Bemerkungen über Horst Stern

Nachdem er sich schon lange aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, ist im Alter von 96 Jahren der Stern des Horst Stern erloschen. Vor allem im Vergleich zu den heutigen Irrlichtern wird einem seine Größe so richtig bewusst.

Horst Stern in „Zeugen des Jahrhunderts“:

 

 

Triumph und Tragik des Horst Stern – Triumph und Tragik der Gesellschaft

 

Um Horst Stern, aber auch die deutsche Gesellschaft im Wandel der Zeiten einordnen zu können, lohnen sich Beiträge der „Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen“ und „meta“ (als Nachfolger von „WPK-Quarterly“) zu Horst Sterns 85. Geburtstag im Jahr 2007 und zu seinem Tode.

 

Journalistische Laufbahn

 

„Horst Stern kam vor 60 Jahren als Gerichtsreporter der Stuttgarter Nachrichten zum Journalismus, verfasste in den 1960er Jahren Manuskripte zu Tiersendungen für den Schulfunk, schrieb seit den 1970er Jahren Naturschutz- und Fernsehgeschichte. Im öffentlichen Bewusstsein blieb vor allem "Sterns Stunde". In bis 1979 ausgestrahlten 26 Folgen konfrontierte Stern eine materiell orientierte Wohlstandsgesellschaft auf eine neuartige und unsentimentale Weise mit des Menschen Verhältnis zu Tier und Natur.“

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„Der Weg in den Wissenschaftsjournalismus verlief dabei alles andere als geradlinig: Stern arbeitete zunächst als Lokalreporter, wechselte später zum Delius-Klasing-Verlag, wo er Chefredakteur eines Reise-, eines Auto- und schließlich eines Yachtmagazins wurde. Seine privaten Tierstudien die er mit einem intensiven Studium des Werks des Zoologen Konrad Lorenz verknüpfte, führten schließlich zu ersten wissenschaftsjournalistischen Beiträgen für Kosmos und vor allem für den Schulfunk des SDR.

Der SDR-Fernsehdirektor Horst Jaedicke, fasziniert von der feuilletonistischen Sprachbegabung Sterns, bot dem damals 48-Jährigen schließlich eine eigene Fernsehsendung an. Obwohl Stern bis dahin noch nie für dieses Medium gearbeitet hatte, wagte er den Schritt, weil ihn die Herausforderung reizte, mit dem Fernsehen plötzlich ein riesiges Publikum erreichen zu können. Der 13. Januar 1970 war die Geburtsstunde von „Sterns Stunde“.“

https://www.meta-magazin.org/2019/01/22/sterns-stunde-trauer-um-journalist-und-umweltschuetzer-horst-stern/

„Stern schuf nicht nur ein neues Fernsehgenre. 1974 folgte die Zeitschrift "Nationalpark", 1980 das Magazin "Natur", dessen Herausgeber und Chefredakteur Stern bis 1984 war. Es hob den Naturschutz im Blätterwald erstmals auf dieselbe Höhe wie andere Magazine den Sport oder das Auto. Dass sich für den Naturschutz, wenn man es recht anstellte, eine breite Öffentlichkeit interessieren ließ, hatte Stern schon mit drei Buchbestsellern gezeigt: "Rettet die Vögel" (1978), "Rettet den Wald" (1979) und "Rettet die Wildtiere" (1980). Aus der Vielzahl seiner Beiträge sei hier nur erinnert an "Stern für Leser" (1973), "Mut zum Widerspruch" (1974), "Das Horst-Stern-Lesebuch" (1992) oder "Das Gewicht einer Feder" (1997). 1972 gehörte Horst Stern zu den Gründern der "Gruppe Ökologie", die sich als Protestbewegung gegen das mangelnde ökologische Bewusstsein der Industriegesellschaft verstand. 1975 war Stern Mitbegründer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND). Überdies gibt es den Schriftsteller Stern, der mit Werken wie "Mann aus Apulien" (1986), "Jagdnovelle" (1989) und "Klint" (1993) Natur, Naturwissenschaft und Naturschutz auch literarisch verband. Noch zum Ende der 1990er Jahre griff Stern als Kolumnist der Wochenzeitungen "Die Woche" und "Die Zeit" Missstände an, so etwa in deutschen Nationalparks, die ob ihres unzureichenden Schutzes wegen das Etikett nicht unbedingt verdienen, das ihnen die Länderregierungen angehängt haben.“

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Journalistisches Arbeiten

 

„Während sich zur selben Zeit Bernhard Grzimek und Heinz Sielmann als Tierfilmer auf ihre Weise mit unterhaltsam schönen Bildern aus entlegenen Teilen der Erde an sich derselben Sache verpflichtet fühlten, ging es Stern um die Aufdeckung der ungeschönten Wirklichkeit hierzulande. Sein Konzept brach mit den paradiesischen Aufnahmen aus der Tierwelt der Kollegen. Sterns Stärken: die scharfe Recherche, die unbestechliche gesellschaftskritische Analyse, die präzise, pointierte Sprache und der provokative, politisierende, bisweilen polemische Stil …

Schon in neun Abendsendungen zuvor hatte der Journalist Horst Stern das sentimental verkitschte Tierbild zurechtgerückt und mit schonungsloser Offenheit eine materiell orientierte Wohlstandsgesellschaft mit dem Leid der Nutztiere konfrontiert. Im Unterschied zu den großangelegten "Expeditionen ins Tierreich" dreht Stern "eigentlich immer Reportagen über den Menschen", schrieb damals "Die Zeit". Deshalb ging keine "Sterns Stunde" (Programmtitel) - es waren bis 1979 immerhin 26 - ohne Proteste über den Sender.“

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„„Zeit meines Lebens“, stellt Stern 1997 in einem Interview rückblickend fest, „war ich immer der Meinung, dass ein Journalist die Dinge, die er sorgfältig recherchiert hat und die er bei sich für wahr befunden hat, auch aussprechen soll.“ Und er ergänzt: „Ich habe immer nach diesen altehrwürdigen Gesetzen des Journalismus gearbeitet. Recherchieren, darüber nachdenken, nachprüfen, nachprüfen, und wenn du keinen wirklich begründbaren Zweifel mehr hast, dann sag es auch.““

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Fernsehen in den 1970er Jahren

 

