen. Die Schicht der Zivilisation über dem Menschen ist nur hauchdünn. Und das Unzivilisierte kann zu jedem Zeitpunkt, je nach Bedarf, gegen jede Gruppe von Menschen aktiviert werden.

Für die Aufdeckung jeglicher Manipulationen hat sich die „Propagandaschau“ verdient gemacht. Es lohnt sich, zumindest einen Blick auf die Überschriften zu werfen:

https://propagandaschau.wordpress.com//?s=griechenland&search=Los

Etwa hier: „Angesichts des von der griechischen Regierung geplanten, urdemokratischen Referendums über die Fortsetzung des Spar- und Austeritätsprogramms der Euro-Gruppe, laufen die Staats- und Hetzsender ARD und ZDF zu historisch leidlich bekannter Größe auf.

Es wird gelogen (“das ist eine Abstimmung über den Euro”) und es wird gehetzt (“das versteht der griechische Bauer nicht”), dass es eine wahre Pracht ist. Der journalistische Abschaum in den Regierungssendern lässt nach und nach seine pseudo-demokratische Maske fallen. Das ist so herrlich entlarvend, dass wir hier mit dem Dokumentieren dieser Verkommenheit und Doppelmoral kaum noch nachkommen.“

https://propagandaschau.wordpress.com/2015/06/30/ard-und-zdf-die-griechen-sind-zu-dumm-fur-demokratie/

„Carsten Weikamp schildert seine Eindrücke bei der Recherche und Dokumentation des Medienechos:

Wer sich dem zu lange aussetzt, wird auch als Hartgesottener den Eindruck nicht mehr los, die “inkompetenten”, “überforderten”, “nervenden” “griechischen Superexperten” hätten mit ihrem “doppelzüngigen und boshaften Charakter” pünktlich zum Beginn der Sommerferien in Deutschland in ihrem “puren Zynismus” ein “kindisches Kasperltheater” “aus dem Hut gezaubert”, für das jeder andere “zurecht vom Hof gejagt würde”. Auf dem Weg zu einem “neuen Tiefpunkt auf der nach unten offenen Tsipras-Skala” habe man in “verantwortungsloser” Weise, “lächelnd” und in einem “Akt politischer Torheit” die “Demokratie verraten”, um dem Volk die “Verantwortung zuzuschieben, die man selbst tragen müsste”, wahlweise auch “die Pistole an den Kopf der europäischen Demokraten zu setzen” und weiterhin “die Schuld für das eigene Ungenügen bei anderen zu suchen”. Mit anderen Worten, es sei “Höchste Zeit, den Zirkus zu beenden.” – Alles Begriffe, die einem im Moment aus dem Netz entgegenspringen, und nicht einmal die wildesten.

Neben den üblichen Verdächtigen von Bild bis Seehofer tun sich dabei besonders die Kommentatoren der großen deutschen Printmedien hervor. Wir haben Ihnen hier [PDF – 156 KB] einige besonders markante Beispiele aus den Reaktionen der ersten 24 Stunden nach Ankündigung zusammengestellt. Man scheut sich angesichts des Niveaus der Vorwürfe, den Begriff “lesenswert” zu verwenden. Um die Massivität der Diffamierung innerhalb des kurzen Zeitraums zu begreifen, lohnt der Blick in die Dokumentation allerdings sehr.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26577

Auch der Broddler hat sich seine Gedanken zu Manipulationen über Griechenland gemacht:

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/bericht-aus-der-wirtschaft/174-folge-3.html

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/bericht-aus-der-wirtschaft/172-folge-2.html

Frauen sind an allem schuld

Und hier was ganz Widerliches: wie so oft, werden Frauen zu den eigentlich Schuldigen erklärt:

„Betty Baziana, die Lebenspartnerin des griechischen Ministerpräsidenten, soll gleichzeitig sein Gehirn sein. Die «linke Hexe», wie sie genannt wird, liebt Che Guevara und soll Sex als Argument einsetzen.

Seit bekannt ist, dass Frau Tsipras, die Betty Baziana heisst, weil sie heiraten als ideologisch unkorrekt empfindet, offenbar die politischen Leitlinien ihres Mannes in den Verhandlungen mit der EU maßgebend mitbestimmen und ein Abweichen von ihren Vorgaben je nach Schwere entweder mit Sexentzug oder Verlassen bestrafen soll, scheint der griechische Verhandlungsstil verständlicher. Er trägt im Grunde ja eindeutig weibliche Eigenschaften; manipulative Subversion, berechnendes Zögern, unglaubliche Behauptungen, strategische Missachtung des gesunden Menschenverstandes, kalkulierter Gebrauch emotionaler Werkzeuge wie Schuld und Gewissen. Einzig Gott kam noch nicht ins Spiel, aber das liegt daran, dass Baziana Kommunistin ist …

Sie gilt in Griechenland bei jenem Teil der weiblichen Bevölkerung, für den feminine Schönheit ausschließlich aus dem Intellekt und dem inneren Wesen besteht, der sich deshalb nicht gerne schminkt, kaum die Körperhaare rasiert und aus ideologisch-feministisch-moralisch-ethischen Gründen nie hohe Schuhe trägt, um befreit zu sein von in Männerhirnen entworfenen Unterdrückungsmechanismen, also bei diesen in einem pubertären sozialistischen Feminismus hängen gebliebenen Frauen gilt Betty als Fleisch gewordene Emanzipation und Lifestyle-Ikone. Die anderen Frauen und die meisten Männer in Griechenland halten sie nur biologisch für eine Frau …

20 Jahre sind sie jetzt zusammen, ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche Partnerschaft im Sinne des Socialismo und im Geiste von Che Guevara auch, für den Betty wahrscheinlich Alexis verlassen würde, wäre Che noch am Leben, und Alexis Betty vermutlich auch. Ihre gemeinsame Hingabe an den lebendig-­toten Verfechter einer gerechten Welt gipfelt im zweiten Vornamen ihres ersten Kindes, der der erste von Che ist: Ernesto.

Sie sind jetzt ganz oben angekommen, Alexis, der natürlich mehr ist als nur Bettys intellektuelles Faktotum, und Betty, die ein bisschen weniger ist als Alexis’ Politdomina. Betty ist klug, klar, und sie hat Alexis im Griff, das auch, und zwar, weil sie die wahre Macht der Frau erkannt hat und sie auch gelegentlich als Tauschware einsetzt: Sex. Das Innehaben des Monopols auf Sex, das nur am Rande, ist wahrscheinlich die machtvollste Errungenschaft der Emanzipation und der bitterste Verlust für den Mann.“

http://bazonline.ch/ausland/europa/Frau-Tsipras-oder-die-Moeglichkeiten-einer-Frau/story/14242096

 

Syriza

 

Pedram Shahyar zum Aufstieg von Syriza:

„Am 25. Januar wird in Griechenland gewählt. Panik in der Presse und große Nervosität auf den Finanzmärkten: Zum ersten Mal in der Europäischen Union wird ein Wahlsieg einer Linksaußen-Opposition erwartet. Die linke Partei Syriza führt deutlich in allen Umfragen, und sie steht nicht nur konsequent gegen Kriegspolitik und Imperialismus, sondern hat sich klar und und unmissverständlich gegen die soziale Zerstörung Griechenlands gestellt …

Die politischen Folgen waren ebenso dramatisch. Die Parteienlandschaft geriet massiv durcheinander. Die Sozialdemokratische Partei, die die ersten Sparprogramme zu verantworten hatte, verschwand als Massenpartei von der Bildfläche und ringt heute nach mehreren Spaltungen in Einzelteilen darum, die 3%-Hürde zu meistern. Faschisten der „Goldenen Morgenröte“ stiegen zu einer Partei mit bis zu 10% der Stimmen auf und begannen mit massiven Aufmärschen und Terror auf den Straßen. Aber eben auch die Syriza, 2010 noch eine kleine Partei von drei bis vier Prozent, beteiligte sich mit aller Kraft an den sozialen Protesten und stieg zu der stärksten Kraft in Griechenland auf.

Es ist noch unklar, inwieweit ein Wahlsieg von Syriza eine wirkliche Wende bringen kann. Es wird natürlich massiven Gegenwind aus dem In- und Ausland zu erwarten sein, wenn eine Regierung in der EU von der Brüsseler und Berliner Linie abweicht. Aber zum ersten Mal deutet sich die Möglichkeit an, die katastrophale soziale Zerstörung Europas zu stoppen. Das Fenster für eine Alternative scheint sich zu öffnen, es kommt Licht am Ende des langen dunklen Tunnels der Europäischen Politik.“

 

 

„Der Ersatz für Souveränität ist Härte. Kein Wunder, wurde die neue griechische Regierung brutal geschnitten, als sie etwas Unverzeihliches tat – die Wahrheit zu sagen: Griechenland ist pleite, die Sparpolitik ein Desaster, die Milliarden sinnlos verbrannt. Und als sie Vorschläge machte: etwa für Schuldpapiere, deren Ertrag an das Wirtschaftswachstum gekoppelt ist, sodass Gläubiger und Schuldner im gleichen Boot sitzen. Und als sie sagte, dass die Leute nicht nur Reformen, sondern auch Hoffnung bräuchten.“

http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/Die-gefaehrlichste-Idee-Europas/story/27729647

"Dass in der Krise die Lüge zum alltäglichen Mittel der Politik wird, ist nicht überraschend. Aber die Art und Weise, in der die deutschen Medien Arm in Arm mit der Politik den ideologischen Kampf, um den es hier im Kern geht, führen, stellt alles in den Schatten, was man sich hat vorstellen können. Ich will nicht noch einmal all das wiederholen, was wir in den vergangenen Monaten zu diesen Fragen gesagt und geschrieben haben. Wichtig scheint mir aber, den Kern des ideologischen Gerüsts noch einmal kurz darzustellen, um den es den Gläubigern und ihren Institutionen geht. Mit diesem Kern, da hat SYRIZA vollkommen recht, kann es keinen Kompromiss geben.

