Heiliger Bimbam

Zusammen mit Angelo Roncalli wurde Karol Wojtyla heilig gesprochen. Von 1978 bis 2005 war er Papst und war in dieser Zeit durch die Medien ständiger Begleiter der Menschen. Ob sie es wollten oder nicht.

http://derstandard.at/1397521779209/Eilig-eilig---zwei-Paepste-wurden-heilig 

http://www.kiz-online.de/content/santo-subito-%E2%80%93-heilig-sofort

http://www.spiegel.de/einestages/papst-johannes-paul-ii-und-seine-selig-und-heiliggsprechungen-a-959623.html

 

Bereits bei seiner Begräbnisfeier forderten Sprechchöre und Spruchbänder seine sofortige Heiligsprechung. Alleine schon deshalb wäre es verwunderlich gewesen, wenn der Vatikan lange damit gewartet hätte. An einem oder mehreren Wundern, die dazu benötigt werden, sollte es jedenfalls nicht fehlen.

 

So ein Heiliger ist praktisch. Große Freude in dem Land und vor allem an dem Ort, aus dem er stammt. Die Stätten, an denen er wirkte, werden gerne besucht. Dort wird gegessen, getrunken, übernachtet, Andenken werden gekauft. Kurzum: so ein Heiliger ist ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor. Ein Beispiel von vielen: das im 9. Jahrhundert „gefundene“ Grab vom Apostel Jakobus dem Älteren beschert noch heute der Stadt Santiago de Compostela und den sich am „Jakobsweg“ befindlichen Orten einen gewaltigen Gewinn.

Interessant sind natürlich auch Orte, an denen Teile aufbewahrt werden, die mit dem Heiligen zu tun haben. Also von ihm selbst wie Blut, Haare, Haut, Knochen oder solche Sachen, die mit ihm in Berührung kamen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Das einzige, wovon der Wurm noch nicht gehört hat, ist vom späteren Heiligen benutztes Kloopapier.

http://www.spiegel.de/panorama/reliquien-von-paepsten-wie-glaeubige-das-blut-verehren-a-965641.html#js-article-comments-box-pager

 

Und es passieren an diesen Orten Wunder über Wunder. Karlheinz Deschner (siehe http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/92-aufklaerung-ist-aergernis.html ) untersuchte in „Opus Diaboli“ den Reliquienkult mit dem Ergebnis, dass von 19 überprüften Heiligen noch heute in Kirchen und Klöstern 121 Köpfe, 136 Leiber sowie eine verblüffende Fülle anderer Glieder existieren.

Die Vorhaut von Jesus ist 14fach vorhanden. Allein in Frankreich gibt es über 500 Zähne des Jesuskindes. Auch die Milch der Muttergottes, die Federn und Eier (!) des Heiligen Geistes werden an vielen Orten aufbewahrt.

Die Sehnsucht nach Überresten Verstorbener ist für die Bewohner des Erdreichs faszinierend. Sie erstreckt sich auch keineswegs auf Religion. Politiker wie Ho Chi Minh (in Hanoi) oder Sänger wie Elvis Presley (in Graceland) werden nach ihrem Tod noch heute an ihren Wirkungsstätten verehrt und selbst die Stadt Weimar profitiert heute noch von den ehemaligen Wirkungsstätten von Johann Wolfgang von Goethe.

Es ist erstaunlich, dass nicht mehr Organisationen auf die Idee gekommen sind, verdiente Mitglieder „heilig“ zu sprechen. Bei der CDU wäre Helmut Kohl mit Sicherheit zu Lebzeiten heilig gesprochen worden, bei der SPD Willy Brandt. Märtyrer der Arbeiterbewegung hätte es auch zur Genüge gegeben. Heutzutage wären die mit Sicherheit gut zu vermarkten.

Bei der Schaffung neuer Heiliger sollte Folgendes beachtet werden: Regionalproporz (schließlich will jede Region „ihren“ Heiligen), Repräsentierung der je nach Organisation wichtigen gesellschaftlichen Schichten (Geschlecht, soziale Herkunft, Beruf, Hautfarbe, Religion, sexuelle Orientierung …), Berücksichtigung finanzieller „Zuwendungen“ (wer macht welche „Spenden“ an die Entscheidungsträger bzw. an die Organisation, wenn ein bestimmter Mensch heilig gesprochen wird), welche „politische“ Aussage der Entscheidungsträger soll mit der Heiligsprechung  getroffen werden bzw. welches Ziel soll damit erreicht werden?

Das wären die Gedanken, die eine weltliche Organisation bedenken müsste. Bei religiösen Organisationen ist das natürlich nicht der Fall. Da kommt die Eingebung ja direkt von Gott und ein Heiliger ist ausdrücklich so von Gott gewollt. Sagen zumindest die Religiösen.

Doch zurück zum neuen Heiligen Karol Wojtyla. Zu seinen Lebzeiten wurde der konservative Papst zur Genüge kritisiert. Und zwar hauptsächlich von jenen, die sich die Welt und ihre Kirche so machen, wie sie ihnen gefällt.