„Sterns Bemerkungen über den Rothirsch empfand die Jagdlobby als ungeheuren Tabubruch; sie lösten eine hitzige forstpolitische Debatte aus. Stern führte vor, was ein aus ökologischem Unverstand und des Trophäenkults wegen gehätschelter Wildbestand aus dem deutschen Wald gemacht hatte. Sterns Kommentar: "Zuviel Boom, zu wenig Bum." Es sei an der Zeit, das Rothirschgeweih als Statussymbol der Renommierjäger zu entzaubern und auf diese Weise das Schussfeld frei zu bekommen für die biologische, umweltgerechte Jagd. Man rette den Wald ja nicht, indem man "Oh Tannenbaum" singt. Alles dies - heute unvorstellbar - zur besten Sendezeit. Der Bildungsanspruch, die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Konflikt der öffentlich-rechtlichen Sender (andere gab es nicht) waren offenkundig größer und zumindest einzelne Programmverantwortliche von anderem Format als jetzige Ressortleiter und der ganz überwiegende Teil des Medienbetriebs.“

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Orientierungsgestalt für Naturschützer

 

„Stern stand mit Beginn der 1970er Jahre wie kaum ein anderer für den Naturschutz in Deutschland. Stern war eine Orientierungsgestalt für eine ganze Naturschützer-Generation. Er verschaffte dem Naturschutz eine bis dahin ungekannte und nicht wiedererlangte Aufmerksamkeit. Seit Stern hat niemand mehr die Zerstörung der Landschaft und das Elend der Tiere so öffentlich wirksam angeklagt. Seine Kritik galt nicht allein der bloßen Ahnungslosigkeit, sondern zielte auf die hemmungslose Profitgier und damit einen Eckpfeiler der Gesellschaft, die den Preis von allem und den Wert von nichts kennt - noch bevor das Motiv für die Ausbeutung der Tiere und der Natur mit dem Schlagwort der Globalisierung verschleiert war. Sterns Kritik der Zustände ist aktueller denn je. Mit Sterns Wirken definierte der Naturschutz seinen Anspruch als ein alle Politik- und Wirtschaftsbereiche durchdringendes Handlungs- und Gestaltungsprinzip, vollzog sich die Professionalisierung des Naturschutzes in Verwaltung und Verbänden und nicht zuletzt die gesetzliche Absicherung seiner Ziele und Aufgaben. Seitdem haben sich die Mitgliederzahlen der Naturschutzorganisationen vervielfacht, ebenso die mediale Präsenz des Naturschutzes, die ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel und etablierte sich eine zwar von der Politik vielfach blockierte, aber an sich professionelle Naturschutzverwaltung.“

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„Horst Stern hat sich seit einigen Jahren zurückgezogen, erst nach Irland, dann in Deutschland. Die Mitgliederzahlen der Naturschutzorganisationen, die ihnen zur Verfügung stehenden materiellen Mittel, ihre personelle Ausstattung und mediale Präsenz haben sich in den letzten 30 Jahren vervielfacht. Hinzugekommen sind Mitwirkungs- und Klagerechte und wohl auch Kompetenz. Zeitgleich etablierte sich von der nationalen bis zur lokalen Ebene eine zwar von der Politik kontrollierte und vielfach blockierte, aber an sich professionelle Naturschutzverwaltung. Stern hat an dieser Entwicklung mehr Anteil als er glaubt. Die Rückschau auf Sterns Schaffen als Journalist, Buchautor, Herausgeber und Schriftsteller zeigt, wie sehr es dem Naturschutz im Inneren an einer Identifikations- und Integrationsfigur und nach außen hin an einer Persönlichkeit, einem Gesicht und einer Stimme fehlt.“

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Geringe Wirkung?

 

„Paradoxerweise lag in der Massenattraktivität dieses neuen Mediums letztlich wohl der Grund dafür, dass Stern dem Fernsehen zehn Jahre später den Rücken kehrte. Denn trotz der grandiosen Einschaltquoten veränderten die Sendungen, anders als von Stern erhofft, nur wenig an den Zuständen, die er in seinen Filmen kritisierte. Auch Sterns aufklärerische Hoffnung, „dass ich die Wissenschaft mit der Nase auf Dinge gestoßen habe, die durch meine journalistische Beobachtung in mir aufkamen“, um derart schließlich öffentlich die gesellschaftlich „bedeutsamen Fragen“ und Missstände ins Licht zu rücken und zu lösen, erfüllte sich nicht …

Diese existenzielle Unruhe des empathisch „Sehenden“, dem es nicht gelingt, sich hinter einer vordergründig distanzierten Professionalitätsattitüde vor der quälenden Einsicht zu schützen, dass das, was man als wahr und notwendig erkannt hat, auch Folgen in der Wirklichkeit haben muss, stürzt den Journalisten Stern in eine berufliche Identitätskrise. In der Figur des Umweltjournalisten Klint, der Selbstmord begeht, weil er die eigene Ohnmacht nicht ertragen kann, mit der er mit ansehen muss, wie die verantwortungslose westliche Moderne sehenden Auges die ökologische Katastrophe provoziert, hat Stern diesen eigenen Konflikt 1993 auch literarisch verarbeitet.

Dieses Dilemma, als Journalist Wissen und Erkenntnis zu mehren und trotzdem aushalten zu müssen, dass das Verkünden dieser Wahrheiten folgenlos bleibt, zeugt andererseits davon, dass sich Horst Sterns Weg in den Journalismus einer Kompromisslosigkeit verdankt, die in der Medienlandschaft selten geworden ist.“

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Heutiger Journalismus

 

„Der taz-Mitgründer Tom Schimmeck hat kürzlich beim Jahrestreffen des Netzwerks Recherche beklagt, dass der Journalismus heute in bedenklichem Umfang von Menschen ausgeübt wird, denen man nicht mehr ansieht, mit welcher Motivation und für welches Ziel sie überhaupt diesen Beruf ergriffen haben. Ohne eine Haltung aber, konstatiert Schimmeck, verkommt Journalismus zu einem überflüssigen eitlen Spiel, in dem die existenzielle Unruhe des engagierten Journalismus ersetzt wird durch eine routinierte professionelle Oberflächlichkeit, die im Grunde nichts mehr wissen will und in der Folge eigentlich auch nichts mehr zu erzählen hat. – Von diesem verstummten Mann aus Passau ließe sich in diesem Zusammenhang womöglich lernen, wie es anders sein könnte.“

