Fahrenheit Bradbury

https://www.youtube.com/watch?v=GKhPVHoodrU

 

Science Fiction/Double Feature ist der Eröffnungssong sowohl des Musicals The Rocky Horror Show als auch des Films The Rocky Horror Picture Show. Der Text verweist auf eine ganze Reihe von B-Movies, die auch in der Story parodiert werden.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Science_Fiction/Double_Feature

Unter anderem auf It Came from Outer Space („Gefahr aus dem Weltall“) nach einer Geschichte von Ray Bradbury, der vor 100 Jahren geboren wurde.

Er hat viel, aber nicht nur Science Fiction-Literatur geschrieben. Sein bekanntestes Werk: Fahrenheit 451.

 

Ray Bradbury

 

Frank Patalong über Ray Bradbury: „Es war Jack Arnold, der mich mit Ray Bradbury bekannt machte. Nicht persönlich, natürlich. Und auch nicht bewusst: Arnold gehörte in den fünfziger Jahren zu den Serientätern unter den Sci-Fi-Filmemachern, und das Drehbuch zu seinem "Gefahr aus dem Weltall" von 1953 stammte von Bradbury.

Ich sah den Film als Kind, lange bevor ich mich für Drehbuchschreiber interessierte. Auf den ersten Blick war "Gefahr aus dem Weltall" eine der üblichen B-Movie-Schmonzetten, in denen bedrohliche Außerirdische für Gefahr sorgen. Auf den zweiten Blick fiel das Ende auf: Da lernt der Held des Films, dass es den Aliens keineswegs um eine Invasion ging, sondern dass sie abgestürzt waren und schlicht Hilfe brauchten.

Krieg der Welten? Von wegen: Die suchten einen Mechaniker! Nach erfolgter Reparatur flogen sie friedlich ab, bevor es zur Eskalation kommen konnte. Im ganzen Film kommt absolut niemand zu schaden, und mies und ein wenig blamiert steht am Ende nur die zu Hysterie und Gewalt neigende Staatsgewalt da.

Hallo? Das war nicht ganz das, was man mit der Science-Fiction der fünfziger Jahre verband, in der gerade Amerika eher seine Atom- und Sowjetängste aufarbeitete.

Mir fiel erst viele Jahre später auf, wie außergewöhnlich das alles war. Erst Steven Spielberg brachte satte 25 Jahre später mit "Unheimliche Begegnung der dritten Art" ähnliche Botschaften auf die Leinwand. Arnold und Bradbury hatten einen moralischen B-Film mit mahnender Botschaft gedreht, ein Zeichen für Toleranz und gegen Vorurteile gesetzt. Wenn man so will, war der Film selbst ein Alien.

Ray Douglas Bradbury, geboren am 22. August 1920 in Waukegan, Illinois, galt seit Ende der vierziger Jahre als einer der talentiertesten Science-Fiction-Autoren Amerikas. Im Klartext heißt das, dass die meisten seiner frühen Werke erst einmal in Pulp-Form erschienen: Billig, als Heft gebunden oder als Fortsetzungsgeschichte in Tageszeitungen.

Er publizierte zahlreiche Kurzgeschichten und Novellen, die erst im Nachhinein zu Büchern zusammengefasst wurden, und galt gerade in dieser Disziplin als Meister seines Fachs. Eine Form der Alltags- und Trivialschriftstellerei augenscheinlich: Kurzprosa, Science-Fiction. Wie den zur gleichen Zeit auf ähnliche Weise seine Karriere beginnenden Kurt Vonnegut sah man auch Bradbury anfänglich als Trivialschriftsteller, der sich das nötige Kleingeld als Drehbuchautor dazuverdiente.

Ein Irrtum, den Bradbury sehr bald korrigieren sollte. Trivial war an seinem Schreiben absolut nichts. Bradbury war ein Moralist - und ein Erzähler erster Güte. Berühmt machte ihn "Fahrenheit 451", neben Orwells "1984" und Huxleys "Schöne neue Welt" die vielleicht bekannteste literarische Dystopie des 20. Jahrhunderts. Sinnreich aber waren seine Bücher sogar dann, wenn sie sich als pure Unterhaltung maskierten - auch das hatte Bradbury mit Vonnegut gemein. Doch wo der das Absurde und Satirische zu seinem Mittel machte, setzte Bradbury auf Mythisches und Bedrohliches. Er besah sich auch die dunklen Seiten der Seele.

Die Themen, die er dort fand: Moralische Dilemmata im Gewand des Abenteuers, grundsätzliche Fragen des Lebens und die Auseinandersetzung mit dem Tod. Viele seiner Geschichten sind phantastisch oder sogar märchenhaft. Da gibt es Hexen und Magie, mit deren Hilfe man in Tierkörper wandert, um die Welt mit anderen Sinnen zu erfahren. Da gibt es schwülstige Szenarien mit einer unterschwelligen, tierhaften Sexualität, die auf Bradburys oft jugendliche Helden als schlimmste aller Bedrohungen wirkt.

"Das Böse kommt auf leisen Sohlen" von 1962 hat nichts mit Sci-Fi zu tun, obwohl es als phantastischer Roman daherkommt: Es ist eine Coming-of-Age-Geschichte, in dem sich das Erwachsenwerden an der Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit festmacht. Ähnlich ist das in "Löwenzahnwein", einer autobiografisch gefärbten Kurzgeschichtensammlung von 1957, in der Bradbury Szenen seiner Kindheit als magisch aufgeladene Schritte eines Bewusstwerdungsprozesses aufarbeitet. Die Astronauten der Apollo-15-Mission ehrten Bradbury, indem sie einen Krater nach diesem Roman "Dandelion" ("Löwenzahn") tauften.

Es waren Bradburys große Themen: Die Untiefen und Grundfragen der Conditio humana. Was macht den Menschen aus? Was beseelt ihn, was ängstigt ihn, woran wächst er? Was ist schlecht, was gut? Solche Grundfragen durchziehen sein Schreiben, egal ob er vermeintliche Abenteuerliteratur wie "Die Mars-Chroniken" verfasste oder das Drehbuch zu "Moby Dick", 1956 von John Huston verfilmt - bis heute eine der besten Verfilmungen des Stoffes.

In "Löwenzahnwein" entwirft Bradbury seine Vision eines guten, zufriedenen Todes am Ende eines erfüllten Lebens. Da verabschiedet sich auf höchst heitere Weise die 90 Jahre alte Urgroßmutter des Protagonisten. Sie schildert ihrem Urenkel darin das Leben als unendlichen Kreislauf und erlebt den dann in ihren letzten Minuten selbst.

Bradbury schrieb: "Vor langer Zeit, dachte sie, träumte ich einen Traum und hatte gerade so viel Freude an ihm, als mich jemand aufweckte, und das war der Tag, an dem ich zur Welt kam." Er beschreibt, wie sie versucht, den Faden dieses 90 Jahre alten Traums wieder aufzunehmen. In ihren letzten Sekunden findet sie ihn wieder, während sie ihre Familie im Untergeschoss reden und arbeiten hört. "Es ist gut", lässt Bradbury sie sagen, "wie alles andere im Leben auch - es fügt sich ein."

Ray Bradbury wurde 91 Jahre alt.“

https://www.spiegel.de/kultur/literatur/mit-ray-bradbury-ist-der-moralist-unter-den-science-fiction-autoren-gestorben-a-837408.html

 

Fahrenheit 451

 

Inhaltsangabe

 

Ray Bradburys Science-Fiction-Roman »Fahrenheit 451« erschien 1953. Sein Titel bezieht sich auf die Entzündungstemperatur von Papier. Nach Bradburys damaliger Annahme liegt sie bei 451 Grad Fahrenheit. Dies entspricht 232 Grad Celsius. Das dystopische Werk schildert einen Staat, in dem der Besitz von Büchern verboten ist und brutal bestraft wird. Protagonist ist der Feuerwehrmann Guy Montag. Anfangs verbrennt er im Auftrag des Staats Bücher, später entwickelt er sich zum Bücherfreund. Angesiedelt ist das Geschehen in den USA, in einer nicht näher bestimmten Zukunft.

Erster Teil: Der heimische Herd und der Salamander

Guy Montag erledigt routiniert seinen Job bei der Feuerwehr. Das Signet seines Arbeitgebers ist ein roter Salamander. Die Feuerwehrwagen werden darum ebenfalls »Salamander« genannt. Bei seinen Einsätzen verbrennt Montag Bücher und empfindet dabei tiefe Befriedigung. Eines Abends lernt er auf dem Nachhauseweg seine junge Nachbarin Clarisse McLellan kennen. Er ist berührt von ihrem unverstellten, lebhaften Wesen und ihren ungewöhnlichen Gedanken.

Zu Hause findet Montag seine Frau Mildred bewusstlos vor. Sie hat eine Überdosis Schlaftabletten eingenommen. Der herbeigerufene Rettungsdienst pumpt ihr den Magen aus. Nach dem Aufwachen erinnert sich Mildred an nichts. Sie wendet sich sofort wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung zu: Auf raumhohen Bildschirmen verfolgt sie inhaltslose Familienserien. In einer Art interaktivem Programmspiel nimmt sie dabei auch selbst eine Rolle ein.

Im Laufe der nächsten Tage begegnet Montag immer wieder Clarisse. Die Siebzehnjährige interessiert sich für Bücher. Er erfährt, dass sie und ihre Familie bei gemeinsamen Mahlzeiten Gedanken austauschen. So etwas gibt es in Montags Alltag nicht. Zum ersten Mal seit Langem interessiert sich jemand für ihn. Clarisse stellt ihm Fragen zu seinem Beruf, die ihn beunruhigen. Er beginnt, über den Sinn seines Tuns nachzudenken.

