Kampf bis zum letzten Ukrainer

https://www.youtube.com/watch?v=Ws0wX6ZTjkk

 

Der russisch-ukrainische Krieg scheint entschieden.

Unabhängig von Russland wird die Ukraine am Ende sehr gerupft dastehen und von seinen aktuellen „Verbündeten“ sehr malträtiert werden.

Jeder Tag, den dieser Krieg weitergeführt wird, geht massiv zu Lasten der ukrainischen Bevölkerung.

In dieser Situation gibt es – neben einem katastrophalen „weiter so“ – nur noch zwei Möglichkeiten: die Flucht nach vorne (die NATO tritt jetzt auch offiziell in den Krieg ein) oder Friedens-Verhandlungen.

Am politisch-medialen Komplex vorbei treten immer mehr Vernünftige in die Öffentlichkeit; nicht zufällig werden gerade jetzt die ukrainisch-russischen Friedens-Verhandlungen vom Frühjahr 2022 veröffentlicht (beide waren sich einig, aber der Westen wollte den Krieg).

 

Harald Kujat über den russisch-ukrainischen Krieg

 

Harald Kujat, ehemaliger NATO-General, ist Experte auf militärisch-politisch-diplomatischem Gebiet.

Der Wurm zitiert aus dem Gespräch, das Philip Hopf mit ihm geführt hat.

 

Krieg hätte verhindert werden können

 

„Selbstverständlich hätte der Krieg verhindert werden können. Wir haben ja gesehen Ende 2021, als sich die Situation immer stärker zuspitzte hatte Russland damals am 17. Dezember, ich würde mal sagen, ein sehr massives, sehr forderndes Papier an die Vereinigten Staaten und auch an die NATO geschickt. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Kern ja eigentlich darum ging, auf bestimmte Entwicklungen einzugehen. Entwicklungen, die aus russischer Sicht den Frieden gefährdeten, die russische Sicherheitsinteressen betrafen, und das war im Wesentlichen, wenn ich nur zwei Aspekte nennen darf, die Frage des Beitritts der Ukraine zur NATO, die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine, das zweite war das Schicksal der sich als Russen oder zumindest russischsprachige ukrainische Bürger verstehende Menschen im Donbas. Und dann müssen wir eben im Nachhinein sehen, dass der Westen, ich sage jetzt mal einige NATO-Staaten, allen voran die Vereinigten Staaten, nicht bereit waren, darüber zu sprechen.

Das war, hätte man das getan, hätte man zumindest den Versuch unternommen, den Krieg zu verhindern. Aber selbst das ist ja nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit geschehen. Hinzu kam, dass auch noch im Grunde die Spannungen befeuert wurden. Ich denke da an so Bemerkungen, auch unserer Außenministerin, die im Hinblick auf die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine sagte, jeder Staat hätte das Recht, sein Bündnis zu wählen. Das ist im Prinzip zwar richtig, aber für die Mitgliedschaft in der NATO ist das falsch.

Aber aus russischer Sicht ist das eben als eine Verhärtung der westlichen Position gesehen worden und hat dann letztlich dazu geführt, dass es zu diesem Angriff kam. Man kann diesen Angriff auf die Ukraine durch Russland, der völkerrechtswidrig ist, der ein Angriffskrieg ist, ja nicht schönreden, das will auch niemand; die Frage ist nur: haben wir alles unternommen, um diesen Angriffskrieg zu verhindern? Und die Antwort ist eindeutig nein.

(Harald Kujat hatte sich an dieser Stelle versprochen. Er sagte zwar „ja“, meinte aber eindeutig „nein“)

Es gibt sogar amerikanische Wissenschaftler, sehr honorige Wissenschaftler, die sagen, der Westen hätte diesen Angriff provoziert. Soweit würde ich nicht gehen, aber wir haben nicht das getan, was wir hätten tun können.“

Siehe auch http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/778-sicherheits-garantien

 

Westen hat Ukraine zur Weiterführung des Krieges gedrängt

 

„Der Krieg hätte auch beendet werden können nach gut 6 Wochen. Es gab sehr intensive Verhandlungen in Istanbul, die vom türkischen Präsidenten initiiert wurden, und beide Seiten haben ein, wie ich finde, für die Ukraine sehr gutes Ergebnis erzielt. Aber dann sind diese Verhandlungen, es gab zwar ein Verhandlungsergebnis das ja auch paraphiert wurde, aber es wurde nicht unterzeichnet nämlich auf Druck des Westens, oder wie Johnson der am 9. April in Kiew war, um die Unterzeichnung zu verhindern, gesagt hat auf Druck des kollektiven Westens - wer immer das sein mag -, auf jeden Fall einige NATO-Staaten geführt von den Vereinigten Staaten. Das ist, finde ich, besonders bedauerlich, denn im Grunde müssen alle Entwicklungen, die vielen Toten, die danach auf der ukrainischen Seite entstanden sind, aber auch die Zerstörung des Landes, müssen darauf zurückgeführt werden auf diesen Ursprung. Alles das, was seit dem 9. April, seit dem Besuch Johnsons geschah, hätte dann immer noch verhindert werden können, das muss man sehen.

Es gab eine weitere Chance Mitte September vor der Teilmobilmachung Russlands. Auch hier ist diese Chance vertan worden und im Augenblick bietet sich wieder eine Möglichkeit, denn die Kampfhandlungen werden - letzte Woche hat die Schlamm-Periode in der Ukraine eingesetzt -, es wird also nicht mehr möglich sein, mit mechanisierten Kräften anzugreifen für jedenfalls für eine bestimmte Zeit. Ich denke bis Anfang Dezember. Es tritt eine Phase ein, in der der Krieg sozusagen entschleunigt wird, und das ist immer eine Möglichkeit, wieder die beiden Kontrahenten an den Verhandlungstisch zu bringen. Aber die Entscheidung dafür, die fällt nicht in Kiew, sondern die muss in Washington fallen.“

 

Russland generell friedensbereit

 

„Jetzt haben Sie da zwei sehr wichtige Dinge gesagt, die uns in den Medien immer komplett anders dargestellt wird. Also zum Einen, dass der Krieg plötzlich und völlig unerwartet von der russischen Seite gestartet wurde und zum Anderen, dass es von der russischen Seite aus immer abgelehnt wird, Friedensverhandlungen zu führen. Der Westen möchte ja eigentlich, der Westen streckt seine Hand aus, aber der Russe lehnt ab. Und Sie haben ja ganz klar gesagt, dass es eben nicht so ist, wie das von unseren Medien tagein, tagaus dargestellt wird

 

Putin hat gestern noch genau das Gegenteil gesagt. Ich könnte jetzt hier mehrere Zitate bringen von Putin. in denen er erklärt hat, dass er jederzeit zu Verhandlungen bereit ist. Er hat beispielweise am 17. Juni, als die afrikanische Friedensdelegation in Russland war, gesagt, er ist jederzeit bereit mit jedem zu verhandeln, der bereit ist, eine gerechte Verhandlung zu führen und die beiderseitigen Sicherheitsinteressen anzuerkennen. Also da gibt's überhaupt keinen Zweifel. Die Ablehnung ist immer vom Westen erfolgt, teilweise ja auch von der Ukraine.

Der ukrainische Präsident Selenskyi hat ja sogar Anfang Oktober letzten Jahres per Dekret sich selbst und seiner Regierung Verhandlungen mit Russland untersagt. Das müsste also zunächst mal revidiert werden, wenn es tatsächlich zu Verhandlungen kommen sollte. Wie gesagt ,die Chance, es gab mehrere Chancen und es ist wie immer in einem Krieg: es gibt die Einen, die den Krieg wollen, es gibt die Anderen, die den Krieg nicht verhindern wollen, und es gibt diejenigen, die den Krieg nicht verhindern können. So, und jetzt können Sie sich selbst aussuchen, wer zu welcher Kategorie gehört.“

 

Fehlgeschlagene ukrainische Offensive

 

„Das Ziel dieser Offensive war ja, die Landbrücke zwischen Russland und der Ukraine zu unterbrechen, also bis etwa Mariupol vorzustoßen. Und der Grund dafür war eben, dass die Krim praktisch eine logistische Drehscheibe für die russischen Streitkräfte in der Ukraine ist. Also die Masse der Unterstützung, sei es Treibstoff, Verpflegung oder Munition läuft - nicht alles, aber die Masse läuft über die Krim. Und die Idee war eben, dabei unterbricht man die Zufuhr dieser Versorgung, dann trocknen die russischen Streitkräfte aus und damit würde man eine strategische Wende zugunsten der Ukraine erreichen.

