Ungebrochen solidarisch

„Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.“

Für so ziemlich alle wichtigen Ereignisse in der Welt lässt sich dieser schöne Spruch von Warren Buffett aus dem Jahr 2006 zitieren.

Besonders deutlich lässt sich das gerade in Frankreich sehen.

 

Gesetz am Parlament und an der Bevölkerung vorbei

 

Stefanie Markert: „Was wird der Präsident am Montagabend im Fernsehen erklären, fragen Journalisten den Haushaltsminister Gabriel Attal. "Da kann ich Ihnen derzeit gar nicht mehr dazu sagen. Salut! Wie geht’s?", erwidert der und begrüßt Küsschen rechts, Küsschen links eine Parteifreundin.

Attal eilt in eine Judo-Sporthalle, angemietet für ein Krisentreffen der Präsidenten-Partei Renaissance. Im Vorfeld hatte Regierungschefin Elisabeth Borne erklärt, am wichtigsten sei ihr, die Lage zu beruhigen. Schwierig, wenn der Präsident in der Nacht zu Samstag das Rentenreformgesetz unterzeichnet, wo er doch zwei Wochen Zeit gehabt hätte. Die Eilmeldungen kamen kurz nach sechs, unterschrieben haben soll er noch früher.

Auch vom Gewerkschafter Cyril Chabanier von der CFTC kommt Kritik. "Einmal mehr provoziert er. Er hört nicht und unterschreibt früh um vier, als wäre es ein Notfall. Und der Verfassungsrat hat noch das Positivste, was wir durchgekämpft haben, das Zuckerbrot, rausgestrichen. Und dann sollen wir Dienstag bei ihm antanzen - das geht gar nicht!"

So machen es Diebe, sagt die Opposition. Kommunisten-Chef Fabien Roussel hatte gewarnt, Emmanuel Macrons Wahl bedeute, "das Land in Brand zu setzen, was niemand wolle" …

Zudem wurde die Reform fragwürdig durchs Parlament gebracht. Verfassungsrechtler Dominique Rousseau von der Pariser Sorbonne wirkte im Nachrichtenfernsehen BFM-TV ratlos: "Der parlamentarische Weg ist ein Qualitätsgarant für ein Gesetz. Der Verfassungsrat hat aber bestätigt, dass Minister im Parlament falsche Aussagen gemacht haben und dass es schon ungewöhnlich sei, wie viele Artikel die Regierung bemüht hat, um die Debatte zu straffen. Wie erkläre ich meinen Studenten, dass die Reform gebilligt wurde? Man sollte sich nicht wundern, dass die Menschen Gesetzen nicht folgen, die hingeschludert worden sind!"“

https://www.tagesschau.de/ausland/frankreich-rentenreform-113.html

 

Sebastian Chwala: „Der französische Verfassungsrat hat sein Urteil über die Rentenreform des Staatspräsidenten Emmanuel Macron gefällt. Mit seiner Billigung eines Großteils des Gesetzes ist der legale Weg zur Verabschiedung des Gesetzes beendet. Allerdings ist die Art und Weise, wie der Staatspräsident und seine Premierministerin die Durchsetzung der Erhöhung des Mindestrenteneintrittsalters durchgesetzt haben, der Grund dafür, dass der gesellschaftliche Widerstand und die Proteste in Frankreich nicht abreißen. Denn einmal mehr wurden die anachronistischen und undemokratischen Strukturen der V. Republik sichtbar.

Nicht nur die Tatsache, dass es der Regierung möglich ist, ohne jede parlamentarische Beteiligung und Kontrolle zentrale Gesetzesprojekte zu erlassen, empört die Franzosen. Auch passiert dies in einer politischen Gemengelage, in der der Staatspräsident Macron keine eigene politische Mehrheit mehr besitzt und nur noch anhand der Sondervollmachten der französischen Verfassung, die zwischen 1958 und 1962 unter der Ägide des Präsidenten und starken Mannes Charles de Gaulle ausgearbeitet worden war, sein Lager an der Macht hält. Über ein halbes Jahrhundert später ist die politische Krise im Land zwar ähnlich groß wie zu Beginn der Machtübernahme de Gaulles, allerdings ist der Ruf nach einem starken Mann verstummt. Vielmehr wird heute die Forderung nach einer Rückgabe der Souveränität an das französische Volk immer lauter.

Ihren Zweifel an der Ablehnung des Gesetzes durch die sogenannten „Weisen“, wie die Mitglieder des Verfassungsrats genannt werden, hatten am Freitag schon kurz vor der Verkündung des Urteils Tausende Menschen vor den Rathäusern französischer Großstädte kundgetan. Die Zusammenkünfte verwandelten sich in der Folge zu lautstarken Spontandemonstrationen von überwiegend jungen Menschen, die seit dem 16. März 2023 abends und manchmal bis spät in die Nacht ihre Wut über Macron und seine Entourage zum Ausdruck bringen. Angemerkt sei, dass an jenem 16. März Premierministerin Borne den Artikel 49.3 der Verfassung nutzte, um die Rentenreform ohne Aussprache oder Abstimmung im Parlament per Dekret in Kraft zu setzten. Dies war bereits das elfte Mal in ihrer noch nicht einmal einjährigen Amtszeit, dass sich Borne einer potenziellen Abstimmungsniederlage in der Nationalversammlung auf diese Weise entzog.

Schon in der ersten Lesung des Rentengesetzes hatte die Regierung die Debatte dadurch verkürzt, dass sie die Gesetzesvorlage zu einem „haushaltsrelevanten“ Gesetz erklärte, was die deutliche Verkürzung der Aussprache in der Ausschuss-und Parlamentsberatung zur Folge hatte, ohne dass der Gesetzestext abschließend beschlossen werden konnte und somit unverändert als Dekret in den Senat (die zweite Parlamentskammer) weitergereicht wurde, wo die Regierung erzwang, dass nur über die ihr genehmen Passagen und Änderungsanträge abgestimmt wurde. Anschließend hätte die Vorlage erneut in der Nationalversammlung diskutiert werden sollen, was Borne schließlich verhinderte. Noch niemals zuvor hatte in der jüngeren politischen Geschichte Frankreichs eine Regierung auf allen Ebenen eine derartige Obstruktionspolitik gegenüber den parlamentarischen Gremien betrieben.

Dadurch waren viele verfassungsrechtliche Fragen aufgeworfen worden, welche der Verfassungsrat, der von der Regierung, aber auch von der linken und ultrarechten Opposition angerufen worden war, nun zu klären hatte. Zwar war die Nutzung des Artikels 49.3 rechtlich nicht zu beanstanden, allerdings die Frage, ob das Gesetz wirklich unmittelbare Notwendigkeit für das Budget des Jahres 2024 ist und ob die Parlamentsdebatte in transparenter und aufrichtiger Form verlaufen war, wie es die französische Verfassung vorschreibt. Den Verfassungsrat interessierten allerdings diese ernsthaften Einwände nicht. Zu mehr als der Feststellung, dass das Vorgehen ungewöhnlich, aber legal sei, rang man sich nicht durch. Mehr noch, als illegal wurden allein „sachfremde“ Passagen erklärt, welche die Beschäftigungssicherung im Alter gewährleisten sollten, da sich diese nicht mit Finanzierungsfragen des Rentensystems befassten. Diese waren allerdings als Kompromiss mit jenem Teil der weit rechts stehenden „Republikaner“ ins Gesetz gelangt, der bereit war, Macron und die Regierung bei der Verabschiedung der Rentenreform zu stützen. Ausgerechnet jene abfedernden Aspekte wurden jetzt allerdings noch gekippt, was dem „Macronismus“ jedoch lange vorher bereits klar war, da dies durch die interne rechtliche Begutachtung des Gesetzes offensichtlich war, da sachfremde Artikel in Gesetzen laut Verfassung illegal sind. Auch hier hat man also bewusst Bündnispartner politisch vorgeführt.

Dass der Verfassungsrat das Gesetz in Gänze für illegal erklären wird, war allerdings nicht zu erwarten gewesen. Sowohl sein Selbstverständnis als auch seine Zusammensetzung lassen das Gremium eher als Legitimationsorgan der Exekutive erscheinen. So sind seine Mitglieder in der Regel keine Berufsrichter, sondern ernannte Ex-Politiker und hohe Verwaltungsbeamte, die aufs Engste mit der politischen Elite des Landes verbunden sind. Bis in die 1970er-Jahre weigerten sich seine Mitglieder sogar, über Fragen, welche Grundrechte betrafen, überhaupt zu urteilen und beschränkten sich darauf zu überwachen, dass die Parlamentarier ihre ohnehin schon schwachen Rechte gegenüber der Regierung nicht zu weit auslegten. Man urteilte also nur über Verfahrensfragen. Die Verfassung der sogenannten V. Republik entstand unter dem Eindruck des politischen Chaos der späten 1950er-Jahre. Die harten innenpolitischen Konflikte über den Umgang mit den revoltierenden Kolonien im Allgemeinen und Algerien im Besonderen sowie die wirtschaftlichen Folgen der Finanzierung der Kolonialkriege Frankreichs hatten das Land an den Rand der Unregierbarkeit gebracht. Das französische Militär setzte schließlich de Gaulle als Staatspräsidenten durch. Dieser lehnte den Parlamentarismus, der die Grundlage der IV. Republik war, ab. Auch ein autonomes Verfassungsgericht stieß auf de Gaulles Ablehnung. Somit blieb der Verfassungsrat ein vollständig politisches und kein juristisches Gremium.

