Armageddon

Jean Shaoul: „Am Samstag griffen die israelischen Streitkräfte Ziele in Syrien an. Kampfflugzeuge hätten syrische Militäranlagen attackiert, teilte das Militär am Sonntag mit.

Bereits am Freitagmorgen bombardierten israelische Kampfflugzeuge Ziele im südlichen Libanon und dem Gazastreifen. Zuvor hatte man die militante klerikale Gruppe Hamas, welche die belagerte palästinensische Enklave des Gazastreifens kontrolliert, für Raketenangriffe verantwortlich gemacht.

Ein Großteil der Raketen wurde vom israelischen Abwehrsystem Iron Dome abgefangen, die restlichen verursachten nur geringe Schäden und leichte Verletzungen.

Israels heftige Luftangriffe finden vor dem Hintergrund eskalierender Spannungen statt, nachdem die Polizei letzte Woche bewusst und provokativ Zehntausende von palästinensischen Gläubigen in der al-Aqsa-Moschee in Ost-Jerusalem angegriffen hatte.

Die Luftangriffe stehen in Zusammenhang mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahus Entschluss, durch Angriffe auf Israels Feinde – die Palästinenser, den Iran und dessen Verbündete, die libanesische Hisbollah, die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad – Kriegshysterie zu schüren, um den Widerstand gegen die Pläne seiner Regierung, sich diktatorische Vollmachten anzueignen, zu unterdrücken. Die Protestbewegung, die seit vier Monaten anhält, ist die größte und bedeutendste in der 75-jährigen Geschichte Israels. Netanjahus Ziel besteht darin, durch Militarismus eine Art nationale „Einheit“ zu schaffen, um die schweren sozialen und politischen Spannungen im Inland nach außen abzulenken.“

https://www.wsws.org/de/articles/2023/04/09/dakm-a09.html

 

Es ist passiert. Eine offen rassistisch-faschistische Regierung innerhalb einer Gesellschaft, deren Mehrheit kaum besser ist, strebt die Endlösung an. Schlimm genug; zu befürchten ist jedoch, dass die ganze Welt mit in den Abgrund gerissen wird.

 

Nach der Wahl: Die Gegenwart ist in der Hand des Bösen

 

Avraham Burg: „Israel gleicht im Moment einem Ort, der von zwei Naturkatastrophen gleichzeitig betroffen ist. Ein Erdbeben hat alle bestehenden Staatsstrukturen an der Oberfläche zerlegt. Von unten her ist der demokratische Ozean so derartig ausgetrocknet, dass nun die problematischsten Fundamente offenliegen, auf denen die israelische Gesellschaft gebaut ist.

Was bedeutet das? Wie in Polen oder Ungarn will die kommende Regierung Israels von oben alle traditionellen, demokratischen Institutionen schwächen oder ersetzen. Das Justizsystem ist bedroht, die Polizei wird politisiert, die Medien werden angegriffen, und das Bildungssystem wird in die Hände dogmatischer und extremistischer Religionen gegeben. Und in diesen Ruinen der Demokratie sind drei dunkle Kräfte am Werk: Der jüdische ethnische Vorherrschaftsanspruch; die religiösen und heilsideologischen Ziele der Mitglieder der Koalition; und die Bewahrung des korrupten Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu vor einer strafrechtlichen Verurteilung.

Dies geschah nicht an einem Tag, sondern ist die Akkumulation vieler Faktoren. Seit seiner Gründung haben im Staat Israel drei kalte Kriege stattgefunden: Erstens der Konflikt zwischen der jüdischen Unabhängigkeit und der palästinensischen Nakba (Tragödie). Zweitens die grundsätzliche, strukturelle Spannung zwischen der rabbinischen Autorität und der demokratischen Souveränität, die allen Bürgern gehört. Drittens das Ringen zwischen starrem Konservatismus und offenem Liberalismus. Nun sind die Kriege nicht länger kalt.

Über viele Jahre hinweg blieben diese Kämpfe unentschieden - und zwar absichtlich. Die Spannung wurde gehalten, nie wurde in Israel der Versuch unternommen, das innere demokratische Wesen zu beschränken. Auch die rechtsgerichteten Ministerpräsidenten vermieden es, bis ans Äußerste ihrer Ideologie zu gehen, als folgten sie Molières Weisheit über die "vollkommene Logik, die alle Extreme vermeidet". Doch bei den letzten Wahlen hat die israelische Logik an der Wahlurne verloren. Mit der Einladung Netanjahus, sich saftige Stücke aus dem Fleisch der verwundeten Demokratie zu reißen, wurde jede Form des fundamentalistischen Extremismus zum Partner im politischen Kannibalismus. Alles ist koscher, um Netanjahu vor einer strafrechtlichen Verurteilung und einem beschämenden Gefängnisaufenthalt zu bewahren.

Die Voraussetzungen für den Zustand, in dem wir uns nun befinden, waren im Einzelnen alle schon lange vorhanden. Doch nie haben sie sich so wie jetzt zu einem sinnvollen Ganzen zusammengefügt. Alle sind hier ja so eine Art Martin Niemöller: Realitätsverweigerer, denen das Unrecht der anderen egal ist, solange ihre Komfortzone gehütet und geschützt wird. Die Besatzung wird geleugnet, genau wie die Übernahme der Demokratie durch die Theokratie; die Diskriminierung, die Gewalt auf den Straßen und die Ungerechtigkeiten des Regimes. All das wird geleugnet, weil Leugnung eine notwendige Bedingung dafür ist, es bequem zu haben.

Doch nun bildet sich eine Regierung, und die Verleugnung bricht in sich zusammen. Es ist schrecklich, es ist peinlich – und es ist wunderbar. Man kann sich endlich der reinen Wahrheit stellen, ohne Augenrollen und ohne Selbstgerechtigkeit: Ja, wir haben hier eine ethnische Überlegenheitsideologie. Ja, die Besatzung ist korrupt, die jüdische Religion weiß nicht mit der Volkssouveränität der Juden umzugehen, und das Prinzip des "Auserwählten Volkes" steht in völligem Widerspruch zum demokratischen Prinzip, nach dem jeder Wähler eine gleiche Stimme hat. Nur der absolute Schutz Deutschlands und der Vereinigten Staaten steht noch zwischen Israel und der Anprangerung seiner politischen Verzerrungen. Nur dank des automatischen Vetos in den Vereinten Nationen ist es möglich, dass Israel der einzige Staat der westlichen Welt ist, der seit Jahrzehnten das demokratische Recht von Millionen Palästinensern verweigert, in den besetzten Gebieten Unrecht verübt und schlicht nicht versteht, warum ihn alle verurteilen. Israel ist der Staat, der ein Arsenal an Atombomben besitzt (was natürlich geleugnet wird) und ein Monopol darauf fordert. Der Staat, der die Religion die Grenzen der Staatsbürgerschaft und der Freiheiten diktieren lässt und dies für Offenheit hält.

Damit ist es vorbei. Denn wenn die Rechtsextremen an der Macht sind, werden sich mindestens zwei Fragen klären. Die eine richtet sich nach innen: Sind sie wirklich in der Lage, ihre Wahlversprechen zu erfüllen? Also die Palästinensische Autonomiebehörde aufzulösen, die besetzten Gebiete zu annektieren, die Todesstrafe für Terroristen einzuführen, die Idee von Israel als halachischem Staat zu fördern und Israel in eine jüdische Religionsrepublik zu verwandeln?

Die andere geht an die Welt: Wird das automatische Sicherheitsnetz, das Israel immer zur Verfügung stand, auch dieser illiberalen und undemokratischen Regierung dienen? Wird das heuchlerische globale Wegschauen gegenüber einem Israel, das immer mehr der Türkei oder zumindest Orbáns Ungarn gleicht, weitergehen? Oder wird vielleicht endlich jemand aufwachen und sagen - es reicht! Es gibt rassistische Juden, es gibt eine korrupte Besatzung und es gibt hier nationalistische Verbrechen, die wir nicht mehr zu tolerieren bereit sind.

Zwischen diesen und jenen, zwischen dem israelischen Nationalismus, der mit Rassismus und Faschismus kokettiert, und der westlichen Welt, die gezwungen sein könnte, ihre fest verschlossenen Augen zu öffnen, liegt die Hauptaufgabe bei uns, den demokratischen und liberalen Israelis. Jenen, die nicht bereit sind, zu kapitulieren, die Verzweiflung nicht als Arbeitsplan akzeptieren. In diesen Tagen bauen wir die Infrastruktur für eine neue israelische Politik auf. Eine Politik, deren Organisationsidee verfassungsmäßig und zivil, und nicht national oder ethnisch ist.

Wir handeln in der Überzeugung, dass die Demokratie allen ihren Bürgern gehört. Und wo immer die israelische Souveränität gilt, hat jede Person und jedes Kollektiv das Recht auf dieselben Rechte. Noch sind wir eine Minderheit, aber die Zukunft gehört uns. Denn die Gegenwart ist in der Hand des Bösen. Und genug ist genug.“

https://www.sueddeutsche.de/meinung/israel-regierung-rechtsextremisten-gastbeitrag-burg-zukunft-1.5715410?reduced=true

 

Omri Boehm: „Die Demokratie wählt sich ab. Israel erlebt seinen Weimar-Moment.

Die neue Regierung ist nicht bloß eine Variante des Rechtspopulismus. Sie ist eine existenzielle Bedrohung für den jüdischen Rechtsstaat.

Israel steht vor einem Abgrund, und zu viele scheuen noch davor zurück, in diesen Abgrund zu blicken. Zahlreiche Kommentatoren haben das Zustandekommen einer rassistischen, rechtsextremen Regierung in Israel beklagt und vor einer sich abzeichnenden Verfassungskrise gewarnt – tatsächlich aber erlebt Israel einen Weimar-Moment, und das ist nicht metaphorisch gemeint.

Es ist zu verlockend und bequem, den Triumph von Itamar Ben-Gvirs Partei Jüdische Stärke und Bezalel Smotrichs Partei Religiöser Zionismus mit der trüben Welle rechtspopulistischer Parteien zu vergleichen, die sich durch die internationale Politik wälzt. Solche Vergleiche verdunkeln die Situation eher, als sie zu erhellen. Um zu verstehen, mit welchen Möglichkeiten wir nun zu rechnen haben, müssen wir uns klarmachen, worin sich die ultrarechten israelischen Politiker Ben-Gvir und Smotrich von der Italienerin Meloni, dem Ungarn Orbán oder der deutschen AfD unterscheiden. Solche Politiker kennt Israel seit Jahren. Avigdor Lieberman, der aus dem Amt scheidende Finanzminister, hat sich für eine Umsiedlung der Palästinenser ausgesprochen und zum Boykott arabisch-israelischer Geschäfte aufgerufen. Ajelet Schaked, die scheidende Ministerin für Inneres, hat sich in einem Wahlwerbespot mit einem Parfüm namens »Faschismus« besprüht. Sie ist problemlos mit Giorgia Meloni zu vergleichen, der sie zu ihrem Wahlsieg gratulierte: »Die Rechte hat in Italien gewonnen, und die Rechte wird in Israel gewinnen.«

In Israel hat die Ultrarechte gewonnen, nicht aber Ajelet Schaked und ihresgleichen. Denn Ben-Gvir und Smotrich haben die Führung übernommen, und die besetzen ein ganz anderes Terrain. Diese Politiker sind weder Konservative, die zu ethnischen Nationalisten geworden sind, noch rechte Nationalisten, die sich in Populisten verwandelt haben. Sie spielen nicht mit rassistischen »Klischees« oder versäumen es, »Gewalt zu verurteilen«. Sie verfügen selbst über ausgiebige Erfahrungen mit Gewaltanwendung und kündigen auf den Plattformen ihrer Parteien programmatisch einen »totalen Krieg« gegen die Palästinenser im Westjordanland und in Israel an. Die Gebiete sollen ethnisch gesäubert werden: »Der Krieg gegen Israels Feinde wird total sein, ohne Verhandlungen, Konzessionen oder Kompromisse [...]. Die Jüdische Stärke wird sich darum bemühen, Israels Feinde aus unserem Land auszusiedeln.«

Itamar Ben-Gvir hat öffentlich dem Terroristen Baruch Goldstein gehuldigt, der 1994 in eine Moschee in Hebron stürmte und 29 Palästinenser massakrierte. »Eines Tages«, so seine berüchtigte Erklärung, »wird eine Straße nach Goldstein benannt werden.« Auch die Ermordung Izchak Rabins hat er begrüßt, und er rief die Lobbyorganisation ins Leben, die sich für die Freilassung seines Mörders aus dem Gefängnis einsetzt. Er wird nun Minister für Innere Sicherheit und hat den Namen seiner Institution bereits in »Ministerium für Nationale Sicherheit« geändert.

