Die Talkshow „Markus Lanz“ vom 16.01.2014 wird in die Geschichte eingehen. Und das ist aus mehreren Gründen für den Wurm interessant mitsamt Bonifaz Breitmaulfrosch, dem Leiter der Arbeitsgruppe MMM (Macht, Medien, Manipulation).
Dabei wäre diese Sendung zum größten Teil nur unter Medien-Interessierten auf Interesse gestoßen, wenn nicht die Zuschauerin Maren Müller eine online-Petition gegen Markus Lanz wg. der Behandlung seines Gastes Sahra Wagenknecht gestartet hätte. Dann sprach sich der Ablauf der Sendung aber sehr schnell rum.
Hier ein Auszug aus dem lesenswerten Kommentar von Stefan Niggemeier:
„Lanz hatte Wagenknecht eingeladen, um sie nicht zu Wort kommen zu lassen. Sie sollte anscheinend keinen Satz und keinen Gedanken zuende bringen. Zur Verstärkung und als Testosteron-Booster hatte er Hans-Ulrich Jörges eingeladen, den Politik-Clown vom Dienst beim »Stern«. Die beiden hatten sich offenbar vorab zu einem Wettbewerb verabredet, wer Wagenknecht schneller, lauter und dümmer über den Mund fährt. Die Strategie von Jörges war dabei, die tatsächlichen Aussagen Wagenknechts durch Pappkameraden zu ersetzen und die dann mit blinder Wut zu attackieren.
Wenn Wagenknecht redete, unterbrach Lanz sie. Wenn Jörges redete, murmelte Lanz »das ist richtig«, nickte, bot ihm fehlende Prädikate an und vollendete seine Sätze.“
Und hier die ganze Sendung:
http://www.youtube.com/watch?v=pZdxHPWVm9M
„Passend“ zu Sahra Wagenknecht waren die weitere Gäste: Hans-Ulrich Jörges, Chefredakteur des „stern“ und laut „Financial Times“ einer der einflussreichsten Kommentatoren weltweit, der offensichtlich mit Lanz zusammen Sahra Wagenknecht in die Zange nehmen sollte. Und zwei schauspielernde Dumpfbacken, die von Politik nichts halten und der Meinung sind, mensch „muss sich um die Dinge selber kümmern“. Der eine hat mal für umgerechnet 3 DM bei „McDonald‘s“ in Paris gearbeitet und fand das ganz in Ordnung; der andere hat was gegen den Mindestlohn, weil, wenn er den seinen Angestellten in seinem Café geben würde, er Schwierigkeiten bekommen würde. Jammert aber gleichzeitig, dass sich die Rahmenbedingungen bei der Schauspielerei geändert hätten und er nicht mehr so viel Geld bekommt wie früher. Und Jörges faselt natürlich davon, „dem Land geht’s prächtig“. Zumindest bei ihm und seinesgleichen stimmt das ja auch.
Außergewöhnlich war auch, dass Millionär Markus Lanz scharf nach Wagenknechts Gehalt aus ihrer Zeit als Abgeordnete beim Europäischen Parlament fragte. Das ist exakt das, was alle anderen dort auch verdienen. Sinn und Zweck dieser merkwürdigen Frage war wohl, den Sozialneid der Zuschauer zu aktivieren: wer eine „linke“ Meinung hat, von dem wird erwartet, dass er selbst arm ist. Das Stammtisch-Publikum kann es schon erregen, wenn ein „linker“ Politiker, nehmen wir mal Hans-Christian Ströbele, ein schönes Haus hat, ein schönes Auto hat, ein Ferienhaus im Odenwald und eines in der Toskana hat. Da reicht es schon zu sagen, „der trinkt Rotwein“ und er kann sich des Volkszornes sicher sein.
Genau diese Reaktion sollte beim Zuschauer mit dieser Frage provoziert werden. Und durch die ganze Art der Fragestellungen sollte Sahra Wagenknecht provoziert werden. Normalerweise klappt das auch. Und die Reaktion wäre dann genüsslich in jedem Jahresrückblick gekommen. Da sich Sahra Wagenknecht aber durch gar nichts provozieren ließ, ging der Schuss nach hinten los.
