Ansichten eines Regenwurms

Mit dem Regenwurm ist es so eine Sache. Meist nimmt ihn keiner wahr und ernst nehmen tut ihn kaum jemand. Und doch: meist ist er da und oft auch wichtig. Ein eigenes Leben hat er allemal, wenn auch überwiegend unter der Erde - da wühlt und gräbt er sich durch alles durch und kommt mit allem in Kontakt, was es da so gibt im Wurzelbereich und drunterhinaus. Was dahin gerät - und das meiste kommt früher oder später mal da an - betrifft ihn und seine Freunde. Ab und zu kommt Rupert (so der Name des Regenwurms) an die Erdoberfläche, um zu sehen, was die da oben schon wieder alles treiben. Und gibt Kunde davon seinen staunenden Kumpels im Erdreich und jenen über der Erde, die sich für ihn interessieren.

Kotzebue

Wer in diesem Lande aufgewachsen ist und meint, den Namen „August von Kotzebue“ noch nie gehört zu haben, sollte sich schämen.

Auf die eine oder andere Art und Weise wird ihm der August von Kotzebue mit Sicherheit über den Weg gelaufen sein – und diesen außergewöhnlichen Namen sollte mensch eigentlich nicht vergessen.

Hartmut Schade: „23.03.1819 August von Kotzebue ermordet

Unglaubliche 275 Theaterstücke soll er geschrieben haben - der Weimarer Schriftsteller August von Kotzebue. Ein Erfolgsautor sondergleichen. Und doch heute nur noch wegen seines Todes berühmt. Ermordet von einem nationalistischen Burschenschaftler.“

 

 

Linkes Ende

Aus gesundheitlichen Gründen gibt Sahra Wagenknecht die Führung bei „Aufstehen“ auf und tritt bei den Wahlen zum Fraktions-Vorstand der Linken im Herbst nicht mehr an.

Wesentlich zu ihrer Entscheidung (und zu den gesundheitlichen Problemen) dürften massive Anfeindungen aus der eigenen Partei beigetragen haben.

Sahra Wagenknecht erklärt zu Beginn des Pressestatements, dass sie aus gesundheitlichen Gründen bei den nächsten turnusmäßigen Wahlen des Fraktionsvorstandes nicht mehr wieder als Fraktionsvorsitzende kandidieren werde. Gleichzeitig bedeute dies nicht, dass sie sich aus der Politik zurückzieht. Sie bleibt weiterhin gemeinsam mit Dietmar Bartsch Fraktionsvorsitzende, bis ein neuer Fraktionsvorstand gewählt wird.“

https://www.youtube.com/watch?v=5upzGkWfnEc

 

 

Bildnis eines politischen Menschen

 

Zur Zeit läuft in den Kinos der Film „Vice - Der zweite Mann“ über Dick Cheney, unter George W. Bush Vize-Präsident der USA.

Der Film kann sich nicht entscheiden, ob er eine Satire oder Dokumentation sein will. Er schneidet einige wichtige Punkte an, aber eher nebenbei, so dass am Ende des Films die meisten Zuschauer diese Punkte schon wieder vergessen haben. Nichtsdestotrotz handelt es sich um einen wichtigen Film.

 

Snell-Report

Wer schon in mehreren Städten der USA war, dem wird aufgefallen sein, dass im Gegensatz zu europäischen Städten die Innenstädte teilweise verödet sind und es kaum öffentlichen Personen-Nahverkehr gibt. Es handelt sich um Auto-gerechte Städte. Zudem ist oft das Eisenbahn-Netz zwischen den Städten schlecht ausgebaut.

Das liegt nicht am „US-Gen“, sondern es handelt sich um gezielte Manipulationen der Autokonzerne und deren Umfeld.

Vor 45 Jahren erschien in den USA der Snell-Report. Er zeigt sehr deutlich auf, dass so gut wie keine Entscheidungen im Interesse des Gemeinwohls getroffen werden, sondern zugunsten jener Gruppierungen, die die beste Lobby-Arbeit betreiben. Selbst wenn das sehr zum Nachteil der Allgemeinheit geschieht.

 

Kurt Eisner

„Da war ein Mann, der noch an Ideale glaubte

und tatkräftig war.

In Deutschland ist das tödlich. Denn wir haben

entweder rohe Kraft, die wir mißbrauchen,

die Gattung nennt man Patrioten – oder aber

wir haben feine Sinne und ein zart Gewissen

und richten gar nichts aus. Der aber, tatenfroh beflügelt,

hieb fest dazwischen – und daneben, freilich!

Jedoch er hieb, dass faule Späne flogen.

Welch eine Wohltat war das, zu erleben,

dass einer überhaupt den Degen zog,

ein Tapferer war und doch kein General.

 

Ein Lümmel, irgendeiner von den

Schwarz-Weiß-Roten

(der letzte Zulukaffer steht uns andern näher),

schoß ihn von hinten übern Haufen.

Kurt Eisner starb – und lebt in unser aller Herzen!

Was aber Trauer bitter macht und schmerzlicher den Schmerz,

was über einer Gruft die Fäuste ballen läßt,

ist dies:

Die Bürger nicken.

Es starb Jaurès, Karl Liebknecht, Luxemburg,

Kurt Eisner –.

Wir wissen wohl, wie jener groß war, dieser kleiner –

wer feilscht hier um Formate! Eine Reinheit

ging von den vieren aus,

die leuchtete auf ihren Stirnen und den Händen.

Und ihre Stimme sprach: Ihr sollt nicht leiden!

Vier Schüsse und vier Särge und vier Gräber.

Wir strecken unsre Arme in die Runde

und klagen: »Welt! schlägst du noch immer an die Kreuze

die, die dich lieben?«

Und die Bürger nicken.

Behaglich nicken sie, zufrieden, dass sie leben,

und froh, die Störenfriede los zu sein,

die Störenfriede ihrer Kontokasse.

Wo braust Empörung auf? Wo lodern Flammen,

die Unrat zehren, und sie heilsam brennen?

Die Bürger nicken. Schlecht verhohlne Freude.

Sie wollen Ordnung – das heißt: Unterordnung.

Sie wollen Ruhe – das heißt: Kirchhofsstille.

 

Sie wollen Brot – das karge Brot der andern.

Und satt und schleimig – fett und vollgesogen

hockt über diesem Lande eine Spinne:

gelähmtes Leid, gelähmte deutsche Seelen.

Und doch: nach allem, was bergab gegangen,

nach dem, was uns enttäuscht und auch betrogen,

nach Kompromiß und braven Leisetretern – –

wir wissen ihre Werke, dass sie weder kalt noch warm

gewesen sind. Ach, wärt ihr kalt! Ach, wärt ihr warm!

Doch sie sind lau –

Und dennoch, dennoch:

Wir glauben weiter unter grauem Himmel!

Wir warten deiner unter grauem Himmel!

Wir wissen, dass du kommst –

Du sollst nicht rächen.

Doch du sollst flammen, schüren, leuchten, brennen.

Luft! Gib uns Luft, darin wir atmen können!

Wühl unsre Seelen auf, pflüg um die Herzen

und löse uns von unserm deutschen Elend

und nimm von uns das niederste der Leiden.

Die beiden mach gesund vor allen Dingen:

gelähmtes Land und die gelähmten Schwingen!“

https://www.textlog.de/tucholsky-eisner.html

 

Das war das Gedicht „Eisner“ von Kurt Tucholsky über den ersten Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern Kurt Eisner, der vor 100 Jahren ermordet wurde.