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Heutiges Fernsehen

 

„Heute, 40 Jahre später, ist an Tierdokumentationen kein Mangel im TV-Programm. Die meisten kommen produktionskostensenkend gleich harmlos rührselig aus dem Zoologischen Garten, andere dramatisierter Effekte halber aus der lebensgefährlichen Wildnis, bisweilen dem Ansehen des Tierfilmers mehr verpflichtet als den Wesen vor der Kamera. Es sind so viele Tierdokus auf Sendung wie Kochshows: angepasst, lieblich, beliebig, exotisch, sentimental, sensationell, atemberaubend und wenn's passt, auch gern alarmistisch - Folge um Folge und stets garantiert folgenlos. Der Tierfilm ist um Quote bemüht, nicht um Aufklärung. Der Tierfilm hat trotz beeindruckender Aufnahmen seine Ausstrahlung verloren. Der Fernsehgemeinde geht nichts mehr auf und kein Stern voran. Journalisten wie Stern fehlen; gäbe es sie, mit Sendezeit dürften sie kaum rechnen. Der Anspruch der Sender ist so flach wie der Bildschirm. Deshalb hat die Vielzahl der Sender auch zum Internationalen Jahr der Wälder, das in ein paar Tagen endet, nichts beigetragen. Erst recht nichts, woran sich der Zuschauer nach Jahren noch erinnern könnte.“

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„Doch sucht man den ihr zugrunde liegenden kompromisslosen und investigativen, ebenso faktengesättigten wie politisch engagierten Journalismus in der heutigen TV-Landschaft oft vergebens. Wo Stern mit bis dahin nie gezeigten Bildern einem Millionenpublikum die Augen öffnete für die Abgründe moderner Massentierhaltung, bestialische Jagdrituale oder das furchtbare Schicksal von Versuchstieren in der Pharmaforschung, dominiert nicht nur im TV wieder jene harmlos-liebliche, von possierlichen Nagern bevölkerte Naturromantik, die Stern immer als antropomorphisierte „Bambiisierung der Natur“ kritisierte. Und geradezu verschroben altmodisch mutet heute Sterns journalistisches Kredo an in einer Zeit, in der der allwissende wissenschaftliche Experte auf allen Kanälen seine mediale Auferstehung feiert und so beiläufig den Journalisten von der mühseligen Verpflichtung befreit, ein eigenes, gut begründetes Urteil zu formulieren, sich also durch intensive Recherche schließlich selbst zum „Experten der Lebenswelt“ zu machen.“

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Heutiger Naturschutz

 

Die Rückschau auf Sterns Schaffen als Journalist, Buchautor, Herausgeber und Schriftsteller zeigt, wie sehr es dem Naturschutz im Inneren an einer Identifikations- und Integrationsfigur und nach außen hin an einer Persönlichkeit, einem Gesicht und einer Stimme fehlt. Zu sehr sind die Naturschutzorganisationen mit dem Wunsch nach Beliebtheit in die Beliebigkeit abgeglitten, vom Zeitgeist vereinnahmt, in jeder Hinsicht verflacht, immer weniger konfliktbereit und noch weniger konfliktfähig, um an Stern anknüpfen zu können. Diese Organisationen haben viel von der Rolle eingebüßt, mit der sie einst dem Naturschutz Bahn brachen. Sie finden sich zumeist nur mehr im Schlepptau staatlicher Umweltpolitik - überdies, ohne es zu bemerken oder darüber bekümmert zu sein. Statt eines Sterns zeigen sich an einem verdunkelten Himmel eher Irrlichter. Auch das ist Preis für eine Gesellschaft, die den Preis von allem und den Wert von nichts kennt."

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"Trotz dieser Errungenschaften ist die Bilanz des Naturschutzes in Deutschland dramatisch negativ. Gegenüber der inneren Ursache der Misere - einer von bloßer Gier und verantwortungsloser Freiheit getriebenen Ökonomisierung aller Lebensbereiche zu Lasten des Lebens überhaupt - ist der Naturschutz weithin kritik- und sprachlos geblieben. Es fehlt in den Organisationen des Naturschutzes an analytischer, konzeptioneller und strategischer Kompetenz, an der Fähigkeit und Bereitschaft zum Konflikt, an Unabhängigkeit und moralischem Format, am wenigsten vielleicht an Personen, aber an Persönlichkeiten."

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„Die ermüdete Wahrheit“:

 

 

https://www.youtube.com/watch?v=HqFaCtwT8JI

https://www.youtube.com/watch?v=P2ENpgA_Uts

 

3 Bücher

 

Von Horst Stern ist alles lesenswert. Der Wurm möchte aber auf 3 Bücher näher eingehen.

 

Beiträge für den Schulfunk

 

Horst Stern hatte in Stuttgart ein Haus am Waldrand und interessierte sich für Tiere. Schnell hatte es sich in der Nachbarschaft und in naturinteressierten Kreisen herumgesprochen, dass er Tiere hält, sie aufpäppelt und nach Möglichkeit wieder in die Natur entlässt. Darüber schrieb er auch in der Zeitung, bis der SDR auf ihn zukam und ihn bat, 30minütige Sendungen für deren Schulfunk zu machen.

Das ist dermaßen gut angekommen, dass er von seiner Zuhörerschaft gedrängt wurde, die Sendungen in Buchform zu veröffentlichen. Die Bücher heissen „In Tierkunde eine 1 – Die Buchausgabe der Funkvorträge“ und „Gesang der Regenwürmer und andere Kuriosa, erzählt streng nach der Natur – 13 neue Funkvorträge“ aus den Jahren 1965 und 1967 und sind auch heute noch ein Genuss zu lesen.