Aktuell werden je drei Mitglieder vom Staatspräsidenten, der Nationalversammlung und dem Senat benannt. Beide noch lebenden Ex-Präsidenten sind zwar von Amts wegen auch Mitglieder, verzichteten aber darauf, ihre Mitgliedschaft aktuell wahrzunehmen. Die politische Rechte und der „Macronismus“ verfügen über eine große Mehrheit in diesem Gremium. Mit dem Ex-Premierminister Alain Juppé, der durch Macron ernannt wurde, sitzt sogar ein vorbestrafter ehemaliger Regierungschef in dem Rat, der 1995 mit „seiner“ Rentenreform teilweise scheiterte, nachdem es zu wochenlangen Streiks der Eisenbahner gekommen war. Das ideologische Bedürfnis, Macron den Weg politisch endgültig freizuräumen, ist in diesem Gremium übermächtig und wird als wichtiger betrachtet, als die innenpolitischen Brände (im wahrsten Sinne des Wortes!) zu löschen, die Macron angefacht hat. Mit der Entscheidung, selbst offensichtlich verfassungswidrige Aktionen zu legitimieren, gibt dieser Rat Borne und Macron grünes Licht für weitere „Schocktherapien“, welche Borne auf dem Parteitag der jetzt „Renaissance“ heißenden Macron-Partei am vergangenen Samstag auch schon angekündigt hat.

Doch die immer weiter zunehmende gesellschaftliche Isolierung des „Macronismus“ auf einen Kern von Vermögensbesitzern und Rentnern lässt ein derartig allgemeines Klima der Missachtung gegen Macron als Person und seine Politik wachsen, dass selbst militante (und politisch fragwürdige) Aktionen inzwischen von einer Mehrheit der Bevölkerung sogar fast akzeptiert werden. Macron, der sich gerne als intellektuell angehauchter Erneuerer inszeniert und sich umgeben fühlt von dümmlichen, arbeitsscheuen Proletariern, die jede Form von Selbstverantwortung für ihr Leben ablehnen, wird als sinnbildlicher Exponent eines arroganten Angehörigen des französischen Großbürgertums betrachtet, der Klassenpolitik „von oben“ betreibt.

Dies weckt einmal mehr „revolutionäre“ jakobinische Reflexe in der Gesellschaft. Die Bündnisse gegen Macron lassen daher auch Widersprüche zwischen Gruppierungen brüchig werden, die sich milieubedingt auch in Frankreich gezeigt haben. So ist es nicht unbedingt zu erwarten gewesen, dass Polizeigewalt gegen (teils akademische) Klimaaktivisten, wie jüngst am 25. März geschehen, zu einem Katalysator der Proteste gegen die Rentenreform werden konnte, der die Reihen der Protestbewegung weiter wachsen ließ. Emmanuel Macron hat es in sechs Jahren seiner Amtszeit allerdings geschafft, sich mit jeder gesellschaftlichen Gruppe außer der kleinen reichen Elite, die allerdings die Medien kontrolliert, anzulegen. Somit wird Klimapolitik auch nicht nur als abstrakte Frage nach einem „nachhaltigen“ persönlichen Lebensstil betrachtet, sondern als politischer Kampf gegen die mächtige französische Agrarlobby und ihren unverantwortlichen Umgang mit den natürlichen Ressourcen.

Gleichzeitig reagiert der „Macronismus“ zunehmend autoritär und repressiv gegen die gesamte Gesellschaft. Waren in der Vergangenheit immer „nur“ einzelne Gruppierungen und Fraktionen betroffen (Migranten, Schüler, Studierende, Gewerkschafter), ist seit den massiven Angriffen des Staats gegen die „Gelbwesten“-Bewegung 2018 und 2019 zunehmend auch die „Mitte“ der Gesellschaft betroffen, die das ganze Arsenal an Protokriegswaffen (Tränengas, Granaten, Gummigeschosse etc.) zu spüren bekommt. Außerdem agiert der Staat mit Massenverhaftungen bei Demonstrationen und der Kriminalisierung der Zivilgesellschaft. Schon in der ersten Legislaturperiode erließ der „Macronismus“ ein sogenanntes Gesetz gegen „(gesellschaftlichen) Separatismus“ und „Antirepublikanismus“, das es dem Innenminister Darmanin deutlich erleichterte, per Verordnung unliebsame Vereine zu verbieten. Nachdem mit der Fortdauer der Proteste gegen die Rentenreform die „Macroniten“ immer brutaler gegen die Demonstrierenden agierten, wurden auch aus der liberalen Zivilgesellschaft Stimmen laut, die die rechtsstaatlich illegalen Methoden der Polizeitrupps anprangerten. Selbst diesen drohen jetzt offen Sanktionen des Staates. So wird die traditionsreiche „Liga der Menschenrechte“, die Ende des 19. Jahrhunderts im Kontext der „Dreyfus-Affäre“ entstand, nun staatlicherseits infrage gestellt. Während das Innenministerium sämtliche Subventionen einstellen möchte, unterstellt die Premierministerin der Liga „Antisemitismus“. Da passt es ins Bild, wenn Innenminister Darmanin hinter den Protesten gegen die antisoziale Politik des „Macronismus“ den „intellektuellen Terrorismus“ der Linken, im Besonderen von Jean-Luc Mélenchon, zu erkennen meint.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=96516

 

Explosive Stimmung

 

Lea Fauth: „Präsident Macron kann sich in seinem eigenen Land kaum mehr blicken lassen und muss Termine absagen. Der Protest gegen die Rentenreform geht weiter – mit teilweise ungewöhnlichen Methoden. Kontrast hat mit dem protestierenden französischen Gewerkschafter Mathieu Pineau gesprochen.

Es dauerte kaum eine Stunde. Die 8 Gewerkschaften kamen am 5. April zu einem Treffen mit Frankreichs Premierministerin Elizabeth Borne zusammen – und machten sich kurz darauf wieder auf den Weg nach draußen. Ihre einzige Forderung, um überhaupt ins Gespräch zu kommen: Die Rücknahme der umstrittenen Rentenreform. Da die Premierministerin sich in diesem Punkt genauso kompromisslos zeigte, verließen die Gewerkschaftsvertreter*innen den Raum bald wieder. Der Ablauf war vorhersehbar – und steht sinnbildlich für die Pattsituation im Land: Niemand will nachgeben.

Und weiter ging es mit den Streiks. Einen Tag nach dem gescheiterten Treffen mit der Premierministerin fanden sich wieder hunderttausende Streikende auf der Straße in ganz Frankreich, um gegen die Rentenreform zu demonstrieren. Es war die elfte Großmobilisierung seit Januar. Der vehemente Protest richtet sich gegen eine Prekarisierung der Renten, gegen soziale Ungerechtigkeit im Allgemeinen, aber auch: Gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre.

Die Wut darüber, die in vielen Nachbarländern mit Unverständnis wahrgenommen wird, erklärt der CGT-Gewerkschafter Mathieu Pineau gegenüber Kontrast so: „Frankreich hat gerade 413 Milliarden Euro in die Aufrüstung gesteckt. Gleichzeitig heißt es: In fünf, sechs Jahren könnten etwa 7 Milliarden Euro für die Renten fehlen.“ Der Gewerkschafter fährt fort: 150 Milliarden öffentlicher Gelder wurden außerdem an die 40 größten Unternehmen gegeben, die ohnehin Rekordüberschüsse gemacht haben. „Und jetzt fordert man von den Franzosen, dass sie den Gürtel enger schnallen und zwei Jahre mehr arbeiten sollen? Weil man jährlich diese 6 oder 7 Milliarden Euro nicht findet? Das ist einfach unakzeptabel“, empört sich Pineau gegenüber Kontrast.

Obwohl der Streik und die Großdemonstrationen seit Januar massiv waren – von Stromdrosselung, über Stilllegung von Industriehäfen, Müllabfuhrstreiks und sich türmenden Abfällen – wurde die Stimmung im Land besonders in der zweiten Märzhälfte explosiv. Premierministerin Élizabeth Borne setzte am 16. März die Rentenreform durch – ohne Parlamentsbefragung, mithilfe des Paragraphen 49-3, der als parlamentarische Brechstange gilt. Das wurde von vielen als zutiefst undemokratisch empfunden.