Nun, das ist nicht eingetreten und das wird auch nicht eintreten. Wir sehen nämlich hier im Gegensatz zu dem, was immer in westlichen Medien als große Erfolge dargestellt werden, teilweise Erfolge von der Ukraine, teilweise Geländegewinne …

 

Wir sehen hier eine asymmetrische Operationsführung: die ukrainischen Streitkräfte sollen ukrainisches Territorium zurückerobern. Und jeder Quadratmeter, so hat es der der ukrainische Generalstabschef Saluschnyj selbst in einem Interview vor einiger Zeit mit der Washington Post beschrieben: jeder Quadratmeter fordert einen hohen Blutzoll. Die Verluste der ukrainischen Streitkräfte sind exorbitant, gerade auch in dieser Offensive. Die russischen Streitkräfte dagegen haben sich zu einer strategischen Defensive entschlossen und ihr Ziel ist es nicht, Gelände um jeden Preis zu halten, sondern die ukrainischen Streitkräfte zu vernichten. Das ist der Clausewitzsche Grundsatz „mache den Gegner wehrlos und dann kommt alles andere praktisch von selbst“ …

 

Nein, das hält eigentlich niemand, der etwas von der Sache versteht, für realistisch. Die ukrainischen Streitkräfte befinden sich in einem außerordentlich kritischen Zustand. Was wir jetzt sehen, ist im Grunde genommen ein Geplänkel, das ist ja keine Offensive mehr. Die Offensive ist gescheitert, das muss man ganz klar sagen …

 

Ich nenne grundsätzlich keine Zahlen, weil die ändern sich jeden Tag. Und was wir sehen, ist ja im Augenblick, dass Russland die ukrainischen Verlustzahlen nennt und die Ukraine russische Verlustzahlen. Selbst die Amerikaner werden von der Ukraine über die ukrainischen Verluste im Unklaren gelassen. Wenn wir jetzt von „Verlusten“ sprechen, muss man präzise sagen, was damit gemeint ist. „Verluste“ heißt, es handelt sich um getötete Soldaten und es handelt sich um Soldaten, die so schwer verwundet sind, dass sie nicht mehr eingesetzt werden können. Das ist die Zahl, auf die McGregor sich bezieht. Ich halte diese Zahlen nach dem, was ich auch von anderen aus den Vereinigten Staaten höre, für realistisch. Die Zahlen für die Verluste in der gegenwärtigen Offensive, also dem 4. Juni, sind angeblich noch höher als die von McGregor angegebenen. Das muss man immer dazu sagen: die russischen Verluste waren am Anfang des Krieges hoch in der ersten Phase des Krieges, also in den ersten zwei bis drei Wochen …

 

Aber wenn wir jetzt über die die Frage der personellen Stärke reden: Es kommen ja zu den ukrainischen Verlusten auch hinzu, gerade in letzter Zeit während der Offensive eine Menge Fahnenflüchtige. Teilweise sind ja sogar ganze Kompanien, die zu den Russen überlaufen und, das kommt zusätzlich hinzu, dass das Reservoir sozusagen sehr gering ist. Denn das ist ja sogar in den deutschen Medien berichtet worden, dass man sich freikaufen kann. Zwischen 6.000 und 10.000 Dollar zahlen Sie und dann werden Sie vom Wehrdienst befreit und gehen ins Ausland. Und das ist eine große Zahl, die dort zustande kommt. Nun hat ja der ukrainische Präsident versucht, da so ein bisschen aufzuräumen. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass der Verteidigungsminister entlassen wurde, seine sechs Vertreter entlassen wurden, dass die Chefs der Wehrersatzämter entlassen werden. Beispielsweise wird von dem Chef des Wehrersatzbüros in Odessa berichtet, dass er auf diese Weise mehrere Millionen eingenommen hat. Das muss man ja alles im Zusammenhang sehen.“

 

Russische Erfolge und mögliche Ziele

 

„Also genau dieses Ziel wird von den russischen Streitkräften erreicht und seit einigen Tagen sprechen die Russen sogar von einer „aktiven Verteidigung“. Das heißt, sie bereiten eine Offensive vor, sozusagen eine Gegenoffensive gegen die Offensive der ukrainischen Streitkräfte und dazu sehen wir im Norden etwa der Front bei Liman und Kopiansk, dass die Russen dort bereits kleinere Vorstöße unternehmen, erfolgreich unternehmen und wir werden sehen, wie sich das entwickelt. Wir können, glaube ich, davon ausgehen, dass dann irgendwann tatsächlich auch die Russen zu einem größeren Angriff antreten, denn sie haben erhebliche Kräfte zusammengezogen im Hinterland, man spricht von 350.000 Mann. Sie haben eine weitere Armee aufgestellt, die 25. Armee, sie konzentrieren also erhebliche Kräfte und das kann nur bedeuten, dass sie einen Vorstoß unternehmen werden. Ich kann Ihnen nicht sagen wann, ich spekuliere grundsätzlich nicht, aber alles deutet darauf hin und die Frage ist dann natürlich, welches Ziel verfolgen die Russen.

Es kann durchaus sein, und davon gehe ich eigentlich aus, dass sie versuchen werden, ihre Eroberungen zu konsolidieren. Das heißt, bis an die ehemaligen Verwaltungsgrenzen der Regionen Donezk und Luhansk zu gehen, aber auch die beiden weiteren Regionen, die Putin am 30. September letzten Jahres zu russischem Staatsgebiet erklärt hat, nämlich Saporischschja und Cherson, auch dort das Gelände zu stabilisieren, und ich gehe auch davon aus, dass sie versuchen werden, Odessa einzunehmen, weil Russland gerade Odessa als eine historisch bedeutende russische Stadt ansieht. Und das würde heißen, sie versuchen einen Schulterschluss mit ihren Besatzungsstreitkräften in Transnistrien. Das wäre sozusagen die „kleine Lösung“.

Es gibt allerdings einen Punkt und den halte ich für wahrscheinlich, das heißt, die Russen könnten danach sagen „Wir haben das Ziel unserer militärischen Spezialoperation erreicht“ und die Frage ist, wie sich dann der Westen verhalten wird. Wird er den Krieg weiter fortsetzen wollen oder wird er diese Gelegenheit ergreifen wollen, um dann doch den Krieg zu beenden. Das ist die große Frage.

Aber es gibt einen Unsicherheitsfaktor dabei: der Dnjepr ist ein breiter Strom, teilweise mehrere Kilometer breit und die ukrainischen Streitkräfte haben in den letzten Wochen mehrfach versucht, ihn zu überqueren. Das ist ihnen nicht gelungen, aber die Russen haben bisher die Brücken über den Dnjepr, und das sind im Bereich des Kriegsgebietes etwa 20 Brücken, nicht zerstört. Es wäre ein großer Vorteil für sie gewesen, hätten sie das getan, weil sie dann nämlich die Versorgung der ukrainischen Streitkräfte erheblich erschwert hätten. Das heißt also, man muss auch damit rechnen, dass sie möglicherweise den Dnjepr überschreiten.

Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es nicht ihre Absicht ist, die ganze Ukraine zu besetzen. Dieser Ansicht war ich von Anfang an, weil der Aufwand viel zu groß wäre. Der Bedarf an Besatzungstruppen, die Kosten, die damit verbunden sind und vieles mehr. Aber vor allen Dingen auch, weil Russland genauso wie die Vereinigten Staaten im Übrigen vermeiden will, dass es zu einer direkten Konfrontation zwischen den russischen Streitkräften und NATO-Streitkräften kommt. Und würden sie die gesamte Ukraine besetzen, dann stünden sich sozusagen russische und NATO-Soldaten - denken Sie nur auch an die Deutschen in Litauen -, Auge in Auge gegenüber. Und das Risiko, dass es dann zu einem technischen oder menschlichen Versagen kommt und eine Eskalation einsetzt die politisch nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist, dieses Risiko wäre dann sehr, sehr groß. Ich glaube, das wollen beide Seiten vermeiden …

 

Aber das bedeutet eben, dass ein anderes Risiko entsteht. Sehen Sie, die russischen Streitkräfte oder Russland überhaupt hat zwei strategische Vorteile. Über den einen Vorteil haben wir eben gesprochen. Das ist die logistische Drehscheibe Krim. Der zweite Vorteil ist die Fähigkeit, über große Distanzen 2.500 bis 3.000 Kilometer anzugreifen mit Marschflugkörpern, mit Drohnen, auch mit Raketen die Ukraine anzugreifen. - Die Ukraine ist zwar in der Lage, jetzt durch moderne Luftverteidigungssysteme zu versuchen diese Angriffe abzuwehren, aber sie ist eben nicht in der Lage, die Abschuss-Einrichtungen zu zerstören, um so von vornherein einen Angriff zu unterbinden.