Hier ein relativ harmloser Kommentar von Georg Diez …
… und ein deftiger von „Deutsche Wirtschafts Nachrichten“, die von einer versuchten „Hinrichtung“ sprechen.
Ob das jetzt eine private Aktion von Lanz und Jörges war, oder finstere Mächte dahinter stecken, mag dahin gestellt sein. Auf jeden Fall gehen andere nicht ganz so plump und auffällig vor wie diese beiden.
Klar, worum es geht, aber halt nicht für den „normalen“ Zuschauer, war die Sendung von Johannes Baptist Kerner mit Richard Dawkins. „Die Welt“ leitet ihren Kommentar folgendermaßen ein:
„Atheisten verbrennt man nicht mehr. Man schickt sie zu "Kerner". Dort wurde am Donnerstagabend Richard Dawkins ("Der Gotteswahn") in die Mangel genommen. Aus Angst vor dem Gottseibeiuns waren gleich drei Gegner der Thesen des streitbaren Evolutionsbiologen eingeladen: der eloquente evangelische Bischof von Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, der Ratzinger-Schüler und katholische Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, und Heiner Geißler von Attac. Es fehlten eigentlich nur des Proporzes wegen ein Rabbi und ein Imam.“
http://www.welt.de/fernsehen/article1367402/Atheist-Dawkins-stellt-sich-Kerners-Tribunal.html
Später im Artikel wird noch erwähnt „Außerdem war er behindert durch eine holperige deutsche Übersetzung“. Dazu kommt, dass der Moderator, der gläubige Christ und regelmäßige Kirchgänger Johannes Baptist Kerner, trotz gegenteiliger Beteuerung, parteiisch war. Das dann aber so subtil machte, dass diese Funktion für den unbedarften Zuschauer nicht auf Anhieb erkennbar war.
http://www.youtube.com/watch?v=7Is_-VJEd58
Es ist wohl immer so: Kritik nach dem Motto „Kratzen am Lack“ ist gern gesehen, aber wenn es ernst wird, wird die betreffende Person entweder medial hingerichtet oder totgeschwiegen. Ein Lied davon kann etwa Franz Buggle singen. Wer den Namen noch nicht gehört hat, braucht sich nicht zu wundern – Buggle gehört zu denjenigen, die das System (hier im religiösen Bereich) überhaupt in Frage stellen.
Wie die Medien da vorgehen, zeigt eine private Aufnahme (zwischen Minute 34 und 38):
https://www.youtube.com/watch?v=YMV6IrU5Qls
Bzw. hier zwischen Minute 52 und 54:
https://www.youtube.com/watch?v=X4AfU9wV7IE
Oder es wird der Versuch unternommen, Leute, die unangenehme Fragen zum Zustand der Gesellschaft stellen (wie Günter Wallraff oder Klaus Staeck), als Ewig-Gestrige hinzustellen nach dem Motto „das war vielleicht mal gut, dass es diese Leute gegeben hat – aber heute stören die doch nur“. Mensch achte mal drauf, wenn von denen die Rede ist.
Weil’s so schön war, kommt hier der Link zum Wurm zu Klaus Staeck:
http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/32-staeck-brief.html
Die Manipulation geht übrigens nicht nur gegen Linke oder Atheisten, sondern im Grunde gegen alles, was nicht in das herrschende System passt.