Neben seinen eigenen Erfahrungen erzählt er allgemein verständlich vom aktuellen wissenschaftlichen Stand der Dinge. Einem Nicht-Fachmenschen kann der Wurm garantieren, in jedem Kapitel Dinge zu erfahren, die er vorher noch nicht gewusst hat. Zur Einfachheit mal die Auflistung der einzelnen Kapitel:

- Eule im Schrank - Vom Halten schwieriger Tiere

- Wie man aus der Schule fliegt - Vom Ausgewöhnen gefangener Turmfalken

- Ich war ein Rabenvater - Vom Beobachten scheuer Tiere

- Todesursache: Liebe - Von Mardern

- Begabtenförderung - Von der Hundedressur

- Räuberhöhlen - Vom Fuchsbau

- Ein Haufen Ameisen machen noch keinen Ameisenhaufen - Vom Baubetrieb der Ameisen

- Mit dem Kopf durch die Wand - Vom Nest- und Höhlenbau der Vögel

- Selbstbestimmungsrecht: Bub oder Mädchen - Vom Bienenstock

- Wissenschaft - aus der Luft gegriffen - Vom Fliegen und Schweben der Tiere

- Nur ein Viertelstündchen - Vom Schlaf der Tiere

- Riechen, Hören, Sehen - Von den Sinnesleistungen der Tiere

- Ganz schöner Druck auf der Blase - Vom Schwimmen der Fische

- Tiere sind nicht im Tierschutzverein - Vom Jagen und Tarnen der Tiere

- Ein Atemzug pro Stunde - Vom Winterschlaf

- Gesellschaftsreise in den Süden - Vom Vogelzug

- Klappern den Löwen bei uns die Zähne? - Vom Eingewöhnen fremder Tiere

 

- Mord im Moor - Die Entstehung eines Hochmoors und wie es sich für Pflanzen darin lebt und stirbt

- Dank an 20.000 Schafsköpfe - Die Lüneburger Heide von der Eiszeit bis zu ihrer heutigen Gestalt

- Auf der grünen Wiese - Die Wiese und was auf ihr wächst, kreucht und fleucht

- Der deutsche Wald kann mehr als rauschen - Wie ein Baum funktioniert

- Wie der Rhein die Donau stiehlt - Von Quellen, vom Grundwasser und von Wasserscheiden

- Dem Wasser auf den Grund gegangen - Vom Leben in einem Binnensee, am Beispiel des Bodensees dargestellt

- Darf's etwas Meer sein - Von der Entstehung der Meere und dem Leben in ihnen

- Nordpol und Umgebung - Von Tieren und Menschen im ewigen Eis

- Zum Sommer einen neuen Hut - Das Hirschgeweih

- Zum Jagen tragen - Die Falknerei früher und heute

- Mehr Mord und Totschlag - Von den Kämpfen der Ameisen

- Kampf mit Maul und Klaue - Revierkämpfe der Tiere

- Zum Schluß gibt es Huhn - Die Hackordnung auf dem Hühnerhof

 

Hier ein Auszug aus dem Text über die Bienen:

 

„So langsam muß ich Schluß machen, und da plagt mich das schlechte Gewissen, weil ich noch so schrecklich viel erzählen müßte. Zum Beispiel vom Sammeln des Blütenstaubs durch die Bienen. Sie pudern sich damit Brust und Bauch ein und bürsten sich dann den Staub mit den haarigen Beinen in die Hosentaschen. Und das ist kein Witz. Die Arbeitsbienen haben an den haarigen Hosen der Hinterbeine tatsächlich kleine Taschen, die nur zur Aufnahme des Blütenstaubs da sind. Löwenzahn und Apfelbaum sind sehr beliebt, und so fest stopfen die Bienen sich die Hosentaschen voll, daß sie oft taumelnd und wie betrunken dahergeflogen kommen. Oft müssen sie die letzte Strecke zum Stock zu Fuß machen, und deshalb baut der Imker unter das Einflugloch nicht nur eine bequeme Terrasse zum Landen, sondern hält auch den Boden unter den Stöcken glatt und sauber. Er achtet auch darauf, daß sich kein Fluß oder Bach zwischen den fetten Bienenweiden und den Stöcken hindurchschlängelt. Weht nämlich mal Gegenwind, dann kann es passieren, daß die überladenen kleinen Flieger die letzte Kurve nicht mehr kriegen und zurückgetrieben werden - ins Wasser hinein, in dem sie ertrinken müssen.

Das Einlagern des Blütenstaubs besorgen die Bienen nach Art unserer Kipplader: sie senken den Hinterleib in die Zelle hinab und bürsten den Blütenstaub aus den Hosentaschen in die Zelle hinein. Anschließend wird er schön festgestampft, damit er nicht herauskrümeln kann, und auf geht's zum neuen Start.

Manchmal gibt's aber auch Ärger im Stock. Dann nämlich, wenn ein Dummkopf unter den Bienen statt Blütenstaub Sägemehl brachte oder, was auch schon vorkam, stinkigen Ofenruß. So was fliegt natürlich unter dem entrüsteten Gebrumm der Lagerarbeiterinnen sofort wieder hinaus.

Ich muß euch vermutlich nicht mehr sagen, daß Bienen solche Fehlleistungen natürlich nicht machen, um ihre Kolleginnen zu ärgern. Der Trieb, Blütenstaub einzusammeln, ist für sie ebenso zwingend wie für uns das Essen und das Trinken, und so wie der im Urwald verirrte und hungernde Mensch notfalls Baumrinde futtert, so tragen die Bienen, wenn sie keinen Blütenstaub finden, wohl auch mal Sägemehl ein.“

 

Tierversuche, 1979

 

Horst Stern war kein Tierschutz-Taliban. Er war kein Vegetarier, hatte nichts gegen Tiere im Zoo, nichts gegen Tiere im Zirkus, nichts gegen industrielle Massentierhaltung (hier verwies er darauf, dass es vorher Tierquälereien und unhygienische Zustände zur Genüge gab) – aber dass es sehr wohl auf das „wie“ ankam. Und da war er eindeutig wie kein Zweiter.

Vor allem scheute er sich nicht, „heisse Eisen“ und auch für ihn unbequeme Dinge anzupacken. Wie in der dreiteiligen Dokumentation „Die Stellvertreter – Tiere in der Pharmaforschung“, aufgearbeitet im Buch „Tierversuche“. Auch hier: Tierversuche sind wohl ein notwendiges Übel, aber es kommt darauf an, sie auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren und den Tieren so wenig Leid wie möglich zuzufügen.

Hier ein Auszug aus dem Buch:

„Was ist zu tun?

Ich nenne sechs Wege zur Verminderung von Versuchstierzahlen:

1. Die Bundesregierung muß bewogen werden, zur Erforschung von Alternativmethoden zum Tierversuch endlich namhafte, das heißt den Aufwendungen für die Technologieforschung vergleichbare Förderungsmittel auszuweisen. Der humane Umgang mit dem Tier ist ein Teil der menschlichen Würde und hat darum Verfassungsrang, also hohe politische Priorität.