In Paris gab es in den darauffolgenden Tagen allabendlich unkontrollierbare Spontan-Demonstrationen, in denen verstärkt auch Studierende vertreten waren. Verschiedene Demozüge von jeweils mehreren hunderten Menschen liefen bei Einbruch der Dunkelheit durch die Hauptstadt und zündeten alle paar Meter die Müllberge an, die sich wegen des Streiks am Straßenrand türmten. Nach etwa zwei Wochen ebbte diese Welle an Ausschreitungen wieder ab – der allgemeinen Sympathie für die Bewegung hatte das alles erstaunlicherweise keinen Abbruch getan. In Umfragen gaben 70 Prozent Französ*innen an, dass die Regierung selbst schuld an den Vorfällen sei.

Der französische Präsident ist dieser Tage entsprechend nervös. Genaugenommen kann er sich im Land aktuell nirgendwo mehr blicken lassen. Zu einem Besuch in Savines le Lac ließ Emmanuel Macron sich mit dem Hubschrauber bringen – denn das Risiko, dass die drei Zufahrtsstraßen blockiert wären und unschöne, demütigende Bilder entstehen könnten, war offensichtlich zu hoch.

Kurz zuvor hatte der 45-Jährige auch einen geplanten Stadionbesuch für ein Fußballspiel abgesagt – und ersparte sich damit tatsächlich das, was in Minute 49:03 passierte: „Macron, démission“ – „Macron, Rücktritt“ riefen die Menschen im Stadion. Der Zeitpunkt – 49:03 – ist eine Anspielung auf den gleichnamigen Paragraphen, der die Durchsetzung der Reform ermöglicht hatte. Sogar dem britischen König wurde der Besuch abgesagt, weil unangenehme Situationen vorprogrammiert waren.

Doch auch im Parlament und sogar in den eigenen Reihen bröckelt dem Präsidenten die Unterstützung weg. Vermutlich wäre so manch anderer unter dem enormen Druck bereits zurückgetreten. Als Abgeordnete am 20. März einen Antrag auf Parlamentsauflösung stellten, scheiterten sie zwar. Allerdings fehlten nur 9 Stimmen – und selbst aus den konservativen Reihen und denen der eigenen Partei hatten einige sich enthalten, statt Macron und Borne den Rücken zu stärken …

Amnesty International und der Europarat haben sich bereits kritisch über die „exzessive Gewaltanwendung“ durch französische Polizei und Gendarmerie geäußert. Umstritten ist etwa der Einsatz von Tränengasgranaten GM2L, die offiziell als Kriegswaffen gelten. Die Polizei ist verpflichtet, diese Granaten hoch in die Luft zu schießen, damit sie oben explodieren und das Gas dann langsam auf eine Menschenmenge herunterkommt, die sich dann zerstreuen soll. Stattdessen gab es in den letzten Wochen mehrfach Fälle, wo solche Granaten direkt auf Menschen geschossen werden, sodass die Explosion am Körper stattfindet und zu schweren Verletzungen wie einer zerfetzten Hand führt. Ein Demonstrant verlor sein Auge bei Einsatz von Hartgummigeschoss am 23. März. Einem am Boden liegenden 19-Jährigen fuhren Polizisten über das Bein. Auch wurden vielfach Menschen unrechtmäßig eingekesselt und am Demonstrieren gehindert.

An den sogenannten „Streikposten“ gibt es ebenfalls regelmäßig polizeiliche Eingriffe. Wenn Arbeiter*innen zum Beispiel Müllverbrennungsanlagen abriegeln und blockieren, oder Ölraffinerien oder Industriehäfen. Meistens sind Räumungen und Festnahmen durch die Polizei unrechtmäßig, weil das Streikrecht in Frankreich sehr schwer wiegt. In der Normandie konnte etwa eine gerichtliche Unterbindung solcher Räumungen erwirkt werden. Meistens kommen die Arbeiter*innen am Folgetag einer solchen Räumung außerdem wieder zurück und blockieren erneut.

Gewerkschafter Mathieu Pineau, der in der Region Loire Atlantique lebt und arbeitet, hat solche Räumungen miterlebt und spricht von nie gesehenen Verbündeten. „Hier in der Region gibt es eine berufsübergreifende Solidarität zwischen den Streikenden“, erzählt er Kontrast. „Wenn es um die Blockade eines Gas-Terminal geht, sind oft Raffineure, Elektriker und Hafenarbeiter dabei. Bei wiederholten Blockaden eines Öldepots kamen auch Lehrer, Gesundheitspersonal und Eisenbahner. Man ist solidarisch mit anderen streikenden Sektoren“, sagt Pineau. Er selbst hat als leitender Angestellter des Stromunternehmens EDF mit seinen Mitstreiter*innen schon ganze Windparks vom Stromnetz genommen – um den Druck auf die Politik zu erhöhen.

Nun stellt sich die Frage, wie alles weitergeht. Macron scheint es aussitzen zu wollen – doch die Gewerkschaften kündigen ähnliches an. „Die Entschlossenheit ist unglaublich“, sagt Gewerkschafter Mathieu Pineau gegenüber Kontrast. Zuletzt hätten er und seine Frau nur ein halbes Gehalt bekommen, erzählt er. Die Stunden und Tage, an denen man streikt, werden nämlich vom Arbeitgeber abgezogen. „Das tut weh“, sagt er „aber wir wissen ja, warum wir das machen.“ Frankreichweit sind unterdessen über 4 Millionen Euro in den sogenannten Streikkassen zusammengekommen – ein Rekordbetrag. Mit diesen Kassen werden Streikende unterstützt, die die finanziellen Einbußen nicht mehr tragen können.

Die neue CGT-Vorsitzende Sophie Binet sagt angesichts der Entschlossenheit und der vielen Stillstände im Interview mit France Inter: „Es ist heute nicht mehr möglich, dieses Land zu regieren, ohne die Rentenreform zurückzuziehen“

Ob und wie es mit der Protestbewegung weitergeht und ob sie an dem verabschiedeten Gesetz noch etwas ändern können, hängt an verschiedenen Faktoren. Die radikaleren Gewerkschaften drängen auf das Erzeugen eines ernsthaften, wirtschaftlichen Schadens. Das sei das einzige Druckmittel, vor dem die Regierung Macron einknicken müsse.

Zum anderen braucht es die Einigkeit der 8 Gewerkschaften, damit der Streik weiterhin eine wirkliche Massenbewegung bleibt. Obwohl die Gewerkschaften in ihren Ausrichtungen teilweise sehr unterschiedlich sind, haben sie sich seit Januar als „Intersyndicale“ zusammengeschlossen – und dadurch eine besonders breite Mobilisierung erreicht. Die Unterschiede in den strategischen Ansätzen treten jedoch regelmäßig zutage. CGT-Vorsitzende Sophie Binet zeigt sich aber optimistisch: „Seit drei Monaten sagen uns alle: Die Intersyndicale wird zerfallen – und das ist nie passiert!“ Den nächsten großen Mobilisierungstag hat das Bündnis für den 13. April angekündigt – einen Tag, bevor die Rentenreform vom Verfassungsgericht abgenickt werden soll. Die Opposition hofft auf Fehler im Gesetz und ein weiteres Bröckeln.

Ob Macron fallen werde? „Das hoffen wir“, sagt Mathieu Pineau. „Es gibt heute nichts mehr für ihn. Er steht komplett alleine da.““

https://kontrast.at/frankreich-streik-proteste-rentenreform/

 

Frank Blenz: „Die Wut des einfachen Bürgers in Frankreich über die arrogante, abgehobene und kalte Politik ihres Präsidenten und seiner großbürgerlichen Gefolgschaft drückt sich seit Wochen und Monaten in zahlreichen beeindruckenden Massendemonstrationen im ganzen Land aus. Die Wut der Menschen ebbt nicht ab, der französische Staatspräsident Emmanuel Macron setzt indes noch einen drauf: Macron hat nach Entscheidung des Verfassungsrates, die Rentenreform als legal zu deklarieren, heimlich mitten in der Nacht vom vergangenen Freitag auf Samstag diese mit seiner Unterschrift in Kraft gesetzt.

Was für ein großes Land wie Frankreich wie ein kleines trockenes, bürokratisches Wort klingt – Rentenreform – das ist hingegen ein fulminanter, detailreicher Angriff auf das Zusammenleben, auf soziale Errungenschaften der Bürger, auf die Lebenskultur der Grande Nation, auf die gedeihliche, frohe Zukunft des Volkes. Fatal bei allem ist, es gibt tatsächlich Nutznießer all dieses Treibens, es sind die, die Macron vertritt: die Oberschicht, die ungerechtfertigten Eigentümer des Landes, die Reichen und Schönen, das Großbürgertum und ihre Anhängsel.