„Neben dieser allseits üblichen Zahleninterpretation gibt es auch Fälle, in denen ein Institut absichtlich der Öffentlichkeit andere Zahlen präsentiert als es eine Umfrage ermittelte. So gestand Renate Köcher, Partnerin von Elisabeth Noelle-Neumann, nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg 1996 ein, bei einer kurz vor der Wahl veröffentlichten Umfrage ihres Instituts den Anteil der Republikaner bewusst unterhalb der 5-Prozent-Hürde angesiedelt zu haben, obwohl die erhobenen Daten die Partei deutlich darüber sahen – die Wähler sollten so vom Kreuz für diese Partei abgehalten werden. Und das war kein Einzelfall: Auch vier Jahre zuvor ging Allensbach nach gleichem Muster vor.“ – Tatsächlich erhielten die Republikaner 9,1% der abgegebenen Stimmen.
http://www.wissen.de/wahlen-die-stimmen-der-meinungsforscher
Bewusste Manipulationen fliegen nur selten auf. In der überwiegenden Mehrheit sind sie sehr viel subtiler und versuchen, die Menschen an Vorurteilen zu packen vor allem gegenüber dem, was sie nicht mögen (der Lanz-Versuch, nach dem Wagenknecht-Gehalt zu fragen, ging in diese Richtung).
Mittlerweile gibt es wieder eine Partei, die für das herrschende System gefährlich werden könnte: Die AfD (Alternative für Deutschland). Es ist schon jetzt absehbar, was mit ihr passieren wird: nämlich in der ein oder anderen Weise in die rechte Ecke gestellt zu werden. Irgend einen Doofkopf aus der Partei wird es schon geben, der irgend einen Blödsinn vom Stapel lässt und womit sich wunderbar Stimmung machen lässt.
Die Elite des Landes (wozu natürlich auch die großen Medien gehören) kann es überhaupt nicht leiden, wenn „das Volk“ sich in ihre Angelegenheiten einmischt. Wenn etwa bei einem Bürgerentscheid eine Bewerbung Münchens für die Olympischen Winterspiele abgelehnt wird, sind diejenigen, die ansonsten die Entscheidungen treffen, ganz schön sauer auf das Volk.
Und gereizt reagieren die Medien auf die Möglichkeiten des Internet. Bei aller Kritik bietet es doch Spuren von Basisdemokratie – sogar ein Regenwurm kann seine Meinung zum Besten geben. Und private Blogs bieten die Möglichkeit, an völlig andere Nachrichten und Meinungen zu gelangen wie gewohnt. Dass Kampagnen „von unten“ und auch noch von einer einzigen Person, losgetreten werden können, ist für die etablierten Medien ein maßloses Ärgernis. Entsprechend werden solche Aktionen bei jeder sich bietenden Gelegenheit diskreditiert:
„Basisdemokratie“ zeigt sich auch an Kommentaren. Wenn sich die gesamte Medien-Landschaft einig ist und massive Kriegshetze betreibt wie im Falle Syrien, ist es aus deren Sicht mehr als peinlich und ärgerlich, wenn 90% der Leser-Kommentare sich gegen einen Kriegseinsatz aussprechen. Und diese Kommentare auch noch für jeden einsehbar sind.
Siehe der Syrien-Wurm (wobei der Wurm an dieser Stelle auf die Kriegshetze noch gar nicht eingegangen ist):
http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/34-feinde-syriens.html
Kommen wir auf Lanz und Jörges zurück. Deren Verhalten während der Sendung ist unentschuldbar – aber es war vor Publikum und auch für Profis in einer Art „Stress-Situation“. Interessant ist ihre Reaktion mehrere Tage nach der Sendung. Sie konnten in aller Ruhe nachdenken und sich überlegen, was sie zu sagen hatten.
Markus Lanz sagte unter Anderem Folgendes: „Allein durch die Konstellation – also, eine Frau gegen zwei Männer – entstand zwangsläufig der Eindruck: Das ist jetzt unfair.“ Für den Wurm ist das das Eingeständnis, dass Jörges nicht zufällig Gast der Sendung war und es von vornherein darum ging, Wagenknecht in die Zange zu nehmen.
„Und was ist eigentlich schlimm daran, wenn man sich auch im Fernsehen leidenschaftlich streitet?“ „Auf der inhaltlichen Ebene sage ich: Es muss möglich sein, kritische Fragen zu stellen.“
Lanz stellt sich dumm oder er hat es nicht kapiert. Ein „leidenschaftlicher Streit“ wäre ja schön gewesen, aber zu dem kam es nicht, da Wagenknecht dauernd unterbrochen bzw. provoziert wurde. Und es wäre schön gewesen, wenn er kritische Fragen gestellt hätte. Hat er leider nicht – er war unverschämt.