Dass SYRIZA in den Verhandlungen der letzten fünf Monate viele Kompromisse gemacht hat, steht außer Frage genauso wie die Tatsache, dass Griechenland seit 2010 ein Musterschüler in Sachen „Reformen“ war. Ersteres kann man sehr gut noch einmal in der Stellungnahme von Yanis Varoufakis nachlesen, die er in den letzten Stunden der Verhandlungen (bevor man ihn ausschloss) vor der Eurogruppe gemacht hat (hier zu finden). Letzteres haben wir hier zuletzt ausführlich beschrieben.“

http://www.flassbeck-economics.de/das-luegen-der-herrschenden-kreise-und-die-innere-logik-der-krise/

„Syriza hatte nie eine echte Chance. Die linke griechische Regierung wurde vom Volk gewählt, um mit der Vetternwirtschaft der Vorgängerregierungen aufzuräumen und einen Weg zu finden, das Land aus der Krise zu führen. Jeder – auch die Herren Schäuble und Dijsselbloem – weiß, dass dies mit einer Fortführung oder gar Verschärfung der Sparmaßnahmen nicht möglich ist. Daher konnte Syriza die Forderungen der Gläubiger nicht annehmen, ohne sich selbst unglaubwürdig zu machen und dabei auch noch das Land zu ruinieren. Das Ziel der Gläubiger war und ist „den linken Spuk“ zu beenden, so dass in Spanien, Portugal oder sonst wo auch ja niemand nur auf die Idee kommt, eine linke Regierung zu wählen, die nicht nur die Austeritätspolitik, sondern gleich den ganzen Neoliberalismus hinterfragt. Denn wer weiß – hätten diese linken Regierungen Erfolg, könnte dies das Dogma der Alternativlosigkeit auch anderswo erschüttern und daran können die Herren und Damen der Alternativlosigkeit natürlich kein Interesse haben …

Eine echte Alternative haben die Griechen also nicht. Was Europa hier betreibt, ist eine Erpressung, wie es sie noch nie gegeben hat. Ein ohnehin schon gedemütigtes Volk hinterfragt das neoliberale Dogma und wird dafür gnadenlos bestraft. Demokratie, Solidarität, friedliches Zusammenleben, Fortschritt, Wohlstand – all dies waren die Säulen, auf denen ein gemeinsames Europa ursprünglich errichtet wurde. Sämtliche dieser Säulen gelten im modernen Europa nichts mehr. Europa ist tot.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26585#more-26585

„War es denn etwa Wahnsinn, immer mehr Euros in ein Loch zu schütten ohne Boden, wovor Gianis Varoufakis warnte und was er, wie alle, die für einen Schuldenschnitt waren, verhindern wollte - was aber nicht im Interesse der Banken war, die von den Zinsen dieser Schulden ja prächtig leben?

Oder war es Wahnsinn, dass man fünf Jahre mit verschiedenen griechischen Regierungen verhandelt und "Hilfsprogramme auflegt" - und kaum kommt eine Regierung an die Macht, die deshalb gewählt wurde, weil die "Hilfsprogramme" eben nicht funktioniert haben, wird diese Regierung dafür verantwortlich gemacht, dass sie in ein paar Monaten nicht geschafft hat, was die Nussknacker von der EU in fünf Jahren Verhandlungen nicht hinbekommen haben - die Entmachtung der korrupten Eliten zum Beispiel oder ein funktionierendes Katasterwesen?“

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/berichterstattung-zu-griechenland-dschungelcamp-der-medien-kolumne-a-1042001.html

„Es gibt noch andere Stimmen, die zum gleichen Ergebnis kommen. Nur die Medien interessiert das nicht oder nur am Rande. Sie bezeichnen die griechische Regierung als Chaoten, dabei ist sie es, die um ein Höchstmaß an Transparenz bemüht ist und die Weitergabe von Informationen betreibt, wo andere sich hinter den Institutionen nur verstecken. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis bloggt und twittert sich einen Wolf, um die Haltung seiner Regierung zu erklären …

So gilt wohl die Formel: Die griechische Regierung erklärt alles und keiner glaubt ihr, die ‪Bundesregierung erklärt nichts und alle glauben ihr …

Das Ergebnis reicht ja für Posten, auf denen politische Positionen des Wahlkampfes nach und nach abgeräumt und ins Gegenteil verkehrt werden können.

Würde man das nicht als chaotisch und irre bezeichnen? Nein, denn offensichtlich wird die griechische Regierung als durchgeknallt empfunden, weil sie es wagt, an dem festzuhalten, für das sie ein Mandat des Souveräns erhalten hat. Doch angesichts der seit zehn Jahren andauernden Regentschaft Merkels mag es für viele hierzulande befremdlich erscheinen, dass es noch Regierungen gibt, die so etwas wie ein politisches Programm verfolgen.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26647

Für eine faire Berichterstattung über demokratische Entscheidungen in Griechenland.  Appell von Deutsch-Griechen und Griechen-Deutschen

1. Zurecht sagt Syriza: Das Europäische Haus kann nicht als Privateigentum der ‚Märkte‘ und ihrer Kernmächte (vor allem Deutschlands) betrachtet werden. In ihm wohnen Länder wie Griechenland nicht bloß auf Widerruf zur Miete, um bei Mietrückstand von der Polizei auf die Straße gesetzt werden zu können. Das Europäische Haus wird Kondominium sein oder gar nicht.

2. Kaum ist in Griechenland nach der Verfassung eine allgemeine freie, gleiche und geheime Wahl angekündigt, heult der Mainstream der deutschen mediopolitischen Klasse (von ehrenhaften Ausnahmen abgesehen) wie eine einzige Boje so auf, als ob dort eine Diktatur errichtet werden sollte. Wie in einem unter Sprachregelung stehenden Land hagelt es monoton und täglich, es drohe der (demokratische!) Wahlsieg einer „europafeindlichen“, „europakritischen“, „populistischen“, „reformfeindlichen“, „linksradikalen“, „wirtschaftsfeindlichen“ usw. Partei, die ‚das griechische Volk um die Früchte seiner schweren Opfer bringen‘, die ‚internationalen Geldgeber vor den Kopf stoßen‘ und ‚Europa zurück in die Krise stürzen‘ wolle.

3. Dieses Delirium von Sprachregelung und Einäugigkeit droht das Verhältnis zwischen unseren Völkern zu vergiften. Es ist einäugig, so zu tun, als ob die griechische Misere 100 Prozent ‚hausgemacht‘ wäre und als ob „unsere Märkte“, allen voran die großen westlichen Banken, daran keinen Anteil gehabt hätten – als ob ‚sie uns anstecken‘ wollten – und als ob „unsere Märkte“ und „unsere“ Brüningpolitik nicht ganz Südeuropa mit ihrer großen Krise, die eben keinesfalls überwunden ist, angesteckt hätten. Die Krise ist unsere gemeinsame Krise.

4. Aber gibt es denn etwa keine hausgemachten griechischen Krisenverstärker? Doch, es gibt sie durchaus, nur ist es nicht das ganze Volk gleichermaßen, es sind die griechischen steuerbetrügerischen Oligarchen, die aber wie die russischen und ukrainischen gern gesehene Partner unserer „Märkte“ waren und sind, und die (neben unseren eigenen Banken) vor allem von ‚unseren Rettungsgeldern‘ profitiert haben. Und die von Siemens, Rheinmetall usw. im großen Stil bestochen werden konnten. Und ausgerechnet jetzt, wo erstmals die Chance besteht, dass es diesen griechischen Oligarchen endlich an den Kragen gehen kann, toben „unsere Märkte“ durch ihre Medien nicht etwa gegen die angeblich „proeuropäischen“ politischen Vertreter dieser Oligarchen, sondern gegen genau die Politiker, die ihnen an den Kragen gehen wollen. Dabei geht die wesentliche Information völlig unter: Syriza ist antioligarchisch, und seine Gegner von der bisherigen Regierung sind prooligarchisch. Mit dem weltbekannten griechischen Mythos gesagt: Unsere Medien toben in ihrer Mehrheit nicht gegen den Augias und seinen bis nach Deutschland stinkenden Stall, sondern gegen den Herakles, der ihn ausmisten will.

5. Sage uns also, mediopolitische Klasse: Wie hältst du es eigentlich mit der Demokratie? Du warst gegen diese Wahlen, weil sie „die Märkte“ stören würden. Einer der typischen Prooligarchen, der Chef der sozialdemokratischen PaSoK Venizelos, brachte seine Demokratieauffassung anlässlich einer (nur für sehr kurze Zeit) erfolgreich platzierten Anleihe unübertrefflich naiv auf den Begriff, indem er triumphal verkündete: „Die Märkte haben Griechenland gewählt!“ Also die Wähler dieser Art Demokratie sind die „Märkte“: Es muss also Agorakratie (Herrschaft der Märkte) heißen, nicht Demokratie.

6. Die menschlichen Wählerinnen und Wähler dagegen wurden durch 4 Jahre aus Berlin und Brüssel diktierte Brüningpolitik regelrecht verelendet. Deutsche Kinder lernen in der Schule, dass Hitler 1933 an die Macht kam, weil das deutsche Volk durch die Brüningpolitik verelendet war: 6 Millionen Arbeitslose, vor allem Jugendliche, gelten bis heute als katastrophale Schwelle. In Griechenland ist diese Schwelle heute längst (prozentual) überschritten. Hinzu kommt eine Zerschlagung der Massenkaufkraft durch Senkung der noch existierenden Löhne, Steuererhöhungen und Kürzung der sozialen Netze teilweise bis auf Null (bei Medikamenten). Schon Émile Durkheim hielt eine kurzfristig über den langjährigen Durchschnitt steigende Suizidrate für das sicherste Symptom einer schwer kranken Gesellschaft. Das Griechenland des EU-Spardiktats ist ein solcher Fall.