2. Dem Gebrauch von Tieren im Dienst der kosmetischen Industrie ist durch Rechtsverordnung der ihn legalisierende „vernünftige Grund" abzusprechen. Kosmetika, die nicht mit den vielen im Lebensmittelrecht als unbedenklich klassifizierten chemischen Wirkstoffen herzustellen oder deren chemische Innovationen nicht an schmerzfreier Materie prüfbar sind, dürfen - ohne Rücksicht auf ihr Ursprungsland - nicht in den Verkehr gebracht werden.

Ist dies rechtlich nicht durchsetzbar, dann müssen die Hersteller von Kosmetika, auch ausländische, gesetzlich gezwungen werden, ihren Produkten den auffälligen Vermerk aufzudrucken, daß sie oder daß sie nicht im Tierversuch entwickelt und geprüft wurden.

3. Die am Tier forschende Wissenschaft muß bewogen werden, ein interdisziplinäres Übereinkommen zu schließen, hinfort nur noch mit Tieren aus Laborzuchten zu arbeiten. Damit wäre dem elenden Katzen- und Hundefang durch oft zwielichtige Marktfiguren die kommerzielle Basis entzogen. Ein Großteil der Emotionen, die sich gegen die auch seriöse - tierexperimentell forschende Wissenschaft richtet, hat hier ihre Wurzel.

4. Wie im Bereich der Gen-Forschung, muß auch auf dem Gebiet der Tierexperimente eine parlamentarische Diskussion einsetzen, die das Verfassungspostulat der Freiheit von Forschung und Lehre ethisch relativiert. Denn Mensch und Tier sind nur anderswertig, nicht grundsätzlich andersartig zu sehen; beide sind Teil der Natur und die Tiere Wesen im geistig-seelischen Vorhof des Menschen.

5. Das Tierschutzgesetz entmachtet sich selber, indem es alle Tierversuche, die nach dem Arznei- und Lebensmittelrecht sowie nach einigen anderen Vorschriften (Abwasserabgabengesetz, Patentrecht) vorgeschrieben sind, von der Genehmigungspflicht ausnimmt. Gerade auf diesen Gebieten aber werden einer unübersehbaren Zahl von Tieren aller Entwicklungsstufen Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt, die weder der staatlichen Kontrolle noch dem Strafanspruch des Staates unterliegen. Im Gegenteil: Diese Versuche werden vom Staat weit über Maß hinaus gefordert, das nach Meinung vieler Toxikologen wissenschaftlich vertretbar ist. So wird der Staat zum Anstifter von Übertretungen seines eigenen Tierschutzgesetzes. Insoweit sind alle einschlägigen Gesetze dem neuesten Stand der Forschung anzupassen.

6. Die behördliche Genehmigungspraxis ist in hohem Maße der parlamentarischen Diskussion mit dem Ziel einer personellen und fachlichen Verbesserung des einschlägigen Beamtenapparats bedürftig. Hier am Vollzug, weniger am Wortlaut des Gesetzes, haben Bestrebungen zu seiner Novellierung anzusetzen.

Diese sechs Wege führen über die Pharmaforschung hinaus in den Bereich der universitären Grundlagenforschung, der Ausbildung an Hochschulen und der experimentellen Medizin und der Chemie. Die Bundesregierung bleibt aufgefordert, endlich den Anspruch unseres Volkes, eine Kulturnation zu sein, auf allen diesen Gebieten des Tierversuchs besser zu verwirklichen, indem sie sie durch sorgfältige Faktenerhebung für die Öffentlichkeit durchsichtig und in engen Grenzen tolerabel macht.

Wenn sich hinter diesen diskussionsfähigen Forderungen eine so große Anzahl von Bürgerinitiativen versammelt, daß diese im parlamentarischen Raum wirksam werden könnten, ließe sich Tierleid alsbald sowohl quantitativ als auch qualitativ vermindern. Für Extremisten und Fanatiker indessen ist hier wie auch anderswo in der Politik kein Platz. Wer das derzeit Unmögliche fordert - die Abschaffung aller Tierversuche - verhindert das Mögliche und verfestigt den Status quo.

Wer - andererseits - in der Wissenschaft das Mögliche aus kommerziellen oder pseudowissenschaftlichen Gründen (hier sind nicht wenige biologische, medizinische und chemische Diplom- und Doktorarbeiten zu sehen) zu verhindern sucht , der fördert eine Wissenschaftsfeindlichkeit, die ihm eines Tages selber zum Verhängnis in Gestalt restriktiver Gesetze werden könnte. Niemand täusche sich über die zur politischen Wirkung drängenden seelischen Nöte vieler auch gemäßigt denkender Menschen angesichts ausufernder Tierversuche.“

An anderer Stelle schreibt er: „Der Erfolg einer Prüfsubstanz ist ungewiß, der Weg zu ihm hin in jedem Fall lang, jahrelang. Hunderte, mitunter Tausende von Katzen enden auch in wissenschaftlichen Sackgassen, die - im Gegensatz zum Erfolgsfall - niemand publiziert; in die man die Pharmakonkurrenz mit noch einmal Hunderten oder Tausenden von Katzenkadavern hineinlaufen läßt.

Nicht schadenfroh, natürlich nicht. Nur eben so, als unabänderliche Folge eines Marktsystems, das nicht einmal den Menschen schont, wie sollte es da - durch freiwillige Marktabgrenzungen etwa oder durch Tierversuchskartelle - Tierleben schonen?“

Horst Stern verweist darauf, dass neben der Pharma- und der Kosmetikindustrie auch andere Tierversuche machen, wogegen sich aber kaum Protest regt. Etwa beim Militär oder der Autoindustrie (Affen werden dort zu Abgas- oder Crashtests eingesetzt, Kaninchen zum Testen von neuen Lacken).

Mehrfach verweist Horst Stern aber auch darauf, dass schwer leidenden Menschen dank Tierversuchen geholfen werden kann:

„Es gibt in der Bundesrepublik einige zehntausend Spastiker: Menschen, die bei oft großer Intelligenz und klarem Verstand zu Außenseitern der Gesellschaft werden, weil eine vom Gehirn nicht mehr kontrollierte Muskelspannung ihnen den Anschein von schwer Geisteskranken gibt, die sie in Wahrheit nicht sind.