Bezalel Smotrich, der Moderatere der beiden, wurde 2005 vom Inlandsgeheimdienst Schin Bet mit 700 Litern Benzin festgenommen. Er wollte einen Brandanschlag verüben, um Ariel Scharons Abzug aus dem Gazastreifen zu hintertreiben. Smotrichs »Unterwerfungsplan«, der von seiner Partei ratifiziert wurde, fordert die Annexion des Westjordanlands und sieht für die Palästinenser genau drei Alternativen vor: »alle nationalen Bestrebungen aufgeben«, »auswandern« oder »Widerstand leisten« – »und dann wird die israelische Armee schon wissen, was zu tun ist«.

Die erste Möglichkeit würde bedeuten, dass die Palästinenser nur als bloße Einwohner und nicht als Staatsbürger im Westjordanland leben. Im zweiten Fall würden sie durch eine Finanzhilfe beim Wegzug unterstützt werden. Auf die Frage, wie die dritte Option in der Realität aussähe, gab Smotrich zur Antwort: »Wie in der Geschichte Josuas«. Laut dieser biblischen Erzählung eröffnete Josua den »Heiden« unter jüdischer Herrschaft ebenfalls drei Optionen: dem jüdischen Gesetz zu gehorchen, das Land zu verlassen oder getötet zu werden.

Smotrich soll neuer Finanzminister werden. Er verlangte und bekam dafür einen größeren Verantwortungsbereich und wird auch für die Zivilverwaltung zuständig sein – jenen Teil des Militärs, der sämtliche Aspekte des Lebens der Palästinenser und der Siedler im Westjordanland kontrolliert. Das dürfte gleichbedeutend mit der – rechtlichen, nicht nur faktischen – Annexion des Westjordanlandes sein, einschließlich aller gewaltigen rechtlichen und politischen Konsequenzen. Denn von nun an wird dort nicht mehr die isolierte Autorität von Militärgenerälen, sondern die gewählte israelische Regierung die gesetzgebende Gewalt ausüben.

Der Hauptunterschied zwischen den israelischen Ultrarechten und den bekannten europäischen Populisten besteht darin, dass Erstere ein bewusstes Verhältnis zur Geschichte und zur Gewalt haben. Im Unterschied zu Nationalpopulisten verstehen die revolutionären ultrarechten Aktivisten in Israel die Bedeutung entscheidender historischer Momente und sind bereit, am illegalen Rand zu bleiben, wenn nötig Opfer zu bringen und zu handeln. Ben-Gvir befürwortete Rabins Ermordung nicht, weil er in irgendeinem abstrakten Sinne ein Rassist gewesen wäre. Er unterstützte den Mord an einem demokratisch gewählten Ministerpräsidenten, weil er ihn in diesem kritischen Augenblick der Geschichte für nötig hielt, um eine Zweistaatenlösung zu verhindern.

Wir befinden uns jetzt am nächsten entscheidenden Punkt derselben historischen Entwicklung. Das Manöver, das mit der Zerstörung des Oslo-Friedensprozesses begann, steht kurz vor seiner Vollendung, da Israel das gesamte Territorium kontrolliert, niemand mehr von einer Zweistaatenlösung spricht und mehr als 50 Prozent der Bevölkerung innerhalb der israelischen Grenzen palästinensisch sind. Über diese Zahlen und Grenzen muss man nicht diskutieren: Das ist der Anteil der Palästinenser an der israelischen Bevölkerung. Und die neue Regierung macht keinen Hehl aus ihrer Absicht, etwas dagegen zu unternehmen. Es wäre eine Farce, diese Leute nach unseren liberalen Kategorien zu beurteilen und zu glauben, dass sie eine Gelegenheit zum Handeln auslassen, wenn sie sich ihnen bietet.

Was also ist zu erwarten? Kein brennender Reichstag. Israel hat keine Verfassung, und so braucht es keinen Vorwand, um sie auszusetzen. Da die Palästinenser bereits unter Militärrecht leben und sich Israel seit 1948 offiziell im Ausnahmezustand befindet, besteht die rechtliche Infrastruktur für einschneidende strukturelle Veränderungen schon jetzt. Wir werden besonders auf bewusste Versuche zu achten haben, das Feuer in umstrittenen Gebieten in einer Weise zu schüren, die die zuletzt im Mai 2021 erlebte Art von Gewalt auslöst: Straßenkämpfe zwischen Juden und Palästinensern in gemischten Städten, Auseinandersetzungen im Westjordanland am Rande einer bewaffneten dritten Intifada, einen Feldzug in Gaza.

Ben-Gvir und Smotrich haben von den Geschehnissen im Mai 2021 politisch außerordentlich profitiert, und so sollte uns die Art von Gewalt und von Gesetzgebung vor Augen stehen, die beides nach sich ziehen könnte, da die beiden Männer diesmal die faktische Kontrolle über Netanjahus Regierung ausüben werden. Im Hinblick auf den Mai 2021 hat Israels Polizeipräsident Jaakow Schabtai, den man kaum als Taube bezeichnen kann, Ben-Gvir einen »Pyromanen« genannt und ihn als »die für diese Intifada verantwortliche Person« bezeichnet. Diese Person wird jetzt der direkte Vorgesetzte des Polizeipräsidenten. Ethnische Gewalt in gemischten israelischen Städten würde nicht zum Vorwand genommen, um die Rechtsstaatlichkeit auszusetzen. Vielmehr würde die Tatsache ausgenutzt, dass keine Rechtsstaatlichkeit diejenigen schützt, die solchen Schutz am dringendsten bräuchten – das heißt die »Minderheit« –, um sie gewaltsamer zu beherrschen als in der Vergangenheit.

Der israelische Historiker Yuval Noah Harari machte vor einigen Wochen mit der Warnung Schlagzeilen, Israel steuere auf ein »Drei-Klassen-System« zu: Juden mit »vollen Rechten«, Palästinenser mit »einigen Rechten« und andere mit nahezu »keinen Rechten«. Diese Aussage hatte Harari allerdings schon letztes Jahr auf Hebräisch getroffen, und heute hinkt seine Beobachtung einen Schritt hinterher: Ein Staat kann nicht 50 Prozent seiner Bevölkerung nahezu oder komplett rechtlos halten; das »Drei Klassen«-Programm war in Wirklichkeit die Programmlosigkeit früherer Regierungen, die es nicht eilig hatten, die hinfällige Zweistaatenlösung durch etwas Neues zu ersetzen. Die ins Amt kommende Regierung hat sehr wohl ein Programm, und es basiert nicht auf einem »Drei-Klassen-System«.

Es ist wichtig, sich in diesen Tagen daran zu erinnern, dass die Militärherrschaft unter der israelischen Besatzung keine Erfindung von 1967 war. Sie war seit 1948 entwickelt worden, um palästinensische Dörfer und Städte innerhalb der Waffenstillstandslinie zwischen Israel und dem Westjordanland zu kontrollieren, bis diese 1966 abgeschafft wurde. Als Israel 1967 den Gazastreifen und das Westjordanland eroberte, weitete es die vertrauten Methoden auf diese Gebiete aus. Unter dem Vorwand ethnischer Gewalt in israelischen Städten konnten diese halboffiziell wieder dem eigentlichen Land Israel zugeschlagen werden.

Ben-Gvir hat nicht nur das Ministerium für Nationale Sicherheit, sondern auch das für die Entwicklung des Negev und Galiläas gefordert und bekommen. Ursprünglich dafür eingerichtet, die abgehängte Peripherie zu fördern, überwacht dieses Ministerium das Leben in Gegenden, die überwiegend von palästinensischen Israelis und Beduinen bewohnt sind. Wie Ben-Gvir die Entwicklung dieser Gebiete angehen will, kann man aus dem Umstand ersehen, dass es auch hier bereits einen neuen Namen gibt: »Ministerium für die Entwicklung Galiläas, des Negev und der nationalen Stärke«.

Man wird sich vielleicht fragen, warum Israels Oberstes Gericht diesen Weimar-Moment ermöglicht hat, indem es solche Parteien überhaupt zur Wahl zuließ. In Israel gibt es ein Gesetz der »wehrhaften Demokratie«, welches vorschreibt, dass jede Person, die »in Wort oder Tat« dem Charakter des Landes als »jüdisch und demokratisch« widerspricht, von Wahlen auszuschließen ist. Die Antwort auf unsere Frage liegt in der Sprache des Rechts selbst und darin, wie es vom Gericht angewandt wird. Bei den letzten Wahlen hätten die Richterinnen und Richter beinahe die palästinensische Partei Balad ausgeschlossen. Als Hauptbeweis gegen sie, den die Präsidentin des Gerichts als »schwerwiegend« bezeichnete, führte das Gericht einen Gesetzesentwurf an, den die Partei der Knesset vorgelegt hatte: »Israel, der Staat all seiner Bürger«. Danach war es keine Überraschung mehr, dass ein Oberster Gerichtshof, der einen Eckpfeiler der Rechtsstaatlichkeit – den Grundsatz, dass ein Staat all seinen Bürgerinnen und Bürgern gehört – als existenzielle Bedrohung ansieht, eine Partei zur Wahl zulassen würde, die zu einem totalen Krieg gegen Israels palästinensische Einwohner und Bürger aufruft.

In einem viel zitierten Artikel schrieb der US-amerikanische Publizist Thomas Friedman: »Das Israel, das wir kennen, ist Geschichte.« Um die Hoffnung aufrechterhalten und eine Opposition gegen Ben Gvir bilden zu können, muss man diese Feststellung ernst nehmen. Der Grundsatz, von dem sich die scheidende Regierung leiten ließ und der auch ihren Weg in die Opposition begleitet, ist die Verpflichtung, die Palästinenserfrage beiseitezuschieben, um das Land zu verteidigen, das wir kennen: die jüdische Demokratie und ihre Rechtsstaatlichkeit.

Diese Strategie verfolgte schon immer eine böse Absicht: Man kann die »Rechtsstaatlichkeit« des Landes nicht bewahren, indem man den schamlosesten Verstoß gegen sie ignoriert – die Tatsache, dass drei Millionen Palästinenser ohne Bürgerrechte seiner Gerichtsbarkeit unterliegen und dass es immer noch auf einem ethnischen Konzept der Staatsbürgerschaft besteht, das Palästinenser innerhalb der Waffenstillstandslinie zu Bürgern zweiter Klasse herabstuft. Weiter an dem Glauben festzuhalten, man könne gegen die neue Regierung Opposition betreiben, ohne das Palästinenserproblem ernsthaft anzugehen, ist an diesem Punkt fatal.

Und nun? Nachdem Meretz, die letzte Bastion des liberalen Zionismus in der israelischen Parteienlandschaft, aus dem Parlament geflogen ist, besteht die Chance, dass sich Israels kleine, aber immer noch einflussreiche liberale Kohorten endlich zu einer echten jüdisch-palästinensischen Zusammenarbeit verpflichten, die auf völliger staatsbürgerlicher Gleichheit zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer beruhen würde. Es gibt föderative Visionen für einen binationalen Staat (und nicht nur meine eigene), in dem alle Bürgerinnen und Bürger auf dem gesamten Territorium gleichgestellt wären und jedes Volk nationale Selbstbestimmung als eine separate Autonomie ausüben würde. Derzeit bilden sich erste Allianzen zwischen den geschlagenen liberalen Zionisten und arabisch-israelischen Abgeordneten. Sie verdienen internationale Legitimität und Unterstützung und werden sie dringend benötigen.

Die neue Regierung und ihre Emissäre würden uns zweifellos als Verräter bezeichnen. Die Idee einer föderalen, binationalen Demokratie ist aber jetzt die einzige, und sei es weit hergeholte, Alternative zu den Umsiedlungsfantasien dieser Regierung. Es ist auch die einzige Möglichkeit, an der Idee einer jüdischen Selbstbestimmung festzuhalten, die mit einer Demokratie vereinbar wäre, und den Antisemitismus in einer Form zu bekämpfen, die mit den Menschenrechten in Einklang steht und nicht gegen sie gerichtet ist.“

https://jvjp.ch/images/content/pdf/Boehm_20221219.docx

 

Ina Zeuch: „Der israelische Politologe Shir Hever über das Wahlbündnis von Benjamin Netanjahu, Rechtsextreme in der Regierung und die Folgen des herrschenden Populismus.

Shir Hever ist 1978 in Jerusalem geboren und aufgewachsen. Er hat in Jerusalem und Tel Aviv Wirtschaftswissenschaften und humanistische Fächer sowie in Berlin Politikwissenschaft studiert. In Berlin promovierte er über die Privatisierung der israelischen Sicherheit. Sein erstes Buch The Political Economy of Israels Occupation erschien 2010. Sein zweites Buch The Privatization of Israeli Security wurde 2017 veröffentlicht.

Hever ist Mitglied der "Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V." und arbeitet als Journalist, Wissenschaftler und Geschäftsführer des Vereins "Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinenser e.V." (BIP).