Doch Macron und Co. sollten sich nicht zu früh freuen, seine Unterschrift ist nicht die Feststellung eines Naturgesetzes für jetzt und alle Ewigkeit – die vielen Franzosen sind nicht (mehr) gewillt, mitzuspielen, einzuknicken, sich abzuducken. Und die Reform kann noch gestoppt werden, das auch in unserem deutschen Interesse …

Dunkle Wolken hängen über Paris, über dem ganzen Land. Gerade geschieht Schlimmes, Unnötiges. Viele Menschen erkannten das, sie protestierten und protestieren immer noch, wollen und verdienen sie doch allen sozialen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Fortschritt für ein Land, weil alle Möglichkeiten dazu vorhanden sind. Und sie verdienen es, weil s i e diese Möglichkeiten schaffen. Was sie aber gerade bekommen sollen, was ihnen bleiben soll, ist das Gegenteil davon, es ist ein Festzurren eines ungerechten, kalten Status Quo zum Nutzen für wenige, die den Hals nicht voll genug bekommen können. Die Ereignisse in diesem Kampf Oben gegen Unten nehmen darum weiter Fahrt auf. Das Oben siegt gerade. Das Unten spürt das und gibt nicht auf.

Die Wut in Frankreich ebbt nicht ab. Aktionen gegen Macrons nun wahr gewordene Rentenreform sind weiter im Gang. Es kann gar von einem Kleinkrieg gesprochen werden, der zwischen der Zivilgesellschaft und den herrschenden Politikkreisen der Macroniten aufflammt. Premierministerin Elisabeth Borne nimmt ebenfalls keine Spannung aus dem Geschehen und schwadroniert schon von weiteren großen Reformen.

Dagegen wachsen die Linke und die Gewerkschaftsbewegung, zahlreiche neue Mitglieder wurden gewonnen. Für den 1. Mai wurde zu einem neuerlichen großen nationalen Demonstrationstag aufgerufen. Was Hoffnung macht: Die öffentliche Meinung gegen Macrons Politik bleibt dabei, 70 Prozent der Menschen lehnen die Reform ab und über 60 Prozent wünschen sich von den Gewerkschaften eine Fortsetzung der Protestaktionen. Zum Beispiel haben die Eisenbahnergewerkschaften zu einem „Tag des Zorns“ aufgerufen, der am 20. April stattfinden soll. Es wird ein langer Kampf, denn Macron ist noch vier Jahre im Amt, bevor er nicht mehr kandidieren kann …“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=96463

 

Gewerkschaften und Parteien

 

„Vor drei Monaten, am 19. Januar, begannen die ersten Massenstreiks gegen die Rentenkürzungen der französischen Regierung unter Emmanuel Macron. Millionen Arbeiter reagierten empört, als der Präsident der Reichen verlangte, dass sie zwei Jahre länger arbeiten sollen. Mit der Anhebung des Mindestrentenalters auf 64 Jahre verlängert sich die Zeit, die Beschäftigte in das Rentensystem einzahlen müssen, auf 42 Jahre. Drei Viertel der Franzosen lehnen die Rentenkürzungen ab. Es steht außer Frage, dass sich Frankreich in der größten politischen Krise seit dem Generalstreik im Mai 1968 befindet.

Nachdem Macron die verhassten Kürzungen letzten Monat ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung gepeitscht hatte, setzte er sie nun an diesem Wochenende offiziell in kraft, mit dem Segen des nicht gewählten französischen Verfassungsrats. Es ist eine weitere bittere Lektion über den Klassencharakter des Staats, der den Arbeitern als Diktatur der kapitalistischen Oligarchie entgegentritt.

Die formelle Verabschiedung von Macrons Kürzungen bedeutet nicht das Ende des Kampfs der Arbeiterklasse. Dieses unrechtmäßige Gesetz, das gegen den Willen der Bevölkerung und ohne Abstimmung durch ein gewähltes Gremium eingeführt wurde, entbehrt jeder demokratischen Legitimation. Die Massenproteste werden in den kommenden Wochen fortgesetzt. Es ist jedoch offensichtlich, dass die Verabschiedung der Rentenreform eine neue Phase des Kampfs einleitet.

Die arbeitenden Massen sind mit der harten Realität konfrontiert: Sie können den Präsidenten nicht mit gewerkschaftlichen Aktionen zu einem Politikwechsel bewegen, sondern müssen einen politischen Kampf gegen den kapitalistischen Staat aufnehmen. Macron steht an der Spitze eines Polizeistaats im Dienst einer kapitalistischen Oligarchie, die gegen das Volk regiert. Er ist entschlossen, Hunderte Milliarden Euro auf die Konten der Finanzelite und der „europäischen Kriegswirtschaft“ fließen zu lassen. Deshalb antwortet er auf Streiks und Proteste nicht mit einer Änderung seiner Politik, sondern mit blutiger Polizeigewalt und Massenverhaftungen …

Die Kommentare im Fernsehen am 15. März spiegelten die Panik wider, die die gesamte herrschende Elite ergriffen hat: „Wir befinden uns in einer großen politischen Krise. Die Dinge müssen sich beruhigen“, sagte Sandrine Rousseau, ein Mitglied der Grünen in der Neuen Volksunion von Jean-Luc Mélenchon. Die sozialdemokratische Kommentatorin Natacha Polony warnte: „Hier beginnt etwas außer Kontrolle zu geraten.“ Der rechte Journalist Bernard Duhamel fragte verzweifelt: „Das Risiko ist, dass die Gewerkschaften nicht standhalten werden. Werden die Gewerkschaftsführungen in der Lage sein, sich zu halten?“

Duhamel stellt diese Frage, ob die Arbeiterklasse die Gewerkschaftsbürokratie überrennen könnte, weil er und die herrschende Elite eine Revolution fürchten. Der Ausbruch des Klassenkampfs hat einen scharfen Keil zwischen die breiten Massen der Arbeiter und die reaktionären wohlhabenden Mittelschichten getrieben, deren Interessen die Gewerkschaftsbürokratien und ihre politischen Verbündeten der Pseudolinken vertreten.

Umfragen ergaben, dass 62 Prozent der Bevölkerung für eine „Verstärkung“ der Protestaktionen gegen Macron sind. Je weiter unten auf der Einkommensskala die Befragten standen, desto größer war die Unterstützung für härtere Maßnahmen. Aber so wie Macron den Willen des Volkes mit Füßen tritt, tut es auch die Gewerkschaftsbürokratie.

Die Gewerkschaftsführer kritisierten die „Gewalt“ der Demonstranten, isolierten streikende Müll- und Raffineriearbeiter, deren Streikposten von der Polizei angegriffen wurden, verschoben weitere Massenstreiks und blockierten einen Kampf zum Sturz Macrons, indem sie stattdessen eine „Vermittlung“ forderten.

„Ich bin besorgt über diese Situation“, sagte der Vorsitzende des französischen Gewerkschaftsbundes CFDT (Confédération française de travail démocratique), Laurent Berger, in einem vielbeachteten Fernsehinterview, in dem er sich für eine Schlichtung mit Macron aussprach. Er warnte vor einem „gefährlichen politischen Klima“ und rief dazu auf, „nicht in den Wahnsinn zu verfallen, der dieses Land erfassen könnte, mit Gewalt und auch sehr tiefer sozialer Wut. ... Wir müssen die Gemüter abkühlen, nicht die Dinge anheizen“ …

Eine Klassenkluft trennt die PES von dem pseudolinken Milieu der Mittelschichten – den politischen Sprösslingen der antitrotzkistischen Renegaten wie Mélenchon, der pablistischen Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) und der Arbeiterpartei (LO). Als sie von den kapitalistischen Medien bei den Präsidentschaftswahlen unterstützt wurden, erhielten sie Millionen von Stimmen. 2022 konnte Mélenchon fast 8 Millionen Wähler in den Arbeitervierteln der französischen Großstädte gewinnen. Doch keiner von ihnen hat an seine Wähler appelliert und sie zu Massenstreiks und Protesten aufgerufen, um Macron zu stürzen.