7. Brüssel und Berlin (und als ihre Sprachrohre die meisten Medien) erklären diese nicht zu leugnende Katastrophe als vorübergehend, als kurzfristig notwendige Schocktherapie, um das Land wieder „wettbewerbsfähig“ und wieder „normal“ zu machen. Das ist die eigentliche Irreführung: Wenn es wieder „Wachstum“ gibt, dann ausgehend von einem abgrundtiefen „Boden“ – und nur noch für ein oberes Drittel, während die zwei unteren Drittel dauerhaft mit einer „neuen Normalität“ vorlieb nehmen sollen, die man in Griechenland selbst als „Drittweltisierung“ bezeichnet. Anders gesagt: Griechenlands „neue Normalität“ nach Brüssels und Berlins Wünschen ist die einer niedrigen, heruntergestuften Normalitätsklasse ohne wesentliche Teile unserer deutschen sozialen Netze – und das auf Dauer.

8. Gegen diese Herabstufung auf Dauer lehnt sich die Mehrheit der Griechinnen und Griechen auf. Als Instrument dieser Auflehnung betrachten nicht wenige Syriza. Um nichts anderes geht es bei der einäugigen Polemik gegen Syriza: Syriza will sich für eine europäische, nicht drittweltige Normalität einsetzen. Die wesentliche Forderung dabei ist die nach einem großen Schuldenerlass. Nur ein solcher großer Schuldenerlass kann dem Land Möglichkeiten von Wirtschafts- und Sozialpolitik zurückgeben – während Zinsen und Tilgungen des riesigen Staatsschuldenbergs in alle Ewigkeit den größten Teil der Steuereinnahmen auffressen werden. Nur ein solcher Schuldenerlass bedeutet endlich eine Rettung der kleinen Leute statt nur der Banken und Oligarchen. Schuldenerlass plus Haftbarmachung der Oligarchie und der Banken – das sind die beiden Hauptpfeiler für jede Verbesserung der Lage in Griechenland. Diese beiden Forderungen unterstützen wir auch von Deutschland aus. Diese beiden Forderungen objektiv, fair und nicht einäugig zu erklären, halten wir für die Pflicht demokratischer Medien und demokratischer Politik. Über diese Forderungen muss die EU ggf. ohne ultimative Vorbedingungen auf Regierungsebene verhandeln, nicht durch eine demokratisch illegitime Technokratie wie die „Troika“.

9. Deutschland und Griechenland sind historisch auf besondere Weise verbunden. Nicht bloß, weil die gesamte klassische deutsche Literatur, Kunst und Philosophie auf altgriechischem Erbe beruht. Gerade auch Neugriechenland hat deutsche „Philhellenen“ seit Hölderlin und dem Schubertdichter Wilhelm Müller (dem „Griechen-Müller“) bis heute inspiriert. Griechische Einwanderer seit den 1950er Jahren bis zur neuen Welle aufgrund der Krise haben den deutschen Wohlstand mitgeschaffen. Auch ein großer Teil der begeisterten deutschen Griechenlandtouristen kann als Philhellenen gelten. Uns kann es nicht egal sein, wenn die „proeuropäischen“ (in Wahrheit prooligarchischen und bankenfrommen) Kräfte unter dem Diktat aus Brüssel und Berlin die Strände privatisieren und in all-inclusive-Meilen verwandeln sowie ganze Inseln verscherbeln, um kurzfristig „Schulden abzubauen“, die langfristig umso mehr steigen. Syriza will diesem Wahnsinn ein Ende machen und erweist sich allein dadurch als wahrhaft proeuropäisch. Auch können gerade wir deutschen Philhellenen niemals vergessen, was deutsche Besatzungstruppen diesem Volk angetan haben (ohne dass bis heute auch nur die Zwangsanleihe zurückgezahlt wurde). Unsere führenden Politiker und Medienmacher haben es vielleicht vergessen, wir nicht: Der fürchterlich opferreiche Kampf des griechischen Widerstands gegen die Nazibesatzung hat einen absolut substantiellen Beitrag zur Befreiung Europas, und also auch Deutschlands, von Hitler und seinem Dritten Reich geleistet.

10. Deutschlands Kriegsschulden wurden im Londoner Schuldenabkommen von 1953 zum großen Teil erlassen. Die internationale Anerkennung des 2+4-Abkommens statt eines eigentlich vorgesehenen Friedensvertrags hat Deutschland nicht bloß ein zweites Versailles, sondern überhaupt angemessene Entschädigungszahlungen für die Zerstörung des Kontinents erspart. Ein großer Schuldenerlass für Griechenland ist dagegen – um es in der Sprache der „Märkte“ zu sagen – „peanuts“.“

http://appell-hellas.de/

 

Ablauf der Verhandlungen + Lügen der Institutionen

 

Das Verhalten von Tsipras hat nämlich einen Beweis erbracht. Die Gläubiger sind unter keinen Umständen bereit, auch nur irgend einen Kompromiss mit der derzeitigen griechischen Regierung zu vereinbaren. Das Manöver von Tsipras am Mittwoch, die Kürzungsbedingungen der Gläubiger im wesentlichen zu akzeptieren, hat das gezeigt.

Es hat auch gezeigt, dass die Behauptung der Geldgeber, sie hätten eine Umstrukturierung der Schulden sowie ein dickes Investitionsprogramm angeboten, nicht ernst gemeint war. Denn sonst hätten sie am Mittwoch den Handschlag gesucht. Die Gläubiger haben sogar öffentlich gelogen, als sie behaupteten, ein solches Angebot hätte es gegeben. Der SPD Chef Sigmar Gabriel wiederholte die dreiste Unwahrheit in der Sondersitzung des Bundestages am Mittwoch.

Ein anderes SPD-Mitglied, der Chef des Instituts für Makroökonomie (IMK), Gustav A. Horn, stellt nun klar, der Chef der Sozialdemokraten hat sich mindestens an einer Legendenbildung beteiligt. Auf Facebook schreibt Horn:

Unsere Überprüfung der uns vorliegenden Dokumente zu den Verhandlungen zwischen und den Institutionen sowie der Eurogruppe haben folgendes Bild ergeben.

1. Es gab den offiziellen Vorschlag das zweite Hilfsprogramm bis November zu verlängern.

2. Der Wert wird mit rund 15 Mrd. beziffert, was falsch ist, da es sich um teilweise problematische Umschichtungen handelt, bei dem Geld, das eigentlich für die Bankenrekapitalisierung vorgesehen war, zum Abtrag der Schulden beim IMF benutzt werden sollte.

3. Es hat nie ein offizielles Angebot über ein 35 Mrd. Investitionsprogramm gegeben. Man hat Griechenland informell nur eine erleichterte Nutzung bestehender Programme zugesagt. Die Erleichterung besteht in einem geringeren Kofinanzierungsbeitrag, den Griechenland aber auch nicht leisten kann.

4. Es gab nie ein offizielles Angebot einer Umstrukturierung der Schulden. Es gab informelle Bemühungszusagen, sich um solche Gespräche in Zukunft zu bemühen.

Fazit: Hier werden Legenden gestrickt. Aber wenn diese Angebote tatsächlich ernst gemeint waren, kann man sie am Montag ja wiederholen.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26647

Martin Schulz und vor allem Vertreter der deutschen Regierung haben in vielen Interviews behauptet, weder Rentenkürzungen noch die Erhöhung der Mehrwertsteuer sollten in Griechenland durchgesetzt werden. Diese Behauptungen halten einer Überprüfung der Dokumente (siehe unten) nicht Stand. Allerdings wird, wie oft von Kritikern behauptet,  der ermäßigte Steuersatz  von 6%  auf pharmazeutische Produkte nach dem Vorschlag der Geberländer nicht erhöht. Der Vergleich der drei entscheidenden Positionspapiere (siehe unten) schafft Aufklärung

◾Am Anfang steht ein überarbeiteter, aktuellster Vorschlag der drei Institutionen an die griechische Regierung.

◾Dann haben die drei Geberinstitutionen den darauf vorgelegten Vorschlag der griechischen Regierung massiv verändert (auch durch Streichungen).

◾Zum Vergleich steht am Ende der Vorschlag der griechischen Regierung.

Von Rudolf Hickel

Die Abfolge

1. Die griechische Regierung  hat einige wichtige der ursprünglichen Forderungen der Gläubiger akzeptiert. Durch einige Kürzungen im Rentensystem und die Änderungen bei der Mehrwertsteuererhöhung ist Tsipras von den eigenen Wahlversprechen abgewichen.

2. Darauf haben die drei Institutionen wie folgt reagiert: Ungefähr die Hälfte des griechischen Vorschlags wurde gelöscht und durch neue Maßnahmen ersetzt. Danach soll die Mehrwertsteuer nicht nur 0,7% sondern 1% des Bruttoinlandsprodukts erbringen. Es ist vorgesehen, die für den Tourismus und die Binnennachfrage wichtige Gastronomie künftig mit dem höchsten Steuersatz von 23% (anstatt 13%) zu belasten. Im Rentenbereich werden die phasenweise Einstellung der sog. solidarische Unterstützung (EKAS) gefordert und damit die Renten gekürzt. Gefordert wird auch, die Mindestrente bis 2021 einzufrieren.

3. Abgesehen von diesen Änderungen ist im derzeit letzten Vorschlag der Institutionen keine Änderung mehr vorgenommen worden. Das erklärt die Diskrepanz zum Vorschlag der griechischen Regierung vom Montag, dem 22. 6. 2015.