Um mal ein Beispiel rauszupicken: in der Katholischen Kirche ist es Frauen verboten, Priester sein zu dürfen. Aus humanistischer Sicht ein Skandal.Jedoch nicht aus christlicher Sicht. Da gibt es mehrere Stellen im Neuen Testament, die die Frauen den Männern ausdrücklich und deutlich unterordnen und vor allem jene zwei Stellen, die die innerkirchlichen Belange ordnen:

„Wie in allen Gemeinden der Heiligen lasset eure Weiber schweigen in der Gemeinde; denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, daß sie reden, sondern sie sollen untertan sein, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie etwas lernen, so lasset sie daheim ihre Männer fragen. Es steht den Weibern übel an, in der Gemeinde zu reden.“  1. Brief an die Korinther 14; 34 – 35

http://www.bibel-online.net/buch/luther_1912/1_korinther/14/#1

 

„Ein Weib lerne in der Stille mit aller Untertänigkeit. Einem Weibe aber gestatte ich nicht, daß sie lehre, auch nicht, daß sie des Mannes Herr sei, sondern stille sei. Denn Adam ist am ersten gemacht, darnach Eva. Und Adam ward nicht verführt; das Weib aber ward verführt und hat die Übertretung eingeführt. Sie wird aber selig werden durch Kinderzeugen, so sie bleiben im Glauben und in der Liebe und in der Heiligung samt der Zucht.“  1. Brief an Timotheus 2; 11 - 15 

http://www.bibel-online.net/buch/luther_1912/1_timotheus/2/

 

 

Also: die Katholische Kirche ist kein humanistischer Verein, der sich nach den jeweiligen gesellschaftlichen Moden richtet, sondern ein Verein, dessen Richtlinien nach eigenem Verständnis von Gott vorgegeben sind. Und der richtet sich traditionell nicht nach Moden.

Anders ausgedrückt: wer Gleichberechtigung von Frauen anstrebt, sollte sich nicht in einer Partei oder Religion betätigen, die genau dies nicht will. Eine Partei kann mensch zu einem Kurswechsel bringen, eine Religion nicht. Eine Kirche, die ihren Glauben nicht mehr ernst nimmt und der aktuellen Mode nachläuft, braucht sich nicht zu wundern, wenn sie von den Menschen lediglich als folkloristische Organisation wahrgenommen wird. Um überhaupt ernst genommen zu werden, bleibt einer Kirche nichts anderes übrig, als sich auf ihr Fundament zu berufen und konservativ zu sein.

Was Karol Wojtyla innerhalb seiner Kirche besser hätte machen können, mag dahin gestellt sein. Für den Wurm ist es interessanter, wie er außerhalb seiner eigenen Kirche gewirkt hat.

Und da ist bemerkenswert, welchen Weg er mit den anderen Religionen und Kirchen gegangen ist: Er war überhaupt der erste Papst, der eine lutherische Kirche, eine jüdische Synagoge und eine muslimische Moschee besucht hat. Bemerkenswert die Einladung zum Weltgebetstreffen aller Religionen 1986 in Assisi:

http://de.wikipedia.org/wiki/Weltgebetstreffen

 

Nachdem sich die Katholische Kirche knapp 2000 Jahre als „allein selig machend“ ansah und alle anderen Sekten, Kirchen und Religionen bekämpft hatte, war dies ein Zeichen zur Versöhnung mit allen Religionen. Dies hat natürlich praktische Gründe nach dem Motto „Eine Krähe hackt der andern kein Auge aus“ (es treten nur wenige Menschen von einer Kirche oder Religion zur anderen über – dafür aber gehen sehr viele den Weg zur Esoterik oder gleich ganz zum „Weltlichen“). Und da lohnt  es sich, gemeinsam gegen diese Tendenzen vorzugehen. Auch in politischer Zusammenarbeit (etwa bei Weltbevölkerungskonferenzen). Nichtsdestotrotz: vor Wojtyla gab es diese Zusammenarbeit so nicht.

Auch außerhalb der religiösen Welt übte er enormen Einfluss aus. "Alles, was in den letzten Jahren in Osteuropa geschehen ist, wäre ohne diesen Papst nicht möglich gewesen - ohne die, auch politische, Rolle die er auf der Weltebene zu spielen verstand." Dieser Satz aus dem Jahr 1992 stammt von Michail Gorbatschow, welcher es ja wissen musste.

Nicht selbstverständlich war, dass sich Wojtyla in den USA für die Abschaffung der Todesstrafe ausgesprochen hat, in Kuba das Wirtschaftsembargo der USA gegenüber Kuba als „unfair“ kritisiert hat, in Südafrika gegen die Rassentrennung war und 2003 den sich abzeichnenden Krieg gegen den Irak scharf verurteilt hat. Und den im 17. Jahrhundert von der Römischen Inquisition zum öffentlichen Widerruf gezwungenen Galileo Galilei rehabilitierte.

Auch der, der ihn nicht mochte, kommt nicht umhin, ihm seinen Respekt zu zollen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Paul_II.

http://www.liborius.de/aktuell/ueberblick/das-wunder-der-wende.html

http://www.liborius.de/papst-kompakt/erinnerungen-an-papst-johannes-paul-ii/johannes-paul-ii-der-politische-papst.html

 

Es gibt sogar eine „Webcam“, also einen ständigen Blick auf sein Grabmal. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe REA (Religiöses, Esoterisches, Abstruses) haben ständig einen Blick da drauf. Für sie gibt es nichts Spannenderes als darauf zu warten, dass Wojtyla da raus kommt.

http://www.vaticanstate.va/content/vaticanstate/de/monumenti/webcam/tomba-del-beato-giovanni-paolo-ii-.html

 

Anbei noch was über Heilige:

http://de.wikipedia.org/wiki/Heiliger

http://www.heiligenlexikon.de/Patronate/Attribute.htm

 

Der Lieblings-Heilige des Wurms ist der Heilige Bimbam, der Bruder des Heiligen Strohsacks. Da Menschen Ironie meistens nicht verstehen, sei gleich angemerkt, dass es sich hierbei um völligen Blödsinn handelt. Aber köstlichen Blödsinn.

http://www.stupidedia.org/stupi/Heiliger_Bimbam