Und da entsteht jetzt offensichtlich eine neue Phase des Krieges, in der, ich muss schon sagen, aus der Verzweiflung heraus, dass diese Offensive, die ja hochgelobt wurde vom Westen über lange Zeit, nun gescheitert ist, versucht die Ukraine Russland in der Tiefe des Raumes anzugreifen. Und der Präsident Selenskyi hat selbst, ich glaube im Juli war es, nach einem Drohnenangriff auf Russland, gesagt, allmählich kehrt der Krieg auf das Territorium Russlands zurück, auf seine symbolischen Zentren und Militärstützpunkte. Das ist genau das, was jetzt sozusagen als Alternative, als seitliche Arabeske würde ich fast sagen, die Ukraine versucht.

Aber dies ist eine neue Eskalationsstufe: der Krieg wird auf eine höhere Eskalationsstufe angehoben und ich habe den Eindruck, dass dies die letzte Stufe ist, bevor die Ukraine darum bittet, dass westliche Soldaten den westlichen Waffensystemen folgen, denn Waffensysteme können ja die personellen Verluste der ukrainischen Streitkräfte nicht ausgleichen. Das ist sozusagen der Irrglaube, gerade auch bei uns in Deutschland, von Laien, die immer nur von Waffensystemen reden, aber völlig vergessen dabei, dass hunderttausende ukrainische Soldaten gefallen oder so schwer verwundet sind, dass sie nicht mehr eingesetzt werden können. Die ukrainische Armee ist in einem äußerst kritischen Zustand. Also deshalb diese neue Phase des Krieges, und dabei spielen wir, spielt Deutschland eine besondere Rolle. Nämlich diese Phase kann die Ukraine überhaupt nur beginnen, wenn sie über Systeme wie Taurus verfügt. Zwar wird auch schon lange versucht, ATACMS von den Amerikanern zu bekommen; bisher haben sich die Amerikaner geweigert. Warum? Der amerikanische Präsident hat es ausgesprochen, was in Deutschland niemand ausspricht. Er hat gesagt, wir liefern keine ATACMS, wir wollen einen dritten Weltkrieg vermeiden. In Deutschland wird aber nach wie vor diese Diskussion um Taurus geführt und das ist eine äußerst kritische Entwicklung für unser Land …

 

Ein Verteidiger hat immer weniger Verluste als ein Angreifer, weil der Angreifer sich exponieren muss in dem Gelände; der Verteidiger kämpft eben aus geschützten Stellungen heraus. Das ist eine völlig andere Situation. Hinzu kommt, dass eben, und ich will nur erläutern, warum McGregor wohl richtig liegt, hinzu kommt, dass Russland über die absolute Lufthoheit verfügt über dem Gefechtsfeld und gerade auch der Einsatz russischer Kampfhubschrauber ist äußerst effektiv. Hinzu kommt, dass die russischen Streitkräfte über ein hochmodernes Führungsinformationssystem verfügen, das heißt eine hervorragende Vernetzung zwischen Aufklärungssystemen und Wirkungssystemen, also Waffensystemen. Und diese Vernetzung erlaubt es Ihnen, praktisch zeitverzugslos zu reagieren. Das heißt, Sie fassen ein Ziel auf und können das innerhalb weniger Minuten, vielleicht sogar innerhalb von Sekunden, bekämpfen. Das macht die russische Kriegführung äußerst effektiv. Und ein dritter Punkt kommt hinzu: Wenn es um einen Bewegungskrieg, den wir ja auch hatten bis zum Oktober letzten Jahres etwa, dann ist die russische Überlegenheit dadurch gekennzeichnet, dass sie eben das Gefecht der verbundenen Waffen, also das Zusammenwirken verschiedener Waffensysteme, so dass eine Synergie entsteht, hervorragend beherrschen.

Das ist eine Fähigkeit, die eine lange Ausbildungszeit erfordert. Man muss sich vorstellen: Es dauert etwa 10 Jahre, bis ein einfacher Soldat Kompaniechef wird und in all diesen Phasen als Gruppenführer, als Zugführer, dann als Kompaniechef, hat er immer diese Art der Gefechtsführung eingeübt; das können sie nicht in sechs Wochen lernen. Deshalb sind ja ukrainische Brigaden, neun Brigaden, im Ausland, überwiegend in Deutschland, ausgebildet worden. Drei Brigaden, also vor der Offensive, drei Brigaden in der Ukraine durch westliche Ausbilder, aber man hat ihnen beigebracht, die westlichen Waffensysteme zu bedienen, zu beherrschen, aber die Fähigkeit zum Gefecht der verbundenen Waffen, das konnten sie in der Zeit gar nicht lernen. Ich erinnere daran, dass da auch Kritik geübt wurde an den ukrainischen Streitkräften; sie würden nicht das umsetzen was sie gelernt hätten, sie würden nicht ihre Kräfte konzentrieren zu einem starken Durchbruch, sondern würden sich verzetteln - diese Kritik ist unangebracht, weil sie nämlich etwas kritisiert, was man von den ukrainischen Streitkräften gar nicht verlangen kann. Also alle diese Dinge, die ich eben geschildert habe, führen zu dem Ergebnis, dass die ukrainischen Verluste exorbitant sind im Vergleich zu den russischen Verlusten …

 

Die russischen Streitkräfte sind im Augenblick wesentlich stärker als sie vor dem Krieg waren, wesentlich stärker. Es ist eine sehr moderne, eine sehr schlagkräftige Armee. Natürlich gibt es da auch Ausreißer, das ist doch völlig klar …

 

Politisch sehen wir im Gegenteil: Wenn Sie die BRICS-Staaten und die Zusammenarbeit mit China nehmen, sehen Sie einen enormen politischen Aufschwung Russlands. Militärisch ist die russische Armee die stärkste seit vielen Jahren; auch da ist keine Schwächung.“

 

Politisch-medialer Komplex in Deutschland

 

„… und wir hatten eine Phase nach der deutschen Wiedervereinigung, in der wir in der NATO sehr eng mit Russland zusammengearbeitet haben. Es gab eine enge politische Abstimmung und eine sehr enge militärische Zusammenarbeit. Was dazu geführt hat, dass - und das ist ein ganz wichtiger Aspekt - gegenseitiges Vertrauen aufgebaut wurde und Vorurteile wurden abgebaut und das alles ist über die Jahre kaputt gemacht worden. Es begann 2002 mit der Kündigung des ABM-Vertrages antiballistischer Raketen durch die Vereinigten Staaten, was von Russland interpretiert wurde als der Versuch interkontinental-strategische Überlegenheit zu erlangen. Und dann kam 2008 der NATO-Gipfel in Bukarest, wo der damalige amerikanische Präsident Bush versucht hat, mit aller Macht eine Einladung zur Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO durchzusetzen. Diese Entwicklung darf man nicht abkoppeln man darf auch nicht außer Acht lassen, was die ehemalige Bundeskanzlerin Anfang Dezember sagte, dass das Abkommen Minsk 2, das geschlossen wurde zwischen der Ukraine, Russland, Deutschland und Frankreich im Grunde genommen ein Betrug an Russland war, nämlich nur dazu dienen sollte, die ukrainischen Streitkräfte aufzurüsten. Aber nicht die Minderheitsrechte, die in diesem Abkommen den Bewohnern des Donbass versprochen wurde, auch wirklich zu realisieren. Das war eben auch einer der beiden entscheidenden Gründe dafür, dass dieser Krieg entstand, das müssen wir uns zurechnen lassen.“

Siehe auch http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/1299-man-muesse-sich-klarmachen-mit-wem-man-es-hier-zu-tun-hat

 

„Ich denke, das merken sehr viele Leute dass die Berichterstattung in den letzten Jahren grundsätzlich eine sehr einseitige geworden ist und man sehr empfindlich reagiert oftmals wenn eine konträre Stimme erscheint und man hat so das Gefühl, dass es immer wunder wird, der Medienapparat reagiert immer dünnhäutiger, wenn plötzlich andere konträre Meinungen kommen die möglicherweise eine neue Idee oder eine neue Sicht in die Köpfe der Menschen bringen könnte.