Israel hat das Wahlbündnis von Benjamin Netanjahu gewählt. Einige von Netanyahus Koalitionspartnern werden von maßgeblichen Medien in Deutschland – etwa von der ARD – als rechtsradikal bezeichnet. Das Auswärtige Amt hat den Begriff dagegen zurückgewiesen. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

Shir Hever: Nicht Israel hat gewählt, sondern nur Menschen mit der israelischen Staatsbürgerschaft haben gewählt. Fünf Millionen Menschen, die unter der israelischen Besatzung leben, durften nicht wählen – das sind die Menschen im Westjordanland, in Gaza und auf den Golanhöhen – das sind 40 Prozent der Bevölkerung.

Zum Begriff rechtsradikal: Das betrifft eine ganz bestimmte Partei, die Religiös-Zionistische Partei von Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, und das ist tatsächlich eine rechtsradikale Partei. Ben-Gvir wurde zum Beispiel nicht zur Armee zugelassen, weil er Mitglied in einer von Israel des Terrors beschuldigten Vereinigung namens Kach gewesen ist. Gvir bedroht Palästineser:innen mit dem Tod und er ruft zur Deportation von afrikanischen Flüchtlingen auf. Er ist ein rechtsextremer Rassist.

Smotrich, Gvir und einige andere der rechten Knesset-Mitglieder haben Sie ja kürzlich selber in einem Special im Middle East Eye vorgestellt. Nachdem festgestanden hatte, dass Netanjahu die Wahl gewonnen hat, hat er in seiner ersten Rede die Rückkehr des Nationalstolzes angekündigt und dass Israel nicht mehr mit gesenktem Kopf einhergehen werde. Was meint er damit?

Shir Hever: Damit bezieht Netanjahu sich auf das Nationalitätengesetz; wobei niemand in Israel dieses Gesetz so nennt, sondern "Gesetz der Nation". Es besagt, dass es nur eine Nation im Kernland Israel und in der Westbank gibt, die Rechte hat und das ist die jüdische Nation. Ob mit Nation Israel oder Palästina gemeint ist, wird nicht definiert.

Es können auch diejenigen Staatsbürger:innen werden, die keine Juden und Jüdinnen sind, und sie haben dann auch verschiedene Rechte – aber nicht alle Rechte. Das Gesetz über den Nationalstaat ist ein Grundgesetz, das mit einer qualifizierten Mehrheit erlassen wurde. Deshalb hat der Oberste Gerichtshof es nicht aufgehoben, obwohl es zutiefst rassistisch ist.

Nun möchte Netanjahu einen Schritt weitergehen: Die verschiedenen Parteien seiner Koalition – nicht nur der Likud und die Partei des "Religiösen Zionismus", sondern auch die ultra-orthodoxen religiösen Parteien – wollen die Judikative weiter schwächen. Dafür soll die Knesset die Möglichkeit erhalten, den Obersten Gerichtshof mit einfacher Mehrheit daran zu hindern, Gesetze zu diskutieren.

Dieses Vorhaben ist wichtig, um die Annexion von palästinensischem Land im großen Stil zu ermöglichen, um mehr Siedlungen zu bauen und um nicht-jüdischen Bürgern grundlegende Bürgerrechte zu verweigern und zudem das gegen Netanjahu anhängige Gerichtsverfahren aufzuheben. Denn er ist der schweren Korruption angeklagt. Um seinem Prozess zu entgehen, möchte er die Justiz unter Kontrolle bringen. Seine Wiederwahl wird fast ganz sicher sein Ausweg daraus sein.

Kürzlich haben Sie die Angst als beherrschende Stimmung in Israel genannt, die besonders von Netanjahu in seinem Wahlkampf genutzt würde. Ist seine Wiederwahl vornehmlich aus Angst geschehen und wenn ja, aus Angst wovor?

Shir Hever: Netanjahu kritisiert, dass Israel zu viel Angst um seinen Ruf hat. Deshalb interessiert er sich nicht für Beziehungen mit demokratischen Ländern, sondern nur für Länder, die Israel unterstützen, wie Brasilien unter Jair Bolsonaro oder Ungarn unter Viktor Orbán.

Das hat ihm Stimmen gebracht, weil die israelische Bevölkerung nicht mit Kritik an Israel konfrontiert werden will. Denn diese Kritik schürt die Angst, dass Israel nicht überleben wird. Netanjahu verspricht deshalb lieber eine Koalition zum Beispiel mit Polen, Ungarn oder den Arabischen Emiraten.

Während der letzten Regierung unter Yair Lapid waren auf der palästinensischen Seite weit mehr Opfer zu beklagen als zu Zeiten der vorletzten Regierung, der Netanjahu ebenfalls vorstand. Glauben Sie, dass die Gewalt unter der neuen Regierung wieder zurückgeht?

Shir Hever: Das ist sehr schwer zu beantworten. Es gab eine sehr große Welle von Siedlergewalt. Die Siedler hatten Angst, dass die gemäßigte Regierung unter Yair Lapid Kompromisse mit den Palästinenser:innen eingehen würde.

Mit der Wiederwahl Netanjahus haben sie jetzt keinen Grund mehr, etwas zu befürchten; er "droht" nicht mit Frieden. Das muss nicht bedeuten, dass diese Gewalt nun automatisch zurückgehen wird, denn Gründe dafür können immer wieder gefunden werden.

Die andere Perspektive ist, dass die Siedler straffrei ausgehen. Sie können mit der Unterstützung der Armee rechnen. Sie können machen, was sie wollen – bis zu einer bestimmten Grenze. In einigen wenigen Fällen kamen Siedler vor Gericht. Denn wenn Siedler im Westjordanland gar keine Gesetze mehr beachten, dann verliert Israel die Kontrolle über das Westjordanland.

Verstehe ich Sie richtig, dass es Netanjahu egal ist, wie sehr seine Politik verurteilt wird? Wie etwa in dem aktuellen Bericht der Sonderberichterstatterin der UN, Francesca Albanese, der ausgesprochen schonungslos ausgefallen ist?

Shir Hever: Netanjahu ist Populist und ignoriert solche Aussagen oder tut sie als antisemitisch ab. Erst wenn diese Kritik zu konkreten Maßnahmen führt, das betrifft etwa die Handlungsbeziehungen zwischen Israel und der EU, kann er das nicht mehr ignorieren.

Denn seine Koalitionen mit den Arabischen Emiraten, Indien oder Ungarn haben keinen hohen ökonomischen Wert für die israelische Wirtschaft, außer für Rüstungsexporte. Der größte Handelspartner für Israel ist die Europäische Union, und zwar für mehr als ein Drittel der Im- und Exporte.

Eines der Ereignisse in den besetzten Gebieten, das am meisten internationale Aufmerksamkeit erfahren hat, war die Ermordung der Al-Jazeera-Journalistin Shirin Abu Akleh durch die Israelische Armee. Ein Ereignis, das – zumindest in Deutschland – dagegen weitgehend ignoriert wurde, ist die Zwangsumsiedlung von 1.200 Palästinenser:innen in Massafer Yatta.

Man gewinnt den Eindruck, dass die israelische Politik austestet, wie weit sie bei der Verwirklichung der Annexion des Westjordanlandes gehen kann, ohne dass die internationale Gemeinschaft einschreitet. Ist dieser Eindruck richtig?

Shir Hever: Hier sind zwei sehr verschiedene Ereignisse angesprochen. Der Fall Abu Akleh ist ein Mordfall und ein einzelner Mordfall hat bislang nie zu internationalen Sanktionen geführt – leider! Ihre Ermordung gibt viel Aufschluss darüber, warum Netanjahu die Wahl gewonnen hat: Der Name des Scharfschützen, der Abu Akleh mit Kopfschuss getötet hat, ist bekannt. Über dem Militäreinsatz in Dschenin am 11. Mai flogen Drohnen, die alles aufgezeichnet haben.

Aber die Armee wird diese Aufnahmen und den Namen des Scharfschützen niemals preisgeben. Denn das Militär ist fast außer Kontrolle. Jeder Soldat macht, was er will. Wenn das Verteidigungsministerium anordnen würde, den Scharfschützen von Abuh Akleh anzuklagen, gäbe es in der israelischen Armee eine Rebellion. Solche Vorfälle beschädigen den Ruf des Militärs. Netanjahu weiß das.

Einerseits unterstützt Netanjahu die Soldaten in ihrer Machttrunkenheit, andererseits würde er es aber ablehnen, in Gaza einzumarschieren – selbst wenn sein eigenes Kabinett das vorschlagen würde. Als Populist würde er dem zustimmen, aber er würde nicht danach handeln, weil er genau weiß, dass er keine Kontrolle über den Militäreinsatz hätte.

Demokratischer Konsens ist, dass die Armee Befehle zu befolgen hat. Wenn aber klar wird, dass die Soldaten machen, was sie wollen – wie im Fall von Abuh Akleh – hat die Regierung ein Problem. Sie ist an dieser Stelle – entgegen ihren Behauptungen – politisch schwach.

Der zweite Teil der Frage bezieht sich auf die ethnischen Säuberungen, nicht nur in Massafer Yatta, sondern auch in Scheich Dscharrah und Har Homa. In allen drei Fällen gab es großen internationalen Druck und Unterstützung für die Palästinenser:innen, die dort leben.

Hier besteht das Dilemma der israelischen Regierung darin, dass die Bevölkerung sich nicht um den Ruf Israels schert. Sie wollen – ohne Kompromisse machen zu müssen – immer mehr Land einnehmen und dabei auf keinen Fall Schwäche gegenüber den Palästinenser:innen zeigen. Dabei geht es auch um Nationalstolz.

Als er noch Außenminister war, wollte Yair Lapid den populistischen Politikstil von Netanjahu, der das Eine sagt und dann etwas ganz anders macht, beenden. Er wollte transparenter und konsequenter in seinem Handeln sein. Damit ist er nach seiner Wahl sofort vor die Wand gefahren.

Anfang des Jahres prophezeite er, dass die Apartheid-Vorwürfe im Jahr 2022 stärker als je zuvor erhoben würden. So wollte er die israelische Bevölkerung davon überzeugen, mehr Kompromisse zu machen, um die Vorwürfe gegen Israel einzudämmen. Aber das hat nicht funktioniert.

Der Rechtsruck kommt also aus der Bevölkerung?

Shir Hever: Genau. Die israelische Bevölkerung hat die Erfahrung gemacht, dass sie keine Konsequenzen zu befürchten haben, wenn sie immer rechtsextremer und radikaler werden. Die Generationen heute unterscheiden sich sehr stark von der meiner Großeltern. Der Krieg von 1948 hat zwei Prozent der jüdischen Bevölkerung das Leben gekostet. Diese Generation hat viele Opfer gebracht – für ihren nationalen Stolz und dafür, dass ihre Kinder und Enkelkinder solche Opfer nicht mehr erbringen müssen.

Heute fühlen sich die meisten Juden und Jüdinnen als Alleinherrscher:innen über dieses Land. Warum sollten sie etwas dafür opfern? Einerseits hat diese Generation einen enormen Rechtsruck vollzogen, andererseits gehen aber immer weniger Menschen zur Armee.

Ben Gvir war nicht in der Armee und auch Bezalel Smotrich, Führer der Zionistischen Religionspartei, war nur die erste Zeit in der Armee. Sie sind nicht bereit, drei Jahre in der Armee zu verbringen. Und auch die Armee will keine Opfer bringen. Sie glaubt, der israelische Staat sei dazu da, ihnen zu dienen und nicht umgekehrt. Sie wollen die Sicherheit der Israelis auf die palästinensischen Sicherheitskräfte abschieben.

Die UN-Resolutionen und die Mahnungen der internationalen Gemeinschaft, die Zwei-Staaten-Lösung nicht aufs Spiel zu setzen, verhallen ungehört. Warum hält die internationale Staatengemeinschaft so eisern an der Zwei-Staaten-Lösung fest, obwohl doch extrem unwahrscheinlich ist, dass die Siedler wieder aus der Westbank abziehen werden? Was ist Ihre Meinung dazu?

Shir Hever: Meine Meinung dazu ist, dass die Internationale Gemeinschaft sich auf die Menschenrechte und auf das Völkerrecht und nicht auf Ländergrenzen fokussieren sollte. Kein Land hat das Recht, die Landkarte für die Menschen, in denen sie leben, zu bestimmen. Das müssen die Menschen vor Ort selber entscheiden.

Es gibt natürlich viele Palästinenser:innen, die sich einen unabhängigen Staat wünschen, auf Basis der Grenzen von 1967. Das ist ihr Recht, denn diese Forderung ist völkerrechtskonform. Aber eine noch größere Gruppe in Palästina möchte keinen kleinen Staat neben Israel. Sie wünscht sich eine gemeinsame Demokratie mit Israel – nicht als einen jüdischen, sondern als einen demokratischen Staat zusammen mit den Israelis auf der Basis gleicher Rechte für alle.

Aber eine dritte Gruppe, größer als diese beiden zusammengenommen, wünscht sich einfach nur Menschen- und Bürgerrechte, egal in wie vielen Staaten – egal, ob sie israelische oder palästinensische Staatsbürger:innen sind. Sie möchten eine eigene Staatsbürgerschaft mit allen Rechten auf Freiheit und Demokratie. In Israel aber will die große Mehrheit weiterhin Apartheid, den Status quo – mit einer palästinensischen Bevölkerung ohne Rechte und unter israelischer Kontrolle.