Das Fazit

Derzeit setzen die drei Institutionen trotz etlicher Zugeständnisse im Prinzip die seit 2010 als Gegenleistung für Finanzhilfen durchgesetzte Austeritätspolitik fort. Diese hat unbestreitbar zum Einbruch der Produktion um 25%, zum Anstieg der Arbeitslosigkeit auf über 25% (Jugendliche 50%)  und  zur steigenden Armutsquote geführt. Da die gesamtwirtschaftliche Produktion stark eingebrochen ist, hat der Anteil der Gesamtschulden am Bruttoinlandsprodukt auf über 180 % zugenommen.

Was Not tut

Drei Programmpunkte sollten in die Verhandlungen aufgenommen werden:

1. Die Kredite des IWF und der EZB, deren Rückzahlung aktuell zur Zahlungsunfähigkeit führen würde, sollten durch den Rettungsfonds (ESM) übernommen werden und langfristig refinanziert werden.

2. Ein Sofortprogramm gegen Armut mit dem Schwerpunkt medizinischer Versorgung sollte realisiert werden.

3. Gegenüber den bisherigen Finanzhilfen, die nahezu ausschließlich zur Abwicklung der Gläubigerforderungen genutzt werden,  bedarf es des Einsatzes frischen Geldes zum Aufbau der Wirtschafts- und Infrastruktur.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26629#more-26629

„Was stimmt denn nun? Was stand wirklich im Verhandlungspaket von Freitag? Dijsselbloem schweigt. Juncker hingegen, der sich um eine Verständigung in letzter Minute bemühte, hat starke Thesen in die Welt gesetzt.

Behauptung Nr. 1: Der Vorschlag enthielt „ein Wachstumsprogramm mit 35 Milliarden Euro speziell für Griechenland.“

Dafür findet sich kein Beleg. Die Offerte unter dem schönen Titel „A new start for growth and jobs“ war nicht Teil der Verhandlungen mit der Troika, sondern sollte offenbar nach dem Ja aus Athen hinzugefügt werden. Glaubt man den Dokumenten, die die Bundesregierung dem Bundestag zur Zustimmung geschickt hat, so handelt es sich auch nicht um ein Griechenland-Paket. Vielmehr geht es um förderfähige Zuschüsse, die alle EU-Länder bekommen können.

Behauptung Nr. 2: Griechenland muss seine Renten nicht kürzen.

Das ist eindeutig falsch. Schon die Rahmenvereinbarung der Gläubiger von Anfang Juni, die im Kanzleramt in Berlin ausgehandelt worden war (mit Juncker, ohne Tsipras) sah Einsparungen im Rentensystem in Höhe von einem Prozent der Wirtschaftsleistung vor.

Juncker hat sich zwar dafür eingesetzt, dies ohne direkte Kürzungen etwa bei den kleinsten Renten zu machen. Doch in den “Prior actions“, die die EU-Kommission selbst ins Internet gestellt hat, ist von einem sofortigen Abbau eines Solidaritätszuschlags (EKAS) die Rede. Auch die geforderte zügige Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 ist eine – wenn auch indirekte – Rentenkürzung.

Behauptung Nr. 3: Es waren Erleichterungen bei den griechischen Staatsschulden geplant.

In den Dokumenten findet sich davon keine Spur. Vor allem Berlin sperrte sich bis zuletzt gegen die Forderung nach einem Schuldenschnitt oder einer Umschuldung. Mehr als vage Verweise auf eine alte, nie umgesetzte Zusage der Eurogruppe von 2012, über die „Tragfähigkeit“ der Schulden zu reden, wollten die Gläubiger nicht machen.

Am deutschen Nein zu einer spürbaren Entlastung bei den Schulden hat sich bisher offenbar nichts geändert. Von einem „Kompromiss“, von dem Juncker sprach, kann also keine Rede sein. Bestenfalls hätte Tsipras noch einige kleine Details an dem Deal verändern können. Am Samstag müsse Schluss sein, warnte Kanzlerin Angela Merkel. Doch anstatt dieses Ultimatum zu erfüllen, wählte Tsipras die Flucht nach vorn – und setzte sein Referendum an.“

http://www.taz.de/Faktencheck-Griechenland/!5208233/

„Da ist erstens die Verzweiflung der griechischen Seite über die Zumutungen, die ihr im letzten Stadium der Verhandlungen, am Donnerstag letzter Woche, vorgesetzt wurden. Wie überrascht die Regierung in Athen von diesem Lauf der Dinge war, hat ein enger Mitarbeiter von Tsipras gegenüber der linken Tageszeitung Efemerida ton Syntakton (vom 27. Juni) so beschrieben: „Die griechische Regierung hat einen umfassenden und glaubwürdigen Vorschlag auf den Tisch gelegt, der am Montag auf dem Gipfeltreffen als eine sehr gute Verhandlungsgrundlage gewürdigt wurde“. Dann aber folgte am Mittwoch die „kalte Dusche“, als die Verhandlungspartner plötzlich „irrationale Vorschläge machten, die für keine griechische Regierung akzeptabel gewesen wären“.

Die Zumutungen, die als unakzeptabel empfunden wurden, betreffen zum Beispiel das Bestehen auf dem Mehrwertsteuersatz von 23 Prozent für die Gastronomie und für Hotelübernachtungen, die den Tourismussektor besonders hart treffen müssen; aber auch die Abschaffung einer minimalen Beihilfe von 200 Euro (namens EKAS) für die Bezieher von Renten weit unterhalb der Armutsgrenze. Diese Beihilfen will die Regierung ab 2018 etappenweise abschaffen, während die Gläubiger darauf bestehen, mit dem Abbau sofort zu beginnen (und verlangen, schon 2016 ein Fünftel des EKAS-Etats einzusparen). Ein dritter Punkt ist das Arbeitsrecht, das als Konfliktherd eigentlich schon neutralisiert war. Hier fordern die Partner, dass die Regierung keine ihrer (angekündigten) Gesetzesänderungen ohne einhellige Zustimmung aller drei Institutionen vornehmen darf.

Die Summe dieser Forderungen (eine genaue Liste wurde von der Kathimerini vom 26. Juni dokumentiert) wirkten auf die Syriza-Vertreter wie die Aufforderung zu einer bedingungslosen Kapitulation, also zur Aufgabe noch der allerletzten Positionen ihres Wahlprogramms. Und das vor dem Hintergrund, dass die Regierung in den Verhandlungen – auch unter dem Druck der stagnierenden Konjunktur und der sinkenden Steuereinnahmen – mindestens schon 75 Prozent ihrer ursprünglichen Vorstellungen für eine „soziale Abfederung“ der Krisenfolgen aufgegeben hatte (wie Finanzminister Varoufakis ehrlicherweise erklärt hat).

Entscheidend für die Ablehnung der Troika-Position war aber nicht eine dieser neuen und verschärften Forderungen, sondern eine Nicht-Aussage:

Zu keinem Zeitpunkt waren die „Partner“ bereit, eine Diskussion über das Thema „ Schuldenentlastung“ zuzusagen, geschweige denn konkrete Entlastungsangebote auszusprechen. Wäre eine solche Aussage gekommen, hätte die Regierung Tsipras der Syriza und der Parlamentsfraktion fast jedes weitere Zugeständnis an die Gläubiger weit eher „verkaufen“ können.

Wie entscheidend diese Frage ist, belegt nicht zuletzt die Propagandaschlacht, die seitdem ausgebrochen ist. Seit gestern wurde aus Berlin und Paris und aus Brüssel auffällig heftig beteuert, Merkel und Hollande hätten in ihren letzten Telefonaten mit Tsipras – vor dessen Referendums-Entscheidung – eine Diskussion über die Frage der Schuldenerleichterung verbindlich zugesagt. Und die EU-Kommission verstand sich sogar zu einer offiziellen Mitteilung an das griechische Volk, in der sie „im Geiste der Transparenz“ die letzten Gesprächsangebote der drei Institutionen offenlegt. Danach wurden der griechischen Seite noch mehrere Konzessionen gemacht, darunter die Minderung der Mehrwertsteuer für Hotel-Übernachtungen von 23 auf 13 Prozent und ein flexiblerer Termin für den Beginn der Maßnahmen gegen massenhafte Frühverrentungen.

Der wichtigste Punkt dieser Mitteilung ist jedoch folgender Satz über den Stand der Dinge am Abend des 27. Juni: „Es bestand die gemeinsame Auffassung aller beteiligten Seiten, dass diese Sitzung der Eurogruppe eine umfassende Übereinkunft über Griechenland erzielen sollte, … die (auch) die künftigen Finanzierungsbedürfnisse wie auch die Tragfähigkeit (viability) der griechischen Schulden abdecken sollte.“ Ferner habe dieser Vorschlag auch ein Paket mit Maßnahmen zur ökonomischen Entwicklung und zur Beschäftigungspolitik enthalten (Wiedergabe des Inhalts nach Kathimerini vom 28. Juni).

