Im Erdreich ist manchmal so ein Gewimmel und Gewusel, dass wurm sich manchmal wünscht, etwas mehr Ruhe zu haben. Etwa da, wo Tausendfüßler und Borkenkäfer sich „Gute Nacht“ sagen. Oder noch besser an einem Ort, an dem es noch nicht mal solche Viecher gibt. Da, wo ein Wurm noch ein Wurm ist und zu Hause erzählen kann, dass er dort gewesen ist: am Mount Everest.
Nun hört wurm, dass es genau dort zu einer Schlägerei zwischen Sherpas und Bergsteigern gekommen ist. Eigentlich nicht erwähnenswert. Das war ungefähr so, wie wenn in hiesigen Breiten die Autobahn gesperrt wird, die Bauarbeiter bei der Arbeit sind und plötzlich Motorradfahrer auftauchen, die sich nicht um die Absperrungen kümmern und munter zwischen den Arbeitern durchfahren. Für die Arbeiter besteht zwar keine Gefahr, aber sie regen sich auf und bringen das zum Ausdruck. Darüber regen sich die Motorradfahrer auf und es kommt zu hitzigen Wortgefechten. Später kommt der ganze Bauarbeiter-Trupp zum Lager der Motorradfahrer und vermöbelt die mal so richtig. Zurück zum Mount Everest. Alle sind zufrieden. Die Sherpas haben den Bergsteigern Respekt beigebracht und die Bergsteiger können das jetzt überall rum erzählen, was ja gut fürs Geschäft ist.
Ungewöhnlich ist das Verhalten der Sherpas. Sherpa ist der Name eines Volkes, das im Himalaya lebt. Da sie gerne gegen Geld Trägerarbeiten durchführen (manche auch nicht so gerne), werden Träger von der bezahlenden Herrenrasse nicht als Träger bezeichnet, sondern als Sherpas. Seitdem die politisch Korrekten ihr Unwesen treiben, darf man ja nicht mehr das Wort „Neger“ für Untertanen verwenden. Rein von der Hautfarbe her wäre das auch unpassend gewesen. So ein Sherpa ist seinem Herren eine unverzichtbare Hilfe, dass er einen Berg rauf marschieren, von dort runter gucken und wieder runter marschieren kann. Mag sich der Sherpa auch noch so sehr darüber wundern, muss er untertänig sein, muss er sein Leben dafür riskieren, aber er bekommt sehr viel mehr Geld als ohne diese Tätigkeit. Auch, wenn der Bezahler sich nicht für ihn interessiert. Denkt, er würde hinter dem Berg leben und behandelt ihn auch so. Sherpa ärgert sich, schluckt aber alles. Und wird als besonders friedfertig gepriesen. Als Regenwurm (der ja auch nicht geachtet und dessen wertvolle Tätigkeit auch nicht gebührend gewürdigt wird) ist es eine Freude zu hören, dass sich diese Sherpas mal wehren und freche Bergsteiger mal eine aufs Maul kriegen.
Aber aus ist’s mit der wahren Bergeinsamkeit. Wie zu hören ist, steigen in der Saison im April/Mai mittlerweile Hunderte von Leuten (die Sherpas, die die Strecke vorbereiten und absichern und alles tragen sind da gar nicht mit gezählt) den Mount Everest hinauf. Aus der Traum! Der Eine sonnt sich auf Mallorca, der Andere auf den Gipfeln des Himalaya. Rupert Regenwurm auf dem Mount Everest – vor 50 Jahren wäre das noch was gewesen. Heutzutage ist zu befürchten, dass wurm vom eigenen Nachbarn dort oben umgerannt wird. Dann doch lieber gemütlich weiter die Erde umgraben.
http://www.bernerzeitung.ch/region/thun/Augenzeugen-schildern-die-EverestPruegelei/story/21127080