Dass Macron seine Kürzungen trotz des massiven Widerstands der Bevölkerung durchsetzen konnte, entlarvt diese bankrotten Parteien ebenso wie die pseudolinken Gruppen in ihrem Dunstkreis, etwa die Gruppe der Morenoisten Révolution Permanente (RP). Ihre Appelle an die Gewerkschaftsbürokratie, einen Generalstreik zu organisieren, sind natürlich gescheitert. Der RP-Führer Juan Chingo erklärte, dass „die Situation nicht revolutionär“ sei und die RP „der Massenbewegung helfen würde, Erfahrungen mit der bürgerlichen repräsentativen Demokratie zu machen“.

https://www.wsws.org/de/articles/2023/04/19/pers-a19.html

 

Sebastian Chwala: „Der „Macronismus“, der aktuell versucht, den ultrarechten RN politisch ein wenig reinzuwaschen, um ihn zum punktuellen Bündnispartner machen zu können, indem „France insoumise“ zum wahren radikalen Gegner der republikanischen Ordnung stilisiert wird, spielt ein gefährliches, aber logisches Spiel. Den RN zur einzigen legitimen Opposition aufzubauen, macht programmatisch Sinn. Schließlich lehnt diese Partei nicht nur jede Form des öffentlichen Protests sowie Streikaktionen gegen Macrons Politik ab. Sie steht dem „Macronismus“ auch in zentralen Fragen seiner Wirtschaftspolitik nahe und fordert einseitig weitere Entlastung für Vermögende. Taktisch wäre ein Wahlsieg des RN und Le Pen nach dem Ende der Präsidentschaft Macrons 2027 (eine weitere Kandidatur ist nicht möglich) für die gesellschaftliche Elite daher interessant, da keine wirkliche Veränderung der Wirtschaftspolitik drohen würde, aber der Eindruck eines Austauschs der politischen Eliten stattfinden könne …

Die V. Republik und der Glaube an die bestehende institutionelle Ordnung haben weiter Schaden genommen. Doch bleibt die Frage offen, wie der „Macronismus“ noch schärfer unter Druck gesetzt werden kann. Dass sich sämtliche Gewerkschaften, darunter im Kern die linke CGT und die pragmatische und auf Konsens setzende CDFT, zusammengefunden haben, ist ein historisches Ereignis. Traditionellerweise zeichnet sich die französische Gewerkschaftslandschaft durch Spaltung aus. Alle Gewerkschaften haben gemeinsam beschlossen, die Schärfe ihrer Aktionen schrittweise zu steigern. Seit dem 7. März werden daher gezielt immer wieder wichtige Verkehrsachsen mit Straßensperren blockiert. Auch Stromabschaltungen von strategisch wichtigen Unternehmen durch CGT-Aktivisten gibt es immer wieder.

Dennoch dienen alle diese Aktionen in erster Linie dazu, sich Gehör bei der Exekutive zu verschaffen und Verhandlungen zu erzwingen. Diese Strategie erweist sich als aussichtslos. Gleichzeitig steigen die Mitgliederzahlen an. Allein die CGT hat seit Januar 30.000 Eintritte zu verzeichnen (bei einer Gesamtmitgliederzahl, die zwischen 600.000 und 700.000 liegen dürfte).

Gerade innerhalb der CGT, die jüngst einen sehr bewegten Gewerkschaftskongress abgehalten hat, bei dem die Nachfolge von Philippe Martinez bestimmt und mit Sophie Binet zum ersten Mal eine Frau an die Spitze dieser Organisation gewählt wurde, mehren sich die Rufe nach härteren Maßnahmen. Hier wurden Stimmen laut, die eine Verschärfung der Streikaktionen bis hin zum Generalstreik forderten. Zum anderen lehnten diese Fraktionen die konsensorientierte Strategie mit den übrigen Gewerkschaften ab. Die zu zahme Haltung gegenüber Staat und Unternehmer schwäche die Handlungsfähigkeit der CGT.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass neben den erfolgreichen bisherigen zwölf Aktionstagen eine eher schwache und schwankende Streikbereitschaft zu konstatieren ist. Einige Kernbereiche der Volkswirtschaft, mit hohem Organisationsgrad, sowie die Müllwerker tragen und trugen seit März immer wieder neue Wellen von Streiks, die aber alle nicht ewig aufrechterhalten werden können – sei es durch den repressiven Druck des Staates oder durch die Lohnverluste, die nicht kompensiert werden können. In den zahlreichen gewerkschaftsfreien Unternehmen bleiben Arbeitsniederlegungen aus. Somit stimmt das Bild von einer Bewegung, die durch Streiks geprägt sei, welches deutsche Medien zeichnen, höchstens teilweise. Allerdings dürften diese Streiks mit niedriger Intensität noch eine Weile andauern, da die öffentliche Unterstützung hoch ist und Spenden für die Streikkassen tatsächlich in hohem Umfang eingenommen werden können. Da es dem „Macronismus“ nicht gelingt, die Unterstützung für die Aktivisten gegen die Reform zu brechen und man sich scheinbar der Illusion hingibt, die nächsten vier Jahre im faktischen Ausnahmezustand weiterregieren zu können, droht die Etablierung eines faktisch dauerhaften „Kleinkrieges“ im Inneren, die mit der vollständigen Erosion aller Gesprächskanäle zwischen dem „Macronismus“ und der Zivilgesellschaft einhergehen könnte. Ob Macron sich auf diese Weise dauerhaft an der Spitze des Staates halten kann, muss daher hier und heute sehr bezweifelt werden.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=96516

 

Hansgeorg Hermann: „Den Widerstand gegen das Rentendiktat des Staatschefs Emmanuel Macron hat von Beginn an Frankreichs Linke dominiert. Zur Stunde streicht allerdings die äußerste Rechte den Profit ein. Staunend und wie gelähmt beobachten der Präsident, seine Regierungschefin Élisabeth Borne und die Medien des Landes, wie Marine Le Pens Rassemblement National (RN) seit Januar in den Meinungsumfragen um bis zu sieben Prozentpunkte nach oben schnellte. Würde jetzt gewählt, könnte der RN nicht nur locker an Macrons Regierungspartei Renaissance und deren rechtsliberalen Wurmfortsätzen Horizon und Modem vorbeiziehen, sondern auch an der von Jean-Luc Mélenchon gegründeten Nouvelle union populaire écologique et sociale (NUPES), die vor einem Jahr dessen eigene Bewegung La France insoumise (LFI), den Parti Socialiste (PS), die Kommunisten (PCF) und die Ökologen (EE-LV) unter einen Hut brachte und im Juni zur zweitstärksten Fraktion in der Nationalversammlung aufstieg.

»Eine Salve von Daten« aus der Welt der Demoskopen, wie sich die Tageszeitung Le Parisien am Montag sorgte, dokumentierte in den vergangenen Tagen wieder einmal den offenbar unaufhaltsamen Aufstieg des RN. Le Pens Truppe lag demnach bei 26 Prozent der Wählerstimmen, gleichauf mit NUPES und zwei Punkte vor Macrons Renaissance. Anzunehmen ist, dass sich der Präsidentenwahlverein, der sich zu Beginn La République en marche (LREN) nannte und im Hinterland keine politische Struktur aufbaute, nach dem Abgang ihres Champions 2027 auflösen wird.

Während der nunmehr elf Großkampftage gegen Macrons »Reform« blieben Le Pen und ihre Leute still – die Anführerin gab das eine oder andere Interview, tauchte aber nicht auf der Straße auf. Im Parlament brachte der RN zwar eigene Misstrauensanträge gegen die Regierung Borne ein – die blieben erwartungsgemäß erfolglos und wurden von der linken Opposition nicht mitgetragen –, unterstützte aber den Antrag der NUPES, der den angestrebten Sturz der Ministerpräsidentin und ihres Kabinetts nur um wenige Stimmen verfehlte. Le Pens Botschaft: Frankreich blicke auf eine geläuterte, vom Extremismus geheilte Partei, die auch für die katholische Mitte wählbar sei.

Macron kann 2027 nach zwei vollendeten Mandaten nicht wiedergewählt werden. So bestimmt es die Verfassung. Stürzen könnte seine Regierung, wenn der Verfassungsrat (Conseil constitutionnel) die mit Hilfe des Verfassungsartikels 49.3 ohne parlamentarische Abstimmung durchgesetzte »Rentenreform« diesen Freitag kippen würde. Oder auch später, wenn Macron und Borne sich für ihre nächsten »Reformen« ohne eigene Mehrheit in der Nationalversammlung wieder unangenehme Partner bei den bürgerlichen Rechten der Les Républicains suchen müssen. Oder wenn ein von der Linken und den Gewerkschaften angekündigtes Referendum gegen das neue Rentengesetz erfolgreich wäre – wozu die Antragsteller mindestens 4,7 Millionen Unterschriften einsammeln müssten.

Ein weiter Weg, den die Linke gemeinsam gehen müsste. Statt dessen öffneten sich in den jüngsten Tagen die alten Gräben. Kommunist Fabien Roussel, den seine Partei am vergangenen Wochenende in Marseille mit etwas mehr als 80 Prozent ein zweites Mal zum Nationalsekretär wählte, verkündete einen »eigenen Weg«, erklärte Jean-Luc Mélenchon zum (persönlichen) Gegner und NUPES für »überholt«. Der unglückliche Präsidentschaftskandidat des vergangenen Jahres – Stimmergebnis 2,3 Prozent – will statt dessen einen neuen »Front populaire«. Offenbar nach dem Vorbild von 1936, aber mit Spaßfaktor soll Roussels »Volksfront« »ein starkes, freies und glückliches Frankreich« aufbauen. Wie das in der wirklichen Welt ohne Zutun der LFI, des PS und der Ökopartei gelingen soll, verriet der PCF-Chef nicht. Er habe halt einfach »Appetit auf eine neue Linke, die sich nicht auf Mélenchon beschränkt«.