Zu dieser Mitteilung aus Brüssel ließ ein Sprecher von Tsipras allerdings verlauten, ein Text dieses Inhalts sei der Athener Regierung niemals zugestellt worden. Das „Ultimatum“ das der griechischen Delegation in Brüssel am 25. Juni von Eurogroup-Chef Dijsselbloem gestellt wurde, habe immer noch die 23 Prozent MWS für Übernachtungen enthalten.: „Wenn es am folgenden Tag eine Änderung der Position gegeben hat, ohne dass dies der griechischen Regierung offiziell übermittelt wurde, ist dies ein Thema, das die Institutionen betrifft.“

Wer wann was und wem übermittelt hat, werden irgendwann die Historiker herausfinden. Zu einem vorläufigen Urteil kommt allerdings der „Guardian“, der gestern in seiner Analyse der Ereignisse feststellte: „Die Europäische Kommission sagte gestern – zum ersten Mal in der Krise – dass sie Griechenland eine Schuldenentlastung anbieten wollte, was die zentrale Forderung von Tsipras während fünf Monaten stagnierender Verhandlungen gewesen war.“ Wenn es diese „potentielle Konzession“ gegeben hat, sei sie jedenfalls zu spät gekommen, stellt der Guardian fest.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26609#more-26609

„Martin Schulz und sein Parteichef Sigmar Gabriel haben gestern und heute über die Medien ihr Erstaunen zum Ausdruck gebracht, dass die griechische Delegation am Samstag ein angeblich „neues Angebot“ mit weitreichenden „neuen“ Zugeständnissen überhaupt nicht verhandeln wollte. Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen, hat sich dieses „neue Angebot“ einmal anschaut und mit den „alten Angeboten“ verglichen – „neu“ ist an diesem Angebot so gut wie nichts und „weitreichende Zugeständnisse“ sind auch nicht zu entdecken. Schulz und Gabriel erzählen Märchen und stricken an einer Legende, die mittlerweile die Lesart der deutschen Öffentlichkeit bestimmt

Ich erkenne auch keine Punkte, die auf eine „Umschuldung“ oder ein „Abfedern sozialer Härten“ hinweisen. Dafür sind die Mehrwertsteuererhöhungen, die laut Martin Schulz ja gar nicht mehr gefordert werden, sehr wohl eine zentrale Forderung. Sicherlich kennen auch die Herren Schulz und Gabriel die beiden Dokumente. Wenn Sie trotz besseren Wissens vorsätzlich Falschbehauptungen aufstellen, so handelt es sich dabei um handfeste Lügen

Für die Beurteilung der Tragweite der neuesten Vorschläge, muss man die Vorgeschichte kennen: Ursprünglich hatte die griechische Regierung bereits eingelenkt und die ursprünglichen Forderungen der Gläubiger weitgehend akzeptiert. Tsipras hat zentrale Wahlversprechen über Bord geworfen und durch Einsparungen im Rentensystem und höhere Mehrwertsteuer ersetzt. Und wie reagierten die Troika-Institutionen auf dieses Entgegenkommen? Sie setzten den Rotstift an und schrieben die Vorschläge der griechischen Regierung um. Etwa die Hälfte des griechischen Textes wurde gelöscht und durch neue Maßnahmen ersetzt. So hat die EU-Behörde etwa das jährliche Einnahmeziel bei der Mehrwertsteuer deutlich erhöht (von rund 0,7% auf 1% des BIP) und die für den Tourismus wichtigen Restaurants der höchsten Steuerkategorie von 23% (anstatt 13%) zugeordnet. Auch die Sparmaßnahmen bei den Renten sollten aus Sicht der Kommission vorgezogen und verschärft werden. So verlangten die drei Institutionen, dass die Mindestrente bis 2021 eingefroren werden soll.

Im “ZDF Heute Journal” hat der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, gestern für diesen neuen Vorschlag an die griechische Regierung geworben. Schulz behauptete, dass im überarbeiteten Paket keine Mehrwertsteuererhöhung und keine Kürzung der Mindestrenten mehr enthalten seien.

Ein Vergleich der Vorschläge der drei Institutionen zeigt jedoch, dass das neue Paket weiterhin eine effektive Rentenkürzung enthält sowie lediglich Hotels von der Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf 23% entbindet. Für Restaurants und Gastronomie, die eine wichtige Rolle für den Tourismus und die Binnennachfrage spielen, soll die Mehrwertsteuer weiterhin auf 23% erhöht werden. Die Rentenkürzung wird durch die schrittweise Einstellung der solidarischen Unterstützung (sog. EKAS) vollzogen. Der Wegfall dieser Zulage bedeutet weniger Geld für Rentner. Ansonsten ist der Vorschlag der Institutionen in der letzten Woche unverändert geblieben.

Während Athen letzte Woche den Gläubigern mit umfassenden Zugeständnissen die Hand gereicht hat, reichen die Institutionen der griechischen Regierung höchstens den kleinen Finger. Auch das neueste Angebot der Institutionen ist nur die Fortführung der gescheiterten Austeritätspolitik.“

http://www.nachdenkseiten.de/?p=26591

 

Mythen und Fakten

 

Von Fabio di Masi:

Ein "Nein" der Griechen zu weiteren sinnlosen Kürzungen ist die vielleicht letzte Chance, die Demokratie in Europa gegen die Herrschaft von Banken und Konzernen zu verteidigen. Allerdings schüren die Gläubiger Angst, indem die EZB die Kreditversorgung der griechischen Banken einfror. Diese mussten nun vorerst schließen.

Die Institutionen behaupten, sie hätten ein großzügiges Angebot vorgelegt. Das ist eine Lüge. Sie wollen die neue griechische Regierung stürzen und die alten korrupten Eliten wieder in den Sattel heben. Wir dokumentieren hier Mythen und Fakten über Griechenland und die Verhandlungen.

1. Gescheiterte Kürzungspolitik: Wirtschaft kaputt, Jobs vernichtet, Schulden explodiert

Griechenland hat laut OECD das härteste Kürzungsprogramm einer Industrienation seit dem 2. Weltkrieg durchgeführt.

Seither ist die Wirtschaft um 25% geschrumpft, die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftskraft sind von etwa 109% in 2008 auf 180% in 2015 explodiert, die Arbeitslosigkeit auf über 26% gestiegen – jeder zweite Jugendliche ist ohne Job.

Die Löhne sind im Schnitt um 25% gesunken. Über 30% der Griechinnen und Griechen verfügen über keine Krankenversicherung mehr, Kinder gehen hungrig zur Schule.

Die griechische Leistungsbilanz wurde ausgeglichen, nicht weil die griechischen Exporte gestiegen sind - es kam vielmehr zu einem Rückgang von 58,6 Mrd. Euro in 2008 auf 56,3 Mrd. Euro in 2014 -, sondern weil die Importe Griechenlands massiv von 91,3 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf 60,6 Mrd. Euro im Jahr 2014 eingebrochen sind.

Von der Privatisierung von Staatseigentum zu Ramschpreisen mit oft nur einem Bieter haben internationale Konzerne und die Vermögenden in Griechenland profitiert.

Bei der Korruptionsbekämpfung und im Steuervollzug wurden von der konservativen Nea Demokratia und der sozialdemokratischen Pasok keine nennenswerten Reformen umgesetzt. Im Gegenteil, die Kürzungen im öffentlichen Dienst haben vieles schlimmer gemacht und Griechenland stürzte im Korruptionsindex von Transparency International ab.

Die Rettungskredite von etwa 226,7 Milliarden Euro flossen nicht an griechische Rentner oder Krankenschwestern, sondern etwa zu 90% an den Finanzsektor – insbesondere deutsche, französische und griechische Banken.

Bislang flossen sogar 360 Millionen Euro an Zinsen in den Bundeshaushalt. Zudem profitiert Finanzminister Schäuble von niedrigen Zinsen auf deutsche Staatsanleihen, weil Deutschland in der Krise als sicherer Hafen für Investoren gilt und die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen auf den Märkten drückt. Dies hat Deutschland Einsparungen in Milliardenhöhe gebracht.

DIE LINKE und SYRIZA waren gegen die „Rettungskredite“ und haben einen Schuldenschnitt gefordert, bevor die Schulden des griechischen Staates bei den Rettungsfonds bzw. Steuerzahlern liegen. Nur das Einlagen- und Kreditgeschäft der Banken sowie die Forderungen der Rentenkassen hätte man sichern müssen.

Die Troika und die Bundesregierung haben somit Milliarden Steuergelder verschwendet und gleichzeitig dafür gesorgt, dass Griechenland kein Einkommen mehr erwirtschaftet und somit die Schulden nicht bedienen kann.

2. Von „kompromisslosen Griechen und „großzügigen Angeboten“

Griechenland braucht eine Umschuldung und Investitionen, damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, sich das Land erholen und seine Schulden langfristig bedienen kann.

Die SYRIZA-Regierung wollte deshalb ursprünglich kein drittes Hilfspaket, das die Kürzungspolitik fortschreibt, aber neue Kredite zur Ablösung alter Schulden beinhaltet.

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hatte eine Streckung der Schulden bzw. die Kopplung der Schuldentilgung an die Wachstumsrate vorgeschlagen – um Ressourcen für Investitionen und für humanitäre Sofortmaßnahmen frei zu machen. Ähnliche Vorschläge für einen Altschuldentilgungsfonds gab es von der deutschen Wirtschaft.

Die Institutionen und die Euro-Gruppe haben am 20. Februar 2015 aber nur einer Verlängerung des zweiten Griechenlandprogramms bis zum 30. Juni 2015 zugestimmt. Um die verbliebenen Mittel zu erhalten, haben die Gläubiger weiter Kürzungsmaßnahmen und Liberalisierungs-Reformen von der griechischen Regierung verlangt.

Die Forderungen der Gläubiger beinhalten verbindliche, aber vollkommen unrealistische Ziele für einen Primärüberschuss (Überschuss vor Zinsen) im Haushalt, Mehrwertsteuererhöhungen sowie Rentenreformen/-kürzungen.

Die Institutionen fordern Mehrwertsteuererhöhungen von 1% vom BIP pro Jahr, durch die Abschaffung von günstigeren Steuersätzen für einzelne Produkte und Regionen. So sollen u.a. verarbeitete Lebensmittel, Restaurants und Catering, sowie ursprünglich auch Hotels mit 23% anstatt mit 13% besteuert werden sowie die Mehrwertsteuerrabatte auf den wirtschaftlich schlecht angebundenen Inseln abgeschafft werden. Ein Anschlag auf die Wettbewerbsfähigkeit des griechischen Tourismussektors und wirtschaftspolitisch im Gegensatz zum angeblichen Ziel, Griechenland "wieder wettbewerbsfähig zu machen".