Seine veränderte Haltung bleibt auf der Feuerwache nicht unbemerkt. Montags Vorgesetzter Captain Beatty wird misstrauisch, als Montag Angst vor dem »mechanischen Hund« zeigt, einem Überwachungs- und Tötungsroboter. Beatty beobachtet Montag fortan genau. Bei einem der Einsätze wird die Bibliothek einer alten Frau verbrannt. Montag gelingt es nicht, die Verzweifelte von der Selbsttötung abzuhalten. Das Erlebnis erschüttert ihn zutiefst.

Je öfter sich Montag mit Clarisse unterhält, desto mehr wünscht er sich eine echte, lebendige Beziehung zu Mildred. Doch alle Versuche, sich seiner Frau auf neue Art zu nähern, scheitern. Eines Abends erzählt Mildred ihm beiläufig, dass Clarisse bei einem Unfall ums Leben gekommen sei. Montag erkrankt und wird von Captain Beatty zu Hause besucht. In einem langen Gespräch erklärt sein Vorgesetzter ihm, wie Bücher seit dem 20. Jahrhundert für die Gesellschaft nach und nach überflüssig wurden. Er will ihn vom Sinn der Bücherverbrennungen überzeugen. Doch Montag ist unwiderruflich verändert. Nach Beattys Abschied holt er einige Bücher aus einem Versteck.

Zweiter Teil: Das Sieb und der Sand

Montag blättert mit Mildred in seinen heimlich gehorteten Büchern. Der »mechanische Hund« kratzt an ihrer Haustür, verschwindet aber wieder. Mildred will Montag vom verbotenen Lesen abhalten, doch dieser ist fasziniert von den Texten. Er sucht den ehemaligen Literaturprofessor Faber auf. Faber führt ein zurückgezogenes Leben abseits gesellschaftlicher Anerkennung. Auf dem Weg zu ihm erinnert Montag sich an eine Szene seiner Kindheit: Er wollte ein Sieb mit Sand füllen. Die Vergeblichkeit seines Tuns hatte ihn einst zum Weinen gebracht.

Montag offenbart dem Professor, dass er bei der Feuerwehr aussteigen will. Er braucht dafür seine Unterstützung. Die Männer unterhalten sich über einen von der Regierung geführten Angriffskrieg. Nach anfänglichem Misstrauen entwickelt Faber mit Montag eine Art Guerilla-Strategie, bei der ihnen das Chaos des Krieges von Nutzen sein soll. Montag wird Bücher in die Häuser von Feuerwehrleuten einschleusen, die Männer dann denunzieren und ihre Häuser anzünden lassen. Faber will die Aktion von seiner Wohnung aus überwachen. Ein von ihm selbst entwickelter, winziger Sender soll seine Anweisungen in Montags Ohr übertragen.

Als Montag nach Hause kommt, hat Mildred Besuch von Freundinnen. Die Frauen vertreiben sich die Zeit mit Cocktails und TV-Serien. Anfangs beteiligt sich Montag am üblichen Small Talk, doch dann provoziert er Mildreds Gäste mit Fragen zum Krieg. Trotz Fabers Warnungen wird er immer unvorsichtiger und sprengt schließlich den Abend. Er liest das Gedicht »Dover Beach« von Matthew Arnold vor. Eine der Frauen weint. Die Gäste werden ärgerlich und brechen auf.

Zurück auf der Feuerwache, wird Montag von Fabers Stimme im Ohr zur Vorsicht ermahnt. Sein Gespräch mit Beatty verläuft scheinbar harmlos. Der Vorgesetzte begrüßt Montag nach überstandener Krankheit wie einen verlorenen Sohn, der auf den rechten Weg zurückgefunden hat. Dabei erweist er sich überraschend als Literaturkenner von immensem Wissen. Plötzlich ertönt die Sirene und die Männer brechen zum nächsten Einsatz auf. Auf der Fahrt erkennt Montag, dass sie zu seinem eigenen Haus unterwegs sind.

Dritter Teil: Das helle Feuer

Die Feuerwehrwagen halten vor Montags Haus, aus dem Mildred mit gepackten Koffern hinausläuft. Montag begreift, dass sie ihn verraten hat. Sie steigt in ein Taxi und fährt davon. Captain Beatty will Montag zwingen, sein eigenes Haus in Brand zu setzen. Er drückt ihm den Flammenwerfer in die Hand. Montag richtet das Gerät jedoch auf Beatty und tötet ihn. Auch die anderen Feuerwehrmänner werden von Montag überwältigt. Der mechanische Hund greift ihn mit einer Injektionsnadel an. Er verletzt aber nur sein Bein und verglüht anschließend. Montag flieht. Über ihm kreisen Hubschrauber; im ganzen Land wird nach ihm gefahndet. Die Verfolgungsjagd wird live im Fernsehen gezeigt.

Montag dringt in das Haus eines Feuerwehrmannes ein und deponiert dort Bücher. Er läuft weiter und hört wenig später Sirenengeheul. Feuerwehrwagen machen sich auf den Weg zu dem Haus. Montag versteckt sich unterdessen in Fabers Wohnung. Der Professor nennt ihm eine Route für den weiteren Fluchtweg, entlang ausgedienter Bahngleise.

Nach gefährlicher Jagd kann Montag seine Verfolger schließlich abschütteln und erreicht die Gleise. Er weiß, dass stellvertretend für ihn ein unschuldiges Opfer sterben wird. Der Staat muss den Fernsehzuschauern ein Ergebnis präsentieren. Dennoch wird er ruhiger. Während er den Gleisen folgt, wird ihm klar, dass auch Clarisse einst diesen Weg gegangen sein muss.

Er trifft auf eine Gruppe von Männern, die sich an einem Lagerfeuer wärmen. Es sind Gleichgesinnte, die ein verstecktes Leben abseits der Gesellschaft führen. Sie haben komplette Bücher auswendig gelernt und bewahren sie in ihrem Gedächtnis. Während Montag mit ihnen spricht, werden Bomben über der nahen Stadt abgeworfen. Eine gewaltige Detonation erschüttert die Landschaft. Die Männer überleben den verheerenden Angriff. Als Montag aufsteht und sich wieder in Bewegung setzt, schließen die anderen sich ihm wortlos an.“

Neben George Orwells »1984« und Aldous Huxleys »Schöne neue Welt« gehört »Fahrenheit 451« zu den großen Klassikern des dystopischen Romans des 20. Jahrhunderts. Geradezu prophetisch wirken manche seiner Aussagen zur Entwicklung von Massenmedien, Freizeit- und Konsumverhalten. So wird ein großes Zeitungssterben ebenso vorausgesagt wie das Eindringen der Werbung in nahezu jeden Lebensbereich.“

https://www.inhaltsangabe.de/bradbury/fahrenheit-451/

 

https://www.youtube.com/watch?v=ibjmxKsGdto

 

Zitate

 

„»Wann hat es eigentlich angefangen, möchtest du wissen, mit diesem unserem Beruf, wie ist es dazu gekommen, wo, wann? Nun, ich vermute, es fing an um die Zeit des sogenannten Sezessionskriegs. Im Dienstreglement heißt es zwar, die Gründung sei schon früher erfolgt. Es verhält sich wohl so, daß die Sache erst richtig ins Rollen geriet, als die Fotografie aufkam. Dann der Film zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Der Rundfunk. Das Fernsehen. Als die Dinge einen Zug ins Massenhafte bekamen.«

Montag saß im Bett, ohne sich zu rühren.

»Mit diesem Zug ins Massenhafte wurde alles einfacher«, fuhr Beatty fort. »Einst hatten die Bücher nur zu wenigen gesprochen, die da und dort und überall verstreut waren. Sie konnten es sich leisten, voneinander abzuweichen. Die Welt war geräumig. Aber dann begann es in der Welt von Augen und Ellbogen und Mäulern zu wimmeln. Die Bevölkerung verdoppelte sich, sie verdreifachte und vervierfachte sich. Film und Rundfunk, Zeitschriften und Bücher mußten sich nach dem niedrigsten und gemeinsamen Nenner richten, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Ich glaube.«

Beatty sah dem Rauchgebilde zu, das er in die Luft gequalmt hatte. »Stell dir das vor. Der Mensch des neunzehnten Jahrhunderts mit seinen Pferden, Hunden, Fuhrwerken, im Zeitlupentempo. Dann im zwanzigsten Jahrhundert wird die Zeit gerafft. Bücher werden gekürzt. Abriß, Überblick, Zusammenfassung, das Beste in Bildern. Alles läuft auf das Überraschungsmoment, den Knalleffekt hinaus.« ...

 

»Klassiker werden zu viertelstündigen Hörspielen zusammengestrichen, dann nochmals gekürzt, um in einem Buch eine Spalte von zwei Minuten Lesedauer zu füllen, und enden schließlich als Inhaltsangabe von zehn oder zwölf Zeilen in einem Lexikon. Ich übertreibe natürlich. Die Lexika waren Nachschlagewerke. Es gab aber viele Leute, die ihren Hamlet (dir dem Titel nach sicher bekannt, Montag; Sie, Frau Montag, kennen ihn wohl nur flüchtig vom Hörensagen) – Leute, sage ich, die ihren Hamlet lediglich aus einer einseitigen Zusammenfassung kannten, aus einem Buch, das mit den Worten angepriesen wurde: ›Jetzt können Sie endlich alle Klassiker lesen; lassen Sie sich von Ihren Nachbarn nicht überflügeln!‹ Ist dir das klar? Aus der Kinderstube an die höhere Schule und wieder in die Kinderstube zurück, da hast du die geistige Entwicklung der letzten fünf Jahrhunderte oder so.« ...