Die internationale Gemeinschaft muss nicht darüber entscheiden, welche Lösung die beste für die Menschen wäre. Die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft ist es, die Menschenrechte zu unterstützen und dann die betroffenen Menschen vor Ort ihre eigenen Entscheidungen treffen zu lassen, wie sie leben möchten.

Man hört oft den Vorwurf, dass die Palästinenser jeden Vorschlag der israelischen Seite für einen Friedensprozess zurückgewiesen hätten und dass Palästina zudem eine adäquate, von der Bevölkerung akzeptierte Führung vermissen ließe, mit der man verhandeln könne. Wann gab es zuletzt Vorschläge von israelischer Seite zur Lösung des Konfliktes, für einen Frieden oder für einen palästinensischen Staat?

Shir Hever: Es gab nie einen Vorschlag der israelischen Seite, der die Rechte der Palästinenser:innen respektiert hätte. Alle Vorschläge, die gemacht wurden, kamen von Jitzchak Rabin, Ehud Barak und Ehud Olmert – und zwar nur von diesen dreien.

Alle ihre Vorschläge forderten von den Palästinenser:innen, dass sie auf einen Teil ihrer Rechte verzichten sollten – zu Gunsten anderer Rechte, die man ihnen dann zugestehen würde. Sie sollten in einem Land ohne eigene Armee, mit einer beschränkten Autonomie ohne Bewegungsfreiheit leben.

Auf der Seite der palästinensischen Führung gab es in den vergangenen Jahren dagegen sehr viele Angebote. Die PLO hat den Staat Israel offiziell anerkannt, und zwar in den Grenzen von 1967. Damit haben sie sich mit 20 Prozent palästinensischem gegenüber 80 Prozent israelischem Land zufriedengegeben. Sie haben auch dem Angebot der Arabischen Liga von 2002 zugestimmt – ein Friedensangebot, das Israel abgelehnt hat.

Auf der israelischen Seite gibt es kein Interesse an Friedensangeboten. Denn warum sollte Israel auch nur auf einen Zentimeter Land verzichten? Solange die Machtungleichheit so viel Unterstützung erhält, egal, wie viel Menschenleben das fordert, egal, wie viele Kriegsverbrechen begangen werden, solange können Israelis fast alles ungestraft tun.

Deswegen müssen wir in Deutschland zu einer klaren Haltung kommen, nämlich nur Staaten zu unterstützen, die das internationale Völkerrecht respektieren. Das heißt, dass der Staat Israel keine Unterstützung mehr bekommen sollte. Dann könnte Israel Friedensangebote nicht mehr so leicht ablehnen oder ignorieren.

Ist ein Ende der Besatzung derzeit vorstellbar? Und wie könnte Beendigung der Besatzung aussehen? Kann solch ein Vorgang überhaupt auf rein bilateraler Ebene zwischen Israel und Palästina stattfinden oder braucht es dazu das Ende der massiven finanziellen Unterstützung durch die EU und die USA? Wäre Druck der vielversprechendere Weg – etwa die Aussetzung oder Aufkündigung des Assoziierungsabkommen Israels mit der EU?

Shir Hever: Ich glaube, dass die EU das Assoziierungsabkommen mit Israel stoppen sollte – aus moralischen Gründen, und zwar unabhängig davon, ob das die Besatzung beenden wird oder nicht. Das ist eine moralische Pflicht der EU. Die Palästinenser:innen sind in der Frage nach dem Ende der Besatzung einiger als je zuvor.

Palästinensische Forscher:innen stellen fest, dass die palästinensische Gesellschaft ein ausgeprägtes Wissen über die israelische Kultur und Politik hat. Fast jede:r Palästinenser:in kann zahlreiche israelische Politiker:innen und ihre Positionen nennen, aber Israelis kennen vielleicht zwei oder drei Namen palästinensischer Politiker:innen oder sogar nur den von Mahmud Abbas.

Das zeigt, dass die Palästinenser:innen mit offenen Augen kämpfen, während die israelische Seite, die mit mehr Waffen, mehr Macht, mehr internationaler Unterstützung ausgerüstet ist, mit geschlossenen Augen kämpft. Sie haben keinen Plan für die Zukunft. Die Palästinenser:innen dagegen haben einen Plan für die Zukunft. Das ist ihr enormer Vorteil.

Ich halte es nicht für sehr wahrscheinlich, dass mit dem Ende der Besatzung zwei Staaten nebeneinander existieren werden. Wenn die Israelis zwischen dem Ende der Besatzung oder einer Ein-Staat-Lösung entscheiden müssten, würden die meisten vermutlich Letzterem zustimmen. Vielleicht wird die politische Institution Israel durch eine andere politische Institution ersetzt, vielleicht unter anderem Namen, einer anderen Flagge, anderer Gesetzgebung. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird dieser neue Staat demokratisch sein.

Ich glaube, dass die Besatzung nicht haltbar ist. Trotz der internationalen Unterstützung ist sie nicht haltbar, weil – wie schon gesagt – die israelischen Soldaten ihr Leben nicht riskieren wollen. Auch die israelischen Zivilisten wollen keine Opfer bringen und keine Konsequenzen ziehen.

Die Boykottbewegung wird weltweit immer stärker werden – sogar in Deutschland, und die Israelis werden früher oder später damit konfrontiert werden. Der internationale Druck ist wichtig, um die Machtungleichheit zu beenden.

Aber über die Ziele und auch die Maßnahmen für eine Lösung nach dem Ende der Besatzung müssen die Palästinenser:innen, wie schon erwähnt, selbst entscheiden. Es gibt zurzeit eine intensive Diskussion in Palästina, ob sie mit Waffen oder gewaltlos mit Graswurzelbewegungen gegen die Besatzung kämpfen sollen.

Selbstverständlich bin ich absolut für die zweite Gruppe. Ich möchte nicht, dass auch nur ein Mensch – sei es auf der israelischen oder der palästinensischen Seite – getötet wird. Meine Meinung dazu ist sehr klar: Keine Waffen und keine Gewalt.

Aber damit man die Kämpfenden überzeugen kann, den bewaffneten Kampf aufzugeben, muss man ihnen Alternativen für den gewaltlosen Weg aufzeigen. Um das zu erreichen, dass die gewaltbereite Gruppe ihren Kampf mit Waffen aufgibt – dafür ist die internationale Unterstützung und Solidarität sehr wichtig.“

https://www.telepolis.de/features/Israel-Ein-Lehrstueck-in-Sachen-Populismus-7348695.html

 

Das Treiben der neuen Regierung

 

Jean Shaoul im Februar 2023: „Inzwischen hat die Knesset in erster Lesung wesentliche Bestandteile des „Justizreform“-Gesetzes gebilligt. Die Regierung soll mehr Macht im Richterauswahlkomitee erhalten, indem eine größere Zahl der Richter politisch berufen wird. Außerdem sollen die Gerichte nicht mehr über Entscheidungen oder Handlungen urteilen dürfen, die nach Ansicht der Richter im Konflikt mit den Grundgesetzen Israels stehen. Noch nicht abgestimmt wurde im Parlament über die geplante Bestimmung, dass die Knesset Entscheidungen des obersten Gerichts mit einfacher Mehrheit widerrufen kann, während das Oberste Gericht bei der juristischen Überprüfung von Gesetzen nur einstimmige Entscheidungen treffen darf. Zusammengenommen würden diese Vorschriften der Regierung eine unanfechtbare Macht verleihen.

https://www.wsws.org/de/articles/2023/02/22/ixro-f22.html

 

Patrick Martin im März 2023: „Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte am späten Montagabend an, dass er die Beratungen der Knesset, des israelischen Parlaments, über seine umstrittene „Justizreform“ vorübergehend aussetzen werde. Die Reformpläne kommen einem Schlag gegen den Rechtsstaat gleich. Die Justiz ist der einzige Teil des Staates, den Netanjahus ultrarechte Koalition nicht kontrolliert.

Die israelische Regierung macht diesen taktischen Rückzug angesichts des größten Widerstands der Bevölkerung in der Geschichte Israels. Erst am Sonntag fanden die Demonstrationen einen neuen Höhepunkt in massiven Straßenprotesten und am Montag kam es zu umfassenden Streiks großer Teile der israelischen Arbeiterklasse. Flughäfen, Schifffahrt, Verkehr, Industrie, Versorgungsunternehmen, Schulen, Kindertagesstätten, Universitäten und praktisch alle staatlichen Einrichtungen wurden bestreikt. Überall auf der Welt wurden israelische Botschaften geschlossen, und der israelische Generalkonsul in New York City trat zurück.

Der unmittelbare Auslöser für diese politische Explosion war Netanjahus Entlassung des Verteidigungsministers Yoav Gallant. Dieser hatte den Ministerpräsidenten am Samstag aufgefordert, vom Plan abzurücken, der Justiz einen Maulkorb umzuhängen, weil der politische Konflikt darüber die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) spalten würde. Gallant, ein führender Vertreter von Netanjahus Likud-Partei, zitierte Erklärungen von tausenden Reservisten, dass sie ihre regulären Einberufungen verweigern würden, weil sie nicht unter einer Regierung dienen wollten, die die Demokratie zerstört.

Die Krise im Militär ist nur ein Ausdruck des Konflikts, der ganz Israel zutiefst erschüttert. Er hat den grundlegenden Mythos des Zionismus gesprengt, dass Israel die Einheit aller Juden gegen die Welt repräsentiere. Stattdessen ist Israel von enormen sozialen, politischen und Klassenkonflikten zerrissen. Wie Netanjahu selbst sagt, befindet sich das Land am Rande eines „Bürgerkriegs“ …

Seit Monaten halten in Tel Aviv, Jerusalem und anderen Städten große Proteste an, die für ein Land von der Größe Israels außergewöhnlich sind. Die Ereignisse dieses Wochenendes waren jedoch ein Qualitätssprung. Massen von Menschen gingen auf die Straße, und eine Menge von schätzungsweise 100.000 Menschen blockierte die Hauptstraße durch Tel Aviv und wehrte sich gegen die Versuche der Polizei, sie zu räumen. Tausende demonstrierten vor dem Amtssitz Netanjahus in Jerusalem.

Die Streiks begannen am Sonntag, einem normalen Arbeitstag in Israel, und weiteten sich so stark aus, dass die Histadrut, der offizielle Gewerkschaftsverband, der seit langem direkt mit dem israelischen Staat verbunden ist, sich gezwungen sah, einen landesweiten Generalstreik auszurufen. Viele Arbeitgeber kündigten am Montag Schließungen an und beugten sich damit der Stärke der Streikbewegung. Alle vom internationalen Flughafen Ben-Gurion abgehenden Flüge wurden gestoppt, und die beiden wichtigsten Seehäfen des Landes, Haifa und Ashdod, wurden geschlossen.

Netanjahus Erklärung, in der er die vorübergehende Aussetzung des Vorgehens in der Knesset im Zusammenhang mit der Justizreform ankündigte, bestätigte die Macht der Opposition in der Bevölkerung. „Aus nationaler Verantwortung, aus dem Wunsch heraus, die Nation vor dem Zerreißen zu bewahren, fordere ich die Aussetzung des Gesetzes“, sagte er. „Wenn es eine Möglichkeit gibt, einen Bürgerkrieg durch Verhandlungen zu verhindern, werde ich eine Auszeit für Verhandlungen gewähren.“

Netanjahu verspricht Gespräche mit der Opposition. Tatsächlich hat er mit den offen faschistischen Elementen in seiner eigenen rechtsextremen Koalition verhandelt, weil diese sich anfangs gegen jeden Rückzug, selbst einen taktischen, angesichts der Massenbewegung gewehrt hatten. Ihr Einverständnis, den Aufschub zu akzeptieren, ging mit einem ominösen Zugeständnis einher: Die Regierung wird eine neue Nationalgarde einrichten, finanzieren und ausrüsten, die dem Innenministerium untersteht. Das Innenministerium wird wiederum von Itamar Ben-Gvir geleitet, einem der wichtigsten Anführer der faschistischen Siedler im besetzten Westjordanland.

Die Regierung und die Faschisten werden die Zeit, in der die Justizreform ausgesetzt ist, nutzen, um die systematische Anwendung von Gewalt gegen eine erneute politische Opposition vorzubereiten. Ihr Ziel ist es, eine paramilitärische Truppe zu schaffen, die im Gegensatz zum Militär politisch so ausgewählt wird, dass sie nur die übelsten rassistischen und religiösen Zionisten umfasst und daher leichter zur inneren Repression gegen die israelische Arbeiterklasse und Jugend eingesetzt werden kann.