Im Rentensystem werden Strukturreformen gefordert, die zu Kürzungen von 0,25% vom BIP in 2015 und 1% vom BIP in 2016 führen sollen. So soll die Solidaritätsrente (EKAS) für die obersten 20% der Leistungsempfänger sofort, und für alle Rentner bis 2019 abgeschafft werden, die Krankenkassenbeiträge von durchschnittlich 4 auf 6% erhöht und auch auf Zusatzrenten erhoben werden und die Möglichkeiten der Frühverrentung bis auf wenige Ausnahmen sofort abgeschafft werden.

Die griechische Regierung hat weitgehende Kompromissvorschläge vorgelegt, in denen sie viele Forderungen der Institutionen entgegen des Thessaloniki-Programms von SYRIZA akzeptiert, so z.B. einen Primärüberschuss von 1% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in 2015 und 2% des BIP in 2016, Änderungen bei der Mehrwertsteuer mit Mehreinnahmen von knapp 1% vom BIP und weitgehende Rentenreformen.

Der Vorschlag der griechischen Regierung zur Erhöhung der Unternehmensbesteuerung von 26 auf 29%, wurde von den Institutionen auf 28% gesenkt, eine Sonderabgabe für Unternehmen mit einem Gewinn von über 500.000 Euro im Jahr als „wachstumsfeindlich“ ganz abgelehnt.

Gleichzeitig fordern die Institutionen aber eine jährliche 100% Steuervorauszahlung für alle Unternehmen.

Martin Sandbu in der Financial Times hat geschätzt, dass bei Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen zum Erreichen eines Primärüberschusses in 2015 von 1%, die griechische Wirtschaft erneut um 5% schrumpfen und die Schuldenquote um 9% steigen würde.

Zahlreiche Experten unterstützen die Position der griechischen Regierung und haben sie dazu aufgefordert, das Angebot der Institutionen nicht zu unterschreiben. Darunter etwa die US-amerikanischen Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und Paul Krugman, der französische Star-Ökonom Thomas Piketty, der UN Sonderberater und US Ökonom Jeffrey Sachs, der frühere Leiter des irischen IWF-Programms Ashoka Mody, die Kolumnisten der Financial Times Wolfgang Münchau und Martin Wolf, der frühere stellvertretende italienische Wirtschafts- und Finanzminister und Sozialdemokrat Stefano Fassina, der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung Gustav Horn und viele mehr.

3. „Wenn es eng wird, musst du lügen“ (Jean-Claude Juncker) - Mythen, Lügen, Fakten

Das Angebot der Gläubiger hat keine Rentenkürzungen beinhaltet. (Jean-Claude Juncker, 29.06.2015)

Fakt: Der rentenpolitische Teil der Forderungen beinhaltet die schrittweise Abschaffung der Solidaritätszulage EKAS, einer Zusatzrente für diejenigen, die mit allen Einkünften unter einer gewissen Schwelle liegen, für alle Rentner bis Ende 2019, für die oberen 20% der Leistungsempfänger mit sofortiger Wirkung. Zusätzlich zu diesen direkten Kürzungen wird die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Rentner auf durchschnittlich 6% gefordert, sowie deren Erhebung auch auf privat durch die Beschäftigten angesparte Zusatzrenten, die für einen Durchschnittsrentner knapp 20% der Bezüge ausmachen. Zusatzrentenkassen sollen rückwirkend zum 1.1.2015 nur noch aus Beiträgen finanziert werden, wodurch diese dann ebenfalls gekürzt werden müssen. Griechenland soll zudem Maßnahmen umsetzen, die zu „Einsparungen“ im Rentensystem von 0,25% des BIP in 2015 und 1% des BIP in 2016 ermöglichen, welche so kurzfristig nur über Leistungskürzungen zu erbringen sind. Die Regelungen zur Frühverrentung sollen ab Juni 2015 mit wenigen Ausnahmen abgeschafft werden.

Die Griechen leisten sich auf Kosten der Deutschen höhere Renten als hierzulande. Das griechische Rentensystem ist überdimensioniert und unbezahlbarer Luxus. (u.a. Welt 23.03.2015)

Fakt: Laut OECD liegt die Rente für einen Durchschnittsverdiener in Griechenland in 2012 bei knapp über 900€. Der gleiche Wert in Deutschland beträgt gut 1550€. Vergleiche deutscher Medien, die zu einem anderen Ergebnis kommen, rechnen z.B. die deutschen Renten klein indem staatlich begünstigte Teile wie die Riester-Rente oder die betriebliche Altersversorgung ausgenommen werden. Der Durchschnitt verdeckt zudem, dass in Griechenland gut 45% der Rentner weniger als die von Eurostat für Griechenland genutzt Armutsschwelle von 665€ erhalten. Mehr als zwei Drittel der Rentner bekommen weniger als 800€. Durch die Krise leben außerdem oftmals ganze Familien von einzelnen Renten. Die Arbeitslosenunterstützung erhalten in Griechenland nur knapp 15% aller Menschen ohne Arbeit.

Das griechische Rentensystem steht unter anderem deshalb unter Finanzproblemen, da im Zuge des Schuldenschnitts 2012 ca. 25 Mrd. Euro an Rücklagen verloren gingen sowie die Beiträge im Zuge der Krise aufgrund gestiegener Arbeitslosigkeit massiv eingebrochen sind. Zudem sind durch Frühverrentungen im Zuge des Stellenabbaus im öffentlichen Dienst die Ausgaben angestiegen.

Das Renteneintrittsalter in Griechenland liegt bei 56 Jahren im Gegensatz zu 64 Jahren in Deutschland. (Wolfgang Bosbach, 14.06.2015)

Fakt: Laut OECD liegt das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Griechenland bei 61,9 Jahre für Männer und 60,3 Jahre für Frauen. In Deutschland gehen Männer mit 62,1 und Frauen mit 61,6 Jahren in Ruhestand. Im öffentlichen Sektor ist das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Griechenland niedriger, da Personalabbau in den vergangenen Jahren oft über Frühverrentung abgewickelt wurde.

Die Gläubiger haben Griechenland ein umfassendes Investitionspaket angeboten. (Sigmar Gabriel, 29.06.2015)

Fakt: Für 2007-2013 standen Griechenland, wie anderen Mitgliedsstaaten auch, insgesamt 38 Mrd. EUR aus verschiedenen europäischen Förderprogrammen zu, die die Regierung aber nicht voll abrufen konnte, da auf Grund der Kürzungsmaßnahmen die notwendigen Mittel zu Ko-Finanzierung aufgebracht werden konnten. Für 2014-2020 beträgt der Anteil für Griechenland an den europäischen Programmen 35 Mrd. EUR. Hierbei handelt es sich nicht um zusätzliche Investitionen für die depressive griechische Wirtschaft. Diese Mittel stünden Griechenland ohnehin zu, könnten aber weiterhin nicht abgerufen werden.

Griechenland würde eine Umschuldung angeboten. (Jean-Claude Juncker, 29.06.2015)

Fakt: Es gibt kein Angebot, zur Umstrukturierung der griechischen Staatsschulden, sondern lediglich eine Bekräftigung der Aussage von 2012, die griechische Schuldenlast nach dem Sommer zu prüfen.

Die Ankündigung des Referendums war lediglich ein "Manöver der griechischen Regierung [um] weitere Zeit zu gewinnen und in der Zwischenzeit weitere Finanzmittel ohne Gegenleistung von Reformen zu erhalten" [Brief von Wolfgang Schäuble an die Abgeordneten des Bundestags vom 29.06.2015]

Fakt: Seit der Amtsübernahme SYRIZAs sind keine der aus dem 2. Griechenlandprogramm verbleibenden Mittel ausgezahlt wurden. Selbst die von der Vorgängerregierung zu viel überwiesenen Mittel zur Rekapitalisierung von Banken werden weiterhin einbehalten. Die Regierung hat hingegen seit Februar 2015 3,44 Mrd. Euro an Schuldendienst (Zinsen und Tilgung) an den IWF geleistet.

Bereits im März hat Finanzminister Varoufakis die Möglichkeit eines Referendums ins Spiel gebracht, sollte die Euro-Gruppe die griechischen Reformpläne nicht akzeptieren. Das Referendum ist also kein „Trick“ um Zeit zu schinden, sondern eine lang kommunizierte Möglichkeit, für den Fall, dass die Verhandlungen scheitern. Noch im Mai hielt Bundesfinanzminister Schäuble selbst ein Referendum für „sinnvoll“.

Deutsche Rentner und Arbeitslose zahlen dafür, dass griechische Millionäre keine Steuern bezahlen. (Sigmar Gabriel, 22.06,2015)

Fakt: Der überwiegende Teil (über 90%) der Gelder aus den Griechenlandprogrammen ging an die Gläubiger, bzw. wurde für die Rekapitalisierung der Banken verwendet, diente also vor allem der Rettung deutscher, französischer und griechischer Banken. Deutsche Rentner und Arbeitslose haben daher nicht für Griechenland gezahlt, sondern für die Bankenrettung der Bundesregierung und der Troika.

Die von der Bundesregierung vergebenen Kredite und Garantien sind für den Staatshaushalt vor allem dann eine Belastung, wenn Griechenland wegen der Kürzungspolitik kein Einkommen erwirtschaftet, nicht umschulden kann und einseitig den Zahlungsausfall erklären muss. Selbst in dem Fall wäre es die politische Entscheidung der Bundesregierung bei Rentnern und Arbeitslosen zu kürzen statt durch eine Vermögensabgabe die Profiteure der Krise an den Rettungskosten zu beteiligen.

Dem griechischen Finanzministers Varoufakis stehen zudem nach seiner Aussage durch die Kürzungsprogramme der letzten Jahre nur noch ca. 100 Steuerfahnder zu Verfügung. NRW allein verfügt über mehr als 5000 und hat mit der griechischen Regierung ein Kooperationsabkommen vereinbart. Ermittlungen gegen Steuerhinterziehung und Ermittlungen gegen die auf der Lagarde-Liste genannten prominenten Steuerhinterziehern aus Politik und Wirtschaft wurden erst unter der neuen Regierung angegangen.