»Arbeite mit dem Zeitraffer, Montag, rasch. Quick? Nimm, lies, hör zu! Kick, Tempo, Match, Tip, Du, Sie, Er, Wir, Alle, Eh? Uh? Ruck, zuck, Bim, Bam, Bumm? Zusammenfassungen von Zusammenfassungen, Zusammenfassungen der Zusammenfassungen von Zusammenfassungen. Politik? Eine Spalte, zwei Sätze, eine Schlagzeile! Und dann, mittendrin, ist plötzlich nichts mehr da. Wirble den Geist des Menschen herum im Betrieb der Verleger, Zwischenhändler, Ansager, daß das Teufelsrad alles überflüssige, zeitvergeudende Denken wegschleudert!« …

»Weniger Schule, der Lernzwang gelockert, keine Philosophie mehr, keine Geschichte, keine Sprachen. Der muttersprachliche Unterricht vernachlässigt, schließlich fast ganz aufgehoben. Das Leben drängt, die Berufsarbeit geht vor, an Vergnügungen nachher ist kein Mangel. Wozu etwas lernen, wenn es genügt, auf den Knopf zu drücken, Schalter zu betätigen, Schrauben anzuziehen?« …

»Der Reißverschluß ersetzt die Knöpfe, und dem Menschen fehlt wieder ein Stück Zeit, um nachzudenken, während er sich ankleidet in der Morgenfrühe, einer nachdenklichen Stunde und somit einer trübseligen.« …

»Das Leben wird zu einem großen Rüpelspiel, Montag; alles krach, bums und juchhe!« …

»Man räume die Bühne bis auf den Hanswurst, man statte die Lokale mit Glaswänden aus, über die hübsche Farbenspiele hinlaufen wie Konfetti oder Blut oder Sherry. Du bist doch für Schlagball zu haben, Montag?«

»Schlagball ist ein edler Sport.« …

Beatty fuhr fort, als sei nichts geschehen. »Du bist doch fürs Kegelschieben zu haben, Montag?«

»Kegel schieben, gewiß.«

»Und Golf?«

»Golf ist auch ein edler Sport.«

»Korbball?«

»Ein edler Sport.«

»Billard, Fußball?«

»Sehr schön, gewiß.«

»Mehr Sport für jedermann, Jubel, Trubel und Gemeinschaftsgefühl, und man braucht nicht mehr zu denken, wie? Veranstalte und veranstalte und überveranstalte immer mehr sportliche Großveranstaltungen. Immer mehr Bildergeschichten in Buchform, immer mehr Filme. Der Geist nimmt immer weniger auf. Ratlosigkeit. Landstraßen verstopft mit Menschenmengen, die irgendwohin fahren, irgendwohin und nirgendshin. Der Benzinflüchtling. Ganze Ortschaften werden zu Absteigequartieren, die Leute branden heimatlos von Ort zu Ort, wie von inneren Gezeiten fortgespült, wohnen heute in dem Zimmer, wo du gestern geschlafen hast und ich vorgestern.« …

»Nehmen wir jetzt die Minderheiten unseres Kulturlebens dran. Je größer die Bevölkerung, um so mehr Minderheiten. Sieh dich vor, daß du den Hundefreunden nicht zu nahe trittst, oder den Katzenfreunden, den Ärzten, Juristen, Kaufleuten, Geschäftsleitern, den Mormonen, Baptisten, Quäkern, den eingebürgerten Chinesen, Schweden, Italienern, Deutschen, Iren, den Bürgern von Texas oder Brooklyn, von Oregon oder Mexiko. Die Gestalten in diesem Buch, diesem Stück, diesem Fernsehfortsetzungsroman sind frei erfunden; jede Ähnlichkeit mit lebenden Malern, Kartographen, Mechanikern ist reiner Zufall. Je größer der Markt, Montag, um so weniger darf man sich auf umstrittene Fragen einlassen, merk dir das! Auch die mindeste Minderheit muß geschont werden. Schriftsteller, voller boshafter Einfälle, schließt eure Schreibmaschinen ab! Und das taten sie denn auch. Die Zeitschriften brachten allerliebsten süßen Kitsch. Bücher, sagten die dünkelhaften Kritiker, seien Spülwasser; kein Wunder, daß sie keinen Absatz mehr fänden. Nur die Bildergeschichten ließ eine Leserschaft, die auf ihrem Geschmack bestand, gnädig am Leben. Und die dreidimensionalen Schönheitsmagazine, versteht sich. Da hast du’s, Montag. Es kam nicht von oben, von der Obrigkeit. Es fing nicht mit Verordnungen und Zensur an, nein! Technik, Massenkultur und Minderheitendruck brachten es gottlob ganz von allein fertig. Dem verdanken wir es, wenn unser Dauerglück heute ungetrübt bleibt, wenn wir Bildergeschichten lesen dürfen, Lebensbeichten oder Fachzeitschriften.«

»Aber wie ist das nun mit der Feuerwehr?« fragte Montag.

»Ah.« Beatty beugte sich vor. »Was wäre verständlicher und natürlicher? Wo doch die Schulen immer mehr Läufer, Springer, Rennfahrer, Bastler, Fänger, Flieger und Schwimmer ausbildeten statt Prüfer, Beurteiler, Kenner und Schöpfer. Da ist leicht zu begreifen, daß das Wort ›Geist‹ verdientermaßen zu einem Schimpfwort wurde. Das Unvertraute flößt immer ein Grauen ein. Du erinnerst dich doch sicher an einen Mitschüler, der besonders ›hell‹ war und die meisten Antworten gab, während die anderen wie Ölgötzen dasaßen und nur darauf warteten, es dem hellen Kopf heimzuzahlen? War er nicht dazu ausersehen, nach der Schule drangsaliert zu werden? Klar, versteht sich. Wir müssen alle gleich sein. Nicht frei und gleich geboren, wie es in der Verfassung heißt, sondern gleich gemacht. Jeder ein Abklatsch des anderen, dann sind alle glücklich, dann gibt es nichts Überragendes mehr, vor dem man den Kopf einziehen müßte, nichts, was einen Maßstab abgäbe. Also! Ein Buch im Haus nebenan ist wie ein scharfgeladenes Gewehr. Man vernichte es. Man entlade die Waffe. Man reiße den Geist ab. Wer weiß, wen sich der Belesene als Zielscheibe aussuchen könnte! Mich vielleicht? Ich danke. Und so kam es, nachdem die Häuser überall auf der ganzen Welt feuerfest geworden waren, daß man der Feuerwehr entraten konnte. Sie erhielt eine neue Aufgabe, wurde zum Hüter unserer Seelenruhe, zum Sammelbecken gewissermaßen unserer begreiflichen und berechtigten Angst vor Minderwertigkeitsgefühlen; zur amtlichen Zensur, zur richtenden und ausführenden Gewalt in einem. Das bist du, Montag, und das bin ich.« …

»Du mußt begreifen, bei der Ausdehnung unserer Kulturwelt kann keinerlei Beunruhigung der Minderheiten geduldet werden. Sag selber, was ist unser aller Lebensziel? Die Menschen wollen doch glücklich sein, nicht? Hast du je etwas anderes gehört? Ich will glücklich sein, sagt ein jeder. Und ist er es etwa nicht? Sorgen wir nicht ständig für Unterhaltung und Betrieb? Dazu sind wir doch da, nicht? Zum Vergnügen, für den Sinnenkitzel? Und du wirst zugeben, daß daran in unserer Kulturwelt kein Mangel herrscht.«

»Nein.« …

»Farbige nehmen Anstoß an ›Klein Sambo‹. Man verbrenne es. Den Weißen ist ›Onkel Toms Hütte‹ ein Dorn im Auge. Man verbrenne es. Jemand hat ein Buch über Rauchen und Lungenkrebs geschrieben? Den Tabakfritzen laufen die Tränen herunter? Man verbrenne das Buch. Seelenfrieden, Montag. Gemütsruhe, Montag. Nur kein Ärgernis. Lieber in den Eimer damit. Begräbnisse wirken störend? Man schaffe sie ebenfalls ab. Fünf Minuten, nachdem einer gestorben ist, befindet er sich schon unterwegs zur großen Einäscherungsanstalt, mit ihrem Hubschrauberdienst, der sich über das ganze Land erstreckt. Zehn Minuten nach seinem Tod ist ein jeder nur noch ein schwarzes Stäubchen. Wir wollen keine Worte verlieren mit Nachrufen auf einzelne Menschen. Man vergesse sie. Man verbrenne sie, man verbrenne alles. Das Feuer ist hell, das Feuer ist sauber.« …

»Nebenan hat ein Mädchen gewohnt«, sagte er bedächtig. »Jetzt ist es weg, gestorben, glaube ich. Ich weiß kaum mehr, wie es aussah. Aber es war anders. Wieso konnte es das geben?«

Beatty lächelte. »Dergleichen läßt sich nicht vermeiden. Clarisse McClellan? Wir haben alle Unterlagen über die Familie. Stand unter scharfer Beobachtung. Es ist etwas Sonderbares mit Vererbung und Umwelt. Wir können all die Eigenbrötler nicht in ein paar Jahren ausschalten. Die häusliche Umwelt macht oft vieles wieder zunichte, was in der Schule eingetrichtert wird. Deshalb haben wir das kindergartenpflichtige Alter von Jahr zu Jahr herabgesetzt, bis wir die Kinder jetzt fast aus der Wiege an uns reißen. Über die McClellans liefen ein paar Falschmeldungen ein, als sie noch in Chicago wohnten. Es hat sich nie ein Buch bei ihnen gefunden. Mit dem Onkel stimmte auch nicht alles, er galt als Einzelgänger. Das Mädchen? Ein Zeitzünder. Nach seinem Betragen in der Schule zu schließen, müssen die Verhältnisse zu Hause auf das Kind abgefärbt haben. Es wollte nicht wissen, wie etwas gemacht wird, sondern warum. Das kann ungemütlich werden. Frag ständig warum, und du bist am Ende todunglücklich. Es ist gut für das arme Mädel, daß es tot ist.«