Gehen wir doch gleich mal auf den nächsten Punkt ein, Herr General. Der Krieg in der Ukraine geht nun schon weit über eineinhalb Jahre, und wenn Sie nun an den Beginn des Krieges zurückdenken - hat Sie da die Reaktion und Einstellung zu diesem Krieg von Teilen der Politik und Gesellschaft überrascht? Früher hieß es ja immer „keine Waffen in Kriegsgebiete“ und die gleichen Stimmen sagen heute „Waffen für den Frieden“. Woher kommt ihrer Meinung nach die Eskalationsbereitschaft, das scheinbar mangelnde Verständnis für die potenzielle Gefahr einer Ausweitung dieses Konfliktes?

 

Im Kern besteht das Problem darin, dass wir Menschen in der Politik haben, die Politik gestalten, deutsche Politik gestalten, die aus mangelnder Kompetenz aber auch aus Ignoranz heraus diese Politik, wie wir sie jetzt betreiben, seit dem letzten Regierungswechsel eben betreiben, also das hat mich eigentlich nicht überrascht diese Entwicklung, sie hat mich eher enttäuscht.

Denn vor allen Dingen der Fanatismus, mit dem diese Politik betrieben wird mit Scheuklappen, ohne nach links und rechts zu schauen und vor allen Dingen auch ohne Rücksichtnahme auf das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung, aber auch ohne zu bedenken, welche Konsequenzen diese Politik für die ukrainische Bevölkerung hat, die unter diesem Krieg leidet mit hunderttausenden Toten, mit der Zerstörung dieses Landes, all das wird damit verbrämt, dass man sagt, die Ukraine muss gewinnen - also geradezu als eine Beschwörungsformel wird gesagt, sagte ein deutscher Minister bei seinem Besuch in der Ukraine, die Ukraine wird gewinnen, weil sie gewinnen muss. Das ist keine Politik, das ist Fanatismus und das ist schon eine große Enttäuschung.

Vor allen Dingen auch deshalb, weil damit alles über Bord geworfen wird, was wir aus unserer Geschichte gelernt haben und was wir in den letzten Jahrzehnten aus dieser Erfahrung heraus gerade in unserer Außen- und Sicherheitspolitik angewendet haben, eine Politik, die zur Wiedervereinigung unseres Landes geführt hat, eine Politik, die dazu geführt hat, dass wir über Jahrzehnte in Sicherheit und in Wohlergehen leben konnten -  das alles wird gefährdet, weil diese Politik eben ohne Rücksichtnahme auf die Risiken, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, die das für das ukrainische Volk bedeutet, aber auch die Konsequenzen, die das für uns bedeuten könnte, geführt wird, das halte ich für unverantwortlich …

 

Da muss man ja dazu sagen das ist, ich muss das immer wieder sagen, weil es komplett konträr ist zu dem, was uns seit Tag 1 in den Medien dargestellt wird – nämlich, dass die russischen Kräfte an Dilettantismus nicht mehr zu überbieten wären, dass ständig ihre Offiziere erschossen werden oder die Generäle, dass sie Material verlieren ohne Ende, dass dieses Material, ich sag‘ jetzt mal etwas polemisch, noch aus der Steinzeit stammt oder 2. Weltkriegsmaterial oder aus dem Kalten Krieg und die grundsätzlich ultraschlecht ausgebildet sind, dass die Moral der Truppen ganz, ganz schlecht ist. Wir hören nach wie vor, auch die Bildzeitung berichtet ständig, da sieht man dann ein paar Soldaten, die auf Russisch in die Kamera sprechen und sagen, wir wollen nicht mehr weiterkämpfen, wir haben die Schnauze voll, wir kriegen keinerlei Munition zugeschickt, wir kriegen keine Nahrungsmittel. Man erhält den Eindruck, dass die Russen eine maximal drittklassige Armee sind. Das steht ja konträr zu dem, was Sie uns eigentlich sagen …

 

Aber wenn Sie sagen, bei uns wird anders berichtet, dann muss man eben sehen: Dieser Krieg ist nicht nur eine militärische Auseinandersetzung - es ist auch ein Informationskrieg und es ist auch ein Wirtschaftskrieg. Und in diesem Informationskrieg sitzen eben viele Frontkämpfer in den Schützengräben und berichten Dinge, die sie gerne so hätten, aber die nicht so sind, wie sie sie darstellen. Das ist eine Situation, an die wir uns gewöhnt haben; ich persönlich finde das eigentlich als das Erschreckendste an dieser ganzen Situation: Wir leben in einer offenen pluralistischen Gesellschaft, wir sind stolz darauf, eine Demokratie zu sein und immer wieder wird ja auch gesagt, werden ja die Werte hoch gehalten, die uns unterscheiden von anderen.

Und was tun wir? Wir ignorieren z.B. das Friedensgebot der Verfassung. Die Verfassung interessiert die Politik überhaupt nicht. Wir ignorieren das Recht auf freie Meinungsäußerung und jeder weiß doch, es gibt den plattdeutschen Spruch Eines Mannes Rede ist keines Mannes Rede - du musst sie billig hören Bede. Das ist das Prinzip eben einer pluralistischen Demokratie, dass man auch gegenteilige Meinungen hört und sie nicht unterdrückt. Diese Unterdrückung von Meinungsäußerung, das haben wir nun in der Vergangenheit leider leidvoll erfahren müssen, ist uns nie gut bekommen und sie wird uns auch in diesem Fall nicht gut bekommen …

 

Ich sehe immer nur die Frontkämpfer des informationskrieges, die fordern, fordern, fordern und die den Eindruck erwecken, als könnte die Ukraine den Krieg gewinnen.“

 

Ukraine am Ende

 

„Die Ukraine kann den Krieg nicht gewinnen, weil sie ihre Gebiete nicht zurückerobern kann. Es geht ja auch eigentlich gar nicht um Quadratmeter ukrainischen Bodens. Die ukrainische Regierung müsste doch ein Interesse daran haben, ihre Bevölkerung zu schützen. Was ist denn eigentlich moralisch hochwertiger: noch einige Quadratmeter hinzu zu gewinnen, vor allen Dingen in Regionen, in denen Menschen leben, die sich als Russen oder als russisch-sprachig verstehen und dabei zigtausende ukrainische Leben zu opfern? Ist das moralischer? …

 

Es bleibt also die Frage, wer wird eine militärische Niederlage erleiden und das liegt, glaube ich, auf der Hand. Das ist nur eine Frage der Zeit. Es gibt heute schon anerkannte Wissenschaftler wie Seymour Hersh, der sagt, der Krieg ist bereits für die Ukraine verloren, Russland hat gesiegt. Soweit würde ich noch nicht gehen, aber die Entwicklung, wie sie sich jetzt abzeichnet, ist doch völlig klar, ist ganz offensichtlich, für jeden der nur ein wenig von militärischen Operationen und von Strategie versteht. Nur leider ist in unserer Bundesregierung die Fähigkeit zum sicherheitspolitischen Weitblick ganz gering ausgeprägt oder gar nicht vorhanden und die Fähigkeit zu einer strategisch vernünftigen Beurteilung, die ist schon gar nicht vorhanden. Also hier muss ein Umdenken erfolgen und ich hoffe, dass dieses Umdenken zunächst in unseren Medien beginnt, denn dann wird diese Entwicklung auch bei der derzeitigen Regierung wirksam werden.“

 

Der ukrainische Krieg hat stattzufinden!

 

Michael von der Schulenburg, Hajo Funke und Harald Kujat haben die russisch-ulrainischen Friedens-Verhandlungen vom Frühjahr 2022 analysiert und dokumentiert.