Ben-Gvir, der letzte Minister im Kabinett, der der vorübergehenden Aussetzung der „Justizreform“ zugestimmt hat, freute sich in einem Tweet an seine Anhänger: „Die Reform wird durchkommen. Die Nationalgarde wird eingerichtet. Der von mir geforderte Haushalt für das Ministerium für nationale Sicherheit wird in seiner Gesamtheit verabschiedet werden. Niemand wird uns Angst machen. Es wird niemandem gelingen, die Entscheidung des Volks zu ändern. Sprechen Sie mir nach: De-mo-kra-tie!“ Letzteres ist eine spöttische Anspielung auf den Hauptgesang der regierungskritischen Demonstranten …

Der eigentliche Inhalt der Maßnahmen rund um die „Justizreform“ ist die Beseitigung aller rechtlichen und administrativen Hindernisse für die uneingeschränkte Diktatur der religiösen Zionisten und der fanatischen Siedler. Diese stellen zwar nur eine Minderheit der jüdischen Bevölkerung dar, beherrschen aber zunehmend das politische System in Israel."

https://www.wsws.org/de/articles/2023/03/28/baua-m28.html

 

Blick zurück

 

Die aktuelle Regierung ist nicht aus dem Nichts entstanden. Ein Blick zurück zeigt, wie die derzeitige Lage entstehen konnte.

 

Nakba

 

Aus einem früheren Beitrag des Wurms: „Vor 70 Jahren begann die Katastrophe (arabisch „Nakba“) mit der Staatsgründung Israels und der Vertreibung hunderttausender Palästinenser.

Wer ein Problem lösen will, muss es erst einmal verstehen und nicht auf Propaganda jedweder Art hören. Und wird in diesem Fall zur Kenntnis gelangen, dass dieses Problem nicht lösbar ist. Bei zwei Menschen würde wurm sagen, das Problem sei dann gelöst, wenn einer der beiden tot ist.

Möglicherweise gibt es doch eine Lösung, mit der ein Großteil der Probleme gelöst werden könnte. Den Willen dazu sieht der Wurm jedoch nicht.

Auf jeden Fall sollte mensch den wesentlichen Konflikt kennen. Und wissen: so lange der nicht gelöst ist, wird nichts gelöst sein …

Hat Deutschland eine Verantwortung gegenüber dem Staat Israel? Darf dieser Staat alles machen? Auch alles Inhumane?

Hat Deutschland aus seiner Vergangenheit gelernt? Geht es darum, dass aus angeblich humanen Gründen ein einzelner Staat tun und lassen kann, was er will?

Oder doch eher darum, Verbrechen, Unrecht und Missstände klar beim Namen zu nennen, zu verurteilen und sich dafür einzusetzen, dass Friede und Gerechtigkeit auf der Welt herrscht?“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/579-nakba

 

Patrick Martin: „Die zionistische Darstellung Israels als eines klassenlosen Staates, in dem das gesamte jüdische Volk unter einer Flagge vereint ist und in dem die sozialen Unterschiede aufgehoben sind, war immer eine Lüge. Die Gründung des Staates Israel erfolgte durch die systematische Enteignung der palästinensischen Bevölkerung und die Vertreibung der Palästinenser durch Gewalt und Terror. Es folgte eine Reihe von Kriegen, die geführt wurden, um das Territorium Israels zu erweitern und es zu einer mächtigen, nuklear bewaffneten Speerspitze des amerikanischen Imperialismus im Nahen Osten zu machen.“

https://www.wsws.org/de/articles/2023/03/28/baua-m28.html

 

Chris Marsden: „Im Jahr 1948 wurde schließlich Israel gegründet, nachdem die Vereinten Nationen 1947 über die Teilung Palästinas abgestimmt hatten. Begründet wurde es damit, dass die Juden vor 2.000 Jahren aus ihrer Heimat vertrieben worden seien, und die Gründung wurde als „Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ beschönigt. Damit sollte ein gerechter und demokratischer Zufluchtsort für ein Volk geschaffen werden, das jahrhundertelang diskriminiert und unterdrückt worden war: ein Staat, der durch die Religion definiert wurde und allen offen stand, die sich auf jüdische Abstammung berufen konnten.

Die Realität hinter dieser Rhetorik ist die gewaltsame und brutale Vertreibung von fast einer Million Palästinensern, dem größten Teil der Bevölkerung, die Beschlagnahmung ihres Landes und die Durchsetzung der ethnischen und religiösen Interessen der Juden gegenüber denen der arabischen Muslime und Christen …

In Israel stieg die soziale Ungleichheit auf höchstes Weltniveau. Eine herrschende Klasse, die den Arbeitern immer weniger zu bieten hatte, baute zunehmend auf die Unterstützung von Siedlern und ultrareligiösen Gruppen. Dies schuf die Grundlage für das Aufkommen faschistischer Tendenzen innerhalb des politischen und militärischen Establishments. Diese Kräfte diktieren heute die Regierungspolitik und bedrohen nicht nur die Palästinenser, sondern auch die meisten Israelis mit brutaler Unterdrückung.

Heute hat Israel eine Regierung, die das Diktat des jüdischen Religionsgesetzes durchsetzen will; die religiöse Diskriminierung ist in der Verfassung verankert, und explosive soziale und politische Konflikte zerreißen die Gesellschaft.“

https://www.wsws.org/de/articles/2023/04/07/anti-a07.html

 

Lage der Palästinenser, jahrzehntelange internationale Verurteilung Israels

 

Norman Paech: „Der Menschenrechtsrat gibt sich wirklich Mühe. Dies ist nun der dritte Bericht, der über die Lage des Völkerrechts und der Menschenrechte in den von Israel besetzten Gebieten Palästinas in diesem Jahr vom Menschenrechtsrat vorgelegt wird. Nach den beiden Berichten der Sonderberichterstatter Michael Lynk (HRC A/HRC/49/87 v. 21. März 2022) und Francesca Albanese (UNGV A/77/356 v. 21. 9. 22) hat der Menschenrechtsrat nun den Bericht einer Internationalen Kommission am 27. Oktober vorgelegt (UNGA A/77/328 v. 14. September 2022). Den Auftrag dazu hatte er am 27. Mai 2021 erteilt, „in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalem, und in Israel alle mutmaßlichen Verletzungen des humanitären Völkerrechts und Verstöße gegen das internationale Menschenrecht vor und nach dem 13. April 2021 zu untersuchen.“

Der Auftrag ging also weiter als bei den Sonderberichterstattern, die sich auf die Situation der Menschenrechte konzentrieren sollten. Als Mitglieder der Kommission wurden Navanethem Pillay (Südafrika), Miloon Kothari (Indien) und Christopher Sidoti (Australien) ernannt.

Um es vorweg zu nehmen: Allen drei Berichten ist gemeinsam, dass ihren Autorinnen und Autoren die Einreise in die besetzten Gebiete verwehrt wurde, nur Gaza öffnete sich ihnen. Die israelische Regierung änderte ihre Politik nicht und zeigt auch nicht, dass sie aus den Berichten Konsequenzen ziehen wird. Und schließlich gab es keine Reaktion aus der hiesigen Politik und keiner der Berichte fand in den Medien Erwähnung oder gab Anlass zu einer Diskussion über die Besatzungspolitik.

Juristische Basis und Ausgangspunkt des Berichtes ist die Feststellung, dass die Besatzung mit allen ihren Folgen wie die Siedlungen und zahllosen Beschränkungen der palästinensischen Gesellschaft rechtswidrig ist. Bei der Präsentation des 28-seitigen Berichtes erklärte die Vorsitzende der Untersuchungskommission, Navi Pillay, sehr deutlich, „dass jeder Versuch einer einseitigen Annexion des Territoriums eines Staates durch einen anderen Staat eine Verletzung des Völkerrechts darstellt und null und nichtig ist. 143 Mitgliedstaaten, darunter auch Israel, haben letzte Woche für eine Resolution der Generalversammlung gestimmt, in der dies bekräftigt wurde. Wenn dieses Grundprinzip der Charta der Vereinten Nationen nicht universell angewandt wird, auch auf die Situation in den besetzten Gebieten, wird es bedeutungslos.“ Sie bezog sich dabei auf die Resolution v. 12. Oktober 2022, mit der die Generalversammlung die russische Annexion der vier Oblasten in der Donbasregion verurteilt hatte. Im Krieg ist die Besetzung eines Landes nach dem humanitären Völkerrecht nur kurzfristig rechtmäßig. Die nun schon 55 Jahre dauernde Besatzung, die nach Worten und Taten aller israelischen Regierungen auf Dauer angelegt ist, wird von dem Völkerrecht nicht mehr gedeckt. Das Gleiche gilt für die Blockade Gazas zu Lande, zur See und in der Luft, die auf Grund der totalen Kontrolle durch Israel wie eine Besatzung wirkt und ebenfalls rechtswidrig ist.

Die Kommission hat vor allem die Siedlungspolitik untersucht, die von Anfang an das zentrale Ziel der Besatzung war. Doch unabhängig von der Rechtmäßigkeit einer Besatzung ist die Besiedlung des besetzten Gebietes mit der eigenen Bevölkerung unzulässig und rechtswidrig, Art. 49 4. Genfer Konvention. Insofern ist die innerisraelische Diskussion um die Legalität der sog. Outposts irrelevant. Erst 2020 hatte der Supreme Court das Regulierungsgesetz aufgehoben und die übliche nachträgliche Legalisierung der illegalen Outpost dann zugelassen, wenn diese „in gutem Glauben“ errichtet worden waren – eine Scheindebatte vor dem Hintergrund des eindeutigen Völkerrechts.

In Ost-Jerusalem wird der Lebensraum für die Palästinenserinnen und Palästinenser immer enger. Über 1/3 der Stadt sind bereits für jüdische Siedler enteignet, denen erlaubt wurde, die Einwohner zu vertreiben. Heute leben dort 229.000 Siedler in 14 Siedlungen, und die gewaltsamen Vertreibungen halten an. Die zunehmende Gewalt der Siedler wird ignoriert, oft durch die Armee gedeckt und bleibt ohne rechtliche Konsequenzen. Der gepriesene Rechtsstaat Israels macht vor den besetzten Gebieten halt.

Ein zentrales Thema der Untersuchung sind die Enteignung und Ausbeutung von Land und Ressourcen, die immer weiter vorangetrieben werden. Auch deren Methoden sind bekannt: Nachdem der Supreme Court 1979 Landenteignungen durch Militärverordnungen für verfassungswidrig erklärt hatte, werden die begehrten Landesteile zu Militär- und Feuerzonen erklärt, wie Mazafer Yatta 1980, um anschließend die Einheimischen zu vertreiben. Oder das Land wird zu Staatsland, Industriezone oder Naturreservat erklärt, um es anschließend zu enteignen und die Bewohner vertreiben zu können – über 200.000 ha seit 1967. Im Januar 2020 wurden 7 neue Naturparks über 13.000 ha zusätzlich zu den 12 bereits bestehenden Parks geschaffen. Wird nicht enteignet, sammelt der Jüdische Nationalfonds Geld wie im August 2022, um das ohnehin nicht bebaubare Land in einer geschlossenen Militärzone zu kaufen. In Zone C können die Palästinenser nur auf ca. 1 % des Bodens noch bauen. In den Industriezonen werden mit finanziellen Mitteln auch ausländische Firmen angeworben, um dort zu produzieren. Laut Presseberichten wurden so 2015 in den 11 Steinbrüchen in Zone 12 Mio. Tonnen Steine und Schotter gewonnen, wovon 10 Mio. Tonnen nach Israel gingen – ein erheblicher finanzieller Gewinn. Diese Maßnahmen sind nicht nur nach den Haager und Genfer Regeln völkerrechtswidrig, sondern nach Art. 8 2b Römisches Statut als Kriegsverbrechen auch strafbar.

Ein großer Teil des Berichts ist den Auswirkungen der Zwangsmaßnahmen, Gewalt, Vertreibungen und Demütigungen gewidmet, die von der Besatzungs- und Annexionspolitik ausgehen. Wenn die Bewohner gezwungen werden, ihre Häuser zu verlassen, ihr Eigentum zerstört und die Häuser abgerissen werden, sie fast täglichen Masseninhaftierungen und Gewalt nicht nur durch die Armee ausgesetzt sind, sondern auch von den Siedlern erfahren, der Mangel an sauberem, preiswertem Wasser und die offen rassistischen Angriffe, von denen insbesondere Frauen betroffen sind, die Zersplitterung der palästinensischen Gesellschaft – alles schwerwiegende Verletzungen des Selbstbestimmungsrechts und der Menschenrechte, die mit Paragraphen und juristischen Mitteln überhaupt nicht zu fassen sind. So erklärte Kommissar Miloon Kothari: „Es gibt so viele ‚stille Schäden’ und psychologische Traumata, die vielleicht nicht sofort erkennbar sind, die aus der Aushöhlung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte resultieren. Diese schwächenden Prozesse haben schwerwiegende kurz- und langfristige Folgen und müssen dringend angegangen werden.“ In Israel, aber auch in der deutschen Politik gibt es dafür keine Initiativen, geschweige denn Verständnis.