Sowohl die Kenntnis von den Ursachen der Spastizität als auch deren Dämpfung durch Einbringung von Elektroden im Bereich des Kleinhirns - so sagen es jedenfalls die Hannoveraner Neurochirurgen - verdankt man Versuchen am Gehirn der Katzen.

Wer solche Tierversuche verboten sehen wolle, der verurteile seine spastischen Mitmenschen zu einem Idiotendasein.“

Was mensch auch immer davon halten mag – er sollte es zumindest wissen und viele wissen es erst durch Horst Stern.

Horst Stern listet auf, wie viele Tiere im Jahr 1977 bei den deutschen Pharma-Unternehmen Hoechst, Boehringer/Thomae, Merck, Bayer, Schering und Knoll „im Einsatz“ waren:

Fische: 15.811

Hühner: 2.114

sonstige Vögel: 1.648

Küken: 83.290

Mäuse, Ratten, Hamster, Meerschweinchen: 2.123.619

Kaninchen: 39.319

Katzen: 7.187

Hunde: 6.684

Schweine und Ferkel: 999

Schafe, Ziegen: 476

Kühe: 230

Pferde: 1

Affen: 268

Zum Vergleich: laut „Wikipedia“ wurden im Jahr 2014 in Deutschland ca. 2,8 Millionen Wirbeltiere verwendet; weltweit sollen es im Jahr 2005 zwischen 58 Millionen und 115 Millionen Wirbeltiere gewesen sein.

https://de.wikipedia.org/wiki/Tierversuch

 

Mut zum Widerspruch – Reden und Aufsätze, 1974

 

Hier zeigt sich Horst Stern komprimiert in Reinkultur und sein Wirken sowohl beim Massenpublikum als auch in der Fachwelt. Das Inhaltsverzeichnis:

- Tiere zwischen Vermenschlichung und Vermassung - Eine Rede über die Entwicklung der Tier-Mensch-Beziehung, gehalten vor dem 11. Deutschen Tierärztetag im April 1974 in Berlin.

- Bei mir geht die Tierliebe durch den Kopf - Eine Antwort auf die Frage einer Filmzeitschrift nach des Verfassers Art, seine Filme zu machen.

- Verlogene Paradiese - Eine Auseinandersetzung mit Safari-Parks und Wildgattern in Deutschland, veröffentlicht im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.

- Streit um des Kaisers Vogel - Zur Kontroverse zwischen Ornithologen und Falknern um die Ursachen des Wanderfalken-Rückgangs, geschrieben im Auftrag des Hamburger Magazins „stern“.

- Was ist an der Naturwissenschaft noch natürlich? - Eine Rede vor den Preisträgern des Wettbewerbs „Jugend forscht“, zu Fragen der Spezialisierung in der Wissenschaft mit der Folge einer Verarmung naturwissenschaftlicher Allgemeinbildung (1973 in Paderborn).

- Die sogenannte heile Welt - Eine Rede vor der Stuttgarter Kosmos-Gesellschaft über den Begriffsinhalt eines Modewortes, gehalten anläßlich der Verleihung der goldenen Wilhelm-Bölsche-Medaille an den Autor.

- Ende der Bescheidenheit - auch im Naturschutz - Ein Aufsatz für die Zeitschrift „Das Parlament“ über die neue Generation der Naturschützer.

- Mut zur Emotion - Eine Rede über die heutige Diffamierung menschlicher Gefühlswerte, gehalten anläßlich der Verleihung des Bayerischen Naturschutzpreises 1974 an den Verfasser.

- Naturschutz gegen Menschen? - Eine Rede vor dem Deutschen Naturschutztag 1974 in Berchtesgaden über die Konflikte zwischen Naturschutz und Massenerholung.

- Wissenschaft und Journalismus - Rede über die veröffentlichte Wissenschaft, vom Autor vor der Universität Hohenheim gehalten aus Anlaß seiner Ehrenpromotion zum Doktor der Sozialwissenschaften (April 1974).

Hier ein Auszug aus dem Beitrag über die neue Generation von Umweltschützern. Er zeigt, dass Horst Stern weder vom Himmel fiel noch alleine war. Aber er war derjenige, der die Anliegen des Naturschutzes einer breiten Masse verständlich machte.

„Auf jedem der 110 Hektar Kulturland, die täglich in der Bundesrepublik an Stahl und Beton verlorengehen, zahlen Menschen, Tiere und Pflanzen mit Leben und Gesundheit für den Fortschritt, für die Konkurrenzfähigkeit, für die Rentabilität von Wirtschaft und Industrie. Beide haben gute Gründe und gute Anwälte, die geübt sind in der Kunst des Beschwichtigens, des Verniedlichens, des Schmierens von politischen Achsen, auf denen der „Fortschritt“ durch eine technisierte, verbaute, verdrahtete Landschaft rollt. Die Fortschrittslobby funktioniert mit der mörderischen Lautlosigkeit des Sonnentaus. Naturschutz- und Umweltgesetze, wenn sie denn überhaupt je in Kraft gesetzt werden, weichen mit Kompromißparagraphen auf, was in den Präambeln so ehern postuliert wird. Das neue Waldgesetz des Bundes ist nach Meinung der meisten sachverständigen Kommentatoren, soweit sie nicht der Forst- und Landwirtschaftslobby zuzurechnen sind, ein Beispiel dafür. Das neue Naturschutzgesetz, das Wassergesetz des Bundes hängen im Gestrüpp der Partei- und Länderinteressen - zerredet, zerstückelt, vertagt immer wieder bis zum Ekel, den Naturschützer draußen darob empfinden.