 

RT deutsch fasst das so zusammen:

„Man redet im Westen ungern darüber, aber ohne dessen Einmischung wäre die militärische Sonderoperation Russlands bereits im April letzten Jahres durch einen Friedensvertrag beendet worden. Ein General, ein Politologe und ein Diplomat aus Deutschland sammelten nun die Details.

Was ist Ende März/Anfang April vergangenen Jahres wirklich geschehen, als die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland in Istanbul scheiterten? Michael von der Schulenburg, langjähriger hochrangiger Mitarbeiter bei den Vereinten Nationen, Hajo Funke, ein emeritierter Professor für Politikwissenschaften, und General a. D. Harald Kujat haben auf dem Blog Brave New Europe alle inzwischen vorliegenden Erkenntnisse noch einmal zusammengefasst.

Allein die Tatsache, dass derartige Texte inzwischen auf Blogs erscheinen und nicht zu Titelgeschichten etwa des Spiegel oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung werden, ist dramatisch genug. Aber die Belege, die zum großen Teil bereits einzeln in den vergangenen Monaten bekannt geworden waren (wie die Aussagen des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett), zusammen mit dem vollen Text der vorläufigen Übereinkunft zu dem Zeitpunkt, als diese Verhandlungen abgebrochen wurden, entfalten noch eine neue Wucht. Wie schreibt es von der Schulenburg in seinem Resümee?

"Die Blockierung der damaligen Friedensverhandlungen hat uns allen geschadet: Russland und auch Europa – aber vor allem den Menschen in der Ukraine, die mit ihrem Blut für die Ambitionen der Großmächte zahlen und wohl letztlich nichts dafür zurückbekommen werden" …

 

In der westlichen Presse waren die Umstände, wie die Istanbuler Verhandlungen abgebrochen wurden, kein Thema, das weiter verfolgt wurde. Erst im Sommer dieses Jahres wurde anlässlich eines Besuchs afrikanischer Delegationen im Kreml bekannt, wie weit diese Verhandlungen tatsächlich fortgeschritten waren.

In diesem Zusammenhang ist die Biografie der drei Autoren bedeutend. Denn man kann davon ausgehen, dass sie aus persönlicher Erfahrung imstande sind, zu bewerten, ob ein Verhandlungsergebnis solide und tragfähig ist oder nicht. Dass sie es für erforderlich hielten, die Ergebnisse selbst auf diese Weise zu veröffentlichen, stützt ein weiteres Mal ihre Einschätzung, dass diese Verhandlungen tatsächlich die Kampfhandlungen beendet hätten, wäre es nicht zu jenem britisch-US-amerikanischen Eingreifen gekommen. Dazu von der Schulenburg:

"Ein derartiger Friedensschluss wäre einer Niederlage der NATO, einem Ende der NATO-Osterweiterung und damit einem Ende vom Traum einer von den USA dominierten Welt gleichgekommen."

https://freede.tech/international/187241-deutscher-diplomat-friedensschluss-in-istanbul-waere-niederlage-der-nato-gewesen/

 

Michael von der Schulenburg, Hajo Funke, Harald Kujat – Frieden für Ukraine:

„Michael von der Schulenburg, ehemaliger UN Assistant Secretary General, war über 34 Jahre lang für die Vereinten Nationen und kurz für die OSZE in vielen Ländern tätig, die sich im Krieg oder in internen bewaffneten Konflikten befanden, an denen oft schwache Regierungen und bewaffnete nichtstaatliche Akteure beteiligt waren.

Hajo Funke ist emeritierter Professor für Politikwissenschaften des Otto-Suhr-Instituts/ Freie Universität Berlin

General a.D. Harald Kujat war der ranghöchste deutsche Offizier der Bundeswehr und bei der NATO

 

Dies ist eine detaillierte Rekonstruktion der ukrainisch-russischen Friedensverhandlungen im März 2022 und der damit verbundenen Vermittlungsversuche des damaligen israelischen Premierministers, Naftali Bennett, unterstützt von Präsident Erdogan und Altbundeskanzler Schröder. Sie wurde von General a.D. H. Kujat und Prof. H. Funke erstellt, zwei der Initiatoren des kürzlich vorgestellten Friedensplans für die Ukraine. Und es ist auch im Zusammenhang mit deren Friedensplan, dass diese Rekonstruktion so überaus wichtig ist. Sie lehrt uns, dass wir es uns kein wiederholtes Mal leisten dürfen, Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen zu verzögern. Die menschliche und militärische Lage in der Ukraine könnte sich dramatisch verschlechtern, mit der zusätzlichen Gefahr, dass es zu einer weiteren Eskalation des Krieges führen könnte. Wir brauchen eine diplomatische Lösung dieses grausamen Krieges – und zwar jetzt!

 

Es sind hieraus vor allem 7 Punkte hervorzuheben:

 

1. Bereits einen Monat nach Beginn der russischen Militärintervention in der Ukraine, waren die ukrainischen und russischen Unterhändler einem Waffenstillstand und einer umfassenden Friedenslösung des Konfliktes sehr nahegekommen.

2. Im Gegensatz zu heute hatten sich Präsident Zelensky und seine Regierung damals sehr um einen Verhandlungsfrieden mit Russland und ein schnelles Ende des Krieges bemüht.

3. Im Gegensatz zu westlichen Darstellungen waren sich damals Ukraine und Russland darin einig, dass die geplante NATO-Erweiterung der Grund des Krieges war. Sie konzentrierten daher ihre Friedensverhandlungen auf die Neutralität der Ukraine und dessen Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft. Im Gegenzug würde die Ukraine ihre territoriale Integrität mit Ausnahme der Krim behalten haben.

4. Es bestehen kaum noch Zweifel darüber, dass diese Friedensverhandlungen am Widerstand der NATO und insbesondere dem der USA und der UK scheiterten. Ein derartiger Friedensschluss wäre einer Niederlage der NATO, einem Ende der NATO-Osterweiterung und damit einem Ende vom Traum einer von den USA dominierten Welt gleichgekommen.

5. Das Scheitern der Friedensverhandlungen im März 2022 und die darauffolgende Intensivierung des Krieges hat hunderttausenden von vor allem junger Menschen das Leben gekostet, eine junge Generation zutiefst traumatisiert und Ihnen sind schwerste seelische und physische Verwundungen zugefügt. Die Ukraine ist enormen Zerstörungen ausgesetzt. Das hat zu einer hohen Verarmung sowie einer fortführenden Entvölkerung des Landes geführt. An diesem Unglück tragen nicht nur Russland, sondern eben auch die NATO und der Westen eine schwere Mitschuld.

6. Die Verhandlungsposition der Ukraine ist heute weitaus schlechter, als sie es noch im März 2022 war. Die Ukraine könnte nun große Teile ihres Territoriums verlieren.

7. Die Blockierung der damaligen Friedensverhandlungen hat allen geschadet: Russland und auch Europa – aber vor allem den Menschen in der Ukraine, die mit ihrem Blut für die Ambitionen der Großmächte zahlen und wohl letztlich nichts dafür zurückbekommen werden.

Michael von der Schulenburg“

 

Hajo Funke und Harald Kujat: „Im März 2022 hatte es im Zuge von Verhandlungen zwischen der ukrainischen und russischen Seite ernsthafte Chancen gegeben, den Krieg zu beenden. Die Verhandlungsbereitschaft der Ukraine endete Ende März (vor der Entdeckung der Verbrechen von Butscha) auf Druck einiger Staaten des Westens, den Krieg fortzusetzen statt wie dies der ukrainische Präsident Selenskyj wollte, ihn zu beenden.

Die Verhandlungen waren Anfang März 2022 durch den israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett vermittelt worden

Naftali Bennett hatte ab der ersten Märzwoche 2022 Vermittlungsbemühungen unternommen. In einem Videointerview vom 4. Februar 2023 mit dem israelischen Journalisten Hanoch Daum sprach er erstmals ausführlich über den Ablauf und das Ende der Verhandlungen. Dieses Videointerview ist Grundlage eines detaillierten Berichts in der Berliner Zeitung vom 6. Februar 2023: „Naftali Bennett wollte den Frieden zwischen Ukraine und Russland: Wer hat blockiert? Israelischer Ex-Premier sprach erstmals über seine Verhandlungen mit Putin und Selenskyj. Der Waffenstillstand war angeblich zum Greifen nahe.“ (Berliner Zeitung vom 06.02.2023).