Der Bericht zitiert den damaligen Premierminister Netanjahu, der am 10. September 2019 seine Absicht erklärte, das Jordantal zu annektieren. Im August 2020 bekräftigte er, dass die Frage der Souveränität über die Westbank immer noch auf dem Tisch liege. Sein Nachfolger Bennett verkündete am 17. Mai 2022 in einer Rede an die Siedler in Elkana großspurig: „Mit der Hilfe Gottes werden wir hier noch sein, wenn wir den fünfzigsten und siebzigsten, ja hundertsten, zweihundertsten und zweitausendsten Geburtstag von Elkana feiern in einem vereinten und souveränen Jüdischen Staat im Land von Israel.“ Dass diese Vision nicht ohne Krieg und erneute Intifada bleiben wird, muss auch dem neuen Premier mit seinem Kabinett vom rechtesten Rand der Gesellschaft klar sein.

Die Kommission sieht in all den von ihr zusammengetragenen Fakten der Besatzung Anzeichen schwerer Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht der Haager und Genfer Konventionen sowie Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Römischen Statut. Sie fordert von Israel deswegen vor allem, die Besatzung zu beenden und alle völkerrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser zu schützen und zu garantieren.

Desgleichen empfiehlt sie allen Staaten, ihren Verpflichtungen aus dem internationalen humanitären Recht und den Menschenrechten nachzukommen, und fordert sie auf, „alle Personen zu untersuchen und zu verfolgen, die verdächtig sind, internationale Verbrechen in den besetzten Gebieten begangen oder geholfen, Beihilfe geleistet oder unterstützt zu haben“. Der Generalversammlung der UN empfiehlt er, den Bericht an den Sicherheitsrat weiterzuleiten, um sofortige Maßnahmen zur Beendigung der illegalen Situation zu ergreifen und beim Internationalen Gerichtshof (IGH) umgehend ein Gutachten über die rechtlichen Konsequenzen der Weigerung anzufordern, die Besatzung zu beenden und das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser zu respektieren. Ebenso empfiehlt er dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), Täter und ihre Unterstützer wegen möglicher Verbrechen zu verfolgen.

Es fragt sich allerdings allmählich, ob Untersuchungen, Empfehlungen und Aufforderungen überhaupt noch die geeigneten Mittel sind, israelische Regierungen zur Umkehr auf den Weg des Völkerrechts und des Friedens zu bewegen. Es müsste vor allem ein Umdenken bei jenen Staaten erfolgen, die immer noch mit ihrer Unterstützung diese kriminelle Besatzung ermöglichen.

Inzwischen hat die UN-Generalversammlung die Berichte des Menschenrechtsrats diskutiert und in einer detaillierten Resolution weitere Forderungen an die israelische Regierung und die Mitgliedstaaten der UNO gestellt. Zum Schluss hat sie gem. Art 96 UNO-Charta den Internationalen Gerichtshof um ein Gutachten über die rechtlichen Konsequenzen der illegalen Besatzung und der langandauernden Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser folgen. Diese Fragen sind in über 55 Jahren Besatzung bereits erschöpfend diskutiert und geklärt worden und sollten auch bei den Mitgliedstaaten keine Zweifel mehr übrig gelassen haben. Der Generalversammlung war es aber wohl doch wichtig, trotz des zwar eindeutigen, aber erfolglosen Gutachtens des IGH zum Bau der Mauer, noch einmal ein klares Zeichen gegen die Besatzungspolitik zu setzen. Interessant bleibt nur noch die Stimmabgabe, bei der 58 Staaten der Resolution zustimmten, 17 dagegen und 52 sich enthielten. Von den Gegenstimmen kamen sieben aus Europa, neben Deutschland noch Österreich, Estland, Italien, Litauen, Tschechien und Ungarn, aus dem Rest der Welt waren es die USA, Australien, Guatemala, Israel, Kanada, Liberia, Marshall Inseln, Mikronesien, Nauru und Palau. Das muss man nicht mehr kommentieren.

Nachbemerkung Albrecht Müller. Bitte beachten Sie, dass Sie einen solchen Bericht zu einem wichtigen Vorgang vermutlich in keinem anderen deutschen Medium lesen. Das nennt man Pressefreiheit. Das nennt man Demokratie. Von allem ein Schatten! Propaganda und Realität klaffen weit auseinander.“

https://www.nachdenkseiten.de/?p=91032

 

Wachsende soziale Ungleichheit

 

Jean Shaoul: „In dem Maße, wie die Kluft zwischen Arm und Reich wuchs, was nicht zuletzt auf die für die Durchführung eines solchen Programms erforderliche Wirtschaftspolitik zurückzuführen war, stützte sich der Staat zunehmend auf rechte Siedler und extreme nationalistische Eiferer, die die Grundlage für das Aufkommen faschistischer Tendenzen in Israel bildeten. Der extreme Nationalismus wurde gefördert, um die wachsende Wut über den sinkenden Lebensstandard und die soziale Ungleichheit in reaktionäre Bahnen zu lenken.“

https://www.wsws.org/de/articles/2022/11/06/pers-n06.html

 

Zuvor: „Regierung des Wandels“

 

Jean Shaoul: „Die Wahlen am Dienstag wurden im Juni letzten Jahres angesetzt, ein Jahr nach der Bildung einer fragilen Koalition im Juni 2021. Damals war Netanjahu trotz des Gewinns der meisten Sitze durch seine Likud-Partei nicht in der Lage gewesen, eine Koalition zusammenzuschustern. Die anschließend gebildete Koalition bestand dann aus acht verschiedenen Parteien, die sich nur in ihrer Opposition zu Netanjahu einig waren. Dazu zählten auch die Parteien, die sich vorgeblich zum Oslo-Abkommen (1993-95) und einem palästinensischen Ministaat bekannten – Meretz, Arbeitspartei, Yesh Atid und Kachol Lavan – und umfasste zum ersten Mal eine der arabischen Parteien Israels, Ra'am.

Um sich die Unterstützung einiger säkularer rechter Parteien zu sichern, die Netanjahu den Rücken gekehrt hatten, überließ Yair Lapid das Amt des Premierministers dem ehemaligen Siedlerführer Naftali Bennett. Während Lapids Partei die zweitmeisten Sitze errungen hatte, kam Bennetts Partei nur auf sechs Sitze. Dennoch erklärte sich Lapid bereit, für die Dauer des Bündnisses nicht mit den Palästinensern über die Frage eines eigenen Staates zu verhandeln ...

Die „Regierung des Wandels“ war außerdem für mehr Morde an Palästinensern in den besetzten Gebieten verantwortlich als jede andere Regierung seit 2005. Dazu zählt auch die gezielte Ermordung der US-amerikanischen Al-Jazeera-Journalistin Shireen Abu-Ahkle. Die kurzlebige Regierung trug für mehr Inhaftierungen und mehr zerstörte Häuser Verantwortung als die Regierung Netanjahus in den vorherigen Jahren. Sie trieb die ethnische Säuberung von Masafer Yatta voran, führte fast täglich Razzien und Massenverhaftungen sowie kollektive Bestrafungen durch und bezeichnete sechs führende palästinensische NGOs als „Terroristen“. Sie eskalierte Israels verdeckte Kriege gegen den Iran und seine Verbündeten, Syrien und die libanesische Hisbollah, im Iran, am Persischen Golf, in Syrien und im östlichen Mittelmeer.

Doch all dies reichte Bennetts rechten Ministern nicht aus. Daraufhin leitete Netanjahu ein parlamentarisches Manöver ein, um die Regierung zu stürzen und seine Rückkehr an die Macht zu sichern. Nach dem Scheitern der Koalition im Juni dieses Jahres und in Übereinstimmung mit der Koalitionsvereinbarung löste Lapid Bennett als geschäftsführender Ministerpräsident ab. Er wird als geschäftsführender Ministerpräsident im Amt bleiben, bis das Ergebnis der Wahlen vom Dienstag feststeht. Bennett hat sich derweil aus der Politik zurückgezogen.

Der Grund für das Scheitern der „Jeder-außer-Netanjahu“-Koalition, eine echte Alternative zur sozialen Ungleichheit in Israel vorzuschlagen, liegt in ihrer Klassenposition. Sie vertrat die israelischen Oligarchen gegenüber der Arbeiterklasse, sowohl der jüdischen als auch der palästinensischen, innerhalb der international anerkannten Grenzen Israels und der besetzten Gebiete.

Die Nutznießer sind die rechtsextremen, faschistischen Kräfte von Ben Gvir und Smotrich, unterstützt von Netanjahu, der ihr Bündnis vermittelt und ihren Einzug in die Knesset eingefädelt hat, um seinen Block vor den Wahlen 2021 zu stärken.“

https://www.wsws.org/de/articles/2022/11/04/isra-n04.html

 

Schein-Opposition

 

Patrick Martin: „Die selbsternannten Anführer der Protestbewegung sind zumeist Vertreter der Vorgängerregierung, die nach den Wahlen im vergangenen Jahr Netanjahu Platz machte, wie Benny Gantz und Yair Lapid. Sie sind selbst überzeugte Verteidiger des zionistischen Staates und akzeptieren die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung. Das tut übrigens auch das von ihnen verteidigte Justizsystem. Gantz und Lapid stellen keine „progressive“ Alternative dar. Sie lehnen Netanjahus Maßnahmen nur deshalb ab, weil sie befürchten, dass er die demokratische Fassade des Staates Israel zerstört.“

https://www.wsws.org/de/articles/2023/03/28/baua-m28.html

 

Jean Shaoul: „Netanjahus Pläne haben den Zorn fast des gesamten juristischen Establishments sowie von einer Schicht säkularer Generäle und Oppositionsführer erregt, die unter Führung von Naftali Bennett, Jair Lapid und Benny Gantz für kurze Zeit die israelische Regierung gebildet hatten. Allerdings hatten viele ehemalige Mitglieder dieser zu Unrecht so bezeichneten „Regierung des Wandels“ in der Vergangenheit auch schon unter Netanjahu gedient.

Die Anführer der Demonstrationen lehnen es ab, an die palästinensische Bevölkerung Israels zu apellieren. Bei früheren Demonstrationen haben sie Palästinenser abgewiesen und setzten das von Ben-Gvir initiierte Verbot palästinensischer Flaggen begeistert und oft gewaltsam durch. Deshalb nehmen bisher nur wenige Palästinenser an den Protesten teil.

Auch werden die Slogans darauf beschränkt, das Oberste Gericht zu verteidigen, welches doch das Jüdische Nationalstaatsgesetz angenommen hat, ohne mit der Wimper zu zucken, und Siedlungen, Landnahme und Zwangsräumungen wie beispielsweise im Ost-Jerusalemer Stadtteil Scheich Jarrah bewilligt.“

https://www.wsws.org/de/articles/2023/02/22/ixro-f22.html

 

Krieg nach innen

 

Die Gewalt in den besetzten Gebieten ist nichts Neues – tritt seit der neuen Regierung allerdings verstärkt auf.

Wg. miserabler wirtschaftlicher Lage und mangelnder Menschenrechte herrscht in den palästinensischen, von Israel besetzen Gebieten, ohnehin eine sehr angespannte Lage. Juristisch und politisch wird die Lage immer schlimmer, die israelischen Sicherheitskräfte (meist das Militär) führen sich auf als Herren-Menschen, und es kommen mehr und mehr fanatisierte „Siedler“, die sich auf ihrem Land breitmachen und ihnen übel gesonnen sind.

Die eigene politische Führung ist entweder unfähig oder unwillens und es kommt zu Gewalt-Taten Einzelner. Daraufhin veranstalten die Siedler ein Pogrom unter den Palästinensern (wobei das Militär wegschaut) oder das Militär selbst veranstaltet eine „Razzia“. Die größeren Fälle in diesem Jahr heißen bislang Huwara (Siedler-Pogrom) sowie Nablus und Dschenin (Militär-Razzien). Es läuft immer nach demselben Muster ab.

 

David Goeßmann: „2022 war nach Angaben der UN das tödlichste Jahr für Palästinenser unter israelischer Besatzung. Zusammengenommen sind mindestens 190 Palästinenser von Israelis getötet worden (inklusive der Tötungen durch Siedler). Eine Auflistung von Mondoweiss schätzt die Zahl auf 220 bis 231 Getötete. Im Westjordanland und in Israel wurden nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem zudem 22 Israelis von Palästinensern getötet.“

https://www.telepolis.de/features/Israels-Selbstzerstoerungskurs-ist-nicht-alternativlos-7516940.html

 

Jean Shaoul im März 2023: „Anstatt die Palästinenser zu schützen, wie es das Völkerrecht vorschreibt, feuern israelische Soldaten Tränengasgranaten, Gummigeschosse und scharfe Munition auf Palästinenser, um sie von ihrem eigenen Land zu vertreiben. Zuweilen schließen sich die Soldaten sogar den Siedlern bei ihren Angriffen an.