Ein rührendes Spektakel für die dichtgestaffelten Reihen Le Pens, die sich auch über Mélenchons Reaktion gefreut haben dürften: »Welch unglaubliche Aggressivität«, wütete der Patriarch der LFI und Vater der ­NUPES gegen seine ehemaligen Unterstützer: »Das läuft nun schon drei Jahre lang, und das bei jeder Gelegenheit.«

Nicht besser als Mélenchon kommt dessen designierter Nachfolger Manuel Bompard bei dem in Marseille völlig entfesselten Roussel an. Auf die Bitte Bompards, die Kommunisten mögen endlich »ihre Position« in der NUPES »klären«, bellte der PCF-Anführer zurück, die LFI solle »ihren eigenen Dreck kehren«. Niemand werde den Kommunisten »vorschreiben, was sie zu tun oder zu wählen haben«.

Steilvorlagen für Le Pen, aber auch für den Staatschef, der sich von China aus des CFDT-Chefgewerkschafters Laurent Berger annahm und so auch dem diesen Freitag tagenden Verfassungsrat Hinweise auf das präsidiale Verständnis von Demokratie und Führerschaft lieferte. Der »Masse« und dem millionenfachen Protest auf der Straße hatte Macron schon in den vergangenen Wochen jede »Legitimität« abgesprochen. Nun, auf Reise im Fernen Osten, beschimpfte er Berger, der ihn zu Hause in Paris zum Urheber einer »schweren demokratischen Krise« erklärt hatte: »Wenn ein gewählter Präsident, ein mit Mehrheit gewählter, zugegeben mit relativer Mehrheit gewählter Präsident ein Projekt durchsetzen will, das demokratisch vollendet wurde, dann ist das keine demokratische Krise. Wenn die Leute mit 60 in Rente gehen wollen, dann hätten sie nicht mich wählen dürfen.« Ein echter Hammer. Damit prügelt der Präsident erneut jene, die ihm vor einem Jahr ihre Stimme gaben, um die Wahl seiner damaligen Gegnerin Marine Le Pen im zweiten Wahlgang zu verhindern.“

https://www.jungewelt.de/artikel/448784.sozialer-protest-le-pen-im-aufwind.html

 

Um halbwegs glaubwürdig zu sein, müssen sich auch die eher staatstragenden Gewerkschaften dem Druck ihrer Basis beugen und zumindest eine Zeit lang Zähne zeigen.

Von den Parteien ist nichts zu erwarten: auch in Frankreich gibt es keine ernst zu nehmende Linke mehr und die Rechten gehen nicht gegen die aktuelle Renten“reform“ vor.

 

Deutsche Gewerkschaften und deutsche Berichterstattung

 

Peter Schwarz: „Seit drei Monaten rebellieren Woche für Woche Millionen Franzosen gegen die Rentenkürzungen Präsident Emmanuel Macrons, die von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden. Es ist die größte Klassenbewegung in Frankreich seit Mai/Juni 1968, als ein Generalstreik wochenlang das Land lahmlegte. Die Proteste gehen auch weiter, nachdem Macron das Gesetz ohne parlamentarische Abstimmung durchgeboxt und der Verfassungsrat – ein handverlesenes Gremium ehemaliger Politiker – es genehmigt hat.

Die deutschen Gewerkschaften hat diese mächtige Bewegung der französischen Arbeiter in panische Angst versetzt. Anders kann man sich ihr penetrantes Schweigen nicht erklären. Obwohl Deutschland und Frankreich aneinandergrenzen und zusammen rund die Hälfte der Wirtschaftsleistung der Eurozone ausmachen, meiden die Gewerkschaften das Thema wie der Teufel das Weihwasser.

Der Maiaufruf des DGB, der unter dem Motto „ungebrochen solidarisch“ steht, erwähnt die Ereignisse im Nachbarland mit keiner Silbe. Und dies, obwohl die zentrale Mai-Kundgebung des DGB, auf der auch Bundeskanzler Olaf Scholz sprechen wird, in Köln stattfindet, das keine 200 Kilometer von der französischen Grenze entfernt liegt.

In den Publikationen und auf den Websites der Gewerkschaften findet man bestenfalls nach intensiver Suche einen Hinweis auf die Ereignisse in Frankreich, von Solidaritätserklärungen keine Spur.

metall, das Magazin der IG Metall, das in zwei Millionen Exemplaren gedruckt und an sämtliche Mitglieder verschickt wird, berichtet weder in der Januar/Februar- noch in der März/April-Ausgabe über den Aufstand in Frankreich. Das einzige internationale Thema ist der Ukrainekrieg, in dem die Gewerkschaft – garniert mit einigen „friedenspolitischen“ Phrasen – den Kriegskurs der Nato und der Bundesregierung unterstützt, einschließlich Waffenlieferungen an die Ukraine und Wirtschaftssanktionen gegen Russland.

Geht man auf die offizielle Website der laut Eigenwerbung „größten Gewerkschaft der Welt“, findet man unter der Rubrik „Internationales“ vorwiegend Artikel über den Ukrainekrieg und die Verfolgung von Gewerkschaftern in Belarus. Am 11. März hatte die IG Metall gemeinsam mit dem Unternehmerverband Gesamtmetall sogar zu einer Schweigeminute in den Betrieben aufgerufen, um „gemeinsam der Opfer des von Russlands Präsident Wladimir Putin ausgehenden Angriffskriegs zu gedenken“.

Nicht anders ist es auf der internationalen und auf der europäischen Website von IndustriALL, einem Zusammenschluss von knapp 200 Gewerkschaften der Metall-, Chemie-, Bergbau- und Textilindustrie mit ungefähr 50 Millionen Mitgliedern, dem IG Metall-Chef Jörg Hofmann vorsteht. Obwohl alle französischen Gewerkschaftsverbände Mitglied von IndustriALL sind, fristen die Massenproteste in Frankreich auch hier ein Schattendasein.

Der letzte Eintrag stammt vom 19. Januar, dem Beginn der Proteste. Auf weniger als zwanzig Zeilen appelliert IndustriALL an sämtliche Regierungen, „ihre Arbeitnehmer zu unterstützen und faire und angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen“, und fordert „Präsident Emmanuel Macron auf, die Reform sofort zurückzuziehen“. Das ist alles!

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die erst kürzlich die Tarifauseinandersetzung bei der Post ausverkauft hat und nun dasselbe für 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen vorbereitet, hüllt sich ebenfalls in Schweigen.

Anders als metall brachte die Verdi-Mitgliederzeitung publik im März zwar einen journalistischen Bericht über die Rentenproteste, der die Fakten einigermaßen objektiv darstellt. So räumt er mit dem von den Medien verbreiteten Märchen auf, nach der Reform könnten alle Franzosen mit 64 statt bisher mit 62 Jahren in Rente gehen: „Allerdings existiert der Anspruch auf volle Rente mit 64 in Frankreich nicht automatisch. Dafür müssen Beschäftigte 43 Jahre eingezahlt haben. Eine Rente ohne Abschlag unabhängig von der Einzahldauer gibt es auch in Frankreich erst mit 67.“

Doch mit den Protesten solidarisieren wollen sich auch die Verdi-Funktionäre nicht – noch nicht einmal in unverbindlichen Worten. Sie haben viel zu große Angst, dass die Kampfbereitschaft der französischen Arbeiter ihre eigenen Mitglieder anstecken könnte, die die Lohnsenkungen satt sind, die Verdi-Funktionäre regelmäßig mit ihren Parteifreunden in Regierung und Verwaltung vereinbaren.

Die Angst der deutschen Gewerkschaften ist umso größer, als sie ähnliche Rentenkürzungen, wie sie nun Macron mit diktatorischen Mitteln erzwingt, bereits vor über zehn Jahren widerstandslos akzeptiert haben.

2006 beschloss die erste Große Koalition unter Angela Merkel auf Initiative des Vizekanzlers und Arbeitsministers Franz Müntefering die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre bis 2031. Der SPD-Politiker, seit 40 Jahren IG-Metall-Mitglied, arbeitete dabei eng mit den Gewerkschaften zusammen. Diese lehnten die Erhöhung zwar formal ab, weil sie eine Rebellion der Mitglieder fürchteten, taten aber alles, um jeden Widerstand dagegen zu sabotieren.

Wenn die deutschen Gewerkschaften nun den Aufstand in Frankreich totschweigen, geht es um mehr als um Renteneintrittsalter und Lohnprozente. Wie die WSWS dargelegt hat, entwickelt sich in Europa eine revolutionäre Krise.