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe ihn, Bennett, nach Ausbruch des Krieges gebeten, Wladimir Putin zu kontaktieren.

„Am 5. März 2022 war Bennett auf Einladung Putins in einem privaten, vom israelischen Geheimdienst bereitgestellten Jet nach Moska geflogen. In dem Gespräch im Kreml habe Putin, so Bennett, einige substanzielle Zugeständnisse gemacht, insbesondere habe er auf sein ursprüngliches Kriegsziel einer Demilitarisierung der Ukraine verzichtet. …  Der ukrainische Präsident erklärte sich im Gegenzug bereit, auf einen Nato-Beitritt zu verzichten – eine Position, die er kurze Zeit später auch öffentlich wiederholte. Damit war eines der entscheidenden Hindernisse für einen Waffenstillstand aus dem Weg geräumt. …. Auch andere Themen wie die Zukunft des Donbass und der Krim sowie Sicherheitsgarantien für die Ukraine seien in diesen Tagen Gegenstand von intensiven Gesprächen gewesen.“ (Ebd)

Bennett: „Ich hatte damals den Eindruck, dass beide Seiten großes Interesse an einem Waffenstillstand hatten (…). Ein Waffenstillstand sei damals, so Bennett, in greifbarer Nähe gewesen, beide Seiten waren zu erheblichen Zugeständnissen bereit“. Doch vor allem Großbritannien und die USA hätten den Prozess beendet und auf eine Fortsetzung des Krieges gesetzt.“ (Ebd)

Anfang März 2022 kontaktierte Präsident Zelensky nicht nur Naftali Bennett, sondern auch den deutschen Altbundeskanzler Gerhard Schröder und bat ihn, seine engen persönlichen Verbindungen zu Putin zu nutzen, um zwischen Ukraine und Russland zu vermitteln, um Wege zu finden, wie dieser Krieg schnell beendet werden konnte. In einem am 21./22. Oktober dieses Jahres erschienen Interview in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung sprach Schröder das erste Mal öffentlich über seine Rolle in den Bemühungen, die zu den Friedensverhandlungen am 29. März 2022 in Istanbul führten. Wie Bennet kam auch er zu dem Schluss, dass der Grund, warum diese Friedensverhandlungen nicht zum Ziel führten, darin lag, dass sich die Amerikaner querstellten. Wörtlich sagte er: „Bei den Friedensverhandlungen im März 2022 in Istanbul mit Rustem Umjerow (damals Sicherheitsberater von Zelensky, heute ukrainischer Verteidigungsminister) haben die Ukrainer keinen Frieden vereinbart, weil sie es nicht durften. Die mussten bei allem, was sie berieten, erst bei den Amerikanern nachfragen“, und dann noch einmal: „Doch am Ende (der Friedensverhandlungen) passierte nichts. Mein Eindruck: es konnte nichts passieren, denn alles Weitere wurde in Washington entschieden. Das war fatal.“

Bereits zuvor hatte sich der damalige türkische Außenminister, Mevlüt Çavuşoğlu, in ähnlicher Weise geäußert. In einem Interview mit der CNN-Turk am 20. April 2022 sagte er: Einige NATO-Staaten wollten, dass der Ukrainekreig weitergeht, um Russland zu schwächen.“

Parallel liefen ukrainisch-russische Friedensverhandlungen

Seit Ende Februar 2022 wurden direkte Verhandlungen zwischen einer ukrainischen und einer russischen Delegation geführt, die sich in der dritten Märzwoche, „also nur einen Monat nach Ausbruch des Krieges, auf die Grundzüge einer Friedensvereinbarung geeinigt (haben): Die Ukraine versprach, der NATO nicht beizutreten und keine Militärbasen ausländischer Mächte auf ihrem Territorium zuzulassen, während Russland im Gegenzug versprach, die territoriale Unversehrtheit der Ukraine anzuerkennen und alle russischen Besatzungstruppen abzuziehen. Für den Donbas und die Krim gab es Sonderregelungen.“ (Vgl. Michael von der Schulenburg: UN-Charta: Verhandlungen! In : Emma vom 6. März 2023)..

Während der vom türkischen Präsidenten Erdogan vermittelten Verhandlungen legte die ukrainische Delegation am 29. März 2022 ein Positionspapier vor, das zum Istanbuler Kommuniqué führte. Die Vorschläge der Ukraine wurden von der russischen Seite in einen Vertragsentwurf umgesetzt.

Das Istanbuler Kommuniqué vom 29. März 2022 im Wortlaut:

Vorschlag 1: Die Ukraine erklärt sich selbst zu einem neutralen Staat und verspricht, blockfrei zu bleiben und auf die Entwicklung von Atomwaffen zu verzichten – im Gegenzug für internationale rechtliche Garantien. Zu den möglichen Garantiestaaten gehören Russland, Großbritannien, China, die Vereinigten Staaten, Frankreich, die Türkei, Deutschland, Kanada, Italien, Polen und Israel, aber auch andere Staaten wären willkommen, dem Vertrag beizutreten.

Vorschlag 2: Diese internationalen Sicherheitsgarantien für die Ukraine würden sich nicht auf die Krim, Sewastopol oder bestimmte Gebiete im Donbas erstrecken. Die Vertragsparteien müssten die Grenzen dieser Gebiete festlegen oder sich darauf einigen, dass jede Partei diese Grenzen unterschiedlich versteht.

Vorschlag 3: Die Ukraine verpflichtet sich, keiner Militärkoalition beizutreten und keine ausländischen Militärstützpunkte oder Truppenkontingente aufzunehmen. Jegliche internationale Militärübungen wären nur mit Zustimmung der Garantiestaaten möglich. Die Garantiestaaten bestätigen ihrerseits ihre Absicht, die Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union zu fördern.

Vorschlag 4: Die Ukraine und die Garantiestaaten kommen überein, dass (im Falle einer Aggression, eines bewaffneten Angriffs gegen die Ukraine oder einer Militäroperation gegen die Ukraine) jeder der Garantiestaaten nach dringenden und sofortigen gegenseitigen Konsultationen (die innerhalb von drei Tagen stattfinden müssen) über die Ausübung des Rechts auf individuelle oder kollektive Selbstverteidigung (wie in Artikel 51 der UN-Charta anerkannt) (als Reaktion auf einen offiziellen Appell der Ukraine und auf dessen Grundlage) der Ukraine als dauerhaft neutralem Staat, der angegriffen wird, Hilfe leisten wird. Diese Hilfe wird durch die sofortige Durchführung der erforderlichen individuellen oder gemeinsamen Maßnahmen erleichtert, einschließlich der Schließung des ukrainischen Luftraums, der Bereitstellung der erforderlichen Waffen und der Anwendung bewaffneter Gewalt mit dem Ziel, die Sicherheit der Ukraine als dauerhaft neutralen Staat wiederherzustellen und dann zu erhalten.

Vorschlag 5: Jeder derartige bewaffnete Angriff (jede militärische Operation überhaupt) und alle daraufhin ergriffenen Maßnahmen werden unverzüglich dem UN-Sicherheitsrat gemeldet. Diese Maßnahmen werden eingestellt, sobald der UN-Sicherheitsrat die zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat.

Vorschlag 6: Zum Schutz vor möglichen Provokationen wird das Abkommen den Mechanismus zur Erfüllung der Sicherheitsgarantien der Ukraine auf der Grundlage der Ergebnisse von Konsultationen zwischen der Ukraine und den Garantiestaaten regeln.

Vorschlag 7: Der Vertrag gilt vorläufig ab dem Datum seiner Unterzeichnung durch die Ukraine und alle oder die meisten Garantiestaaten.

Der Vertrag tritt in Kraft, nachdem (1) der dauerhaft neutrale Status der Ukraine in einem landesweiten Referendum gebilligt wurde, (2) die entsprechenden Änderungen in die ukrainische Verfassung aufgenommen wurden und (3) die Ratifizierung in den Parlamenten der Ukraine und der Garantiestaaten erfolgt ist.