»Ja, tot.«

»Zum Glück gibt es dergleichen ausgefallene Dinger nicht oft. Wir wissen, wie man das im Keime erstickt. Ohne Nägel und Holz kann man kein Haus bauen. Will man den Bau eines Hauses verhindern, beseitige man die Nägel und das Holz. Will man verhindern, daß es politisch Mißvergnügte gibt, sorge man dafür, daß der Mensch nicht beide Seiten einer Frage kennenlerne, nur die eine. Oder noch besser gar keine. Er soll vergessen, daß es etwas wie Krieg gibt. Ist die Obrigkeit unfähig, aufgebläht und krankhaft steuersüchtig, ist es besser, die Leute machen sich darüber keine Gedanken. Seelenruhe, Montag. Man beschäftige Leute mit Wettbewerben – wer am meisten Schlagertexte kennt oder Hauptstädte aufzählen kann und dergleichen. Man stopfe ihnen den Kopf voll unverbrennbarer Tatsachen, bis sie sich zwar überladen, sich aber doch als ›Fundgrube von Wissen‹ vorkommen. Dann glauben sie, denkende Menschen zu sein und vom Fleck zu kommen, ohne sich im geringsten zu bewegen. Und sie sind glücklich, weil dergleichen Tatsachen keinem Wandel unterworfen sind. Es wäre verfehlt, ihnen so glitschiges Zeug wie Philosophie oder Soziologie zu vermitteln, um Zusammenhänge herzustellen. Das führt nur zu seelischem Elend. Wer eine Fernsehwand auseinandernehmen und wieder zusammensetzen kann – und wer kann es heute nicht? –, der ist glücklicher als wer das Weltall ausmessen und auf eine Formel bringen will, was sich nun einmal nicht tun läßt, ohne daß der Mensch dabei unmenschlich vereinsamt. Ich weiß Bescheid, ich hab’s auch versucht, zum Teufel damit. Her mit den Vereinen und Verbänden, den Seiltänzern und Zauberkünstlern, den Turbinenrennwagen und Kradhubschraubern, her mit Liebesspiel und Rauschgift, kurz, mit allem, was automatische Reflexe auslöst. Wenn das Theaterstück schlecht ist, der Film schwach, das Hörspiel nichtssagend, steigere die Lautstärke. Ich bilde mir dann ein, ich hätte was von dem Stück, wo ich doch bloß vom Schall erschüttert bin. Mir ist es einerlei. Ich bin für handfeste Unterhaltung.«

Beatty stand auf. »Ich muß gehen. Der Vortrag ist zu Ende. Hoffentlich habe ich mich verständlich gemacht. Vergiß vor allem nicht, Montag, wir sind die Glückshüter, du und ich und die anderen. Wir stemmen uns gegen die wenigen, die mit ihrem widersprechenden Dichten und Denken den Leuten vor dem Glück stehen. Wir schützen den Deich. Halte durch. Laß es nicht zu, daß die Welt im Tiefsinn und Trübsal überschwemmt wird. Wir sind auf dich angewiesen. Ich glaube, du bist dir gar nicht bewußt, wie wichtig du bist, wie wichtig wir sind, um das Glück der heutigen Welt zu wahren.«

Beatty schüttelte Montag die schlaffe Hand. Montag saß immer noch da, als sei das Haus am Einstürzen, als dürfe er sich nicht bewegen. Mildred war verschwunden.

»Noch etwas«, sagte Beatty. »Mindestens einmal sticht jeden Feuerwehrmann der Hafer. Was steht eigentlich in den Büchern drin, fragt er sich. Ach, wer dieser Versuchung nachgeben könnte, wie? Nun, Montag, laß dir gesagt sein, auch ich mußte zu meiner Zeit ein paar dieser Schmöker lesen, um zu wissen, woran ich war, und es steht nichts darin! Nichts, was man annehmen oder weitergeben könnte. Sie handeln von Leuten, die es nie gab, von bloßen Hirngespinsten, sofern sie zur schönen Literatur gehören. Und die Fachliteratur ist noch ärger, da schilt ein Wissenschaftler den anderen einen Esel, und jeder sucht den anderen niederzuschreien. Alle rennen sie durcheinander, löschen die Sterne aus und verdunkeln die Sonne. Man weiß nachher weder aus noch ein.«“

 

„Er verwandte keinen Blick von dem Buch unter Montags Arm. »Es ist also doch wahr.«

Montag trat ein. Die Tür ging zu.

»Nehmen Sie Platz.« Faber bewegte sich rückwärts, als fürchte er, das Buch könnte sich verflüchtigen, wenn er es aus den Augen lasse. Hinter ihm stand die Tür zu einer Schlafkammer offen, und in dieser Kammer lag auf einem Schreibtisch ein Gewirr von Maschinenteilen und Werkzeug verstreut. Montag sah es nur flüchtig, ehe Faber, durch seinen Blick aufmerksam geworden, sich umwandte und die Tür rasch zuzog und mit der Klinke in der zittrigen Hand stehenblieb. Unsicher sah er wieder zu Montag hin, der mit dem Buch auf dem Schoß Platz genommen hatte. »Das Buch, wo haben Sie …?«

»Ich habe es entwendet.«

Zum erstenmal sah ihm Faber in die Augen. »Sie haben Mut.«

»Nein«, wehrte Montag ab. »Meine Frau lebt nicht mehr lange. Eine Freundin von mir ist bereits tot. Jemand, mit dem ich mich hätte befreunden können, wurde verbrannt, es sind keine vierundzwanzig Stunden her. Sie sind der einzige, der mir helfen kann. Zu sehen. Zu sehen …«

Faber zuckte es in den Händen. »Darf ich?«

»Ach so.« Montag reichte ihm das Buch.

»Es ist lange her. Ich bin kein religiöser Mensch. Aber es ist schon lange her.« Er wendete die Seiten und las da und dort eine Stelle. »Es ist so gut, wie ich es in der Erinnerung hatte. Du meine Güte, was hat man im Fernsehfunk daraus gemacht! Christus gehört heute zur ›Familie‹. Ich frage mich oft, ob Gott seinen eigenen Sohn wiedererkannte in der heutigen Verkleidung. Er ist nachgerade ein richtiger Zuckerstengel, lauter Süßholz und Sacharin, wenn er nicht gerade verschleierte Andeutungen macht auf gewisse Fabrikate, die jeder Gläubige zu seinem Seelenheil unbedingt braucht.« Faber steckte die Nase ins Buch. »Wissen Sie, daß Bücher nach Muskatnuß oder nach sonstwelchen fremdländischen Gewürzen riechen? Als Junge habe ich immer gern daran geschnuppert. Gott, was gab es früher schöne Bücher, ehe wir davon abkamen.« Faber blätterte weiter. »Montag, Sie haben einen Feigling vor sich. Ich habe es kommen sehen, damals, vor langer Zeit, ohne aufzubegehren. Ich bin einer der Unbelasteten, die das Wort hätten ergreifen können, als man auf die ›Schuldigen‹ längst nicht mehr hörte, aber ich habe geschwiegen und bin so selber schuldig geworden. Und als man schließlich die Bücherverbrennung einführte, um die Feuerwehr zu beschäftigen, da habe ich mich murrend damit abgefunden; damals gab es nämlich schon niemand mehr, der mitgemurrt oder gar mitgeschrien hätte. Jetzt ist es zu spät.« Faber klappte die Bibel zu. »Nun – wollen Sie mir nicht sagen, was Sie hergeführt hat?«

»Kein Mensch hört mehr auf den anderen. Mit den Wänden kann ich nicht reden, denn sie schreien mich an. Mit meiner Frau kann ich nicht reden; sie hört den Wänden zu. Ich brauche einen Zuhörer für das, was ich zu sagen habe. Wenn ich lange genug rede, kommen vielleicht Sinn und Verstand hinein. Und ich möchte von Ihnen lernen, wie man mit Verständnis liest.«

Faber musterte Montags schmales, blaubackiges Gesicht. »Wie ist denn das gekommen? Was hat Ihnen die Brandfackel aus der Hand geschlagen?«

»Ich weiß es nicht. Wir haben alles, was wir brauchen, um glücklich zu sein, aber wir sind es nicht. Etwas fehlt. Ich habe mich umgesehen. Das einzige, von dem ich mit Bestimmtheit wußte, daß es uns abhanden gekommen ist, das sind die Bücher, die ich in den letzten zehn, zwölf Jahren verbrannt habe. So kam ich auf den Gedanken, es seien vielleicht die Bücher, die uns fehlen.«

»Sie sind ein hoffnungsloser Schwärmer«, erwiderte Faber. »Es wäre komisch, wenn es nicht lebensgefährlich wäre. Was Sie brauchen, sind nicht Bücher, sondern einiges von dem, was einst in Büchern stand. Es könnte auch auf den Fernsehwänden stehen. Derselbe wache Sinn könnte sich auch durch Rundfunk und Fernsehfunk mitteilen, tut es aber nicht. Nein, nein, es sind nicht Bücher, was Sie suchen, Sie finden es ebensogut in alten Schallplatten, alten Filmen und in alten Freunden, Sie finden es in der Natur und in Ihrem Innern. Bücher sind nicht die einzigen Behälter, in die wir Dinge einlagerten, die wir zu vergessen fürchteten. An sich haben sie gar nichts Überwirkliches. Ihre Zauberkraft beruht auf dem, was darin steht, in der Art, wie darin aus Fetzen des Weltalls ein Gewand für uns genäht wurde. Natürlich konnten Sie das nicht wissen, natürlich verstehen Sie auch jetzt noch nicht, was ich damit meine. Gefühlsmäßig aber haben Sie recht, und darauf kommt es an. Es sind drei Dinge, die uns abhanden gekommen sind.