Aber Naturschützer, was ist das schon! Romantiker, Strickstrumpfwandervögel, schlimmstenfalls ein Fernsehprofessor mit einer lieben Blattlaus auf der Schulter! Man sagt es so nicht mehr, denn Naturschutz ist „in“. Aber man denkt es vielerorts noch so. Und es ist ja auch, vom hohen Kothurn der Bundes- und Länderpolitik aus betrachtet, etwas daran. Denn sind es nicht oft pensionierte Schulmeister, Studienräte oder Förster, Pfarrer und Fratres gar, die bislang als Naturschutzbeauftrage ihrer Heimatkreise den Naturschutz betrieben? Menschen, denen der Rücken krumm wurde überm Betrachten der Natur en detail und vom vielen Buckeln vor den Mächtigen dieser Welt. Mit leiser Stimme setzten sie Woche für Woche, ein Leben lang, den Gesang der Gartengrasmücke gegen Heckenrodungen, das Knabenkraut gegen eine Wiesenauffüllung mit Bauschutt, das Wollgras gegen die landwirtschaftliche Drainage einer Moorlandschaft, den Fischreiher gegen die Karpfenmast, die Rohrdommel gegen das Strandbad im Naturschutzgebiet. Was wunder, wenn Grasmücke und Knabenkraut, Wollgras, Reiher und Rohrdommel unterlagen - dezimiert, vertrieben, zertreten, ausgerottet. Schon die Nennung ihrer Namen in Gegnerschaft zu den stets bedeutenden Projekten der Wasserwirtschaftsämter und der Herren aus Industrie und Gewerbe gab diese Spitzweg-Naturschützer meist der Lächerlichkeit preis: „Denken Sie nur, Herr Kollege, da hält jemand im Ernst das Wollgras für wichtiger als eine Textilfabrik, haha!“

Die Fabriken, die Wohnsilos, die Straßen kamen. Die alten Naturschützer gingen - in die Resignation, ins Grab. Vorzeitig oft, gestorben an gebrochenem Herzen. Andere paßten sich an, denn erst kommt das Essen, dann die Moral. Aber der Naturschutz ist in einem Häutungsprozeß begriffen. Aus den versponnenen, zerbrechlichen Wortkokons der Naturschützer von gestern treten neue Schwärmer hervor, die nichts Schwärmerisches mehr an sich haben, die vielmehr mit giftigen Warnfarben der Natur um sich herum Lebensraum verschaffen.

Es sind erstaunlich viele junge Akademiker darunter, vollgestopft sowohl mit dem ökologischen als auch - und das ist das eigentlich Neue! - mit dem politischen Wissen ihrer Zeit. Sie sind von den Universitäten her eingeübt in hartes Diskutieren und, notfalls, in Aggression. Sie buckeln nicht, sie treten. Und sie treten mit Vorliebe nach oben, als Beamte sogar. Auch das ist neu.

Da machen Hydrobiologen Front gegen sinnlose Flußbegradigungen und Grundwassermanipulationen durch Wasserwirtschaftsämter, die der Energieversorgung und der Landwirtschaft oft hörig sind. Pflanzensoziologen stehen auf gegen die „Kultivierung“, sprich: Trockenlegung und Vernichtung der letzten Moore. Forstakademiker, frisch beamtet, wenden sich sogleich gegen die profitliche Verfichtung unserer Wälder. Junge Wildbiologen kämpfen an gegen einen zwar jagdfreundlichen, aber naturwidrigen Oberbesatz des Waldes mit Reh und Hirsch. Zoologen stehen auf gegen das immer weitere Eindringen des Automobils, der Technik in die letzten Freiräume der Natur.

Zweierlei macht diese neue Rasse von Naturschützern den gedankenlosen, nur an Wachstum und Profit orientierten Ausverkäufern der Natur zunehmend unbequem: ihre Sprache und ihr Wissen. Da schwärmen diese Neutöner plötzlich nicht mehr „vom lieblichen Bachlauf, der sich seinen Weg selber am besten sucht“. Sie weisen vielmehr, wie die Gruppe Ökologie um Konrad Lorenz, den Wassertechnikern in einer wissenschaftlichen Dokumentation nach, daß Millionen Mark aus Steuermitteln aufgewendet werden zur Sanierung von Trockenschäden, die man, ebenfalls mit Millionenmitteln, durch unsinnige Flußbegradigungen selbst erst herbeiführte. Sie reden nicht mehr vom „Knabenkräutlein, das dem Menschen weichen muß“. Sie sagen, ihre Gegner verunsichernd, wissenschaftlich unterkühlt, daß Orchis militaris oder Ultricularia vulgaris biologische Weiser seien, deren Fehlen oder Vorhandensein dem Kenner sofort den Gesundheitszustand einer Wiesenlandschaft, eines Gewässers anzeigten. Und sie weisen schlüssig nach, daß jedes dem landwirtschaftlichen Fetisch „Nutzen“ geopferte Moor den Taupunkt der Atmosphäre zum Nachteil ganzer Pflanzengesellschaften verändert und daß es Mensch und Tier in einer Zeit zunehmender Wasserverknappung eines weiteren Rückhaltebeckens beraubt.

Auch besingen diese neuen Naturschützer nicht die Schönheit der „flammenden“ herbstlichen Bergmischwälder (im Gegensatz zur Düsterkeit der Fichtenmonokulturen). Sie führen nüchtern ins Feld, daß der Bergmischwald durch seine Kronengestaltung und Wurzelstruktur eine Schutzfunktion gegen Sturzregen und damit Erosion besser wahrnehmen könne. Ihnen ist auch suspekt, wer Hirsch und Reh allein mit der Seele oder über den Gewehrlauf visierend sucht. Sie demonstrieren an Kot und Kadaver den Parasitenbefall des hungernden, allzu vielen Schalenwildes und damit die tödlichen Folgen monokulturell gebauter Wirtschaftswälder in Verbindung mit reiner Prestigejägerei. Und der Wanderfalke, der Seeadler ist ihnen nicht „der kühne Aar, der die Lüfte beherrscht“. An der Dünnschaligkeit der Greifvogeleier als Folge einer Vergiftung der Nahrungskette weisen sie den Kreislaufkollaps der Natur nach, der man zum Zwecke erhöhter Wirtschaftlichkeit mit Pflanzenschutzgiften auf die ganz großen Sprünge half.

Eines Tages wird aus den Reihen dieser sich gerade erst formierenden „grünen Mafia“ einer aufstehen, der vor der Nation das Ende der Bescheidenheit für die Naturschützer proklamiert. Dann werden sie in die Wahlversammlungen gehen und den Politikern, wo und wann immer diese die stimmenträchtigen Vokabeln Natur und Umweltschutz in den Mund nehmen, mit unanfechtbaren Fakten die nur rhetorischen Hosen herunterlassen - vor einem Volk, das immer rascher zu erkennen beginnt, wie sehr der Mensch ein biologisches Wesen ist, beheimatet in der Natur und ihren Gesetzen untertan.