Vorschlag 8: Der Wunsch der Parteien, die Fragen im Zusammenhang mit der Krim und Sewastopol zu lösen, wird für einen Zeitraum von 15 Jahren in bilaterale Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland eingebracht. Die Ukraine und Russland verpflichten sich außerdem, diese Fragen nicht mit militärischen Mitteln zu lösen und die diplomatischen Lösungsbemühungen fortzusetzen.

Vorschlag 9: Die Parteien setzen ihre Konsultationen (unter Einbeziehung anderer Garantiestaaten) fort, um die Bestimmungen eines Vertrags über Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die Modalitäten der Waffenruhe, den Rückzug von Truppen und anderen paramilitärischen Verbänden und die Öffnung und Gewährleistung sicher funktionierender humanitärer Korridore auf kontinuierlicher Basis sowie den Austausch von Leichen und die Freilassung von Kriegsgefangenen und internierten Zivilisten vorzubereiten und zu vereinbaren.

Vorschlag 10: Die Parteien halten es für möglich, ein Treffen zwischen den Präsidenten der Ukraine und Russlands abzuhalten, um einen Vertrag zu unterzeichnen und/oder politische Beschlüsse zu anderen ungelösten Fragen zu fassen.”

Offensichtliche Unterstützung der Vermittlungsbemühungen durch westliche Politiker

Die Tatsache der Unterstützung der Verhandlungen durch westliche Politiker ergibt sich aus der Abfolge der Telefonate und Treffen in der Zeit von Anfang März bis mindestens Mitte März. Am 4. März telefonierten Scholz und Putin; am 5. März traf Bennett Putin in Moskau; am 6. März trafen sich Bennett und Scholz in Berlin; am 7. März besprachen sich die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland in einer Videokonferenz zum Thema; am 8. März telefonierten Macron und Scholz; am 10. März trafen sich der ukrainische Außenminister Kuleba und der russische Außenminister Lawrow in Ankara; am 12. März telefonierten Scholz und Selenskyj sowie Scholz und Macron und am 14. März trafen sich Scholz und Erdogan in Ankara. (Vgl Petra Erler: Betreff: Rückblick März 2022: Wer kein schnelles Kriegsende in der Ukraine wollte, in:: “Nachrichten einer Leuchtturmwärterin“, 1. September 2023)

NATO-Sondergipfel vom 24. März 2022 in Brüssel

Michael von der Schulenburg, der ehemalige UN Assistant Secretary-General (ASG) in UN-Friedensmissionen, schreibt, dass „die NATO bereits am 24. März 2022 auf einem Sondergipfel beschlossen hatte, diese Friedensverhandlungen (zwischen der Ukraine und Russland) nicht zu unterstützen.“ (Vgl. Michael von der Schulenburg: UN-Charta: Verhandlungen! In: Emma vom 6. März 2023). Zu diesem Sondergipfel war der US-Präsident eigens eingeflogen. Offenkundig war ein Frieden, wie er von den russischen und ukrainischen Verhandlungsdelegationen ausgehandelt worden war, nicht im Interesse einiger NATO-Staaten.

Selenskyj widerspricht

„Noch am 27. März 2022 hatte Selenskyj den Mut gezeigt, die Ergebnisse der ukrainisch-russischen Friedensverhandlungen vor russischen Journalisten in aller Öffentlichkeit zu verteidigen – und das, obwohl die NATO bereits am 24. März 2022 auf einem Sondergipfel beschlossen hatte, diese Friedensverhandlungen nicht zu unterstützen.“ (Ebd)

Nach von der Schulenburg hatte es sich bei den russisch-ukrainischen Friedensverhandlungen um eine historisch einmalige Besonderheit gehandelt, die nur dadurch möglich war, weil sich Russen und Ukrainer gut kennen und die „gleiche Sprache sprechen“.

Am 28. März erklärte Putin, als ein Zeichen des guten Willens die Bereitschaft, Truppen aus dem Raum Charkow und dem Raum Kiew abzuziehen; dies geschah offenkundig bereits vor dieser öffentlichen Erklärung.

Die Absage an Selenskyj und Putin

Am 29. März 2022 telefonierten Scholz, Biden, Draghi, Macron und Johnson erneut zur Lage in der Ukraine. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich offenbar die Haltung wichtiger westlicher Bündnispartner verhärtet. Sie formulierten im Gegensatz zum Vorgehen von Bennett und Erdogan Vorbedingungen für Verhandlungen: „Die Staats- und Regierungschefs waren sich einig, die Ukraine weiter tatkräftig zu unterstützen. Sie drängten den russischen Präsidenten Putin erneut dazu, einer Waffenruhe zuzustimmen, alle Kampfhandlungen einzustellen, die russischen Soldaten aus der Ukraine abzuziehen und eine diplomatische Lösung (…) zu ermöglichen.“ (Petra Erler: Betreff: Rückblick März 2022: Wer kein schnelles Kriegsende in der Ukraine wollte (in: “Nachrichten einer Leuchtturmwärterin“ 1. September 2023)

Die Washington Post berichtete am 5. April, dass in der NATO die Fortsetzung des Krieges gegenüber einem Waffenstillstand und einer Verhandlungslösung bevorzugt wird: „Für einige in der NATO ist es besser, wenn die Ukrainer weiterkämpfen und sterben als einen Frieden zu erreichen, der zu früh kommt oder zu einem zu hohen Preis für Kiew und das übrige Europa.“ Selenskyj solle „so lange weiterkämpfen, bis Russland vollständig besiegt ist.“

Boris Johnson am 9. April 2022: Wir führen den Krieg weiter

Am 9. April 2022 traf Boris Johnson unangemeldet in Kiew ein und erklärte dem ukrainischen Präsidenten, dass der Westen nicht bereit sei, den Krieg zu beenden. Laut britischem Guardian vom 28. April hatte Premier Johnson den ukrainischen Präsidenten Selenskyj „angewiesen“, „keine Zugeständnisse an Putin zu machen“.

Darüber berichtete die “Ukrainska Pravda” am 5. Mai 2022 in zwei Beiträgen ausführlich:

“Kaum hatten sich die ukrainischen Unterhändler und Abramovich/Medinsky nach den Ergebnissen von Istanbul auf die Struktur eines möglichen künftigen Abkommens in groben Zügen geeinigt, erschien der britische Premierminister Boris Johnson fast ohne Vorwarnung in Kiew.

Johnson brachte zwei einfache Botschaften mit nach Kiew. Die erste lautet, dass Putin ein Kriegsverbrecher ist; man sollte Druck auf ihn ausüben, nicht mit ihm verhandeln. Die zweite lautet, dass selbst wenn die Ukraine bereit ist, mit Putin einige Vereinbarungen über Garantien zu unterzeichnen, dass es der kollektive Westen aber nicht ist: „Wir können [ein Abkommen] mit Ihnen [der Ukraine] unterzeichnen, aber nicht mit ihm. Er wird sowieso alle über den Tisch ziehen”, fasste einer der engen Mitarbeiter Selenskyjs den Kern des Besuchs von Johnson zusammen. Hinter diesem Besuch und den Worten Johnsons verbirgt sich weit mehr als nur die Abneigung, sich auf Abkommen mit Russland einzulassen. Johnson vertrat den Standpunkt, dass der kollektive Westen, der noch im Februar vorgeschlagen hatte, Selenskyj solle sich ergeben und fliehen, nun das Gefühl hat, dass Putin nicht wirklich so mächtig ist, wie sie es sich zuvor vorgestellt hatten. Darüber hinaus besteht eine Chance, ihn „unter Druck zu setzen“. Und der Westen will sie nutzen.”