"Die finanzielle Solidarität [Europas] hat es Griechenland ermöglicht, ein letztlich nicht selbst erwirtschaftetes Wohlstands- und Versorgungsniveau zu einem gewissen Grade aufrechtzuerhalten." ["Allein die Vereinbarungen mit den privaten Gläubigern Anfang 2012, die effektiv auf weit mehr als die Hälfte ihrer Forderungen verzichtet haben, hat Griechenland um 100 Mrd. Euro entlastet."](Wolfgang Schäuble)

Fakt: Aus dem ersten Griechenlandprogramm von 73 Mrd. Euro wurden 37,1 Mrd. Euro für die Tilgung mittel- und langfristiger Schulden sowie 10 Mrd. Euro zur Unterstützung des Bankensektors verwendet. Von den bislang ausgezahlten 153,7 Mrd. Euro des zweiten Griechenlandprogramms flossen 34,6 Mrd. Euro im Rahmen des Schuldenschnitts an private Gläubiger, 48,2 Mrd. Euro wurden zur Bankenrekapitalisierung verwendet und 38,2 Mrd. Euro für die Tilgung fällig werdender Staatsanleihen. Außerdem hat Griechenland zwischen 2011 und 2014 40,1 Mrd. Euro an Zinsen gezahlt. Von den Insgesamt ausgezahlten 226,7 Mrd. Euro gingen also 208,2 Mrd. Euro (mehr als 90%) an Banken und Gläubiger.

"Für Griechenland [war] im Laufe des vergangenen Jahres nach zahlreichen Schwierigkeiten in der Umsetzung der Reformprogramme ein erfolgreicher Abschluss der externen Hilfen und ein Verzicht auf weitere Hilfen in greifbare Nähe gekommen."(Wolfgang Schäuble)

Fakt: Selbst der konservative Ökonom, Hans Werner Sinn, hat im Deutschlandfunk auf die Frage, ob die griechische Wirtschaft vor der Wahl SYRIZAs nicht wieder auf Wachstumskurs gewesen wäre geantwortet, „Das halte ich für ein Märchen.“ Die griechische Wirtschaft war in 2014 zwar real um 1 % gewachsen, aber nur weil das Preisniveau schneller gesunken ist als die Produktion – ein statistischer Effekt. Die Entwicklung der Industrieproduktion und Kreditvergabe war weiter negativ. Das griechische Bruttoinlandsprodukt ist auch 2014 nominal um 1,2 % gefallen, im 6. Jahr in Folge.

"Die Institutionen sind Griechenland zuletzt noch einmal entgegen gekommen bei den bereits vereinbarten Haushaltszielen, beim Umfang der Rentenreformen, bei der Reform des Mehrwertsteuersystems und bei eigentlich dringend erforderlichen Arbeitsmarktreformen." (Wolfgang Schäuble)

Die Institutionen sind Griechenland weit entgegen gekommen und haben ein großzügiges Angebot vorgelegt. (Angela Merkel und andere)

Fakt: Die griechische Regierung hat gegenüber den Institutionen am 4. Juni weitreichende Zugeständnisse gemacht, die das Thessaloniki-Programm beerdigen und Mehrwertsteuererhöhungen, Rentenkürzungen und völlig unrealistische Primärüberschüsse beinhalten. Aus diesem weitgehenden Kompromissvorschlag haben die Institutionen einige kleine Punkte übernommen.

Als Gegenleistung für die Annahme und Umsetzung der geforderten rezessiven Maßnahmen durch die griechischen Regierungen, haben die Institutionen die Verlängerung des 2. Griechenlandprogramms bis November 2015 angeboten, mit einer Auszahlung von insgesamt 15,5 Mrd. EUR aus den verbliebenen Mitteln zu Deckung der fällig werdenden Zinsen und Tilgungen. Dieses als Entgegenkommen, bzw. als „großzügiges Angebot“ zu bezeichnen, ist mehr als zynisch.

Die Griechische Regierung hat sich geweigert, die Militärausgaben zu kürzen.

Fakt: Der IWF hat sich zunächst gegen die von der griechischen Regierung vorgeschlagene Kürzung der Militärausgaben um 200 Millionen Euro gesperrt. Die griechische Regierung hatte bereits alle Rüstungsvorhaben eingefroren. Eine Kommission soll die Korruption im Rüstungssektor aufklären, in die unter anderem führende deutsche Rüstungskonzerne und ehemalige Bundestagsabgeordnete der SPD verwickelt sind. Dann verlangten die Institutionen Kürzungen von 400 Millionen Euro, mit Entlassungen von Soldaten, die somit zu zusätzlicher Arbeitslosigkeit führen würden.

http://www.fabio-de-masi.de/de/article/504.die-griechenland-l%C3%BCge-der-faktencheck.html

Download (Griechenland Lügencheck)

EU am Ende

Diese EU ist am Ende. Ein EU-Kommissionschef, der offen Lügen verbreitet, ein EU-Parlamentspräsident, der offen bekennt, dass er nicht bereit ist, ein Volk frei seine Regierung wählen zu lassen, eine europäische Notenbank, die mit Euro-Entzug droht, wenn ihr ein Wahlergebnis nicht passt. Wer soll ein solches Monster noch wollen.“

http://norberthaering.de/de/#weiterlesen

 

Nein!

 

„Die griechische Regierung sieht das Referendum des kommenden Sonntags nicht als „Abbruch der Verhandlungen“ sondern als einen demokratischen Weg, ihre Verhandlungsposition im Euroraum zu stärken. Das betont Finanzminister Varoufakis in einem Blogeintrag (hier), über den zahlreiche griechische aber auch schweizerische und österreichische Medien, nicht aber die deutschen Leitmedien berichten. Hier die Übersetzung und eine kurze Analyse.

Gianis Varoufakis: Warum wir ein NEIN beim Referendum empfehlen - in 6 Punkten

"1. Die Verhandlungen sind ins Stocken geraten weil unsere Kreditgeber (a) es abgelehnt haben, unsere untragbare öffenliche Schulden zu reduzieren und (b) darauf bestanden, dass diese „parametrisch“ von den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft , ihren Kindern und Enkeln zurückgezahlt werden müssen.

2. Der IWF, die US-Regierung, viele Regierungen rund um den Globus und die meisten unabhängigen Ökonomen sind - wie wir - davon überzeugt, dass die Schulden umstrukturiert werden müssen.

3. Die Eurogruppe hat vor kurzem (November 2012) eingestanden, dass die Schulden umstrukturiert werden müssen, verweigert das aber jetzt.

4. Seit Ankündigung des Referendums hat das offizielle Europa signalisiert, dass es bereit ist über eine Restrukturierung zu diskutieren. Diese Signale zeigen, dass das offizielle Europa ebenfalls NEIN zu seinem „finalen“ Angebot sagen würde.

5. Griechenland wird im Euro bleiben. Die Bankeinlagen sind sicher. Die Kreditgeber haben eine Erpressungs-Strategie gewählt, die auf Bankschließungen beruht. Die gegenwärtige Sackgasse geht auf die Wahl der Kreditgeber zurück und nicht auf die Entscheidung der griechischen Regierung, die Verhandlungen nicht fortzuführen oder griechische Vorstellungen von Grexit und Abwertung. Griechenlands Platz in der Eurozone und in der EU sind nicht verhandelbar.

6. Die Zukunft braucht ein stolzes Griechenland in der Eurozone und im Herzen von Europa. Diese Zukunft verlangt, dass die Griechen am Sonntag ein großes NEIN sagen, dass wir in der Eurozone bleiben und dass wir mit der Kraft, die uns dieses Nein verleiht, Griechenlands Staats-Schulden neu verhandeln sowie die Verteilung der Lasten zwischen Besitzenden und Habenichtsen."

Diese und viele vergleichbaren Verlautbarungen von Tsipras und anderen griechischen Ministern zeigen, welche perfide Strategie von Schäuble, Merkel und insbesondere auch Gabriel es ist, das Referendum zu einer Wahl zwischen Euro und Drachme umzudeuten. Diese Strategie wird im übrigen auch von den griechischen Leitmedien und Privatkanälen, die den Oligarchen gehören, geteilt. Selbstverständlich blasen auch die abgewirtschafteten und abgewählten alten Partnerparteien von CDU und SPD sowie die Ersatzsozialisten von Potami ins selbe Horn. Sie hoffen, mit deutscher Hilfe wieder an die Fleischtöpfe zu gelangen. Samaras von der ND will eine „Regierung der Nationalen Einheit“ und Theodorakis von Potami dient sich seit Monaten als alternativer Koalitionspartner an. Bei einem JA wären auch Neuwahlen nicht auszuschließen.

Waffe und Druckmittel der JA-Sager ist natürlich die von der EZB erzwungene Bankenschließung. Die verständliche Angst der Bürger um ihre Spareinlagen und Renten hat dazu geführt, dass die Zustimmung zum NEIN in einer aktuellen Umfrage von 57% auf 46% zurückgegangen ist. (Diejenigen Bürger die jetzt „einknicken“, wollen weder die Fortsetzung der gescheiterten Austeritätspolitik noch den Sturz von Syriza. Wie ich an dieser Stelle schon berichtete, will die große Mehrheit der Griechen Syriza und den Euro. Sie sehen sich vor die Wahl "Pest oder Cholera“ gestellt und verstehen, dass die Weigerung, mit der jetzigen Regierung vor dem Referendum weiterzuverhandeln, nichts anderes ist als die schamlose, unverblümte Drohung, das auch nach dem Referendum bei einem unerwünschten Ausgang zu tun. Eine rechtliche Grundlage gibt es dafür allerdings nicht. Neue Kompromissvorschläge  liegen bereits auf dem Tisch.