„In Europa ist eine Massenstreikbewegung ausgebrochen, in die Millionen von Arbeitern aus allen Teilen des Kontinents einbezogen werden,“ schrieben wir in einer gemeinsamen Erklärung der Sozialistischen Gleichheitspartei und ihrer französischen, britischen und türkischen Schwesterorganisationen. „Was sich hier abspielt, ist keine Serie von nationalen Gewerkschaftskämpfen, die durch getrennte Verhandlungen mit der einen oder anderen kapitalistischen Regierung gelöst werden können. Vielmehr handelt es sich um einen internationalen politischen Kampf, in dem Arbeiter in allen Ländern ähnliche Forderungen aufstellen. Den Arbeitern stehen Regierungen gegenüber, die diskreditiert sind und weithin verachtet werden und die mit dem Einsatz der Polizei und juristischen Drohungen reagieren.“

Die Brutalität, mit der Macron die Rentenkürzungen durchgepeitscht und sich über elementare demokratische Regeln hinweggesetzt hat, bestätigt diese Einschätzung. Nach Jahrzehnten des Einkommens- und Sozialabbaus und der Bereicherung milliardenschwerer Oligarchen haben die sozialen Gegensätze eine Schärfe erreicht, die sich nicht mehr überbrücken lässt. Die systematische Eskalation des Kriegs mit Russland in der Ukraine, die Milliarden für Krieg und Aufrüstung und angeschlagene Finanzmärkte spitzen die Krise weiter zu.

Das treibt immer breitere Schichten von Arbeitern und Jugendlichen in soziale und politische Kämpfe, während alle Parteien, die den Kapitalismus verteidigen – von den angeblich „linken“ über die sozialdemokratischen und konservativen bis zu den ultrarechten – weiter nach rechts schwenken.

Die Gewerkschaften sind Teil dieser Front gegen die Arbeiterklasse. Es handelt sich um korporatistische Apparate, die tief in die Unternehmen und den Staat integriert sind, die Kriegspolitik unterstützen, den Klassenkampf zügeln und unterdrücken und dafür gut bezahlt werden. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für Frankreich, wo die Gewerkschaften alles tun, um die Bewegung unter Kontrolle zu halten und den Sturz von Präsident Macron zu verhindern.

Die Auseinandersetzung über die Rentenkürzungen in Frankreich, die mit großen Streikbewegungen in Großbritannien, Griechenland, Portugal und zahlreichen anderen Ländern zusammenfällt, ist der Beginn einer internationalen Welle von Klassenkämpfen.

Frankreich hat eine über 200-jährige Tradition, das Signal für revolutionäre Kämpfe in ganz Europa zu geben. Schon der junge Marx hatte geschrieben, der „deutsche Auferstehungstag“ (gemeint war die Revolution) werde „durch das Schmettern des gallischen Hahns“ verkündet. Bereits 1789 hatte die Französische Revolution Schockwellen durch ganz Europa geschickt. Es folgten die Revolutionen von 1831 und 1848 sowie die Parier Kommune von 1871. Im zwanzigsten Jahrhundert waren es die Generalstreiks von 1936 und 1968.

Die Arbeiterklasse und die Jugend kann diese Kämpfe nur gewinnen, ihre sozialen Errungenschaften verteidigen und die Gefahr von Krieg und Diktatur besiegen, wenn sie mit allen pro-kapitalistischen Parteien und den Gewerkschaften bricht, die nationalen Schranken überwindet, sich europa- und weltweit zusammenschließt, den Kampf für ein sozialistisches Programm aufnimmt und das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) aufbaut. Die großen Vermögen, Banken und Konzerne müssen enteignet, die Produktion muss nach den Bedürfnissen der Gesellschaft statt den Profitinteressen der Reichen organisiert werden.“

https://www.wsws.org/de/articles/2023/04/18/rent-a18.html

 

So ging es früher auch in der DDR zu. Gisela Friedrichsen im Jahr 1991 über Harry Tisch: „Tisch war 14 Jahre lang Vorsitzender des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB), der größten Massenorganisation der DDR mit fast zehn Millionen Mitgliedern, bis er am 2. November 1989 unwillig und verständnislos diesen Posten verlassen mußte. Galt er doch als Synonym für die völlige Unterordnung der Rechte, Pflichten und Wünsche der Werktätigen unter die Interessen der machterhaltenden Partei. Die Gewerkschaften, so einer von Tischs Lieblingssprüchen, seien die Schule des Sozialismus und »der Transmissionsriemen«, der Treibriemen also, der Partei der Arbeiterklasse.“

https://www.spiegel.de/politik/stoerrisch-trotzig-und-unartig-a-c094616e-0002-0001-0000-000013489070

 

Die meisten Gewerkschaften vertreten seit Jahrzehnten nicht mehr die Interessen der Arbeitnehmer, sondern die der Arbeitgeber und des Staates.

Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Frankreich noch aufmüpfige Menschen, die auch die sonst staatstragenden Gewerkschaften quasi zum Jagen tragen. Beschämend, dass die deutschen Gewerkschaften den Kampf der französischen Arbeitnehmer weitest gehend verschweigen und stattdessen den Krieg gegen Russland unterstützen.

Aus einem früheren Beitrag des Wurms: „Natürlich wirkt die ganze Medienhetze und ein Großteil der Bevölkerung ist von den „niederen Beweggründen“ der Arbeitnehmer überzeugt.

Spaßeshalber wollte der Wurm noch erwähnen, dass schon im Ausland dafür demonstriert wird, dass deutsche Arbeitnehmer mehr Geld bekommen und sogar die Deutsche Bundesbank für höhere Lohnzuwächse plädiert.

Im Gegensatz zu anderen Ländern wird in Deutschland ein Streik, der auch in der Öffentlichkeit spürbar ist, noch immer in die Nähe von Aufruhr und Revolution gebracht und in der veröffentlichten Meinung bekämpft. Letztendlich zum Nachteil derer, die sich freiwillig zur Schlachtbank führen lassen und auch noch selbst das Messer ansetzen.

Es scheint für den deutschen Menschen kein Problem zu sein, wenn ein Mensch Millionen verdient. Wenn aber der Nachbar ein ganz klein wenig mehr verdient oder irgend welche kleinen Vorteile hat – das ist schlimm! Lieber soll es allen unten Stehenden gemeinsam schlecht gehen als allen gut, aber darunter einige, denen es nur minimal besser geht. Das geht nicht! Was erlauben Nachbar!“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/367-niedere-beweggruende

 

Frank Blenz: „… Doch erlebe ich immer wieder, dass, wie von unsichtbarer Hand gesteuert, stets e i n e Richtung verkauft wird, die nicht die der Menschen auf der Straße ist – so wie gerade bei Berichten über Frankreich.

Fest steht, die Franzosen geben nicht auf, festgestellt wird vom DLF: Macrons Reform ist nötig, doch die Demonstranten legen legitim das Land lahm, um Druck auszuüben. So viel sei vorangestellt: Es geht um eine Reform, die keine ist, wenn man voraussetzt, dass eine Reform zu einer Verbesserung führt.

Im Fall der Pläne der französischen Regierung für eine Erhöhung des Renteneintrittsalters ist dem so, die berechtigte Kritik lautet: Bei dem Vorhaben handelt es sich um eine fortwährende Enteignung und Demütigung der arbeitenden Bevölkerung, Nutznießer ist allein das Kapital. Der Klassenkampf nimmt Fahrt auf. Es ist der Kampf, der lange Zeit nicht von der Arbeiterklasse gewonnen wurde, was dazu führte, dass die Verteilungsgerechtigkeit ziemlich schlecht dasteht, dass Oben und Unten auseinanderdriften und die Umverteilung von Unten nach Oben Konjunktur hat. Die Menschen auf der Straße protestieren folgerichtig zunehmend, gerade erlebte Frankreich die nach Teilnehmern und Intensität stärksten Tage des Protestes in der Geschichte des Landes.

Wir Deutschen könnten von unseren Nachbarn lernen und Zutreffendes erfahren, allein wir werden von unseren Leitmedien so informiert, dass die Bösewichte, die Unvernünftigen letztlich doch die Menschen auf der Straße sind, die blockieren, den Verkehr lahmlegen, der Wirtschaft schaden.

Die Beweggründe der französischen Regierung, die Macher um Macron werden hingegen – wie beim Deutschlandfunk (DLF) – als sachorientiert und vernünftig bezeichnet. Komisch: Wie Arbeit, Rente, gerechtes Miteinander in Frankreich auch aussehen könnten, wenn es nicht nach dem Präsidenten der Reichen (französischer Titel für Macron) ginge – darüber wird beim DLF nicht philosophiert.

