https://www.youtube.com/watch?v=sdIuf1uCkDo
Peter Sodann ist tot.
Wenn am Ende eines Lebens die Frage gestellt wird „Was hast Du zum Fortschritt der Menschheit beigetragen, auch, wenn es noch so minimal war? Gibt es etwas, was es ohne dich nicht gäbe, etwas, das ein Bruder oder eine Schwester von dir nicht genauso hätte machen können?“ – dann sollte mensch eine gute Antwort darauf haben.
Für alle sichtbar sind es zumindest zwei Dinge, die Peter Sodann vorweisen kann: Die Kulturinsel in Halle und die Peter-Sodann-Bibliothek.
Jenen Ignoranten aus dem Westen, die alles und jedes aus der DDR verunglimpfen und damit auch das Leben von Millionen von DDR-Bürgern, konnte er sagen:
„Ich möchte die DDR, so wie sie war am Ende, nicht wieder haben – aber ich lasse sie mir auch nicht nehmen“.
Hans-Dieter Schütt: „Dieser Kommissar hieß Bruno – Ehrlicher. Als führe Ehrlichkeit zum guten Ziel. Der geradezu partisanische Name war kein sehr feinsinniger Witz, eher ein richtig grobes Ding. Das passte zu Peter Sodann. Der achtete in jeder seiner Regungen auf einen gewissen Anteil von Grobheit. Weil er danach suchte, deutlich zu sein. Er hätte, gefragt nach seinen Universitäten, wahrscheinlich unumwunden geantwortet: die Niederungen. Wo der Schmutz unter die Fingernägel kriecht – man nennt das auch Arbeit. Sodanns Arbeit an der eigenen Aura: noch beim Siegen die Strahlung des Geringen wahren, des Stutzigen, des Ungelenken.
Ehrlicher war der erste ostdeutsche »Tatort«-Kommissar nach der Wende: sächsisch nicht als Dialekt, sondern als Haltung. Der Mann kam nicht aus dem Heldentum, sondern aus der Nachbarschaft. Einkaufstüten waren ihm näher als die Pistolentasche. Raffiniert begriffsholzig wie ein Provinz-Columbo, raffiniert einfältig wie ein Schwejk, klug wie tückisch einen falschen Verdacht schürend: Er sei womöglich nur ein altbackener Simplicius Simplicissimus des Beamtentums.
In Halle hat Intendant Sodann, über 20 Jahre lang, mit Kraft, List, Ausdauer, Fantasie und vielen treuen Mitstreitern aus einem alten Kino eine Kulturinsel geformt, die überregional für Schlagzeilen sorgte. Weil dieser Kulturort in Sachsen-Anhalt so entschieden örtlich blieb, so bodenständig, hallensisch sozusagen. Ohne jede fremdgesteuerte Angleichung an aktuelle medienpolitische Trendbörsen.
Dies »neue theater« war Zentrum einer Kultur aus Bildung, Unterhaltung und Kneipe. Dazu ein Puppentheater, eine Galerie, eine Bibliothek. Sagte Shakespeares Lear von sich, an ihm sei jeder Zoll ein König, so war bei Sodann jeder Zoll ein Schlitzohr. Kumpel auf dem Kaiserthron. Für diesen Eindruck tat er viel. Schlurfte, ging zu den Stammtischen, als sei der Weg dahin ganz roter Teppich. Vielleicht nicht Teppich, jedoch rot.
Ein gebürtiger Meißener, aber fern allem Porzellan. Er hinterließ lieber Scherben, als nur immer einer glatten, bruchlosen Schaufensterglanzgesinnung zu folgen. Sein Vater war Stanzer, blieb in Hitlers Krieg, die Mutter Landarbeiterin – solche Leute hatten triftigen Grund, nach der Ruinenzeit einen Staat zu preisen, der Arbeitermacht danach bemaß, was ein Arbeiter aus sich machte. Und ein Arbeiter vom Schlage Sodann hatte dann das Richtige aus sich gemacht, indem er nicht alles mit sich machen ließ. Er gehörte einer Generation an, mit der, wenn sie ausstirbt, auch der Begriff ABF ausgestorben sein wird: Arbeiter-und-Bauern-Fakultät.
1961 sperrte ihn der Staat weg, wegen Mitgliedschaft im Leipziger Studentenkabarett »Rat der Spötter«. Sechs Monate Einzelhaft. Der zähe Kerl ließ sich trotz der Schikanen nicht zum Feind machen (da konnten sich Staat und Stasi, das eine verknotet im anderen, noch so anstrengen). Seltsame Fügungen: Im Fernsehen stellte der einst Verfolgte später ausgerechnet den General Mielke dar, im »Deutschlandspiel«, und einen weiteren Offizier der Staatssicherheit, in »Nikolaikirche« von Frank Beyer und Erich Loest.