Im übrigen sind durchaus nicht alle „Partnerländer“ derselben Meinung. Sowohl der Franzose Hollande als auch der Italiener Renzi haben den Abschluss einer Vereinbarung vor dem Referendum gefordert. Offensichtlich sind sie mehr am unbeschädigten Weiterbestand der Eurozone interessiert als Deutsche und Holländer. Dass ein erzwungener Grexit auch für andere Euro-Länder eine große Gefahr darstellen kann, ist jedem Ökonomen ohne ideologische Scheuklappen eine Selbstverständlichkeit.“

http://norberthaering.de/de/27-german/news/424-brief-oxi#weiterlesen

„Alexis Tsipras hat eine mutige und richtige Entscheidung getroffen. Griechenlands Verhandlungen mit den "Institutionen" waren sinnlos geworden. Verarmt und entmündigt zur gleichen Zeit? Ohne Aussicht auf Besserung? Das war ein bisschen viel. Jetzt wehren sich die Griechen. Gut so! Das Europa von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds IWF und Europäischer Zentralbank ist nicht mein Europa….

Ein anderes Europa aber wird ihnen nicht angeboten. Und wenn es nach den "Institutionen" geht, dann bleibt das auch so. Darum haben sie mit Griechenland das veranstaltet, was der US-Amerikaner Paul Krugman einen "umgekehrten Corleone" nennt: Sie haben Alexis Tsipras ein Angebot gemacht, das er nicht annehmen konnte.

Es kann keinen Zweifel geben: Tsipras soll aus dem Amt gedrängt werden. Er ist der einzige, der sich dem Dogma der Austerität entgegenstellt. Er kämpft gegen eine Politik, in deren Folge die Ungleichheit in vielen Ländern zugenommen hat. Seine Regierung hat sich vorgenommen, die zügellose Macht des Geldes einzuhegen. Kein Wunder, dass der Mann ein Balken im Auge des neoliberal beherrschten Kontinents ist.“

http://www.spiegel.de/politik/ausland/augstein-zu-griechenland-nein-zum-referendum-kolumne-a-1041705.html

„Die bisherige Europapolitik der "Institutionen" ist nicht nur ausgesprochen unsozial, ökonomisch kontraproduktiv, von moralischen Doppelstandards durchsetzt, absolut rücksichtslos und an den Interessen weniger machtvoller Akteure ausgerichtet, sie ist auch nicht alternativlos.

Von keynesianischer Wirtschaftspolitik über "bescheidene Vorschläge", die das europäische Projekt durch eine tiefere politische und fiskalische Integration fortsetzen wollen und dabei auf Mechanismen einer sozialen und solidarischen Unterstützung der Mitgliedsländer setzen, bis hin zu radikaleren Alternativen, die eine neue Gesellschaft auf Grundlage der neugeschaffenen Formen "realer Demokratie" und auf anderen Formen des Wirtschaften aufbauen wollen, liegt einiges auf dem Tisch.

All diese Alternativen werden aber nur dann eine Chance darauf haben, zu einer tatsächlichen Option zu werden, wenn das griechische Volk am Sonntag "Oxi" zur europäischen Austeritätspolitik sagt. Auch wenn das aufgrund der Angstmache und der realen Gefahr ökonomischer Verwerfungen, sollten die "Institutionen" ihre Drohungen wahr machen, großen Mut und ein großes Risiko erfordern wird. Aber ein Ja wird zu einer Fortsetzung der ökonomischen Katastrophe in Griechenland, Irland und Portugal führen, den linken Alternativen einen gehörigen Rückschlag versetzen und eine Form der Opposition stärken, die noch gefährlicher ist als die Troika: die erstarkende europäische Rechte.“

http://www.heise.de/tp/artikel/45/45347/7.html

 

Zukunft Griechenlands

 

„Heiner Flassbeck kann einem Grexit nichts Positives abgewinnen. Entweder führe er zu einem noch katastrophalen Absturz Griechenlands bis hin zu einem gescheiterten Staat, oder, Griechenland rappelt sich auf, aber dann gibt das EU-feindlichen Parteien in Frankreich und anderswo Auftrieb. In beiden Fällen wäre die EU als europäisches Projekt am Ende. Deshalb müsse es darum gehen, die Sparpolitik in Griechenland zu beenden und mit mächtigen Geldspritzen die Binnenwirtschaft wieder in Gang zu bringen.“

https://www.youtube.com/watch?v=oRVv6ct6CZ4

Schuldenschnitt

"Manchmal sind ein paar Tage eine ganze Welt. Am Donnerstagabend hat der Internationale Währungsfonds seine Schuldentragfähigkeitsanalyse für Griechenland veröffentlicht – und auf einmal sehen die Vorschläge von Syriza gar nicht mehr so verrückt aus.

In Kürze: Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass Griechenland rund 50 Milliarden Euro zusätzlich an Hilfe und einen Schuldenschnitt benötigt – und das wenige Tage, nachdem Deutschland und andere Euroländer das Angebot über Verhandlungen über einen solchen Schuldenschnitt aus einer von der Eurogruppe bereits erarbeiteten Vorlage herausgestrichen haben …

Es war allen Beteiligten immer klar, dass es früher oder später einen solchen Schuldenschnitt geben würde, denn auch wenn die Schuldenlast jetzt wegen der niedrigen Zinsen nicht besonders stark drückt, wird sie es irgendwann einmal tun. Das wusste auch Wolfgang Schäuble.

Die eigentliche Frage war, wann darüber verhandelt werden und wann er greifen würde. Schäuble hat alles dafür getan, dass das Thema jetzt nicht auf die Agenda kommt – weil er die Schulden erst als Belohnung für Reformen erlassen wollte, und weil er Angst hat vor der Unionsfraktion, die beim Thema Schulden keinen Spaß versteht. Die Griechen dagegen wollten den Schuldenschnitt jetzt zumindest in Aussicht gestellt haben, weil sie eine solche Zusage als politischen Preis für die eigenen Wähler benötigen.

Wenn der IWF seine Analyse in der vergangenen Woche – als die Verhandlungen noch liefen – veröffentlicht hätte, dann hätten sich die Deutschen nicht mehr gegen einen Schuldenschnitt stellen können. Sie wollen schließlich den IWF an Bord halten. Vielleicht wäre dann der große Schlamassel verhindert worden.

Warum die Zahlen erst jetzt veröffentlicht werden, darüber lässt sich bisher nur spekulieren. Sollten die Europäer dafür gesorgt haben, weil sie unangenehme Debatten fürchteten, dann sind sie für die Eskalation der Situation in hohem Maße mitverantwortlich.

http://blog.zeit.de/herdentrieb/2015/07/03/der-iwf-sagt-die-wahrheit-aber-zu-spaet_8561

Letzte Chance Syriza

Dirk Müller im Gespräch mit der „LZ“::

„Das am heftigsten von den EU-Sparmaßnahmen betroffene Land, Griechenland, hat gerade eine linke Regierung gewählt. Was bedeutet das für Europa und für Deutschland?

MÜLLER: Es ist das logische Ergebnis einer falschen europäischen Währungs- und Wirtschaftspolitik. Ich habe diese Entwicklung im Jahr 2011 exakt so vorhergesagt, das war nicht schwierig. In eine Krise hineinzusparen führt zum Zusammenbruch der Wirtschaft, zu Massenarbeitslosigkeit und am Ende einer Radikalisierung der Menschen am rechten oder linken Rand. Das hatten wir in Deutschland in den 1930er Jahren, jetzt in Griechenland. Wenn wir in Europa diese Politik nicht radikal ändern, ist das die größte Gefahr für das wichtige Jahrhundertprojekt „Europa“. Vielleicht ist Tsipras der Weckruf zur richtigen Zeit, bevor das Pendel beim nächsten Urnengang in Griechenland oder anderswo nach rechts ausschlägt.“

http://www.lz.de/owl/20323200_Dirk-Mueller-Wir-werden-nicht-von-Gutmenschen-regiert.html

 

Europas Schande

Ein Gedicht von Günter Grass (2012)

 

„Dem Chaos nah, weil dem Markt nicht gerecht,

bist fern Du dem Land, das die Wiege Dir lieh.

 

Was mit der Seele gesucht, gefunden Dir galt,

wird abgetan nun, unter Schrottwert taxiert.

 

Als Schuldner nackt an den Pranger gestellt, leidet ein Land,

dem Dank zu schulden Dir Redensart war.

 

Zur Armut verurteiltes Land, dessen Reichtum

gepflegt Museen schmückt: von Dir gehütete Beute.

 

Die mit der Waffen Gewalt das inselgesegnete Land

heimgesucht, trugen zur Uniform Hölderlin im Tornister.

 

Kaum noch geduldetes Land, dessen Obristen von Dir

einst als Bündnispartner geduldet wurden.

 

Rechtloses Land, dem der Rechthaber Macht

den Gürtel enger und enger schnallt.

 

Dir trotzend trägt Antigone Schwarz und landesweit

kleidet Trauer das Volk, dessen Gast Du gewesen.

 

Außer Landes jedoch hat dem Krösus verwandtes Gefolge

alles, was gülden glänzt gehortet in Deinen Tresoren.

 

Sauf endlich, sauf! schreien der Kommissare Claqueure,

doch zornig gibt Sokrates Dir den Becher randvoll zurück.

 

Verfluchen im Chor, was eigen Dir ist, werden die Götter,

deren Olymp zu enteignen Dein Wille verlangt.

 

Geistlos verkümmern wirst Du ohne das Land,

dessen Geist Dich, Europa, erdachte.“

 

http://www.sueddeutsche.de/kultur/gedicht-von-guenter-grass-zur-griechenland-krise-europas-schande-1.1366941