„Wenn das energische Nachfragen zu rustikal und sogar persönlich war, dann bedaure ich das.“
In die deutsche Sprache übersetzt heisst das, dass es für ihn nicht zu „rustikal“ und „persönlich“ war, sonst hätte er nicht das Wort „wenn“ an den Anfang des Satzes gestellt.
So ähnlich reagieren übrigens Männer, wenn sie gerade nicht verstehen, warum ihre Frau mal wieder stinksauer auf ihn ist („Wenn ich dir, warum auch immer, irgend wie weh getan haben sollte, täte mir das leid“).
Nach der Sendung hat sich Lanz bei Sahra Wagenknecht nicht entschuldigt. Erst nachdem das Ganze durch die Medien ging. Da er sich in seiner Sendung „Wetten, dass …?“ über die online-Petition lustig machte, ist davon auszugehen, dass diese Entschuldigung wohl nicht ernst gemeint war.
Eine mediale Selbst-Hinrichtung scheint Hans-Ulrich Jörges zu machen, wenn er sich als eine Art Monument der Dummheit darstellt:
Hier ein paar Auszüge:
„Im Internet und in sozialen Netzwerken ist der Teufel los. Besser gesagt, die Linke.“ – Tut dem Wurm leid – es sind nicht nur Linke, die die Behandlung von Sahra Wagenknecht schlecht fanden. Wenn ein konservativer Politiker so behandelt worden wäre, wäre die Reaktion wesentlich schlimmer ausgefallen.
„Bei Lanz haben Ungläubige gewagt, diese linke Ikone zu berühren. Das darf nicht sein. Das soll auch in Zukunft nicht mehr passieren.“ – Merkwürdig, was Jörges unter „Berühren“ versteht.
„Sie ist im Fernsehen die wirksamste propagandistische Waffe der Linken“ – genau deshalb der Versuch der Dilettanten Lanz und Jörges, sie zu provozieren und zu diskreditieren.
„Da sitzt diese eigentümlich altbürgerlich aufgerüschte Dame …“ – gab es schon mal einen Kommentar über die Kleidung eines männlichen Politikers?
Jörges wirft ihr vor, dass sie 2013 9x in Talkshows von ARD und ZDF war. Den ständigen Talkshow-Gast Jörges scheint das sehr zu wurmen. Es ist nicht verwerflich, in Talkshows seine Meinung zum Besten zu geben und selbst eingeladen hat sie sich auch nicht. Also - was soll diese Bemerkung?
Schließlich wirft er ihr vor, ständig auf die „Kinderarmut“ zu kommen und damit auf die Tränendrüse zu drücken. Nun, für einen Politiker der Linken wäre es merkwürdig, wenn er die Kinderarmut nicht erwähnen würde. Das hat Sahra Wagenknecht auch in dieser Sendung getan. Also kurz in einem Satz erwähnt. Wer mit dem Thema „Kinder“ aber so richtig auf den Geist gehen kann, ist Ursula von der Leyen. In ihrer Zeit als Familien- bzw. Arbeitsministerin kam in so ziemlich jedem Gespräch mit ihr „aber die Kinder, die Kinder!“ vor (so oder so ähnlich). Das stört Herrn Jörges offensichtlich nicht.
Bei allem Verständnis für seinen Ärger wird eines deutlich: Er hat die Maske fallen lassen.
Auch wenn klar ist, dass seine Zeitschrift „stern“ in erster Linie aus Werbung finanziert wird und damit sehr vom Wohlwollen der Wirtschaft abhängig ist, dürfte jetzt jedem klar sein, dass der „stern“ nicht unbedingt für die Fortschrittlichen des Landes schreibt. Bzw. versucht, diese dahin zu bringen, wo der „stern“ sie gerne hätte.
Aus dem laut Helmut Kohl „linken Kampfblatt“ scheint ein rechtes Kampfblatt geworden zu sein.