Nach aufgezwungener Dreher-Arbeit im VEB Starkstromanlagenbau Leipzig durfte Sodann sein Schauspielstudium fortsetzen, er spielte am Berliner Ensemble (Krach mit der Weigel), in Erfurt, in Karl-Marx-Stadt, wurde Schauspieldirektor in Magdeburg. Dann Halle. Die SED hat er verflucht, aber einem der vielen Stasi-Spitzel, die auf ihn angesetzt waren, hat er später die Grabrede gehalten. Er nannte sich einen betenden Kommunisten und hängte im Hallenser Theater-Café Jesus, Lenin und Einstein auf – seine utopische Dreifaltigkeit. Den Herbst 1989 nannte er nicht Revolution, sondern: »Gefängnisaufstand« – ein Volk jagte seine Wärter davon.
Er hatte als Intendant Spaß am störrischen Behaupten eines Ensembles von Jung und Alt, und auch daran, etwa den BE-Regisseur Manfred Wekwerth bei sich inszenieren zu lassen – dies just in jenem Moment, da sich dem Ex-ZK-Mitglied und Akademiepräsidenten die großen Theater politisch korrekt verweigerten. Als Komödianten-Chef vereinte Sodann den Zirkusdirektor mit dem Pastor, er war Vorsteher und Hausmeister, Familienhüter und Weltenkönig. Ein sozialistischer Prinzipal Striese, Peter, der Große: Zar dort, wo er auch Zimmermann sein durfte. Nach dem Ende der DDR Organisator beliebter (kämpferischer!) 1.-Mai-Umzüge, auf der Bühne dickköpfig und unverblümt daran glaubend, dass man Büchner und Millowitsch, Schiller und Ohnsorg verbinden könne. Er konnte.
Des Intendanten Credo: »Bei mir wird auf dem Flügel nicht gevögelt.« Theater spielte und inszenierte er knorrig, volksnah, unverschnörkelt. Wirkte so auch in Filmen von Lothar Warneke (»Addio, piccola mia«), Roland Gräf (»Der Tangospieler«), Bernhard Wicki (»Sansibar oder Der letzte Grund«). Unvergesslich sein alter Genosse in Andreas Dresens »Gundermann«. Sodann gibt im Film einen SED-Genossen, gestählt in Klassenkämpfen, jetzt ein Strickjacken-Opa, der sehr viel Verständnis für den jungen rebellischen Baggerführer aufbringt – nein: scheinbar nur, denn das so zugewandte Gesicht erweist sich als inquisitorische Maske eines eisig Abrechnenden. Vertrauen als Folterinstrument. Da maßt sich ein Veteran das Aburteil an, also: die Entfernung eines jungen Unbotmäßigen aus der Partei. Ein alter kalter Gott, der aber ganz warm lächelt. Ein Lauern auf Samtpfoten. Das Leder der ideologischen Härtung taugt noch immer zur Peitsche. Grandios abstoßend, herzschnürend.
Sodann war ein Spieler ganz aus Hintergründen heraus, er blendete nicht mit Präsenz, aber er leuchtete doch aus, listig, mit Vorliebe für Lädierte und Gezeichnete. Proletkult ganz auf der Höhe des Romantischen. Und: Er wusste, wie man ein Problem am sinnfälligsten löst. Ganz einfach: Man wendet sich flugs einem anderen Problem zu. Sodann war nämlich eines Tages nicht mehr Prinzipal der Theaterinsel in Halle, eines weiteren Tages nicht mehr TV-Kommissar, und Bundespräsident wurde der Linkskandidat 2009 auch nicht. Also wechselte er das Aufmerksamkeitsfeld: Er konzentrierte sich mit gehöriger Leidenschaft auf seine DDR-Bibliothek. In Staucha (Landkreis Meißen) gedieh sie gewaltig, im ausgebauten Heuboden des Kuhstalls und in der Scheune eines ehemaligen Ritterguts. Wuchs und wuchs. Der Bestand umfasst mehrere Millionen Exemplare. Die Bibliothek lebt: Sie sprengt Räume. Ein beglückendes Problem.
Freunde sagten, dieser kantige Kerl sei ein Fossil. Das ist heiter benannte Traurigkeit: Wahre Clowns sind immer von gestern, weil ihre Unbeholfenheit unpassend bleibt; das Ungeschmeidige stört. Sodann hat nie aufgehört mit ganz einfachen, aber sturen Gedanken. Etwa über die ungerechte Verteilung von Reichtum, Arbeit, Macht. Er blieb Plebejer, Diderot und Brecht im Munde führend. Die plebejische Art als intelligente Ausnutzung des Vorurteils, es fehle dem Plebejertum vor allem an Intelligenz. Plebejertum ist Souveränität von unten auf, gerichtet gegen alles, was von oben herab Herrschaft versucht. In diesem Sinne war Sodann nie Trotzkist, ein Trotzist ist er geblieben. Erdig, ostig, wetterfest, unaufwendig, schlipsfremd, handwerklich, trittfest, robust. Nicht sehr weltläufig – aber der wahre Überblick wächst aus dem Bewusstsein, dass es der feine Riss ist, der jeden Mauerbeton sprengt. Nun ist Peter Sodann im Alter von 87 Jahren gestorben.“
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181294.nachruf-peter-sodann-der-trotzist.html
Diether Dehm: „Der große Sodann ist tot …
Er war Theaterintendant, Regisseur, Schauspieler, Rundfunksprecher, später Bibliotheksleiter, aber immer: Friedenskämpfer.