Erstens: Wissen Sie, warum Bücher wie dieses hier so wichtig sind? Weil sie Rang haben. Und was heißt das, Rang? Für mich besteht er im Gefüge eines Buches. Dieses Buch hier hat Poren. Es hat ein Gesicht, man kann es unter die Lupe nehmen und Leben in unendlicher Fülle darin entdecken. Je mehr Poren, je mehr wahrheitsgemäß festgehaltene, lebendige Einzelzüge man auf den Quadratzoll beschriebenen Papiers hinkriegt, um so mehr gehört man zur ›Literatur‹. Das ist jedenfalls meine Auffassung. Bedeutsame Einzelzüge. Frische Beobachtungen. Die guten Schriftsteller rühren oft ans Leben. Die mittelmäßigen streifen es flüchtig. Die schlechten vergewaltigen es und überlassen es den Schmeißfliegen.

Sehen Sie nun ein, warum Bücher gehaßt und gefürchtet werden? Sie zeigen das Gesicht des Lebens mit all seinen Poren. Der Spießbürger will aber nur Wachsgesichter ohne Poren, ohne Haare, ohne Ausdruck. Wir leben in einer Zeit, wo die Blumen sich von Blumen nähren wollen, statt von gutem Regen und guter schwarzer Erde. Selbst ein Feuerwerk, so hübsch es ist, stammt aus der Chemie der Erde. Und da glauben wir von Blumen und Feuerwerk leben zu können, ohne auf die Wirklichkeit zurückzukommen. Kennen Sie die Sage von Herakles und Antäus, dem riesigen Ringkämpfer, dessen Kraft unerhört war, solange er mit beiden Füßen auf der Erde stand. Erst als er von Herakles in die Luft gehoben wurde, kam er, entwurzelt, ums Leben. Wenn an dieser Sage nicht etwas ist, das uns angeht, hier und heute, dann weiß ich überhaupt nichts. Das wäre also das erste, was uns nottut. Rang, dichtgefügte Aussage.«

»Und das zweite?«

»Muße.«

»Aber wir haben doch eine Menge Freizeit.«

»Freizeit, ja. Aber Zeit, um nachzudenken? Wenn man nicht mit hundertfünfzig Stundenkilometer dahinstiebt, wobei man an nichts als an die Lebensgefahr zu denken vermag, dann treibt man irgendeinen Sport oder sitzt in seinen vier Fernsehwänden, mit denen sich schlecht streiten läßt. Warum? Das Fernsehen ist ›Wirklichkeit‹, es drängt sich auf, es hat Ausmaß. Es bleut einem ein, was man zu denken hat. Es muß ja recht haben; es hat den Schein für sich. Es reißt einen so unaufhaltsam mit, wohin immer es will, daß man gar nicht dazu kommt, gegen den traurigen Unsinn aufzubegehren.«

»Nur die ›Familie‹ gilt als ›Welt‹.«

»Wie bitte?«

»Meine Frau behauptet, Bücher hätten keine Wirklichkeit.«

»Gott sei Dank, man kann sie zumachen, kann sagen ›wart einen Augenblick‹. Man gebietet unumschränkt über sie. Wer hingegen hat sich je vom Fernsehzimmer losreißen können, wenn er einmal in seine Umklammerung geraten ist? Es macht aus einem, was ihm beliebt. Es ist eine Umwelt, so wirklich wie die Welt selber. Sie wird und ist dann wahr. Bücher können verstandesmäßig widerlegt werden, aber bei all meinem Wissen und all meiner Zweifelsucht war ich noch nie imstande, einem hundertköpfigen Symphonieorchester gegenüber zu Wort zu kommen, noch dazu in Farben mit 3-D-Raumton, und alles das in diesen unwahrscheinlichen vier Wänden. Wie Sie sehen, besteht meine Stube nur aus vier Gipswänden. Und dann das da.« Er wies zwei kleine Gummistöpsel vor. »Für meine Ohren, wenn ich mit der U-Bahn fahre.«

»Zanders Zahnpasta; Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht«, bemerkte Montag, mit geschlossenen Augen. »Wie kommen wir da je wieder heraus? Könnten uns Bücher nicht von Nutzen sein?«

»Nur wenn das dritte Erfordernis gegeben wäre. Das erste war, wie gesagt, Rang der Aussage. Das zweite, Muße, sie innerlich zu verarbeiten. Und drittens: das Recht, nach dem zu handeln, was sich uns aus dem Zusammenwirken der ersten beiden Dinge ergibt. Und ich glaube kaum, daß ein Greis und ein abtrünniger Feuerwehrmann in diesem vorgerückten Zeitpunkt noch viel ausrichten werden …« …

»Ach, es gäbe schon genügend Schauspieler, die seit Jahren in keinem Pirandello oder Shaw oder Shakespeare mehr aufgetreten sind, weil deren Stücke einen allzu wachen Sinn verraten. Wir könnten uns ihren Unmut zunutze machen. Und auch den ehrlichen Zorn der Historiker, die seit vierzig Jahren keine Zeile mehr geschrieben haben. Gewiß, wir könnten anfangen, die Leute im Denken und Lesen zu schulen.«

»Ja!«

»Aber damit würde höchstens ein Rand angeknabbert. Unsere Kulturwelt ist von innen heraus verseucht. Das ganze Gerüst muß umgeschmolzen werden. Du lieber Himmel, es gilt nicht bloß ein Buch wieder aufheben, wo man es vor einem halben Jahrhundert hingelegt hat, so einfach ist die Sache nicht. Bedenken Sie doch, daß es der Feuerwehr kaum bedarf. Die Leute haben von selber aufgehört zu lesen. Ihr von der Feuerwehr sorgt ab und zu für eine Volksbelustigung, indem ihr Häuser in Brand steckt, aber das ist nur ein Flohzirkus. Es ginge wohl auch ohne euch. Die aufrührerischen Gemüter sind so gut wie ausgestorben. Und von den wenigen, die es noch gibt, sind die meisten Duckmäuser wie ich. Können Sie besser tanzen als der Weiße Clown, lauter schreien als die Marktschreier und die Fernsehfamilien? Nur wenn Sie das können, werden Sie sich durchsetzen, Montag. Ein Narr sind Sie auf jeden Fall. Die Leute haben doch ihr Vergnügen.«“

 

 

https://www.youtube.com/watch?v=r6VUExA5UKA

 

Wolfgang M. Schmitt sagt „Es ist alles noch viel schlimmer gekommen“:

Wenn das FIFA-Regime für „Brot und Spiele", sprich für die Fußball-WM, sorgt, geht das Kino für gewöhnlich in den Sommerschlaf. Lieber schaut man nun den Comicfiguren und Transformers auf dem Rasen zu. Das ist bedauerlich, aber vielleicht nur folgerichtig. Dem Amüsierbetrieb der Kulturindustrie ist jedes Mittel recht, um die Bürger bei Laune zu halten und vom Denken abzuhalten. Welcher Film könnte also aktueller sein als Francois Truffauts Science-Fiction-Klassiker „Fahrenheit 451" aus dem Jahre 1966 nach einem Roman von Ray Bradbury. Aktuell deshalb, weil die dystopische Prophezeiung längst Realität geworden ist. Schlimmer noch, die Wirklichkeit hat die Fiktion wieder einmal überboten. Bradbury und Truffaut ahnten noch nichts von der Digitalisierung der Welt, den omnipräsenten Smartphones, den Ebooks. Immerhin den Serienhype haben beide schon vorweggenommen. Der große Mime Oskar Werner spielt einen Feuerwehrmann namens Montag, ein ungebildeter Technokrat, der im Auftrag der Regierung mit seinen Kollegen die verbliebenen Bücher verbrennt. Jedes Buch ist gefährlich. Es könnte unglücklich oder melancholisch machen, es könnte Streit oder gar Haß schüren. Verbrannt wird hier alles -- egal ob es von Nietzsche, Nabokov, Hitler oder Dickens ist. „Fahrenheit 451" zeigt uns, wie das Medium Buch zerstört wird. Heute braucht man dazu keine Flammenwerfer mehr. Heute zerstört man dieses Jahrhunderte alte und bewährte Medium mit Ebooks und der Ideologie der Digitalisierung (Open Access, Digital Humanities). Doch es geht in „Fahrenheit 451" nicht nur um das Buch als Gegenstand. Hinzu kommt die Ideologie der Gleichmacherei, die die Ansprüche und das Niveau der Hochkultur nicht mehr länger dulden will. Schließlich muß man ja ‚die Menschen dort abholen, wo sie stehen', wie demagogische Politiker und Wirtschaftsvertreter gerne behaupten. Weniger Kultur, stattdessen ruft Montags Vorgesetzter den WM-Seligen zu: „Mehr Sport für alle! Jubel, Trubel, Gemeinschaftsgefühl!". „Fahrenheit 451" ist der Film der Stunde.“

 

https://www.youtube.com/watch?v=7KAeTNbdz1o

 

Die Mars-Chroniken

 

Aus „Wikipedia“: „Auch wenn alles andere, was er geschrieben hat, verschwände, wäre Bradbury allein schon wegen der "Mars-Chroniken" eine wichtige Figur in der Geschichte der Science-Fiction. - Isaac Asimov“

Die Mars-Chroniken beschreiben eine fiktive Kolonisierung des Planeten Mars in den Jahren 1999 bis 2026. Drei Phasen können unterschieden werden: Erst kommen die Raumfahrer zu Erkundungsmissionen. Dann versuchen die ersten Pioniere Fuß zu fassen, bis der Mars soweit hergerichtet ist, dass später Außenseiter auf den Mars auswandern und Senioren dort ihren Lebensabend verbringen wollen. Schließlich veranlassen Kriegswirren auf der Erde die Marsbewohner, den Planeten zu verlassen, bis später die letzten Überlebenden eines Atomkriegs auf dem Mars Zuflucht suchen. Die Kolonisierung des Mars wird mit starken Parallelen zur Eroberung von Amerika nach der Entdeckung durch Kolumbus erzählt …

Die Mars-Chroniken machen auf Gefahren aufmerksam, die beim Zusammentreffen verschiedener Kulturen auftreten können und aufgetreten sind. Bradbury zeigt dies in seinem Buch anhand eines Extremfalles, der Konfrontation einer außerirdischen Spezies mit der menschlichen. Das Werk kann als Dystopie angesehen werden.