Im Jahr 2022 verletzten israelische Sicherheitskräfte mehr als 2.000 Palästinenser, mehr als viermal so viel wie in 2021, bei Zwischenfällen mit Siedlern. Die Gewalt der Siedler nahm 2022 im Vergleich zu 2021 um fast 50 Prozent zu. Am letzten Januarwochenende gab es laut Ghassan Daghlas, einem palästinensischen Funktionär, allein im nördlichen Teil des Westjordanlandes 144 Angriffe von Siedlern auf Palästinenser und deren Eigentum.“

https://www.wsws.org/de/articles/2023/03/01/zion-m01.html

 

Jean Shaoul im März 2023: „Das Büro des Hochkommissariats für Menschenrechte der Vereinten Nationen (OHCHR) hat kürzlich die Großmächte aufgefordert, Maßnahmen gegen die systematische und willkürliche Zerstörung palästinensischer Gebäude durch Israel zu ergreifen. Israel hat allein im Januar 132 palästinensische Gebäude (darunter 34 Wohnhäuser und 15 von Fördergebern finanzierte Gebäude) in 38 Gemeinden des Westjordanlandes abgerissen. Das ist eine Steigerung um 135 Prozent gegenüber 2022.

Am Montag forderte Ben-Gvir die Polizei auf, während des am 23. März beginnenden Ramadan weiterhin palästinensische Häuser zu zerstören. In der Vergangenheit hatte Israel von einer solchen Praxis abgesehen, um die Spannungen nicht weiter anzuheizen …

Israels eskalierender Gewalt und die Nichtbeachtung elementarster Rechte hat im Jahr 2023 bislang zum Tod von mindestens 67 Palästinensern geführt. Das ist auf das Jahr bezogen die höchste Zahl an Toten seit 2005. Es bedeutet, dass pro Tag mehr als ein Palästinenser stirbt. Es ist eine weit höhere Rate als im letzten Jahr, als mindestens 171 Palästinenser im Westjordanland und in Ostjerusalem getötet wurden. Im Vorfeld von Ramadan und Pessach wird so die Bühne für einen gewalttätigen Flächenbrand bereitet, der nicht nur die besetzten palästinensischen Gebiete, sondern auch Israel und seine Nachbarn in den Abgrund reißen könnte.“

https://www.wsws.org/de/articles/2023/03/07/uype-m07.html

 

Jean Shaoul im April 2023: „In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag haben israelische Sicherheitskräfte zum zweiten Mal in Folge einen grausamen Angriff auf dem Gelände der al-Aqsa-Moschee im besetzten Ost-Jerusalem verübt.

Mit Tränengas, Blendgranaten und Gummimantel-Stahlgeschossen wurden 20.000 palästinensische Gläubige angegriffen, während bewaffnete Soldaten die zum Ramadan-Gebet versammelten Gläubigen gewaltsam entfernten und mit Schlagstöcken und Gewehrkolben auf sie einschlugen.

Laut dem palästinensischen Roten Halbmond, der angab, dass die israelischen Streitkräfte medizinisches Personal daran hinderten, die Verwundeten zu versorgen, verlief die zweite Razzia mit sechs Verwundeten weniger heftig als die erste, bei der mindestens 37 Menschen verletzt worden waren.

Der zweite Gewaltausbruch ereignete sich einen Tag nach der ersten Polizeirazzia, bei der etwa 450 Gläubige verhaftet und Palästinensern unter 50 Jahren das Betreten der Moschee verboten worden war. Der faschistische Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, Vorsitzender der Partei „Jüdische Stärke“, lobte die Polizei …

Während des Ramadan, der dieses Jahr mit dem jüdischen Pessach-Fest zusammenfällt, haben israelische Soldaten in den vergangenen Jahren immer wieder Gläubige in der al-Aqsa-Moschee, der drittheiligsten Stätte des Islams, angegriffen. Die Besucher wurden daran gehindert, die Nacht in der Moschee zu verbringen, wie es die Tradition zum Itikaf verlangt, einer frommen Übung gläubiger Muslime in den letzten Tagen des Ramadan.

Von den etwa 450 Palästinensern, die bei der Razzia in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch verhaftet wurden, sind mindestens 397 wieder frei, allerdings dürfen sie die al-Aqsa-Moschee eine Woche lang nicht betreten. 47 Inhaftierte aus dem Westjordanland wurden ins Militärgefängnis Ofer verlegt, während sechs Palästinenser aus Ostjerusalem noch festgehalten und verhört werden. Nach Angaben der palästinensischen Kommission für Häftlingsangelegenheiten „sind die Bedingungen der Verhaftung und der Haft demütigend und unmenschlich, und die verletzten Häftlinge werden nicht medizinisch versorgt.“

Die Polizei eskortierte am Donnerstagmorgen Dutzende von israelischen Siedlern in den Hof der al-Aqsa-Moschee, was zu Befürchtungen führte, dass eine Aufteilung der Moschee zwischen Muslimen und Juden vorbereitet wird, wie es in den 1990ern mit der Ibrahimi-Moschee in Hebron geschehen war.

Rechtsextreme Gruppen wollen die Moschee durch einen jüdischen Tempel ersetzen. Darunter befinden sich die Tempel-Aktivisten, die entschlossen sind, jüdische Gebete auf dem Gelände durchzuführen, obwohl ein internationales Abkommen zum Status der Moschee dies verbietet. Zuvor hatten sie zu Massenstürmungen während des einwöchigen Pessach-Festes aufgerufen und angekündigt, an Pessach ein Tieropfer zu bringen, wozu auch Ben-Gvir häufiger aufgerufen hat. Am Mittwoch verhaftete die Polizei „mehrere Personen“ nahe der Moschee, die „Lämmer und Ziegen dabei hatten, die sie mutmaßlich während des Pessach-Fests opfern wollten.“

https://www.wsws.org/de/articles/2023/04/07/sfro-a07.html

 

Oliver Eberhardt im März 2023: „Bemerkenswert ist Cohens Bitte an Baerbock, weil Mitarbeiter der israelischen Regierung erst wenige Tage zuvor persönlich mit Vertretern der palästinensischen Führung und der Regierungen Jordaniens, Ägyptens und der USA zusammengesessen hatten. Im jordanischen Akaba hatte man sich auf Einladung der jordanischen Regierung getroffen, um Wege zu finden, die Gewalt zu beenden.

Es war überhaupt das erste Treffen dieser Art seit vielen Jahren, denn zwischen Israel und der palästinensischen Regierung herrscht Funkstille, seit Regierungschef Benjamin Netanjahu erst dazu überging, eine Koalition nach der anderen zu bilden, und dann fünf Wahlen in drei Jahren abgehalten wurden.

Am Ende des Treffens sah auch alles gut aus, bis die Handlung einen erstaunlichen plot twist nahm: Nach dem Treffen veröffentlichte das US-Außenministerium eine gemeinsame Erklärung der fünf Regierungen. Darin verpflichten sich beide Seiten dazu, für "drei bis sechs Monate" alle einseitigen Schritte zu unterlassen.

Israel werde für vier Monate keine neuen Gebäude errichten und für bis zu sechs Monate keine ungenehmigten Siedlungen nach israelischem Recht legalisieren. Man werde sich im März wieder im ägyptischen Scharm el Scheich treffen, um weitere Schritte zu besprechen.

Zudem bekennen sich Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde laut Erklärung zu allen bestehenden vertraglichen Vereinbarungen und zum Status quo in Ost-Jerusalem.

Was dann geschah, hatte wirklich niemand auf dem Schirm: Die Erklärung war noch nicht veröffentlicht, als sich Netanjahus rechtsradikale Koalitionspartner vom Wahlbündnis "Religiöser Zionismus" zu Wort meldeten und bekannt gaben, dass es natürlich keinen Baustopp für nur einen einzigen Tag geben werde.

Die israelische Regierung hatte unter anderem den Bau von mehreren tausend Wohneinheiten in Siedlungen und die Legalisierung von ungenehmigten Siedlungen beschlossen. Wenige Stunden später twitterte Netanjahu:

Der Bau und die Legalisierung in Judäa und Samaria werden ohne Änderung nach Plan fortgesetzt.

Und auch Netanjahus Sicherheitsberater Zachi Hanegbi erklärte, Israels Regierung werde wie geplant 9.500 Wohneinheiten in Siedlungen bauen lassen und neun ungenehmigte Siedlungen autorisieren:

Es gibt keinen Baustopp und keine Änderung am Status quo auf dem Tempelberg und keine Beschränkungen der Militär-Aktivitäten.

Sehr speziell daran: Hanegbi war der Verhandlungsführer in Akaba und im persönlichen Gespräch betonen Diplomaten aus allen beteiligten Ländern, dass das, was in der US-Erklärung stehe, exakt das sei, was man vereinbart habe …

Doch schon seit vielen Jahren ist all das auf beiden Seiten in weiter Ferne und nun hat man es, während man rundum auf Russland und die Ukraine konzentriert ist, mit einer Situation zu tun, in der Verhandlungsergebnisse bestritten werden, kurz nachdem man vom Verhandlungstisch aufgestanden ist, und Regierungsmitglieder nicht länger nur nichts tun, sondern zu Gewalt aufstacheln.“

https://www.telepolis.de/features/Israel-und-Palaestina-Eskalation-in-vollem-Gange-7532613.html

 

Krieg nach außen

 

Vereint gegen den gemeinsamen Feind

 

Jean Shaoul: „Verteidigungsminister Yoav Gallant, den Netanjahu am 26. März entlassen wollte, weil er zur Einstellung der Justizreform aufgerufen hatte, da sie in Teilen der Streitkräfte für Unmut sorgte, trat jetzt neben ihm auf. Der Mann, den die selbst erklärten Führer der Oppositionsbewegung als Israels Retter hinstellen, warnte den Iran, Israel werde „nicht zulassen, dass die Iraner und die Hisbollah uns angreifen... Wir werden sie aus Syrien dorthin vertreiben, wo sie hingehören – in den Iran.“ Am Mittwoch erklärte er, die IDF würden sich „auf jede Möglichkeit“ vorbereiten.

Gallants Unterstützung für Netanjahus faschistischen Angriff auf die Palästinenser und die Kriegstreiberei gegen die Hisbollah, Syrien und den Iran bestätigen, dass die offizielle Opposition in keiner Weise eine Alternative zu Diktatur und Autoritarismus darstellt, ganz zu schweigen von einer Alternative zum Krieg gegen die Palästinenser und den Iran.

Netanjahu weiß, dass die Oppositionsführer Jair Lapid, Benny Gantz und die Schar von ehemaligen Generälen, Sicherheits- und Geheimdienstchefs sowie Wirtschaftsführern, welche die Bewegung anführen, keine grundlegenden politischen Differenzen mit ihm haben. Ihre Opposition ergibt sich aus der Befürchtung, dass er und seine faschistischen Koalitionspartner den dünnen demokratischen Schein Israels zerstören und eine ohnehin zutiefst polarisierte Gesellschaft spalten könnten. Die israelische Gesellschaft ist bereits heute eine der ungleichsten unter den Industrienationen der OECD.“

https://www.wsws.org/de/articles/2023/04/07/sfro-a07.html

 

Der große Knall

 

Patrick Martin im März 2023: „Darüber hinaus könnte Netanjahu, nachdem er sich nun eine Atempause verschafft hat, diese Zeit nutzen, um eine militärische Provokation gegen den Iran zu starten und auf der Grundlage einer Explosion des Militarismus die „nationale Einheit“ herzustellen.“

https://www.wsws.org/de/articles/2023/03/28/baua-m28.html

 

Jean Shaoul im Januar 2023: „Die Biden-Regierung hat in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung den Besuch von Außenminister Antony Blinken angekündigt. Weiter betont sie darin ihre bedingungslose Unterstützung für Israel und erklärt, dass Blinken „sich mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Außenminister Eli Cohen und anderen hochrangigen Politikern treffen wird, um über die anhaltende Unterstützung der USA für Israels Sicherheit, insbesondere gegen die Bedrohung durch den Iran, zu diskutieren.“

Wie die New Yorker Organisation Human Rights Watch im April 2021 dokumentierte, hat Bidens Regierung nichts unternommen, um Israel für seine Apartheidpolitik zu sanktionieren – auch nicht für die Bombardierung des Gazastreifens im Mai 2021, bei dem mehr als 250 Palästinenser getötet wurden; nicht für den Tod des 80-jährigen US-Staatsbürgers Omar Muhammad Asaad, der im Januar 2022 von der Polizei aus dem Auto gezerrt, verprügelt und sterbend liegengelassen wurde; nicht für die nahezu täglichen Razzien von Städten und Dörfern im Westjordanland; nicht für die vorsätzliche Ermordung der palästinensisch-amerikanischen Al-Jazeera-Journalistin Shireen Abu Akleh im Mai 2022; nicht für Israels Ankündigung im gleichen Monat, im Westjordanland 4.000 Siedlerhäuser zu bauen oder für die Ermordung von mindestens 271 Palästinensern im Jahr 2022.