Die Neue Züricher Zeitung (NZZ) meldete am 12. April, dass die britische Regierung unter Johnson auf einen militärischen Sieg der Ukraine setzt. Die konservative Unterhausabgeordnete Alicia Kearns sagte: „Lieber bewaffnen wir die Ukrainer bis an die Zähne, als dass wir Putin einen Erfolg gönnen.“ Die britische Außenministerin Liz Truss bekundete in einer Grundsatzrede, dass der „Sieg der Ukraine (…) für uns alle eine strategische Notwendigkeit“ sei und daher die militärische Unterstützung massiv ausgeweitet werden müsse. Guardian-Kolumnist Simon Jenkins warnte: „Liz Truss riskiert, den Krieg in der Ukraine für ihre eigenen Ambitionen anzufachen“. Dies sei wohl der erste Tory-Wahlkampf, „der an den Grenzen Russlands ausgetragen wird“. Johnson und Truss wollten, dass Selenskyi „so lange weiterkämpft, bis Russland vollständig besiegt ist. Sie brauchen einen Triumph in ihrem Stellvertreterkrieg. In der Zwischenzeit kann jeder, der nicht ihrer Meinung ist, als Schwächling, Feigling oder Putin-Anhänger abgetan werden. Dass dieser Konflikt von Großbritannien für einen schäbigen bevorstehenden Führungswettstreit missbraucht wird, ist widerwärtig.“

Nach seinem Kiew-Besuch am 25. April 2022 erklärte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, die USA wollten die Gelegenheit nutzen, um Russland im Zuge des Ukrainekriegs auf Dauer militärisch und wirtschaftlich zu schwächen. Laut New York Times geht es der US-Regierung nicht mehr um einen Kampf über die Kontrolle der Ukraine, sondern um einen Kampf gegen Moskau im Zuge eines neuen Kalten Krieges.

Bei dem von Austin einberufenen Treffen von Verteidigungsministern der NATO-Mitglieder und weiterer Staaten in Ramstein in Rheinland-Pfalz am 26. April 2022 gab der Pentagon-Chef den militärischen Sieg der Ukraine als strategisches Ziel vor.

Die amerikanische Zeitschrift “Responsible Statecraft” schrieb am 2. September 2022:

„Hat Boris Johnson geholfen, ein Friedensabkommen in der Ukraine zu verhindern? Einem kürzlich in der Zeitschrift Foreign Affairs erschienenen Artikel zufolge haben Kiew und Moskau möglicherweise bereits im April eine vorläufige Vereinbarung zur Beendigung des Krieges getroffen. Russland und die Ukraine könnten sich bereits im April auf ein vorläufiges Abkommen zur Beendigung des Krieges geeinigt haben, heißt es in einem kürzlich erschienenen Artikel in Foreign Affairs. “Laut mehreren ehemaligen hochrangigen US-Beamten, mit denen wir gesprochen haben, schienen sich russische und ukrainische Unterhändler im März 2022 vorläufig auf die Umrisse einer ausgehandelten Zwischenlösung geeinigt zu haben”, schreiben Fiona Hill und Angela Stent. “Russland würde sich auf seine Position vom 23. Februar zurückziehen, als es einen Teil der Region Donbas und die gesamte Krim kontrollierte, und im Gegenzug würde die Ukraine versprechen, keine NATO-Mitgliedschaft anzustreben und stattdessen Sicherheitsgarantien von einer Reihe von Ländern zu erhalten. Die Entscheidung, das Abkommen scheitern zu lassen, fiel mit Johnsons Besuch in Kiew im April zusammen, bei dem er den ukrainischen Präsidenten Selenskyi drängte, die Gespräche mit Russland aus zwei wesentlichen Gründen abzubrechen: Mit Putin kann man nicht verhandeln, und der Westen ist nicht zu einem Ende des Krieges bereit.

Der Autor stellt in seinem Beitrag Fragen, die im weiteren Verlauf des Krieges immer größere Bedeutung gewonnen haben:

Diese offensichtliche Enthüllung wirft einige wichtige Fragen auf: Warum wollten die westlichen Führer Kiew davon abhalten, ein offenbar gutes Verhandlungsergebnis mit Moskau zu unterzeichnen? Betrachten sie den Konflikt als einen Stellvertreterkrieg mit Russland? Und vor allem: Was wäre nötig, um wieder zu einem Verhandlungsergebnis zurückzukehren?”

In seiner Ankündigung der Teilmobilmachung erklärte Putin am 21. September 2022:

„Das möchte ich heute zum ersten Mal öffentlich machen. Nach dem Beginn der militärischen Sonderoperation, insbesondere nach den Gesprächen in Istanbul, äußerten sich die Kiewer Vertreter recht positiv zu unseren Vorschlägen. Diese Vorschläge betrafen vor allem die Gewährleistung der Sicherheit und Interessen Russlands. Aber eine friedliche Lösung passte dem Westen offensichtlich nicht, weshalb Kiew nach der Abstimmung einiger Kompromisse tatsächlich befohlen wurde, alle diese Vereinbarungen zunichtezumachen.“

Anlässlich des Besuchs einer afrikanischen Friedensdelegation am 17. Juni 2023 zeigte Putin die in Istanbul ad referendum akzeptierte und paraphierte Vereinbarung demonstrativ in die Kameras.

Fazit: Vertane Chance

Anhand der öffentlich zugängigen Berichte und Dokumente ist nicht nur nachvollziehbar, dass es im März 2022 eine ernsthafte Verhandlungsbereitschaft sowohl der Ukraine als auch Russlands gab. Offensichtlich einigten sich die Verhandlungspartner sogar ad referendum auf einen Vertragsentwurf. Selenskyj und Putin waren zu einem bilateralen Treffen bereit, bei dem das Verhandlungsergebnis finalisiert werden sollte. Die Tatsache, dass die wesentlichen Verhandlungsergebnisse auf einem Vorschlag der Ukraine beruhten, Selensykyj diese noch am 27. März 2022 gegenüber russischen Journalisten sehr positiv bewertete und sich bereits zuvor in ähnlicher Weise geäußert hatte, belegt, dass der Ausgang der Istanbuler Verhandlungen durchaus den ukrainischen Interessen entsprach. Umso schwerer wiegt die westliche Intervention, die ein frühzeitiges Ende des Krieges verhinderte. Die Verantwortung Russlands für den völkerrechtswidrigen Angriff wird nicht dadurch relativiert, dass die Verantwortung für die in der Folge entstandenen schwerwiegenden Konsequenzen für die Ukraine und deren westliche Unterstützer auch den Staaten zuzurechnen ist, die die Fortsetzung des Krieges verlangt haben. Der Krieg hat nun ein Stadium erreicht, in dem eine weitere gefährliche Eskalation und eine Ausweitung der Kampfhandlungen nur durch einen Waffenstillstand verhindert werden kann, der vielleicht zum letzten Mal eine friedliche Lösung durch Verhandlungen ermöglicht. Es gibt Friedensvorschläge von China, der Afrikanischen Union, Brasilien, Mexiko, Indonesien, einen auf Einladung des Vatikans entwickelten Vorschlag sowie einen von deutschen Experten vorgeschlagenen Weg zu einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Der Verlauf des Krieges seit den gescheiterten Istanbul-Verhandlungen und der gegenwärtig äußerst kritische Zeitpunkt sollten den verantwortlichen Staaten Anlass genug für ein Umdenken sein.“

https://braveneweurope.com/michael-von-der-schulenburg-hajo-funke-harald-kujat-frieden-fur-ukraine

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm

 

 

Das Böse verlachen

- Satire, Realsatire, ernst Gemeintes -

 

4. November – Wochenkommentar von Ferdinand Wegscheider

„So warm war noch nie ein Oktober!“ - Im neuen Wochenkommentar geht es heute um die Frage, warum so viele Menschen den sozialen Medien mehr trauen, als den klassischen. Wir analysieren diesen Missstand anhand aktueller Themen der Berichterstattung!

https://www.servustv.com/aktuelles/v/aaaaeszg63yjups71ltb/

 

ZDF-Berichterstattung über die Geiselnahme am Hamburger Flughafen

https://www.youtube.com/watch?v=wXKbHEw3F1M

 

Simone Solga: Schöne große Worte | Folge 91

https://www.youtube.com/watch?v=d9ppS_SuY2g

 

Die Herrschaft der Moral-Narzissten und die große Sinnlosigkeit: Bonelli über den heutigen Irrsinn

https://rumble.com/v3twpqa-november-5-2023.html

 

Sprachpolizei / Steimles Aktuelle Kamera / Ausgabe 124

https://www.youtube.com/watch?v=Agitns34bfk

 

Übrigens… liebe Grüsse aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten!

https://www.youtube.com/watch?v=0FFtvzRLQjo

 

HallMack  Aktuelle Kamera 31 - Der Klassenfeind

https://www.frei3.de/post/31af526d-0c40-45da-826b-8bdfccf88220

 

HallMack  Das Märchen vom Migrationsgipfel

https://www.frei3.de/post/d3225272-028a-46b9-9b5f-f51ba2eed278