Ich fühle mich unwohl ob unseres öffentlich-rechtlichen Medienkosmos. Von uns finanziert, uns per Gesetz und Vertrag verpflichtet, kommen die bei den ÖR ausführenden Profis permanent einem anderslautenden Auftrag nach, vermute ich: Ja nicht in Zweifel ziehen, dass der Kaiser keine Kleider trägt. Als Hörer des Deutschlandfunks – ich habe das schon des Öfteren eingestanden – hoffe ich bei Beiträgen des Senders unbelehrbar weiter, dennoch hin und wieder Töne zu hören, die mich aus dem Bauch heraus sagen lassen würden: „Ja, so ist es, die sagen, was los ist, die benennen das, was Sache ist, die zweifeln den Status Quo unserer westlichen Gesellschaften an, die zutiefst ungerecht sind.“

Die DLF-Nachrichten über den Protest-Tag in Frankreich aber enttäuschen mich. Warum? Ich zerpflücke, ich meckere: Da war schon mal die Zahl. Hunderttausende (statt 3,4 Millionen) wurde eingangs der Meldung erwähnt. Das Leben wurde lahmgelegt. Randalierende durften nicht fehlen. Und Blockaden wurden gemeldet, heißt es. Es ist kein Lob. Im DLF-Text ist das so zu lesen:

„Allein in Paris gingen nach Schätzungen der Gewerkschaft CGT 700.000 Menschen auf die Straße. Weite Teile des öffentlichen Lebens wurden lahmgelegt, darunter der Bahn- und Nahverkehr. Zudem fielen zahlreiche Flüge aus. Nach Angaben der Gewerkschaft wurde an sämtlichen Raffinerien des Landes die Auslieferung von Kraftstoff blockiert.

In Paris kam es am Rande eines Demonstrationszugs zu Ausschreitungen. Randalierende zerstörten Bushaltestellen und errichteten Barrikaden. Die Einsatzkräfte setzten Tränengas ein. Aus einigen französischen Großstädten werden Straßenblockaden gemeldet.“

Der Anlass der Proteste wird genannt und der „Beweggrund“ der Regierung für die Reform, damit ein drohendes Defizit zu verhindern. Was sollte jemand dagegen haben, ein Defizit zu verhindern, so ahne ich die Absicht des DLF, zu beeinflussen. Ja, wer soll etwas dagegen haben, frage ich mich auch, wenn es denn vernünftig wäre. Ist es aber nicht, weil es nicht um ein Defizit geht, sondern um das Auslassen anderer Optionen und das Durchziehen einer weiteren Maßnahme einer neoliberalen Strategie. Das Transportieren der „Verhinderung eines Defizits“ als alternativlos soll als Vernunft verkauft werden, das aber diskreditiert die Proteste. Die Nachrichtenmacher unternehmen nichts, Infos zu verbreiten, wer womöglich einen besseren Weg statt Lebensarbeitszeitverlängerungen, Abschlägen, Einschnitten vorzuschlagen hätte. Der DLF lässt das weg und schreibt lieber:

„Anlass der Proteste ist das Vorhaben der französischen Regierung, das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre anzuheben. Mit der Reform soll ein Defizit in der Rentenkasse verhindert werden.“

Gut, eine Nachrichtensendung ist kurz, knapp und knackig. Ich höre also weiter Rundfunk, will mehr erfahren und setze auf eine (etwas längere) Reportage einer Korrespondentin, die aus Paris ihren Beitrag in die Heimat schickt. Christiane Kaess sammelt Stimmen ein. Eine ältere Frau kommt zu Wort, sie fürchtet, bis 64 zu arbeiten. Ein Student (19 Jahre) sieht seine Jobchancen schwinden, weil die Älteren später in Ruhestand gingen. Auch glaubt er nicht, dass eine Verwandte, die in der Pflege arbeitet, bis 64 Jahre durchhält. Man erfährt, dass der Protesttag einer gegen die Rente mit 64 ist. Was will Kaess mir sagen?

Ich halte inne und habe den unwohl machenden Eindruck, dass die Zahl 64 deshalb das deutsche Ohr erreichen soll, weil bei uns Zahlen wie 65 oder gar 67 tönen. Wie können die Franzosen nur? Dass Frankreichs Werktätige derzeit, wenn alles klappt, mit 62 in den Ruhestand gehen und diese soziale Errungenschaft keinen Luxus darstellt in einem reichen Land, bleibt verborgen. Dann kommt Melenchon ins Spiel, er, der auch Präsident werden wollte und vielleicht ein besserer wäre als Macron. Melenchon wird von Kaess eingeordnet: radikal links. Zumindest wird er zitiert, er fordert, dass Macron die Pflicht habe, auf die Forderungen des Volkes zu reagieren.

Das letzte Wort hat bei Kaess die Regierung. Die Blockaden werden kritisiert, das bewusste Schädigen der Wirtschaft durch die Streikenden. Im Parlament gäbe es doch den demokratischen Rahmen, den Forderungen zuzuhören. Die Demonstranten kommen zum Finale der Reportage nochmal vor, bockig würden sie weiter streiken, bliebe Macrons Regierung bei ihrer harten Haltung.

Ich bin nicht froh über Kaess’ Hörerinformationen, ihren Vorortbericht einschließlich atmosphärischer Klangcollagen von Pariser Straßen. Ich bin misstrauisch ob der Ministereinlassung im Beitrag, im Parlament würde es demokratisch, offenen Ohres und ergebnisoffen zugehen. Schlussfolgernd könnte man sagen, es brauche also gar keine Proteste.

Ich mache mich kundig und erfahre von meinem Freund und Kollegen Sebastian Chwala, der öfters in Frankreich weilt und als Politologe Kenner unseres Nachbarlandes und seiner Gesellschaft ist, dass der Minister und die Regierung eben nicht offen, ehrlich und ergebnisoffen agieren. Sebastian Chwala sagt:

„Trotz des massiven Gegenwinds bleibt die Regierung hart. Präsident Macron hält sich vornehm heraus, ergreift in der Debatte nicht das Wort, weilt stattdessen lieber auf Staatsbesuch in Afrika. Die Scharfmacher der Macron-Partei „Renaissance“ drohen wiederholt allen Kritikern in den eigenen Reihen mit dem Ausschluss aus der Parlamentsfraktion, die sich in irgendeiner Weise gegen die Reform engagieren.“

„Meckere nicht nur, mache es besser!“ Diese Aufforderung würde ich dem DLF mitteilen wollen. Deren Korrespondentin in Paris könnte mit Worten wie denen von Chwala berichten: „Die Scharfmacher der Macron-Partei „Renaissance“ drohen wiederholt allen Kritikern in den eigenen Reihen mit dem Ausschluss aus der Parlamentsfraktion, die sich in irgendeiner Weise gegen die Reform engagieren.“

„Auf den weiter wachsenden Protest reagiert der „Macronismus“ offenbar mit einer weiterer Verschärfung seiner Gangart. Offensichtlich ist man nun bereit, den bereits mehrfach erwähnten Artikel 49.3 der Verfassung zu nutzen, um jede Form der parlamentarischen Debatte endgültig zu beenden. Forderungen nach einem Diaolog zwischen dem Staatspräsidenten oder der Premierministerin mit den Gewerkschaften wurde von Regierungsseite eine Absage erteilt. Die Gewerkschaften rufen deswegen zu zwei weiteren Aktionstagen am 11. und 15. März auf.““

https://www.nachdenkseiten.de/?p=94826

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm

 

 

Das Böse verlachen

- Satire, Realsatire, ernst Gemeintes -

 

15. April – Wochenkommentar von Ferdinand Wegscheider

„Der Hot-Long-Summer-Effekt“ - Im neuen Wochenkommentar geht es wieder einmal um eine mysteriöse Doppelgängerin einer Bundesministerin, um eine Gruppe mutiger Corona-Aktivisten und um Bruderstreit in der woken Bessermensch-Community!

https://www.servustv.com/aktuelles/v/aa8r3qbwqfbcjm5i8yla/

 

Sawsan Chebli in der Tagesschau

https://www.youtube.com/watch?v=Sx6UtwTxH7M

 

Katrin Göring-Eckardt vs. Atomkraft

https://www.youtube.com/watch?v=Ze5ar4bv10U

 

"ver - sprochen" Dialoge aus dem Durcheinander

https://www.youtube.com/watch?v=cpyjUo1_N-c

 

TULSI GABBARD:WENN DIES GESCHIEHT,HABEN WIR KEINE FREIHEIT/IF THIS HAPPENS,WE NO LONGER HAVE FREEDOM

https://www.bitchute.com/video/mOPRY60ItvyG/

 

GENIAL!! WENN EINE GRÜNE POLITIKERIN DIE WAHRHEIT ÜBER IHRE PARTEI AUSSPRICHT...

https://www.bitchute.com/video/bTUvm2phwAgS/

 

JAMES CORBETT:DIE UNERTRÄGLICHE HEUCHELEI VON KÖNIG CHARLES/THE UNBEARABLE HYPOCRISY OF KING CHARLES

https://www.bitchute.com/video/dp33h4Y2VuJD/

 

Uwe Steimle / Frühlingsoffensive /Steimles Aktuelle Kamera / Ausgabe 103

https://www.youtube.com/watch?v=xDRVA9T1WsA

 

HallMack  AKW - Das Schweigen der Mehrheit

https://www.frei3.de/post/66d23d52-9581-4b85-8e1f-416dbef9591e

 

HallMack  Aktuelle Kamera 11

https://www.frei3.de/post/26340829-8d40-4cdd-8289-9abdd1824f26