So sprach er am 15.2.2003 neben Konstantin Wecker und Reinhard Mey am Goldenen Engel in Berlin vor den 500.000 Menschen gegen eine deutsche Beteiligung am Irak-Krieg. Und anrührend davon, wie er seinen Vater an der Ostfront verloren hatte.
Peter Sodann wollte im Brecht’schen Sinne nützlich sein. Und ließ sich darum auch nutzen. Als er von der Stadt Halle als Intendant „vor die Tür des Neuen Theaters gesetzt worden war“, das er 1981 mit eigenen Händen aufgebaut hatte, erklärte er das sich und anderen, er habe „wohl dort zu kämpferisch und zu oft den 1. und den 8. Mai gefeiert“ …
Ende letzten Jahres fragte er mich, wie wir wieder mehr als „nur ein paar Zehntausend gegen die NATO, für Frieden mit Russland und in Gaza über alle Parteigrenzen und Blockaden hinweg“ mobilisieren könnten. Seine Frage sei hiermit weitergereicht.“
https://www.nachdenkseiten.de/?p=113517
Krokodilstränen aus der Politik
„Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte, "mit Peter Sodann verlieren wir einen wunderbaren Schauspieler und Intendanten, aber vor allem einen Künstler, Denker und Menschenfreund", der für seine Haltung stets mutig einstand und ein tatkräftiger Gestalter war. Nicht nur in seinem künstlerischen Werk, sondern auch mit seinem politischen und ehrenamtlichen Engagement werde er in Erinnerung bleiben.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erklärte, Sodann sei ein außergewöhnliches Talent auf vielen Feldern gewesen, der auch für sein gesellschaftliches Engagement in Erinnerung bleiben werde. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) würdigte Sodann als große Theater-Persönlichkeit und wichtigen Kulturschaffenden.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) nannte Sodann einen gradlinigen und aufrechten Demokraten. "Sein gesellschaftliches Engagement und seine politischen Einmischungen werden uns fehlen", erklärte auch der sächsische Regierungschef Michael Kretschmer (CDU).“
https://www.evangelisch.de/inhalte/228484/08-04-2024/tatort-kommissar-peter-sodann-gestorben
All diese Politiker hatten Peter Sodann mit seinem Bibliotheks-Projekt nicht unterstützt – selbst auf lokaler oder regionaler Ebene ging das so. Selbst Schulen verweigerten die Kooperation; noch nicht mal Schulklassen durften die Bibliothek in Staucha besuchen.
Tatsächlich dürfte der Zorn von offizieller Seite überwiegen: In dem Bemühen, die DDR-Kultur zu zerstören, sie schlecht zu machen, sie vergessen zu machen, war Peter Sodann ein ganz großer Stachel im Fleisch.
Zum Schluss
Gerne verweist der Wurm auf einen früheren Beitrag zur Peter-Sodann-Bibliothek: http://www.ansichten-eines-regenwurms.de/index.php/536-die-sodann-bibliothek
Und auf einen Reisebericht dorthin: https://www.edwin-grub-media.de/index.php/menu-navigation/europa/deutschland/sachsen/peter-sodann-bibliothek
Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm
Das Böse verlachen
- Satire, Realsatire, ernst Gemeintes -
6. April – Wochenkommentar von Ferdinand Wegscheider
„Gefühlt 62 Grad!“ - Im neuen Wochenkommentar ziehen wir heute eine kurze Bilanz über das aktuelle Geschehen der vergangenen Wochen: Von der Klimakrise bis zu den RKI-Files!
https://www.servustv.com/aktuelles/v/aa08l3h68ai1fjc4nxju/
So kann es nicht mehr weitergehen !!
https://www.youtube.com/watch?v=1ZmsBtYek7I
Simone Solga: Kühn, kühner, Kühnert! | Folge 109
https://www.youtube.com/watch?v=cp_a08VDXrg
Muttis Erbe: Hypermoral | Redaktionsschluss
https://www.youtube.com/watch?v=fDR-vBXDyMA
Der Staat macht keine Fehler / Steimles Aktuelle Kamera / Ausgabe 146
https://www.youtube.com/watch?v=AsJlw-Bk-L0
Übrigens... Ein Hoch auf das Gendern!
https://www.youtube.com/watch?v=wU-HNBpoqIM
HallMack Aktuelle Kamera 47 - Der neue Kanzler
https://www.frei3.de/post/1c5571ee-4c6c-483e-a6ab-254192c1b93e
HallMack Steueranreize für Ausländer
https://www.frei3.de/post/21382869-af81-44e1-9718-79272ffd368c