Die USA haben Gelder in Höhe von einer Milliarde Dollar für das israelische Raketensystem Iron Dome bereitgestellt und einen Bericht veröffentlicht, der Israels Verantwortung für Abu Aklehs Ermordung herunterspielt. Letzte Woche ist US-Sicherheitsberater Jake Sullivan nach Israel gereist, um eine Verschärfung des Kriegskurses gegen den Iran sowie die Vorbereitungen für die bisher größte gemeinsame Militärübung zu diskutieren, die in beispielloser Geschwindigkeit in nur zwei Monaten organisiert werden soll. Diese Übung soll ein Warnsignal an den Iran senden und das Engagement der Biden-Regierung für Israel unterstreichen – nur wenige Wochen nach der Amtsübernahme von Netanjahus Regierung voller Faschisten.“

https://www.wsws.org/de/articles/2023/01/28/vwag-j28.html

 

Patrick Martin im Februar 2023: „Bei den Gesprächen hinter verschlossenen Türen zwischen Blinken und Netanjahu wurde die interne Krise wahrscheinlich kurz ausgeklammert und die zunehmende militärische Aggressivität Israels und der Vereinigten Staaten gegen den Iran in den Vordergrund geschoben.

Am Samstag hatte es einen Angriff auf die iranische Stadt Isfahan gegeben, bei dem militärische Ziele von kleinen Drohnen getroffen wurden, die offenbar von israelischen Agenten im Iran gestartet wurden. Zweifellos sind weitere Aktionen in Planung. Es gibt widersprüchliche Berichte über die Art der Ziele und das Ausmaß der Schäden, aber die Stadt Isfahan ist ein Zentrum der iranischen Luft- und Raumfahrtindustrie.

Das Pentagon erklärte am Sonntag, dass das amerikanische Militär keine Rolle bei dem Angriff gespielt habe. Die konservative Zeitung Jerusalem Post wies jedoch darauf hin, man könne „die Erklärung des Pentagons, dass die USA am Drohnenangriff militärisch nicht beteiligt waren, auf alle möglichen Arten interpretieren. Könnte es eine geheimdienstliche oder Cyber-Beteiligung gegeben haben?“ …

Ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj stellte offen einen Zusammenhang zwischen dem israelischen Drohnenangriff auf Isfahan und dem Einsatz iranischer Drohnen in der Ukraine her. In den US-Medien wurde viel darüber spekuliert, dass die Regierung Biden nach Mitteln und Wegen suche, die iranische Drohnenproduktion zu stören oder anderweitig Vergeltung an Teheran für seine De-facto-Allianz mit Russland zu üben.

Anfang dieses Monats führten die USA und Israel ihre bisher größten gemeinsamen Militärübungen durch, an denen 7.500 Soldaten teilnahmen, und die Luft-, See- und Bodentruppen umfassten. In einem Interview mit CNN erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, am Montagabend, dass sich diese Übungen in erster Linie gegen den Iran richteten, den er als die größte Sicherheitsbedrohung für die Interessen der USA im Nahen Osten wie auch für den Staat Israel bezeichnete.“

https://www.wsws.org/de/articles/2023/01/31/bbtq-j31.html

 

Armageddon

 

Aus „Wikipedia“: „Harmagedon (auch Harmageddon, Armageddon oder Har-Magedon, griechisch Ἁρμαγεδών) bezeichnet in der Offenbarung des Johannes den Ort der endzeitlichen Entscheidungsschlacht im „Krieg des großen Tages Gottes, des Allmächtigen“. Im erweiterten Sinn bezeichnet der Begriff in der Theologie den eschatologischen Entscheidungskampf. Säkular wird er für sehr große, alles zerstörende Katastrophen überhaupt verwendet …

Die Erwartung einer endzeitlichen Schlacht bei Harmagedon hat im Leben und in der Theologie der großen, europäisch geprägten Amtskirchen keine nennenswerte Bedeutung. Dagegen ist sie für endzeitlich ausgerichtete christliche Gruppierungen und Künstler sehr wesentlich. Durch das in diesen Sondergemeinschaften vorherrschende Bewusstsein der inneren Nichtzugehörigkeit zur vergänglichen Welt nimmt die Johannesoffenbarung, verstanden als Buch, das den Untergang dieser Welt schildert und den Aufgang einer neuen, eine besondere Stellung ein. In diesem Kontext wird auch das Motiv der letzten Schlacht bei Harmagedon gedeutet.

Im säkularen (nicht kirchlichen) Sprachgebrauch wird der Begriff von seinem theologischen Gehalt entkleidet synonym mit Weltuntergang oder Katastrophe verwendet.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Harmagedon

 

Aus einem früheren Beitrag des Wurms: „Seit der Zeit des Reaganismus warnen vor allem lateinamerikanische Befreiungstheologen vor den gefährlichen Ideen vieler evangelikaler Massenverführer in den Vereinigten Staaten. Franz J. Hinkelammert schrieb über sie bereits 1989:

„Je schlimmer, um so besser, das ist das fundamentalistische apokalyptische Denken. In unserer heutigen Welt ist der Fundamentalismus wohl die wichtigste Denkform, die der Zerstörung einen positiven Sinn abgewinnen kann. Je schlimmer es wird, um so besser, denn jede Katastrophe ist ein Zeichen der Zeit, das die Wiederkunft Christi ankündigt. Der Fundamentalismus ist daher auch wohl die einzige, viele Menschen bewegende Ideologie, die dem Atomkrieg einen Sinn abgewinnt. Als Atom-Armageddon wird er als Hoffnungszeichen in die Sicht der Zukunft aufgenommen. Wo alles zerstört wird, da wird alles gut.“

Die Breitenwirkung von "christlichen" Endzeitextremisten, die in den USA seit dem Erfolg der 1979 gegründeten "Moral Majority" als politisches Sprachrohr fundamentalistischer Kreise fungieren, ist nicht zu unterschätzen. Ihre Geschichtsprophetie zielt auf eine "letzte Schlacht um Gottes Reich" und benötigt zwingend die Weltverschwörung, wahlweise durch Kommunisten, säkulare Humanisten, Friedensaktivisten, "Perverse" (besonders Homosexuelle), liberale Christen, Katholiken, UNO, Europa oder aktuell in erster Linie durch den Islam …

Nicht nur in den "neokonservativen" Denkfabriken der USA spricht man leichtfertig, bisweilen begeistert vom dritten oder vierten Weltkrieg. Auch unter evangelikalen Endzeitchristen werden alle Vorboten eines neuen großen Krieges begrüßt. Erwartet wird in allernächster Zeit die letzte Schlacht, die dieser verdorbenen Welt ein Ende bereitet. Da ein "Israel in biblischen Grenzen" Schauplatz des Endzeitkampfes zwischen Gut und Böse sein wird, gibt man sich "pro-israelisch" …

Aktuell können einige Prediger von evangelikalen Kirchen ihre Freude über den Libanonkrieg nur mühselig verbergen: "Was zur Zeit mit Israel und seinen Nachbarn passiert, wurde doch schon in der Bibel prophezeit." (Pastorin Margaret Stratton) In diesen Kreisen glaubt man: Der große Widersacher, der "Anti-Christ" bzw. Satan, wird sich als Friedensstifter für den Nahen Osten verkleiden und will die Erfüllung der Prophezeiungen über die letzte Entscheidungsschlacht sabotieren …

In diesem Kontext kann man jetzt verstehen, dass einige Theologen der apokalyptischen Szene den "Anti-Christen" unter Berufung auf das biblische Daniel-Buch (Vers 9,27) namentlich auch als Friedensstifter im Nahen Osten erwarten. Die Eskalation ist im Sinne des beschriebenen Fahrplans ja erwünscht und darf nicht aufgehalten werden. Ausdrücklich gilt es nach James Robison als Irrlehre, vor der Wiederkunft Christi Lehren vom Frieden zu verbreiten.

In der Theologie von Endzeitchristen gilt der Islam hingegen als "Werkzeug des Teufels", das man mit Schmähungen überziehen darf und mit allen Mitteln bekämpfen muss. Bereits 1999 hat die Islamwissenschaftlerin und Kurdologin Tanja Duncker dazu auch erschreckende deutschsprachige Zeugnisse aus evangelikalen Pamphleten gesichtet. Eine Verbundenheit der drei auf Abraham zurückgehenden Religionen gibt es diesen zufolge nicht. Die vielen muslimischen Migranten in Ländern der "abendländischen Kultur" sind Teil einer bösen Strategie. Das "dämonische System des Islams" gilt nach dem "Holocaust" als der zweite große Versuch, Jerusalem den Juden zu entreißen und dadurch das heiß ersehnte endzeitliche Schauspiel im Heiligen Land zu vereiteln.

Friedensgespräche mit den Palästinensern oder andere Grenzen Israels als die "biblischen" werden abgelehnt. Über Jerusalem kann nie und nimmer verhandelt werden. Man will ganz sicher wissen: "JESUS kommt nicht in palästinensisches, sondern in jüdisches Hoheitsgebiet zurück."“

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/399-weltenende

 

Israel darf alles

 

Moshe Zimmermann: „… und dagegen kann sich die Zivil-Gesellschaft schwer wehren. Vor allem deswegen, weil die Mehrheit der israelischen Gesellschaft hinter dieser Regierung steht. Die Mehrheit in Israel ist rechts orientiert, nationalistisch, ethno-zentrisch, rassistisch – und auf diese Art und Weise sind die Chancen der Minderheit, die man bei uns „links“ nennt, die liberal ist, auf eine Korrektur minimal.“

https://www.deutschlandfunk.de/rechtsruck-in-israel-interview-mit-moshe-zimmermann-historiker-dlf-86a7b19c-100.html

 

Wer in Deutschland die Worte „rechts orientiert, nationalistisch, ethno-zentrisch, rassistisch“ nennt, um Menschen zu kennzeichnen – aber keinesfalls auf Israel bezieht, bei dem ist die Maske gefallen. Offensichtlich ist es denen nicht ernst, offensichtlich stört sie „rechts orientiert, nationalistisch, ethno-zentrisch, rassistisch“ nicht im Entferntesten.

Diese moralistischen Schreihälse mögen weiter schreien – mensch sollte sie aber zur Gänze ignorieren.

 

Rameza Monir im Januar 2023: „Erneut protestierten am Wochenende Zehntausende gegen die Netanjahu-Regierung. Es droht ein noch härterer Kurs gegen Palästinenser. Deutschland scheut sich aber weiter, die Apartheidpolitik klar zu verurteilen …

Während der rechtsextreme Zug das israelische Rechtssystem im Land überrollt, gratulierte Bundeskanzler Olaf Scholz kritiklos dem Regime. Wir sprachen bei der WM in Katar über Menschenrechte, auch die Aggression Russlands wird klar verurteilt und ein Großteil der deutschen Bevölkerung solidarisiert sich mit der Bewegung im Iran.

Alles lobenswerte Entwicklungen, doch wo bleibt unsere kritische Haltung und unsere Glaubwürdigkeit, wenn es um die Verteidigung der Menschenrechte in Israel geht. "Nie wieder" bedeutet auch nie wieder Apartheid zu unterstützen! Verantwortung bedeutet auch internationale Verantwortung zu tragen!“

https://www.telepolis.de/features/Warum-Deutschlands-Glaubwuerdigkeit-im-Fall-Israel-leidet-7468993.html

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm

 

 

Das Böse verlachen

- Satire, Realsatire, ernst Gemeintes -

 

Habeck und die Atomkraft

https://www.youtube.com/watch?v=wjlHk0tPJFs

 

Atomkraft: Habecks Märchen von der russischen Abhängigkeit

https://www.youtube.com/watch?v=QB22Sdjt0Vo

 

Simone Solga: Bis der Kragen platzt | Folge 69

https://www.youtube.com/watch?v=hVpdNBKl0Tg

 

"Total von der Rolle" - Wahnsinn, Krisen & Satire

https://www.youtube.com/watch?v=vOJdiDDN2xI

 

ZAHLMEISTER DEUTSCHLAND - FALLS SIE SICH FRAGEN, WARUM SIE SO VIEL STEUER ZAHLEN

https://www.bitchute.com/video/UW6Todf9dUFh/

 

'YOU JUST LIED': ELON MUSK SLAUGHTERS BBC REPORTER IN LIVE INTERVIEW

https://www.bitchute.com/video/m1OpYdGMTfcW/

 

Uwe Steimle / Dornenkrone / Steimles Aktuelle Kamera / Ausgabe 102

https://www.youtube.com/watch?v=UgDzoJREVO4

 

HallMack  Ich war Zeuge bei einem Wärmepumpen-Schock

https://www.frei3.de/post/da814757-28ba-4cf3-8b58-2ae58b5c66f0

 

HallMack  Danke (Ostermix)

https://www.frei3.de/post/af909e0a-09c9-476c-93ce-fa2afa73e9e7

 

HallMack  Neue Deutsche Wunderwaffe

https://www.frei3.de/post/dd455553-f8ae-4806-ba1a-d8db8326cf4f