Es wird sich bald erweisen, daß kommende Wahlen eher mit grünen als mit roten oder schwarzen Parolen gewonnen werden.“

 

„Bemerkungen über einen sterbenden Wald“:

 

 

https://www.youtube.com/watch?v=oxtEyS_1ZH8

https://www.youtube.com/watch?v=AatSvkdzwz0

 

Persönliches

 

„Wikipedia“ schreibt „Über die frühe Zeit des Lebens von Horst Stern ist ebenso wenig bekannt wie über sein Privatleben.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Stern#cite_note-schulfunk-30

Das, was der Wurm in einem früheren Beitrag über Fritz Bauer geschrieben hatte, passt haargenau auf Horst Stern:

„Fritz Bauer erzählte wenig über sich. Weder über seine Gegenwart noch seine Vergangenheit. Das wird wohl daran gelegen haben, dass dieses Thema ihn nicht sonderlich interessierte.

Was auch immer spekuliert worden sein mag: es war nicht wichtig für ihn und ist somit auch nicht wichtig für den Wurm.

Da die meisten Menschen ausschließlich an sich selbst interessiert sind und ihre Gespräche um die Banalitäten des Tages kreisen, können sie es nicht verstehen, dass es Menschen gibt, die sich nicht für diese Banalitäten interessieren. Vielleicht noch brav zuhören, aber selbst nicht davon erzählen. Weil es sie nicht beschäftigt. Da ist etwas passiert, ist erledigt und gut ist. Das können die Wenigsten verstehen.

Genau so, wie sie es nicht verstehen, dass die Gedanken eines solchen Menschen nicht um sich selbst kreisen, sondern um das Wohl eines ganzen Landes und der ganzen Menschheit.

So einem ist es auch völlig fremd, in der Kommunikation zu taktieren. Wenn man (von Blödsinn mal abgesehen) mit ihm über alles reden kann – was soll er mit jemandem anfangen, der sich in Anspielungen ergeht, A sagt, aber B meint oder irgend einen Unfug daher redet, einfach damit geredet ist. Kein Wunder, wenn der ansonsten geduldige Fritz Bauer da mal ruppig wird.

Ein konsequenter Mensch wie Fritz Bauer macht in seinem Leben keine Halbheiten: wenn es einen Partner gibt, der die gleichen Interessen und Gedanken hat wie er – gut. Wenn nicht, ist das auch nicht schlimm. Bevor so einer in seinem Privatleben „Kompromisse“ schließt, bleibt er lieber für sich allein.

Die Begeisterung für die Lektüre in der Jugendzeit und im Erwachsenen-Leben wie „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ machen deutlich, wie er sich selbst sieht und wie er seine Mitmenschen gerne hätte: starke Individuen, die sich in den Dienst der Gemeinschaft stellen.

Das steht nicht im Widerspruch zur Aversion des „Kompromisse schließen“: das Individuum, das sich in den Dienst der Gemeinschaft stellt, denkt nicht egoistisch. Da braucht mensch keine Kompromisse zu schließen, da ja alle sowieso auf das Wohl der Gemeinschaft fixiert sind. Es gibt keine Unterschiede bezüglich Alter, Geschlecht, Nation, Glaube oder sonstige äußerliche Unterschiede. Es gibt für ihn nur Menschen. Kompromisse schließen heisst für ihn, egoistischen Interessen anderer nachzugeben.

Von Kurt Tucholsky stammt folgender Satz: „Nichts ist schwerer und erfordert mehr Charakter, als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und zu sagen: Nein!“

Für Fritz Bauer war das alles andere als schwer, sondern pure Selbstverständlichkeit.

Als Kind wurde ihm von seiner Mutter die „Goldene Regel“ beigebracht, die bei ihm tiefen Eindruck hinterließ: „Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu“. Anders ausgedrückt: behandle andere Menschen so, wie du selbst gern behandelt werden möchtest. Er hat sich zeit seines Lebens daran gehalten.

Er war einer der besten Menschen, die je auf Erden gewandelt sind. Dass er zu seiner Zeit der wahrscheinlich meist- und bestgehasste Mensch in Deutschland war, ist bezeichnend für die Menschen und speziell die Menschen in Deutschland. Zumindest in jener Zeit.

Zum Schluss Irmtrud Wojak über Fritz Bauers „Pflicht zum Ungehorsam“:

„Immer wieder sollte in Erinnerung gebracht werden, dass es – nicht erst im Unrechtsregime, sondern auch im demokratischen Staat – das Recht und die Pflicht eines jeden ist, Widerstand zu leisten, wenn Unrecht geschieht oder gar die Würde des Menschen verletzt wird. Bauer sah darin keine Gewissensfrage, vielmehr die Verantwortung des Einzelnen in einem auf Achtung der Menschenrechte gründenden Staat, in dem ‚Gläubiger des Rechts‘ nicht nur der Staat, sondern auch der Bürger gegenüber seinem Mitbürger ist.““

http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/122-triumph-und-tragik-des-fritz-bauer.html

 

Die Meme des Horst Stern

 

Jene Menschen, die heute unter 50 Jahre alt sind, werden Horst Stern zum größten Teil gar nicht kennen – aber auch sie sind von ihm auf die eine oder andere Art und Weise beeinflusst. Auch wenn sie größer sein könnten: die Erfolge des Naturschutzes wären ohne Horst Stern deutlich geringer ausgefallen, viele wären in diesem Bereich erst gar nicht engagiert, wenn es einen Horst Stern nicht gegeben hätte.

Horst Stern war ein großes Vorbild – umso trauriger, wie sich die Menschheit trotz ihm und anderer großer Journalisten zu seiner Zeit entwickelt hat: nur ja nicht über ernsthafte Sachen nachdenken müssen, alles soll Unterhaltung sein (siehe weiter oben über heutiges Fernsehen, heutigen Journalismus und Naturschutz). Dabei: es gäbe auch heute noch richtig gute Leute – aber die gute Stimmung soll ja nicht gestört werden. Und deshalb werden diese gute Leute behindert.

Schämen soll sich der SWR als Nachfolger des SDR: wo waren die Sondersendungen zum Tod von Horst Stern? Wo war die „Große Horst Stern-Nacht“?

Auch, wenn er sich mehr Wirkung gewünscht hätte: Horst Stern war und bleibt ein Adler.

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm