Oh, It Can Speak

Wir Regenwürmer sind begeisterte Fußballanhänger, die sich gerne mal ein Fußballspiel auf dem Rasen ansehen. Allerdings übertreiben es manche von uns doch ein wenig in ihrer Eigenschaft als Schlachtenbummler, indem sie manchmal für unbespielbare Plätze sorgen.

Immerhin haben sich unsere Freunde in Schweden bei der Europameisterschaft im Frauenfußball zurückgehalten und wir haben hier vor dem Fernseher unsere Freude an den Spielen gehabt. Nachdem wir beim Männerfußball schon einiges an Gegurke miterleben mussten, spielten die Nationalmenschschaften der Frauen auf richtig hohem Niveau. Selbst die Skeptiker unter uns waren zufrieden.

Wurm und mensch kann ja durchaus skeptisch sein und sich fragen, ob bei Frauen ein Fußballspiel auf hohem Niveau raus kommen kann und sich dann eines Besseren belehren lassen. Etwas anderes ist es, den Frauen das Fußballspielen verbieten zu wollen. Um mal Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Frauenfu%C3%9Fball zu zitieren:

„1955 beschloss der DFB auf seinem Verbandstag, das Fußballspielen mit Damenmannschaften zu unterbinden. Er verbot den ihm angeschlossenen Vereinen, Frauenabteilungen zu gründen oder Sportstätten zur Verfügung zu stellen. Als Begründung für das Verbot hieß es in der entsprechenden Erklärung des DFB unter anderem: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“ Trotzdem spielten Frauen weiterhin in eigenen Vereinen oder als Abteilungen von Vereinen, die nicht dem DFB unterstanden, wie beispielsweise die Frauen-Fußballabteilung der Frankfurter Schützengemeinschaft Oberst Schiel.“

 

Erst seit 1970 dürfen die Frauen unter dem Dach des Deutschen Fußballbundes Fußball spielen. Und wurden erst mal überhaupt nicht ernst genommen. Hier ein Beitrag aus dem „Aktuellen Sportstudio“ aus dem Jahre 1970: www.youtube.com/watch?v=0e0eUJYkHQA

Möglicherweise wären Wim Thoelke die launigen Sprüche heute peinlich. Auf jeden Fall würde er sich das heute nicht mehr trauen.

Um weiter aus Wikipedia zu zitieren:

„Am 31. Oktober 1970 hob der DFB auf seinem Verbandstag in Travemünde das Frauenfußballverbot wieder auf. Es gab jedoch einige Auflagen: So mussten die Frauenteams wegen ihrer „schwächeren Natur“ eine halbjährige Winterpause einhalten, Stollenschuhe waren verboten und die Bälle waren kleiner und leichter. Das Spiel selbst dauerte nur 70 Minuten. Später wurde die Spielzeit auf 80 Minuten erhöht. Seit 1993 gilt auch bei den Frauen die Spielzeit von zweimal 45 Minuten. Schnell bildeten sich erste Ligen auf lokaler Ebene.
Im November 1971 empfahl die UEFA, den Frauenfußball wieder aufzunehmen. Man befürchtete, die Frauen würden sich abspalten und das nicht ohne Grund.“

Anders ausgedrückt: Frauen dürfen nicht deshalb in den offiziellen Institutionen Fußball spielen, weil es „logisch“ ist oder weil es „an der Zeit“ war, sondern weil sie sich das Recht dazu erkämpft haben.

Mittlerweile ist das Recht für Frauen, Fußball spielen zu dürfen, so selbstverständlich, wie alle anderen Frauenrechte auch. Bei uns im Erdreich haben alle die gleichen Rechte und deshalb sind wir immer noch völlig fassungslos, dass das bei den angeblich so intelligenten Menschen nicht so ist. Besonders erstaunt über das Verhältnis der Geschlechter zueinander ist Eleonore Eidechs, die wissenschaftliche Forschungen zu diesem Thema betreibt, uns Vorträge dazu hält und schon bei „Rosa stinkt“ beratend tätig war:

http://www.edwin-grub-media.de/ansichten-eines-regenwurms/18-rosa-stinkt.html

 

Und hier kommen laut Eleonore Eidechs ein paar Rechte, die sich die Frauen in den letzten Jahrzehnten erkämpft haben und die sie aus Wikipedia zitiert:

„Vielfach vergessen wird heute, dass auch in der Bundesrepublik Deutschland laut BGB bis 1977 Frauen ihre Ehemänner um Erlaubnis fragen mussten, wenn sie einer beruflichen Tätigkeit nachgehen wollten. Bis 1958 konnte ein Ehemann das Dienstverhältnis seiner Frau fristlos kündigen. In Bayern mussten Lehrerinnen noch in den 1950er Jahren im Sinne des Lehrerinnenzölibats ihren Beruf aufgeben, wenn sie heirateten. Und erst mit dem Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das am 3. Mai 1957 verabschiedet wurde und am 1. Juli 1958 in Kraft trat, hatte der Mann nicht mehr das Letztentscheidungsrecht in allen Eheangelegenheiten, und die Zugewinngemeinschaft wurde zum gesetzlichen Güterstand. Bis dahin verwaltete der Mann das von seiner Frau in die Ehe eingebrachte Vermögen und verfügte allein über die daraus erwachsenen Zinsen und auch über das Geld aus einer Erwerbstätigkeit der Ehefrau. In diesem Gesetz von 1957/58 wurden auch zum ersten Mal die väterlichen Vorrechte bei der Kindererziehung eingeschränkt und erst 1979 vollständig beseitigt. Erst seit 1977 gibt es keine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung mehr in der Ehe.“

http://de.wikipedia.org/wiki/Frauenrechte und
http://de.wikipedia.org/wiki/Gleichberechtigung

Daneben gibt es noch „kleinere“ erkämpfte Fortschritte. Eleonore Eidechs nennt uns Folgende: Seit den 1970ern dürfen Frauen bei Bewerbungen nicht ausgeschlossen sein (war bis dahin vor allem in Handwerksberufen üblich), seit spätestens 1990 dürfen Frauen bei der „richtigen“ Polizei tätig sein und seit 2001 bei der Bundeswehr. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Änderung des Namensrechtes aus dem Jahr 1991: Frauen dürfen seitdem bei Heirat ihren bisherigen Namen behalten. Hier zwei Links dazu:

http://www.merkur-online.de/aktuelles/politik/charmante-seite-polizei-frauen-mm-653083.html
http://www.emma.de/ressorts/artikel/gesetzgebung/ehefrauen-duerfen-ihren-namen-behalten/

 

Der etwas sarkastische Satz „Oh, it can speak“ stammt übrigens von Hillary Clinton: Nachdem ihr Mann Gouverneur von Arkansas wurde, war sie bei offiziellen Anlässen mit dabei und sagte ab und zu mal was. Sehr zum Erstaunen der anwesenden Männer, die sich darüber wunderten, dass eine Frau selbstbewusst und intelligent sein konnte und deshalb ernst zu nehmen war.

Zurück zum Frauenfußball: Im Halbfinale der Europameisterschaft standen neben Deutschland drei skandinavische Menschschaften. Von der Bevölkerungszahl her kleine Länder, aber dennoch nicht überraschend: Die skandinavischen Frauen sind die selbstbewusstesten in ganz Europa. Das hat auch mit dem in Skandinavien vorherrschenden Menschenbild zu tun: Keimzelle des Staates ist nicht die Familie (wie in Deutschland), sondern das Individuum. Folge davon ist die neben Frankreich höchste Geburtenrate Europas: Die skandinavischen Frauen bekommen im Schnitt 1,9 Kinder pro Frau, während in Deutschland die Zahl 1,4 Kinder pro Frau beträgt. Neben wirtschaftlichen Gründen (die wirtschaftlichen Daten sind deutlich besser, der Staat sorgt für soziale Sicherheit, entsprechende Kinderbetreuung und gibt deutlich mehr Geld für die Bildung aus) geht das Selbstbewusstsein der Frauen einher: Mehr als die Hälfte der Geburten geschieht in „nicht-klassischen Familien“. Anders ausgedrückt: Die meisten Frauen sind aus wirtschaftlichen Gründen nicht auf einen Mann angewiesen und erziehen ihre Kinder mit Hilfe des Staates alleine.

http://www.zeit.de/2006/27/Demografie-4

 

Ein Wurm darf es ja sagen: Trotz der Erfolge im Frauenfußball und der Errungenschaften im Verhältnis der Geschlechter – Deutschland ist gesellschaftspolitisch immer noch ein Land der Hinterwäldler.