Jenseits der gegenständlichen Ebene weist das Werk zahlreiche allegorische und symbolische Bezüge auf und stellt letztlich die Abgründe des menschlichen Verhaltens, die Aussichtslosigkeit des Sehnens und Wollens der "Erdenbürger" in teilweise skurrilen, teilweise beklemmenden Bildern dar. Die Marsbewohner scheinen dabei eher Spiegelbilder der Menschen als eine substanziell gänzlich andere Spezies zu sein. Sie treten als selbstständig denkende Wesen wenig hervor, werden von den menschlichen Problemfiguren als Protagonisten eher an den Rand gedrängt. Der Roman ist also ein Roman über die Menschen. So verkörpert der auf dem Mars lebende Erdenmensch Hathaway, der sich nach dem Tod seiner Familie diese in Form von Robotern nachbaut, die Einsamkeit des modernen Menschen, der sich mit immer mehr Technik umgibt, dabei aber immer weniger Nähe erfährt.

Der Mars als Projektionsfläche menschlicher Ausbruchsphantasien gerät gerade zu Beginn der "Mars-Chroniken" zu einer Falle, später immer mehr zur Metapher der Ausweglosigkeit menschlicher Utopie.“

2004 bis 2005: Der Mars wird zum Reiseziel für Wohlhabende. Gesetze und Bürokratie halten Einzug.

William Stendahl ist ein Freund der fantastischen Literatur, die auf der Erde seit 1975 verboten ist. Er lässt sich auf dem Mars ein Spukschloss bauen, in dem fantastische Träume ausgelebt werden können. Doch er wartet nur auf die Behördenvertreter, die das Schloss wieder einreißen werden. Während eines Maskenballs werden alle Gegner der Meinungsfreiheit, Zensoren und Bücherverbrenner sowie der Behördenvertreter von ihm umgebracht. Das Schloss fällt daraufhin zusammen. Das Bücherverbrennen ist ein Verweis auf Ray Bradburys Roman Fahrenheit 451. Weitere Anspielungen gibt es auf Edgar Allan Poe.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Mars-Chroniken

 

Usher II

 

Gerne bringt der Wurm einige Zitate aus dem schwarz-bösen „Usher II“: „»Nachdem meine Arbeit nun getan ist«, sagte Mr. Bigelow unsicher, »möchte ich mir gern die Frage erlauben, was Sie mit all dem anfangen wollen.«

»Mit Usher? Haben Sie’s noch nicht erraten?«

»Nein.«

»Bedeutet Ihnen der Name Usher überhaupt nichts?«

»Nein.«

»Wie steht es dann mit dem Namen Edgar Allan Poe? Kennen Sie den?«

Mr. Bigelow schüttelte den Kopf.

»Natürlich.« Mit einer Mischung aus Bestürzung und Verachtung schnaubte Mr. Stendahl durch die Nase. »Wie konnte ich erwarten, daß Sie Poe kennen! Er ist schon vor langer Zeit gestorben, noch vor Lincoln. Alle seine Bücher wurden im Großen Feuer verbrannt. Das war vor dreißig Jahren – 1975.«

»Aha«, sagte Mr. Bigelow wissend. »Einer von denen

»Ja, einer von denen, Bigelow. Er und Lovecraft und Hawthorne und Ambroise Bierce und all die Schreckens- und Fantasiegeschichten – und im gleichen Aufwasch wurden auch alle Zukunftserzählungen verbrannt. Erbarmungslos. Ein neues Gesetz. Dabei fing alles so harmlos an. In den fünfziger und sechziger Jahren waren es nur Lappalien. Man begann Zensur auszuüben auf Comic Strips und dann auf Kriminalromane und natürlich auf Filme; Zensur auf diese oder jene Weise, durch diese oder jene Gruppe, Zensur nach politischer Tendenz, religiösen Vorurteilen, nach Wünschen der Gewerkschaften; es gab immer eine Minderheit, die sich vor irgend etwas fürchtete, und eine breite Mehrheit, die Angst hatte vor dem Dunklen, vor der Zukunft, vor der Vergangenheit, die auch Angst hatte vor der Gegenwart, vor sich selbst und vor ihrem eigenen Schatten.«

»Ich verstehe.«

»Man hatte Angst vor dem Wort ›Politik‹ (das, wie ich höre, mit der Zeit in gewissen reaktionären Kreisen gleichbedeutend mit Kommunismus wurde, und es war lebensgefährlich, das Wort in den Mund zu nehmen!), und es wurde hier eine Schraube angezogen und da eine Schraube angezogen, es wurde gestoßen und gezerrt, und Kunst und Literatur waren bald nur noch ein großer Karamelstrang, der zerfilzt, zu Zöpfen zerrissen, zu Knoten verschlungen und in alle Richtungen zerstreut wurde, bis er keine Spannkraft und keinen Geschmack mehr hatte. Dann standen die Filmkameras still, und die Theater wurden dunkel, und die Druckereien stießen keinen Niagarafall an Lesestoff mehr aus, sondern nur noch ein paar harmlose Tropfen ›reinen‹ Materials. Oh, das Wort ›Flucht‹ galt als radikal, kann ich Ihnen sagen.«

»Wirklich?«

»Allerdings. Jeder Mensch, so hieß es, müsse der Wirklichkeit ins Auge sehen, müsse den Augenblick bewältigen. Und was dieser Maxime nicht entsprach, mußte verschwinden. All die herrlichen Erfindungen und Fantasieflüge der Literatur waren zum Untergang verdammt. Sie wurden 1975 eines Sonntagmorgens an einer Bibliothekswand aufgereiht; der Nikolaus und der kopflose Reiter und Schneewittchen und Rumpelstilzchen und Frau Holle – oh, was war das für ein Wehklagen! –, und sie wurden alle erschossen, und die papiernen Schlösser wurden verbrannt, ebenso wie die verzauberten Frösche und alten Könige und die Leute, die glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende lebten (denn natürlich war es eine Tatsache, daß niemand glücklich und zufrieden bis an sein Lebensende lebte!), und ›Es war einmal‹ wurde zu einem ›Es wird nie mehr!‹. Und die Asche der Verzauberten Rikscha wurde zusammen mit den Trümmern aus dem Lande Oz verstreut, die gute Glinda und Ozma wurden zu Filets verarbeitet, Polychrome zerrte man in einem Spektroskop auseinander, und Jack Kürbiskopf wurde beim Biologenball mit Baiser serviert! Die große Bohnenpflanze ging unter den Hufen des Amtsschimmels zugrunde. Dornröschen erwachte vom Kusse eines Wissenschaftlers und starb an der Injektion, die er ihr gab. Und Alice mußte etwas aus einer Flasche trinken, das sie so klein machte, daß sie nicht einmal mehr ›Merkwürdig, merkwürdig‹ sagen konnte, und man zerschmetterte ihren Spiegel, womit auch das Leben des Roten Königs und der Austern ausgelöscht wurde.«

Er ballte die Fäuste. Herrgott, wie nahe ihm das ging! Er war rot angelaufen und schnappte nach Luft.

Mr. Bigelow erstaunte der lange Ausbruch. Er blinzelte und sagte schließlich: »Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Das sind alles nur nichtssagende Namen für mich. Soweit ich das beurteilen kann, war die Verbrennung doch recht sinnvoll.«

»Raus!« brüllte Stendahl. »Sie haben Ihre Arbeit getan – lassen Sie mich jetzt allein, Sie Idiot!«

Mr. Bigelow rief seine Zimmerleute zusammen und verschwand.

Mr. Stendahl stand allein vor seinem Haus.

»Hört!« sagte er zu den unsichtbaren Raketen. »Ich bin zum Mars gekommen, um euch ›sauber‹ denkenden Leuten zu entkommen, aber tagtäglich vermehren sich eure Heerscharen auch hier – wie die Fliegen, die zum verwesenden Fleisch kommen. Also werd ich’s euch zeigen. Ich erteile euch eine schöne Lektion für das, was ihr Mr. Poe auf der Erde angetan habt. Von heute an müßt ihr euch vorsehen. Das Haus Usher steht bereits!«

Und er schüttelte drohend die Faust gen Himmel ...

 

»Sie kennen den Buchstaben des Gesetzes. Es dürfen keine Bücher und Häuser hergestellt werden, die die Existenz vor Gespenstern, Vampiren, Feen oder sonstigen Fantasiegebilden vortäuschen.«

»Sie werden als nächstes auch noch Babbits Werke verbrennen!«

»Sie haben uns schon viel Kummer gemacht, Mr. Stendahl. Steht alles in den Unterlagen. Vor zwanzig Jahren auf der Erde. Sie und Ihre Bibliothek.«

»Ja, ich und meine Bibliothek. Und ein paar andere Männer wie ich. O ja, Poe ist schon seit vielen Jahren vergessen, und Oz und die anderen Wesen. Aber ich hatte mein kleines Versteck. Wir, ein paar Privatleute, hatten unsere Bibliotheken noch zur Verfügung, bis Ihre Männer mit den Flammenwerfern kamen und meine fünfzigtausend Bücher zerrissen und verbrannten. So wie Sie auch die Hexennacht vor Allerheiligen verboten und den Filmproduzenten sagten, daß sie sich an Ernest Hemingway halten müßten, wenn sie unbedingt etwas machen wollten. Himmel, wie oft ist Wem die Stunde schlägt eigentlich schon verfilmt worden! In dreißig verschiedenen Versionen hat’s das gegeben, und alle waren sie realistisch! O ja, der Realismus! Realismus über alles! Ich spucke drauf!« …

 

Stendahl wandte sich um. »Und jetzt, Pikes, versenden wir die restlichen Einladungen für heute abend. Wir werden uns herrlich amüsieren, meinen Sie nicht auch?«

»In Anbetracht der Tatsache, daß wir zwanzig Jahre darauf warten mußten – ja!«

Sieben Uhr. Stendahl sah auf die Uhr. Es war fast Zeit. Er drehte das Sherryglas in der Hand. Leise setzte er sich. Von den Eichenbalken hoch oben blinzelten Fledermäuse herab und kreischten heiser, ihre empfindlichen Metallkörper unter künstlichem Fleisch verborgen. Er hob sein Glas und prostete ihnen zu. »Auf unseren Erfolg.« Dann lehnte er sich zurück, schloß die Augen und überdachte noch einmal seinen Plan. Welch ein Hochgenuß auf seine alten Tage – die Rache an der antiseptischen Regierung für ihren literarischen Terror und Verbrennungswahn. Oh, wie die Wut und der Haß im Laufe der Jahre gewachsen waren! Wie der Plan in seinem betäubten Geist langsam Gestalt annahm bis zu jenem Tag vor drei Jahren, da er Pikes kennenlernte! …

 

Ein warmer Hauch strich über das Land. Die Gästeraketen landeten; sie verbrannten den Himmel und ließen den Herbst zu Frühling werden.

Männer in Abendkleidung verließen die Raketen, und ihre Frauen folgten ihnen, die Frisuren sorgfältig aufgetürmt.

»Das ist also Usher!«

»Aber wo ist die Tür?«

In diesem Augenblick erschien Stendahl. Die Frauen lachten und redeten durcheinander. Mr. Stendahl hob eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Er wandte sich um, blickte zu einem hohen Schloßfenster auf und rief:

»Rapunzel, Rapunzel, laß dein Haar herunter!«

Und oben lehnte sich ein wunderschönes Mädchen in den Nachtwind und ließ ihr goldenes Haar herab. Und das Haar faserte auseinander und wurde zu einer Leiter, auf der die Gäste lachend in das Haus stiegen.

Welch berühmte Soziologen! Welch kluge Psychologen! Welch außerordentlich wichtige Politiker, Bakteriologen und Neurologen! Da standen sie, eingeschlossen von dumpfen Mauern.

»Seien Sie herzlich willkommen, Sie alle!«

Mr. Tryon, Mr. Owen, Mr. Dunne, Mr. Lang, Mr. Steffen, Mr. Fletcher und zwei Dutzend mehr.

»Kommen Sie herein, kommen Sie!«

Miß Gibbs, Miß Pope, Miß Churchill, Miß Blunt, Miß Drummond und zahlreiche andere Frauen in strahlender Aufmachung.

Wichtige, sehr wichtige Leute waren das, Mitglieder der Gesellschaft zur Verbannung fantastischer Literatur, Befürworter des Verbots von Hexennacht und Guy-Fawkes-Tag, Fledermausmörder, Bücherverbrenner, Stützen der Moral; gute, saubere Bürger, sie alle – Bürger, die gewartet hatten, bis die letzten toten Marsianer fortgeräumt und begraben waren, bis die Städte erbaut und die Landstraßen repariert und alles sicher gemacht worden war. Dann erst, nachdem ein großes Maß an Sicherheit erreicht war, kamen die Spielverderber, die Menschen mit Quecksilber in den Adern und jodfarbenen Augen; sie kamen, um ihre Moralprinzipien zu verfechten und jedermann ihre Vorstellung des Guten aufzudrängen. Und sie waren seine Freunde! Ja, umsichtig hatte er jede dieser Persönlichkeiten im letzten Jahr auf der Erde kennengelernt und sich zum Freund gemacht!

»Willkommen in den Landen des Todes!« rief er.

»Hallo, Stendahl, was soll das alles?«

»Sie werden sehen. Ziehen Sie sich um. Sie finden die Kabinen hier drüben. Ziehen Sie die Kostüme an, die darin auf Sie warten. Männer auf dieser Seite, Frauen auf der anderen.«

Die Leute sahen sich unsicher an.

»Ich weiß nicht, ob wir bleiben sollen«, sagte Miß Pope. »Das alles gefällt mir nicht. Es ist fast wie – Blasphemie.«

»Unsinn – ein Kostümball

»Kommt mir trotzdem unrecht vor.« Mr. Steffens rümpfte die Nase.

»Nun stellen Sie sich nicht so an!« Stendahl lachte. »Vergnügen Sie sich! Morgen ist alles vorbei. Gehen Sie in die Kabinen!«

Das Haus sprühte vor Farbe und Leben; Harlekine rannten hin und her mit ihren Schellenkappen, und weiße Mäuse tanzten winzige Quadrillen zur Musik von Zwergen, die mit ihren winzigen Bögen über winzige Geigen strichen, und Flaggen flatterten an verkohlten Balken, während dunkle Wolken von Fledermäusen vor gähnenden Öffnungen schwebten, aus denen Wein hervorströmte – kühler, köstlicher, schäumender Wein. Ein Bach zog sich durch die sieben Räume des Maskenballs. Man nippte daran und stellte fest, daß er aus Sherry war. Die Gäste strömten aus den Kabinen, in ein anderes Zeitalter versetzt, die Gesichter hinter Dominos verborgen, wobei schon das Aufsetzen der Maske ihnen das Recht nahm, mit Fantastik und Horror zu hadern. Die Frauen schwebten in roten Kleidern durch die Räume und lachten, die Männer tanzten formvollendet. Und an den Wänden lauerten Schatten, deren Ursprung nicht zu erkennen war, und hier und dort hingen Spiegel, in denen sich nichts spiegelte. »Vampire, wir alle!« lachte Mr. Fletcher. »Tot!« …

 

Jetzt ertönte Trampeln und Klopfen und Schreien aus der dunkler werdenden Zelle. Die Reihen der Steine stiegen höher. »Mehr Rasseln bitte«, sagte Stendahl. »Wir wollen die Sache doch möglichst echt machen.«

»Lassen Sie mich raus, lassen Sie mich raus!«

Eine letzte Lücke klaffte offen. Das Schreien hörte nicht auf.

»Garrett?« rief Stendahl leise. Garrett wurde still. »Garrett«, sagte Stendahl. »Wissen Sie, warum ich Ihnen das antue? Weil Sie Mr. Poes Bücher verbrannt haben, ohne sie wirklich gelesen zu haben. Sie haben sich mit dem Hinweis anderer Leute begnügt, daß sie verbrannt werden müßten. Denn wenn Sie sie gelesen hätten, wäre Ihnen beim Betreten der Zelle sofort klar gewesen, was ich mit Ihnen vorhatte. Unkenntnis ist verhängnisvoll, Mr. Garrett.«

Garrett schwieg.

»Ich möchte die Sache aber ganz perfekt machen«, sagte Stendahl und hielt seine Laterne hoch, deren Licht auf die zusammengesunkene Gestalt fiel. »Läuten Sie leise mit Ihren Schellen.« Die Glocken bimmelten. »Und wenn Sie jetzt bitte sagen würden: ›Um Gottes willen, Montresor‹, dann lasse ich Sie vielleicht raus.«

Der Mann hob das Gesicht ins Licht. Er zögerte. Dann sagte er mit verzerrtem Gesicht: »Um Gottes willen, Montresor.«

»Aah«, sagte Stendahl mit geschlossenen Augen. Er schob den letzten Stein an seinen Platz und mauerte ihn fest.

»Requiescat in pace, lieber Freund.«

Hastig verließ er die Katakomben.

In den sieben Räumen ließ der mitternächtliche Schlag einer Uhr jede Bewegung erstarren.

Der rote Tod züngelte auf.

Stendahl wandte sich in der Tür um und schaute noch einen Augenblick zu. Dann verließ er im Laufschritt das große Haus und rannte über den Graben zu einem wartenden Hubschrauber.

»Fertig, Pikes?«

»Fertig!«

»Da sinkt es hin!«

Lächelnd schauten sie auf das große Haus hinab. Wie von einem Erdbeben geschüttelt, begann es sich in der Mitte zu teilen, und während Stendahl das großartige Schauspiel verfolgte, hörte er Pikes hinter sich mit leiser Stimme aufsagen:

»›…mir schwindelte der Kopf, als die Mauern wie Vorhänge auseinander flogen – da erscholl ein langes tumultartiges Gegröl, wie die Stimmen von tausend Wassern – und der unergründliche klamme Pfuhl zu meinen Füßen schloß sich mürrisch und schweigend über den Trümmern des Hauses Usher‹.«

Der Hubschrauber stieg über dem dampfenden See auf und flog nach Westen.“

 

Der illustrierte Mann

 

Aus „Wikipedia“: „Der Roman Der illustrierte Mann ist eine Sammlung von 18 Erzählungen des amerikanischen Schriftstellers Ray Bradbury, die durch eine nicht sehr umfangreich ausgearbeitete Rahmenhandlung, bestehend aus einem Prolog, wenigen Zwischenpassagen und einem kurzen Epilog, erzählerisch nur lose verbunden sind. Der Band gilt als Höhepunkt im Werk des Autors sowie als Meilenstein innerhalb der Science Fiction, da sich hier exemplarisch die Abkehr von der technisch-wissenschaftlich orientierten Beschreibung und die Hinwendung zur poetischen Science-Fiction-Literatur zeigt.“

Die Lieblings-Geschichte des Wurms ist „Das Kinderzimmer“: „In der Zukunft gibt es vollautomatische Häuser, die den Bewohnern jede Arbeit abnehmen. In einer Familie mit zwei Kindern fühlen sich die Eltern allmählich überflüssig und möchten wieder selbst etwas tun und Urlaub von der Bequemlichkeit machen. Nicht so ihre Kinder, die hier ein Kinderzimmer haben, das aus telepathischen Gedankenströmen Wirklichkeit macht. Dieses Zimmer ist ihnen wichtiger als ihre Eltern, und als diese Verschiedenes verbieten, was die verwöhnten Kinder gerne möchten, entsteht bei diesen Hass. Sie lassen in ihrem Zimmer eine lebensechte afrikanische Steppe entstehen, und als die Eltern den Urlaub antreten wollen und das ganze Haus abzuschalten beginnen, locken die Kinder sie in das Zimmer, wo sie von Löwen gefressen werden.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Der_illustrierte_Mann

Im Original liest es sich deutlich interessanter, als es die Inhaltsangabe vermuten lässt:

https://kostenloslesen.com/buch/der-illustrierte-mann/seite-1/

Inspiriert von dieser Geschichte haben die Bewohner des Erdreichs ein „Afrikanisches Zimmer“ eingerichtet, in das sie unliebsame Menschen stecken. Allerdings rennen die Löwen nur gemächlich hinter diesen her und zwicken sie allenfalls in den Arsch.

 

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

 

Aus „Wikipedia“: „Der Roman handelt von Freundschaft, dem Verhältnis von Vater zu Sohn, den Sehnsüchten junger Leute, älter zu werden, und alter Menschen, wieder jung zu sein.

Die beiden dreizehnjährigen Nachbarkinder und Freunde, Jim und Will, beobachten, wie tief in der Nacht ein Jahrmarkt auf den Wiesen unweit ihrer Stadt seine Zelte aufschlägt. Die Zirkusdirektoren Cooger und Dark sowie die vielen unheimlichen Akrobaten ziehen die Jungen in ihren Bann. Dark wird Illustrierter Mann genannt und trägt auf seinem ganzen Körper Tätowierungen, die ein Eigenleben entwickeln können. Mit ihnen hält das Böse langsam Einzug in die Stadt.

Die Jungen finden heraus, dass das Karussell das Alter der Menschen verändern kann. Pro Umdrehung vor oder zurück, steigt oder fällt das Lebensalter um ein Jahr. Das betrifft jedoch nur das körperliche Alter, geistig ändert sich nichts. Jim ist von der Möglichkeit, älter zu werden, ebenso fasziniert wie Wills 54-jähriger Vater Charles, der jünger werden möchte, weil er seinen jungen Jahren nachtrauert.

Viele Menschen erliegen der Versuchung des Karussells. Sie zahlen aber einen hohen Preis, da der Jahrmarkt sie mit veränderter Persönlichkeit als Akrobaten gefangen hält und mit sich schleppt.

Auch Jim und Wills Vater Charles kämpfen mit ihren Sehnsüchten nach einem anderen Alter und mit der Versuchung durch Zirkusdirektor Dark, das Karussell zu besteigen. Es zeigt sich, dass die vielen belebten Tätowierungen auf dessen Haut den armen manipulierbaren Seelen der Akrobaten entsprechen.

Dark und seine Akrobaten schnappen Jim und Will und wollen beide zu Gefolgsleuten machen. Wills Vater macht Dark allerdings einen Strich durch die Rechnung, indem er zunächst mehr mit sich selbst als mit Dark kämpft. Seine Waffen sind Fröhlichkeit und Lachen. Außerdem kommt er in der Auseinandersetzung mit der Versuchung durch das Karussell mit sich selbst und seinem Alter ins Reine.

Charles tötet schließlich Dark. Die Akrobaten ziehen erlöst in alle Himmelsrichtungen davon. Der Jahrmarkt löst sich auf. Jim und Will sind ein gutes Stück selbstbewusster und erwachsener geworden.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Das_B%C3%B6se_kommt_auf_leisen_Sohlen_(Roman)

Die für den Wurm besten Sätze lauten: „Das Böse hat nur so viel Macht, wie wir ihm zugestehen. Ich gestehe dir nichts zu. Nichts. Ich nehme mir die Macht zurück.“

 

Zen in der Kunst des Schreibens

 

Petra Hildebrandt: „In diesem erstmals 1990 erschienenen Bändchen sind verschiedene Essays von Ray Bradbury über das Thema Schreiben und seine eigenen Erfahrungen aus einem Jahrzehnte umfassenden Schriftstellerleben versammelt. Auf dem Titel ist zu lesen: "Ideen finden durch Assoziation" - "Schreiben wie im Fieber" - "Das kreative Denken befreien". Das Buch enthält von all dem in der Tat ein bißchen - und noch viel mehr.

Ray Bradbury schildert seine ganz individuelle Sicht auf das Schreiben, die sich fundamental von der anderer Schreib-Lehrer unterscheidet - nicht tägliche Mühsal und Qual ist ihm das Schreiben, sondern eine Methode, seine geistige Gesundheit zu erhalten, voll Leidenschaft zu leben. Für ihn ist Leben automatisch auch schreiben, und er berichtet, wie er zur Schreibmaschine rennt, wenn ihm eine Idee kommt. Eine Idee, das ist nach Bradbury nichts, das einen so überfällt, sondern oft nur der letzte Funke, der einen sorgsam im Unterbewußten angesammelten und aufgeschichteten Stapel kreatives Holz zur Entzündung bringt und in wilden Flammen auflodern lässt.

Die Essays sind sehr persönlich und transportieren oft in ihren autobiographischen Inhalten nützliche Kniffe und Tipps eines alten Hasen der Literatur. Natürlich braucht man auch das Quäntchen Glück, das Bradbury hatte, um so erfolgreich zu sein wie er. Um aber aus dem tiefsten Inneren heraus zu schreiben, muß man nicht einmal weit gereist sein, man muß nur beobachten können und dem Wahrgenommenen Zeit geben, zu reifen, bis es schließlich an die Oberfläche des Geistes dringt und geschrieben werden will. Zur Anregung des Geistes empfiehlt der Autor der 'Mars-Chroniken' - man mag es kaum glauben - klassische Lyrik!

Leichtfüßig und locker lesen sich die kurzen Kapitel, die sich mit so grundlegenden Fragen wie dem Festhalten einer Muse, aber auch mit dem Jahrmarkt und seinen Wundern aus der Sicht eines Kindes oder eines Autors fantastischer Geschichten darbieten. Tipps zur Ideenfindung und zur Förderung der Kreativität gehen Hand in Hand mit einer Erzählung von dem "bösen Ding auf dem Treppenabsatz", das den Autor jahrzehntelang verfolgt hat... bis er es schließlich in einer Kurzgeschichte einfangen kann.

Bradburys Essays sind ein unterhaltsamer Zeitvertreib, ein Stück SciFi-Geschichte und gleichzeitig eine ganz unaufdringlich wirkende Anleitung zu wahrhaft kreativem Schreiben - großartig geschrieben und inspirierend.“

http://rezensionen.literaturwelt.de/content/buch/b/t_bradbury_ray_zen_in_der_kunst_des_schreibens_pehi_15456.html

Aus dem Vorwort: „Noch immer staune ich hin und wieder darüber, dass ich schon als Neunjähriger in der Lage war, die Falle als solche zu erkennen und ihr zu entgehen.

Wie kann es sein, dass der Junge, der ich im Oktober 1929 war, wegen der boshaften Bemerkungen seiner Schulkameraden seine Buck-Rogers-Comics zerriss, um einen Monat später seine Freunde als Idioten zu bezeichnen und sich wieder ganz dem Sammeln von Comics zu widmen?

Woher kam dieses Urteilsvermögen, diese Stärke? Welche Erkenntnis hatte mich schließlich dazu gebracht, einzusehen, dass mein Leben wie es danach war, mir nichts mehr bedeutete? Ich fragte mich: Was bringt mich um? Woran leide ich? Was ist das Heilmittel?

Offensichtlich war ich in der Lage, diese Fragen zu beantworten. Ich konnte die Krankheit benennen: das Zerfetzen meiner Comics. Ich fand ein Heilmittel: weitersammeln. Um jeden Preis.

Ich tat es. Und wurde gesund.

Dennoch. In diesem Alter? In einem Alter, in dem es nichts Wichtigeres gibt, als sich dem Gruppenzwang zu beugen?

Woher nahm ich den Mut, mich aufzulehnen, mein Leben zu ändern, mich zu isolieren?

Ich will die Bedeutung dieser Geschichte nicht überschätzen, aber verdammt!, ich liebe diesen Neunjährigen, wer zum Teufel er auch gewesen sein mag. Ohne ihn gäbe es die Person, die das Vorwort zu diesen Essays schreibt, nicht …

Schrei! Lauf! Spiel! Übertrumpfe diese Dreckskerle. Sie werden niemals das Leben führen, das du führst. Tu es!

Na ja, Dreckskerle habe ich natürlich nicht gesagt. Solche Ausdrücke waren verboten. „Mist“ kommt der Kraft und Wirkung meines damaligen Aufschreis näher. Bleib am Leben!

Ich sammelte also Comics, verliebte mich in Rummelplätze und Weltausstellungen und begann zu schreiben.“

 

 

Ich bin Philanthrop, Demokrat und Atheist. Rupert Regenwurm